ich lege vergessen, das tier

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Thea

Beitragvon Thea » 05.01.2009, 22:35

zweimal gewendet
wäre ich echter

duft eines abdruckes
auf einem kissen

ich lege das haar in locken
am morgen am abend
im kommen im gehen

mit meiner zunge
schmecke ich mich nicht

zwischen den lippen
wächst etwas heran
im sprechen im schweigen

welches tier ich war
ich lege es vergessen
in kissen in locken



[align=right]zweimal gewendet
wäre ich echter

ohne zitronen zwischen den lippen

abdruck auf einem kissen

ich lege das haar in locken
am morgen am abend
im kommen im gehen


mit meiner zunge
kann ich mich nicht schmecken

welches tier ich war
ich lege es vergessen
in kissen in locken[/align]




[align=right]zweimal gewendet
wäre ich echter

ohne zitronen zwischen den lippen

abdruck auf einem kissen

ich lege das haar in locken
am morgen am abend
gehe wie komme


mit meiner zunge
kann ich mich nicht schmecken

es geht vergessen
welches tier ich war

ich lege es vergessen
in kissen in locken[/align]
Zuletzt geändert von Thea am 06.02.2009, 10:28, insgesamt 2-mal geändert.

Catrin

Beitragvon Catrin » 06.01.2009, 14:00

Hallo Thea,

mir gefällt dein Gedicht sehr gut!

Den Einstieg finde ich toll. 2x ein Bettbezug umkrempeln ergibt wieder das selbe (sorry, hier spricht die Hausfrau ;-))
Oder eben auch nicht: nachdem das Innerste nach außen gekehrt wurde?
Und wieder zurückgenommen, in den Schutz des Dunkel.
Dass man sich selbst nicht wahrnehmen kann, sondern nur durch ein Außen. "Ich" bin nur Abdruck. Das Hilfsmittel "Zitrone". Wird nachträglich durch die Zunge erklärt, die sich nicht schmeckt.
Der Versuch, das Außen zu einer positiven Reaktion zu bewegen. (Hier würde ich in Parallele zu der letzten Zeile anders formulieren, s.u.)
Welches Tier bin ich?
Mit "Tier" verbinde ich etwas Ursprünglicheres, ohne zivilisatorische Überformung.
(Das sind Differenzen zwischen uns. Für mich kommt das Tier allein nicht mehr in Frage. Vom Doppelten Ursprung des Menschen. Aber das ist für dein Gedicht völlig unerheblich!)
Die Zeile "es geht vergessen..." würde ich streichen. M.E. sagt die voletzte dasselbe, nur stärker. Sie ist ein Akt des Einvertändnisses.

Liebe Grüße, Catrin

zweimal gewendet
wäre ich echter

ohne zitronen zwischen den lippen

abdruck auf einem kissen

ich lege das haar in locken
am morgen am abend
im kommen im gehen


mit meiner zunge
kann ich mich nicht schmecken

welches tier ich war

ich lege es vergessen
in kissen in locken

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ferdi
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Beitragvon ferdi » 06.01.2009, 15:04

Hallo Thea!

Liest sich gut :-)

Nur bei gehe wie komme schleudere ich etwas, weil ich es immer zu gehe wie ich komme ergänzen will, aber nicht weiß, ob ich dazu die Erlaubnis der Autorin habe ;-)

Ferdigruß!
Schäumend enthüpfte die Woge den schöngeglätteten Tannen. (Homer/Voß)

ecb

Beitragvon ecb » 06.01.2009, 19:28

liebe thea,
mir gefällt dieses gedicht ausgezeichnet so, wie es ist.
für mich liegt der schlüssel zu dem ganzen in dem wort "abdruck".
von da aus folge ich den bildern und gedanken und empfinde sie als offen und folgerichtig, so daß sie eine menge assoziationen in mir wecken.
knappe, kunstvolle wortwahl und syntax, kein wort zuviel.

sehr gern gelesen!
lg eva

Thea

Beitragvon Thea » 08.01.2009, 17:51

Hallo!! (und frohes neues jahr an dieser stelle, ist das erste mal back im salon für mich seit letztem jahr)

danke euch fürs feedback!
liebe catrin, ich stimme deinen änderungen überein, danke schön, das geht mir selten, dass ich so spontan das verbesserte sympathisiere :)
also voilà: hier die neue version

lieben gruß und schöne woche noch!

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 08.01.2009, 22:58

Fein

Die letzten Locken würden mir ohne Kissen besser gefallen--

Haben wir einen Bezug????

weil, siehe selbst...

MlG

Moshe

Max

Beitragvon Max » 09.01.2009, 09:43

Liebe Thea,

das gefällt mir sehr. Für mich sind das prinzipielle Fragen in sehr bildkräftiger Sprache.
Catrins Verbesserungen (alte Hausfrau :-) ) machen den Text noch kompakter.

Mein Lesen hakt immer mal wieder an

mit meiner zunge
kann ich mich nicht schmecken


wo ich für mich (mehr im ton des Gecdichts, scheint mir dann ...) schriebe

mit meiner zunge
schmeck ich mich nicht


oder nur

ich schmecke
mich nicht


Liebe Grüße
Max

Louisa

Beitragvon Louisa » 09.01.2009, 15:50

Hallo Thea!

Es hat mir auch sehr gefallen, weil es eine angenehme Melancholie, passend zu dieser Winterstarre transportiert.

Ich rätsle noch über die ersten beiden Zeilen. Wie ihr da auf einen Bettbezug kommt, ist mir auch noch nicht ganz klar geworden, da es ja erst später im Gedicht auftaucht.

zweimal gewendet
wäre ich echter

Mir ist unklar wie ein "Ich" echter oder unechter werden könnte. Dafür ist mir der Begriff "echt" zu unscharf. Denn ich kann ja auch sagen: "Im Traum war mein Ich echter, als das in der Monotonie einer realen U-Bahnfahrt."

Wieso sollte sich das durch ein doppeltes "Umdrehen/Wenden" verändern? Ich weiß nicht, was das bedeuten soll. Mein Fehler!?


ohne zitronen zwischen den lippen

abdruck auf einem kissen

Gut, hier könnte ich dann daraus schließen: Wenn ich mich zwei Mal wende, würde ich vielleicht keinen so klaren Abdruck auf einem Kissen hinterlassen und die Säure (meiner Sorgen?) würde mir dabei aus dem Mund gleiten -

Andererseits sehe ich nicht ein, wieso nicht EIN fester Abdruck eher der "echtere" sein sollte. Ich denke daher, dass jemand, der nicht gewendet wird (was ja irgendwo auch eine äußere Macht einschließt, die in der Lage ist dich zu wenden - Eine Art "Schicksal" ???) der "echtere", selbstbestimmtere wäre.

Ich kann mehr mit einem "sich selbst wenden" anfangen, einem selbstbestimmten Schicksals, als einem Etwas, was mein Ich wendet. Das wäre vielleicht das Leben selbst!? - Aber wieso sollte ich dadurch "echter" werden, wenn mich dieses zwei mal wendet.

ich lege das haar in locken
am morgen am abend
im kommen im gehen


Das zeugt von einer Art lethargischen Gleichgültigkeit dem Äußeren, dem Zeitlichen und Geschehenden gegenüber. Gefällt mir ganz gut, wobei natürlich diese Antithesen "Kommen und Gehen" sowie "Abend und Morgen" sehr verbraucht sind. Da würde ich noch mal ein bisschen nachdenken, ob man nicht etwas Originelleres fände.

mit meiner zunge
kann ich mich nicht schmecken

Da wiederspreche ich Max, denn das hat mir mit am Besten gefallen. Es drückt sehr schön aus, wie fremd man dem eigenen Ich sein kann. So eine art Identitätskrise. Schön-

welches tier ich war
ich lege es vergessen
in kissen in locken

Mm... das erzeugt Vanitasbilder in mir. Ausfallendes Haar, die Belanglosigkeit eines "Tier-lebens" (jedenfalls im Vergleich zum Wort "Menschenleben") und das Vergessen über die eigene Existenz im Blick auf ihr Ende.

Ja, das mag ich ganz gerne.

Also wie gesagt, am Anfang und an den "Morgen-Abend/Gehen-Kommen" - Stellen würde ich noch arbeiten.

Sonst hat mir das sehr gefallen!

Liebe Grüße,
l

Catrin

Beitragvon Catrin » 09.01.2009, 16:35

Hallo Louisa,

durch den Bettbezug fühle ich mich angesprochen ;-)
Es ging nur um ein Beispiel für "umwenden" als "umkrempeln".
Das LyrIch ist nach außen gewendet. Erfährt sich nur durch ein Außen. Wie die Zunge nur die Zitrone schmeckt und nicht sich selbst. Oder als "Abdruck" auf dem Kissen (ich assoziere damit Partnerschaft). Beim 2. Mal umkrempeln wäre das Außen wieder Innen, wo es hingehört.
"Ich" wäre dann eine Innenerfahrung. Aber deren Fehlen beklagt das LyrIch gerade.
Wie du sagst: Identitätskrise.
Das von dir monierte Kommen & Gehen passt gut zur Gleichgültigkeit. Da triffst du wohl den Punkt.

Allerdings merke ich gerade, dass es gar nicht mein Gedicht ist...
Thea kann ja selbst Besseres dazu sagen,

Tschüß also! C.

Mucki
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Beitragvon Mucki » 09.01.2009, 19:19

Geht es nur mir so oder hat noch jemand bei diesem Part die Assoziation zu einem Wiener Schnitzel, was dem Gedicht eine gewisse, unfreiwillige Komik verleiht? :blink2:
zweimal gewendet
wäre ich echter

ohne zitronen zwischen den lippen

zweimal wenden (in Paniermehl), dann die Zitrone ...

Saludos
Mucki (Vegetarierin)

Louisa

Beitragvon Louisa » 11.01.2009, 11:30

Dank deines Kommentars haben wir jetzt alle diese Assoziation ;-) !

(Ich kann ja wie gesagt auch nicht viel mit den ersten zwei Zeilen anfangen und Catrin, ich finde aber gar nicht, dass man einfach so das Wort "wenden" mit dem Wort "umkrempeln" gleichsetzen kann. Das sind doch zwei ganz verschiedene Assoziationsketten, die dann in Gang gebracht werden. Wenn ich sehe, dass ein Salamander sich umdreht und wegflitzt, dann denke ich: "Er hat sich umgewandt." und wenn ich sehe, dass er seine Haut abwirft und eine neue wächst, dann könnte (!) ich sagen: "Er hat sich umgekrempelt."

deshalb passt das für mich auch nicht mit dem "äußeren" und "inneren" Ich zusammen, dass sich da "häuten" soll. Für mich dreht es sich ja noch nicht einmal selbst um! Es WIRD gewendet...

Von was? Wieso dann echter?

Keine Ahnung.

Aber vielleicht hat hier jemand noch eine kulinarische IDee dazu :smile: !

l

(Mmm....Schnitzel :essen0001: )

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Thomas Milser
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Beitragvon Thomas Milser » 11.01.2009, 23:51

Was für ein abstruses Stück Text ... Was muss in diesem Hirnchen vor sich gehen?

Es ist wie bei allen guten Gedichten: Jeglicher inhaltliche Kommentar käme mir so vor, als störte ich etwas ... Dann lass ich das mal :o)

Feinst gesponnen!

Tom
Menschheit, Du hattest von Anfang an nicht das Zeug dazu... (Charles Bukowski)

Thea

Beitragvon Thea » 12.01.2009, 21:22

hahaha :bumper: mucki, na toll, danke, jetzt kann ich mich nicht mehr ernst nehmen! (es handelt sich hierbei also um einen werbeslogan für die rustikale küche im wienerwald, wiener mundart quasi)
ne ne ne also mir ging es bei dem einstieg um eine annäherung an den abdruck und an das, was den abdruck verursacht hat: das sich-selbst-nicht-(er)fassen-können. aus einem solchen gefühl heraus sagt das LI, dass es denkt, es würde sich zweimal gespiegelt oder zweimal gewendet echter/ wahrhafter fühlen würde als jetzt so, was man normal nennt. als abdruck eines abdrucks ist man vielleicht mehr oder man ist dem "ist" näher; man kann sehen, wo man war und wie man war und dass man war. man lässt spuren. (man wendet sich im bratöl und wird zum schnitzel)
die zitronen im mund, das ist für mich so etwas wie sich nicht schmecken können, etwas zu saures schmecken. was man auf den lippen schmeckt, damit der tequila gut wird, aber man selbst überdeckt sich (in paniermehl, liebste mucki).

auf die konkreten textanmerkungen möchte ich auch noch eingehen; danke euch für die anregungen, ich habe in gedanken schon einige übernommen, werde aber heut hier jetzt nichts mehr verändern und nichts mehr dazu schreiben, aber sondern so bald wie möglich (wenn ich meine hausarbeiten endlich fertig habe :smartass: )

so long zunächst,
guten appetit!

Mucki
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Beitragvon Mucki » 12.01.2009, 21:32

Hi Thea,

was soll ich denn machen? Ich hatte nunmal diese doofe Assoziation. :icon_redface: und wollte wissen, ob es nur mir so geht.
Was du schreibst, macht für mich durchaus Sinn, Thea. Und wenn du statt "gewendet" "gespiegelt" nehmen würdest? Mal so als Idee. :frage: (keine Sorge, da denke ich nicht an Spiegeleier, weil die Zitrone nicht dazu passt ähem ...)

Saludos
Mucki


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