eiszeit

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
wüstenfuchs

Beitragvon wüstenfuchs » 03.02.2009, 16:29

als hätte ich mich ausgesperrt
aus meinem leben

als zählten die worte - die geschriebenen - nicht mehr
auf diesen grauen wegen

der himmel hoch+leer
und die straßen fast schon dunkel

stehe ich auf dem leeren fleck gehsteig

zurückbleiben
stehen und frieren

ein leben
ein jahr
einen tag lang

Xanthippe
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Beitragvon Xanthippe » 03.02.2009, 17:48

als hätte ich mich ausgesperrt
aus meinem leben
jetzt muss ich etwas schreiben dazu, lieber ben, weil das so ungewohnt klingt, so - sei mir nicht böse - profan, banal, gegen das, was ich sonst von Dir gewohnt bin.
Ich empfinde es als pathetisch und ja, wie gesagt banal, es berührt mich gar nicht, und mir fehlen sehr die ungewöhnlichen Bilder, die ich sonst von Dir lese.
und mir ist auch nicht die Bedeutung klar, dass es die geschriebenen Worte sind, die nicht mehr zählen, also müssten es gesprochene sein? Also wird hier die Einsamkeit angesprochen, die nur durch ein Gegenüber überwunden werden kann?
Das einzige, was mich aufhorchen lässt, ist die letzte Strophe, in der Du vom der großen zur kleinen Zeiteinheit gehst, statt, wie vermutet, von der kleinen zur großen.
Vielleicht kannst Du ja auch mit diesen eher negativen Zeilen etwas anfangen.

xanthi

DonKju

Beitragvon DonKju » 04.02.2009, 14:23

Hallo Ben,

für mich geht's irgendwie in die Richtung "Warum schreibe ich eigentlich, ist es überhaupt von Bedeutung ?" - und im Gegensatz zu Xanthippe macht mir das nix, wenn Du für das, was Du ausdrücken möchtest, einfach die Worte benutzt, die dir dafür geeignet erscheinen; Hier und da könnte ich mir allerdings kleine Änderungen vorstellen :

...

der himmel hoch und leer
oder, so das + wörtlich genommen werden soll
der himmel hoch plus leer
und die straßen fast schon dunkel

stehe ich auf dem leeren fleck
gehsteig

zurückbleiben
stehen
frieren

...

Mit Grüßen von Hannes

P. S. Die umgekehrte Reihenfolge zum Schluß "leben - jahr -tag" finde ich echt originell ...

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 04.02.2009, 14:38

Hallo Ben,

ich kann Xanthis Einwand verstehen und doch gefällt mir der Text - ich hätte eine Idee, wie man den kritischen Punkt ändern könnte. Zudem habe ich noch ein paar andere kleine stellen, die ich kürzen würde (das grau, die wiederholung von "leer", von der ich meine, dass du sie absichtlich gesetzt hast (oben und unten), was man aber nicht sicher erkennt, gerade wegen des "+". Das frieren finde ich zu dick und deshalb eher leserentfernend wirkend).


als hätte ich mich / aus meinem leben

als zählten die worte - die geschriebenen - nicht mehr
auf diesen wegen

der himmel hoch+leer
und die straßen fast schon dunkel

stehe ich auf dem fleck gehsteig

zurückbleiben
stehen

ein leben
ein jahr
einen tag lang



Das Ende gefällt mir in seiner Umkehr dann sehr, man hat schon oft eine Klimax durch

einen tag lang
ein jahr
ein leben

erzeugt - das zu machen, wäre profan. Aber die Spannung durch den (poetischen!) Trick der Umkehrung trotzdem noch verwenden zu können, finde ich gelungen!

Ein Detail: Ich wäre doch für ein "&" anstelle des "+" - das Plus ist zwar seltener und daher weniger mondernlyrikprätentiös, aber ich finde, es ist gleichwertiger, obwohl eine Summe ja aus gleichgewichteten entsteht (S1+S2=SU), habe ich doch das Gefühl, dass der erste Summand dominanter ist als der Zweite. In Bezug auf Worte potentiert sich das, wie ich finde, es wirkt wie eine Rechnung aus: 999.999 + 1 = 1.000. 000 - natürlich ergibt sich die 1. 000.000 eebenso nur aus der 1 wie aus der 999.999, aber es "fühlt" sich doch so an, als würde die 999.999 wichtiger für das Ergebnis sein. Bei den Worten verstärkt sich das. OK; das ist ein wenig detailbesessen und es kann sein, dass es nur mir so geht, aber ins Feld führen, wollte ich es wenigstens (dort riecht es doch so gut .-)).

Ansonsten finde ich den Text spannend und gelungen - ich mag, wenn die Wirklichkeiten von Schreiben und "dem anderen" (wie auch immer man es nennen will) aufeinandertreffen, sich gegenseitig beeinflussen, negieren, vereinsamen, in Frage stellen und so fort. Das lyr. Ich sehe ich dabei als Zentrum der Wortkräfte..im Schreiben, im Nichtschreiben, im gehen und im Stehen - wobei nie klar ist, was gerade davon Gegenwart ist oder ob man immer alles von allen Seiten empfinden kann.

liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

wüstenfuchs

Beitragvon wüstenfuchs » 04.02.2009, 20:26

Hallo, habe alles gelesen, werde auch noch detailliert drauf eingehen.

Ich wollte mit einfachen Worten meine Verfassung schildern.

Ich wollte mal nix Besonderes schreiben, keine herbei gezwungenen Originalitäten.

Ich finde die Anregungen von Bilbo und Lisa sehr gut und muss sie nun in den Text integrieren.

Viele Grüße
Ben


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