entblättert

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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noel
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Beitragvon noel » 30.08.2009, 17:20

noch eben irden,
staub vereint,
boet jetzt der wind
mit kalter hand
& tau trägt er
bis mittag hin,
auf kelche die entblättert sind.
das laub das tanzt
ganz sonnensatt
& spinnen weben seidenpracht
altweiberfein in sonnen
_schein, bis schatten sich
dem saum der nacht ergeben.
NOEL = Eine Dosis knapp unterhalb der Toxizität, ohne erkennbare Nebenwirkung (NOEL - no observable effect level).

Wir sind alle Meister/innen der Selektion und der konstruktiven Hoffnung, die man allgemein die WAHRHEIT nennt ©noel

Peter

Beitragvon Peter » 31.08.2009, 12:05

Liebe noel,

mir hebt sich das Gedicht immer weiter hervor, je öfter / je mehr ich es lese. Es wird habhaft "jenseits seiner selbst". (Ich weiß es nicht besser zu sagen.) Für mich eigentlich ein romatisches Gedicht bzw. will es mich sehr an Novalis erinnern, bei dem ich auch diese "Jenseits-der-Sprache-Erhebungen" lese; so ja auch hier der Gehalt doch sinkt, oder das Inhaltliche oder die Beschreibung, aber der Ton doch steigt. Ich liebe diese Sprachorte sehr, die eigentlich nicht sind, und doch auftauchen.

Wenn es nicht zu weit geht: Irgendwie kommt mir das meisterlich vor. Vielleicht, weil es so leichte "Werkzeuge" in sich trägt. Diese Werkzeuge sind vielfach geübt, ihr Ort oder ihr Tun ist eigentlich woanders; irgendwie weiß das Gedicht, dass man doch so gereimt / versöhnt / ergeben nicht mehr schreiben darf / kann; und doch begibt es sich, und begeben sich die Werkzeuge, noch einmal dorthin ... in ein Dort ...

So weich beschwungen, und ganz echter Flügel darin, hab ich selten was von dir gelesen, noel;-)

Mit lieben Grüßen,
Peter

Mucki
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Beitragvon Mucki » 31.08.2009, 12:52

Hola noel,

Peter beschreibt genau das, was ich auch empfinde beim Lesen deines Gedichtes. Es enthält beim Lautlesen eine wunderbare Melodie, so leicht, so stimmig alles.
Und es ist, glaube ich, der erste Text von dir, der nicht kryptisch á la noel geschrieben ist mit Zahlen in den Worten etc. So entsteht dieser schöne Fluss, diese Geschmeidige darin.

Saludos
Mucki

african queen

Beitragvon african queen » 31.08.2009, 14:00

hallo noel,
gefällt mir ausgezeichnet, eigen, aber nicht zu verschlüßelt, eine steigerung finde ich....
mir gefallen auch andere Texte von dir gut, aber dieser hier besonders, noel-worte eben....

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leonie
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Beitragvon leonie » 31.08.2009, 21:28

Liebe noel, lieber Peter,

ich finde, es ist als ob das Gedicht sich in Deinem Kommentar, Peter, noch einmal spiegelt wie in einem See, bei dem die Oberfläche fast glatt ist. Es entsteht so ein Spätsommerbild, bei dem man auf die Idee kommen könnte, man dürfe einen Augenblick lang etwas tiefer sehen, als man eigentlich sehen kann...

Oder so ähnlich.

Ich habe das sehr genossen, beides zu lesen!

Liebe Grüße

leonie

Peter

Beitragvon Peter » 01.09.2009, 15:39

Merci Leonie!

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noel
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Beitragvon noel » 01.09.2009, 16:47

ich habe lange gebraucht, um eure worte zu verdauen. sie sind --- wie sag ich es--- balsam & schmerz in einem.
die wortmelodie ist mir in die wiege gelegt (danke mamman)
aber ich kämpfte & kämpfe immer gegen die zu gefällige wortfolge an, denn dann & wann kann sie ein allzu schnelles lesen zeugen.
das ist mir ein graus, wenn ich in zu luftiger leichtigkeit worte verwende, die am ende nichts weiter sind, als eine der vielen blasen, die uns umgeben.
wir werden durch werbung, zeitung, internet, fernsehen, radio zugetextet & bei der fülle neigt man gerne zum un(ter)bewussten rezipieren.

Peter hat geschrieben:Liebe noel,

mir hebt sich das Gedicht immer weiter hervor, je öfter / je mehr ich es lese. Es wird habhaft "jenseits seiner selbst". (Ich weiß es nicht besser zu sagen.) Für mich eigentlich ein romatisches Gedicht bzw. will es mich sehr an Novalis erinnern, bei dem ich auch diese "Jenseits-der-Sprache-Erhebungen" lese; so ja auch hier der Gehalt doch sinkt, oder das Inhaltliche oder die Beschreibung, aber der Ton doch steigt. Ich liebe diese Sprachorte sehr, die eigentlich nicht sind, und doch auftauchen.

Wenn es nicht zu weit geht: Irgendwie kommt mir das meisterlich vor. Vielleicht, weil es so leichte "Werkzeuge" in sich trägt. Diese Werkzeuge sind vielfach geübt, ihr Ort oder ihr Tun ist eigentlich woanders; irgendwie weiß das Gedicht, dass man doch so gereimt / versöhnt / ergeben nicht mehr schreiben darf / kann; und doch begibt es sich, und begeben sich die Werkzeuge, noch einmal dorthin ... in ein Dort ...

So weich beschwungen, und ganz echter Flügel darin, hab ich selten was von dir gelesen, noel;-)

Mit lieben Grüßen,
Peter


danke peter, danke, dass es eben & vielleicht doch nicht zu seicht einhergeht.

werte gabriela *knicks

leonie... ja beides

QUEEN, dir danke ich besonders dafür, dass auch meine "anstrengenderen" texte, dich berühren können. das
ist mir sehr viel wert.
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Trixie

Beitragvon Trixie » 01.09.2009, 17:14

das schön...
liebe noel
das ist wirklich
einfach nur schön.
ich habe gerade einen dieser emotionalen momente, weil ich etwas erfahren habe und dann höre ich diese schöne musik, die mich ein bisschen in selbstmitleid zerfließen lässt und dann möchte ich mich ablenken und gucke im salon
und lese das hier
und all die emotionen kommen völlig irrational wieder hoch und ja, tatsächlich, es rührt mich zu tränen.
es ist, als würde der wind ein geheimnis im rascheln der blätter verstecken und du gibst mir die möglichkeit, dieses ein wenig zu entschlüsseln und mit einem nicken dazusitzen, weil man etwas versteht, das unter die haut und nicht in den kopf geht.

das ist hervorragend, noel... danke für die "ablenkung".

liebe grüße
trixie

Mucki
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Beitragvon Mucki » 01.09.2009, 17:19

Hola noel,

deine kryptischen Texte berühren mich durchaus. Nur dauert der Vorgang des Berührens länger, er wird hinausgezögert, geht sozusagen schichtenweise vor, was ja einen besonderen Reiz darstellt, da man viel tiefer in deine Texte vordringen muss.
Wichtig finde ich, dass DU so schreibst, wie es deiner ganz eigenen Sprachmelodie entspringt.

Saludos
Mucki

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noel
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Beitragvon noel » 01.09.2009, 17:27

@ trixi lass dich umarmen... ich hoffe dein schicksal sieht deine seele
& quäle dich nicht länger
umärmelung



Gabriella hat geschrieben:Hola noel,

deine kryptischen Texte berühren mich durchaus. Nur dauert der Vorgang des Berührens länger, er wird hinausgezögert, geht sozusagen schichtenweise vor, was ja einen besonderen Reiz darstellt, da man viel tiefer in deine Texte vordringen muss.
Wichtig finde ich, dass DU so schreibst, wie es deiner ganz eigenen Sprachmelodie entspringt.

Saludos
Mucki


wärst du hier, würde ich die knutschen bist du schielst
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Rosebud

Beitragvon Rosebud » 07.09.2009, 22:05

.
Zuletzt geändert von Rosebud am 26.06.2015, 18:53, insgesamt 1-mal geändert.

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noel
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Beitragvon noel » 08.09.2009, 03:55

:))
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Andreas

Beitragvon Andreas » 08.09.2009, 13:59

Liebe noel,

diese tiefe Rührung, die man aus deinen Zeilen erlebt, haben hier schon soviele angesprochen, dass ich sie nicht noch einmal anführen muss. Neben diesem starken, emotionalen Moment hatte ich eine Literaturassoziation zu Becketts "Warten auf Godot".

Der "saum der nacht" wirkte vor allem auf mich wie der Junge am Ende des Akts. Zwar schliesst du deine Zeilen mit einem Punkt, aber für mich wirken sie genauso wenig endlich wie auch Becketts Stück, das offen mündet. Auch einen Hauch von existenzialistischer Parallele fühle und sehe ich.

Es grüßt unsagbar beeindruckt
Andreas

Lydie

Beitragvon Lydie » 09.09.2009, 18:47

Hallo Noel und alle, die schon geschrieben haben, ja, ich finde auch, ein sternstundengedicht, wunderschön.

Lydie


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