Hieroglyphe

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Georg Grieg

Beitragvon Georg Grieg » 07.06.2009, 23:39

Manche sprechen von Titel und Leistung-
von Geboten und von hellem Licht,
von Schriften, vergilbenden, Himmeln und Weisung:
doch undeutbar bleibt das Ich.

Phantasien aus sandigem Stein,
bald unter Zeiten begraben-
Dinge an Sich, im Hieroglyphenschein,
die sich dem Herzen entsagen.

Die Sinne versinken entdichtet,
der Geist fällt in Schlaf und in Nacht,
was auch immer du denkst und gesichtet-
Ewiges ist nicht für Menschen gemacht.

Du bist im Strudel, im Wahne, am Zug,
blühst und verwelkst in der Welt,
immer nur Ahnen des Selbst, der Betrug
wenn dein Blick in den Spiegel fällt,

fecherst in ruhende Seen
die die Häute der Himmel tragen-
Leben, das ist ein kurzes Ersehen
und die Antwort voller Fragen.

DonKju

Beitragvon DonKju » 08.06.2009, 15:54

Hallo Georg,

ich weiß nicht so recht, hier scheint mir manches gereimt um des Reimes Willen allein, damit es denn in die Form passt - dadurch wirkt es auf mich ein wenig zu gewollt, gekünstelt und steif; aber das ist nur eine Meinung, vielleicht sehen andere das, was ich nicht sehe ...

Trotzdem 'nen lieben Gruß von Hannes

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 08.06.2009, 16:03

Hallo Georg,

das ist ein Gedicht, nehme ich jetzt einfach mal an, und kein Songtext.
Eines, das für mich in der Ferne steht, starr, im Allgemeinen bleibt, sich mit den alten und großen Fragen und „Erkenntnissen“ befasst. Ich erfahre wenig vom Ich, es bleibt mir nicht nur undeutbar, sondern gänzlich unsichtbar zwischen all den großen Worten. Es berührt mich nicht.
Ich wünschte, ich hätte Ferdis Wissen und Gespür für Reime und Versstrukturen, so kann ich nur sagen, für mein Ohr klingt es gewollt, aber nicht gekonnt. Einer alten Sprachweise oder Dichtkunst nachempfunden, die aber nicht wirklich beherrscht wird.
fecherst in ruhende Seen
die die Häute der Himmel tragen-
Leben,

Diese Zeilen hier lassen mich dann plötzlich aufhorchen, allerdings würde ich versuchen die „die die“ ;-) zu vermeiden und meinst du fächern mit „ä“? So wäre es für mich ein schönes Kurzes.

Du fächerst in ruhende Seen
die der Himmel Häute tragen
Leben.


Ich würde mich freuen von dir auch etwas freiere Texte zu lesen. Dein „vater“ Gedicht auf deiner HP bewegt sich da in eine für mich interessantere Richtung, vor allem die erste Strophe empfinde ich als wesentlich näher und echter.

Liebe Grüße
Flora

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 09.06.2009, 21:33

Hallo,

nachdem mich deine beiden Lieder in der HörBar so begeistert haben, muss ich hier Flora und Bilbo leider zustimmen - würde aber auch gern einen Kommentar von ferdi zur Problematik der Form lesen. Für ich ist es an einigen Stellen auch einfach unrhythmisch (aber nicht an vielen). Das Hauptproblem sehe ich aber auch in dem, was Flora schreibt:

Eines, das für mich in der Ferne steht, starr, im Allgemeinen bleibt, sich mit den alten und großen Fragen und „Erkenntnissen“ befasst. Ich erfahre wenig vom Ich, es bleibt mir nicht nur undeutbar, sondern gänzlich unsichtbar zwischen all den großen Worten. Es berührt mich nicht.


Irgendwie ist das ja auch ein bisschen passend zum Thema, aber die Wirkung unterstützt die Aussage des Textes nicht, sondern lässt seine Wirkung fehlschlagen.

Es ist wie mit den griechischen Statue aus Marmor: Sie haben immer noch ihre Zeit. Aber ihre Erschaffung hat ihre Zeit gehabt. Wollte man (könnte ich bildende Kunst, würde ich das probieren) heute mit dieser Ästhetik arbeiten, könnte man eben nicht einfach weiter solche Skulpturen erschaffen, sondern müsste durch eine Variante, eine Änderung, die Lebendigkeit, ihre Rezeptionsfähigkeit erhalten.
ich sehe hier keinen Bruch, auch keinen ironischen.

Die Häute des Himmels im See haben mir übrigens auch unheimlich gut gefallen.

liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

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ferdi
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Beitragvon ferdi » 10.06.2009, 01:10

Hallo Georg!

Ich beschäftige mich gerade recht intensiv mit Knittelversen, und von daher komme ich mit deinen Versen ziemlich gut klar - in ähnlicher Weise scheinen mir deine Verse ja auch (gut) zu funktionieren?!

Manche sprechen von Titel und Leistung-
von Geboten und von hellem Licht,
von Schriften, vergilbenden, Himmeln und Weisung:
doch undeutbar bleibt das Ich.

So würde ich sie jedenfalls lesen - Abwechselnd Vier- und Dreiheber mit freier Senkungsfüllung. Das produziert zwar in Z2 eine dreisilbige Senkung, aber da bin ich von den Knittelversen her noch ganz anderes gewohnt ;-) Auch die zweite Strophe lässt sich nach obigem Muster lesen. Danach wird es etwas unruhiger, aber frei gefüllte Drei- oder Vierheber lese ich eigentlich immer... Stimmt das in etwa mit deiner Intention überein? Oder sind es bei dir konsequent Vierheber?!

Hm, eigentlich sehe ich zumindestens formal das am Werk, was Lisa einfordert: Eine Variante, eine weitestgehende Aufllösung der klassischen Form... da passen ja auch die wenigstens in der ersten Strophe konsequent unreinen Reime dazu. Bliebe nur die Frage, was denn nun die "klassische Form" ist: Wenn du vom Alternationsvers ausgegangen bist, ist der Sprung wohl zu weit, wenn du (warum auch immer) wirklich vom Knittel her kommen solltest, läufst du natürlich Gefahr, dass niemand so recht den Ausgagngspunkt findet... Beides ist nicht so richtig zielführend ;-)

Aber "gezwungen" erscheinen mir die Reime jedenfalls nicht. Noch was formales:

"Dinge an Sich" - schreibt man da "Sich" wirklich groß?!

Das "gesichtet" erschließt sich mir nicht so ganz - ein verkürztes "gesichtet hat"?!

Und noch ein Satz zum Inhalt: Hm, ich weiß nicht wirklich, wohin mich der Text führen will - aber das liegt ziemlich sicher nicht an ihm. Ich bin gar nicht gut im verstehen von Texten, die sich ganz oder doch größtenteils in abstrakten Bahnen bewegen :-)

Ferdigruß!
Schäumend enthüpfte die Woge den schöngeglätteten Tannen. (Homer/Voß)

Mucki
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Beitragvon Mucki » 10.06.2009, 01:36

Hallo Georg,

in deinen Zeilen beschreibst du die Erkenntnis des LIs, dass das wahre, echte Ich nicht existiert, man vergeblich danach sucht. Nichts ist spezifisch, nichts berührt, es ist ein Trugschluss. Das Ich ist wie eine Hieroglyphe, unspezifisch, geheim, entzieht sich.
Am besten gefallen mir die beiden letzten Strophen. Insgesamt berühren deine Verse nur marginal, da sie fast neutral (eine gewisse Enttäuschung, die Suche des LIs spürt man schon), mit Distanz geschrieben sind, genauso, wie eine Hieroglyphe sich entzieht, nicht berührt. Insofern finde ich es stimmig.

Saludos
Gabriella
P.S. Auf Tippfehler wurde ja schon hingewiesen.

Max

Beitragvon Max » 11.06.2009, 22:24

Lieber Georg,

auch wenn ich Dir formal an einigesn Stellen zustimme und mich das Bild de rHäute ähnlich begesister wie Lisa, so habe ich dieselben formalen Probleme wie ferdi .. oder besser: ich hatte ein ungutes Gefühl beim Lesen, dessen Wurzel Ferdi sehr schön auf den grund gekommen ist.

Liebe Grüße
max

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noel
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Beitragvon noel » 19.06.2009, 11:31

so unterschiedlich ist des menschen ohr
ich kann den klang hören
& rhythmisch ist er mir auch :)
NOEL = Eine Dosis knapp unterhalb der Toxizität, ohne erkennbare Nebenwirkung (NOEL - no observable effect level).

Wir sind alle Meister/innen der Selektion und der konstruktiven Hoffnung, die man allgemein die WAHRHEIT nennt ©noel


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