wohin die worte gehen, wenn sie brennen

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 04.04.2008, 10:08

 

wohin die worte gehen, wenn sie brennen



in schreibhöhlen flattern
feuerfliegen. durch die luft
lispeln flammenränder. münder
schließen. ascheaugen fallen zu

aus dem schlafwald ruft ein käuzchen
kehrt durch zerbrochnes glas zurück
wartet

ich folge dem wind seiner spur

stolpre durch straßen. blind
das versunkene häuschen
im neptungarten. versteckt
der spiegelsee. sein leuchten
rostige gitter stehen davor

ein gedrehter kopf. frageblicke
knarzend öffnet sich das tor

ich tauche hinein. versinke
unterm wassermond die tür
steige schneckentreppen hinauf
tauche auf. in gebadeter luft
das zimmer steht

dort im butterlicht des morgens
wacht das käuzchen. auf der truhe
geschwungen eine schrift: ausgelöschte worte


 
Zuletzt geändert von Ylvi am 05.04.2008, 10:43, insgesamt 1-mal geändert.
Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

Mucki
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Beitragvon Mucki » 04.04.2008, 18:02

Hallo smile,

in deinem Gedicht sehe ich einen Zusammenhang zu "Angelei" von Peter. Ich vermute, dass es dich inspiriert hat und dies zu einem sehr schönen, bildhaften Gedicht :) Ich bin mal im Text, erst mal nur mit ein paar Spontaneindrücken.


wohin die worte gehen, wenn sie brennen --> klasse Titel, der sofort zum Lesen einlädt


in schreibhöhlen flattern
feuerfliegen durch die luft --> flattern/durch die luft, "durch die luft" halte ich für redundant
lispeln flammenränder. münder --> statt "lispeln" evtl. besser "flüstern"?
schließen. ascheaugen fallen zu

hier lese ich, wie Worte sich entzünden wollen, jedoch erst einmal nicht ausgesprochen werden können. Tolles Bild.

aus dem schlafwald ruft ein käuzchen
kehrt durch zerbrochnes glas zurück
wartet

Schön, hier die Aufforderung, die Hoffnung, dass sich die Worte eben doch noch erheben werden.


ich folge dem wind seiner spur --> durch die Setzung wirkt dies sehr umgangssprachlich. Vielleicht: ich folge der spur des windes

stolpre durch straßen. blind
das versunkene häuschen
im neptungarten. versteckt
der spiegelsee. sein leuchten
rostige gitter stehen davor

das versunkene häuschen im neptungarten/versteckt der spiegelsee, empfinde ich als Tautologie. Ich würde den Spiegelsee wählen.
Schön: das Leuchten ist bereits sichtbar, aber noch stehen Gitter im weg, der "Weg der Worte geht weiter, aber noch fehlt der erste Schritt"


ein gedrehter kopf. frageblicke
knarzend öffnet sich das tor


der jetzt kommt. Das Tor wird geöffnet, wenn auch mit innerem Fragezeichen.



ich tauche hinein. versinke
unterm wassermond die tür --> wassermond ist klasse!
steige schneckentreppen hinauf --> hier wird sehr schön klar, wie mühsam es für das LI ist.
tauche auf. in gebadeter luft
das zimmer steht --> hier geht mir das auftauchen zu schnell. Ich würde gerne mehr lesen, wie es dem LI unterm Wassermond ergeht, was es fühlt, denkt in den Tiefen des Spiegelsees.

dort im butterlicht des morgens
wacht das käuzchen. auf der truhe
geschwungen eine schrift: ausgelöschte worte

"butterlicht" tolles Wort!
Hier hätte ich jetzt etwas positiv Konnotiertes erwartet. Auch wenn die Schrift geschwungen ist, was ich als lebendig und froh lese, stehen da jetzt ausgelöschte Worte.
Du hast den Verlauf der brennenden, fliegenden Worte so schön dargestellt, die Kraft des Windes und des Spiegelsees, dem das LI folgt, und nun stehen da ausgelöschte Worte, sprich, sie sind verbrannt, ohne richtig entflammt zu sein. Ein schmerzhafter Weg/Zustand. Die "ausgelöschten Worten" führen mich wieder zum Titel. Dahin gehen für das LI die Worte, wenn sie brennen. Sie werden ausgelöscht, statt hell aufzulodern, im Sinne von: frei und beschwingt geschrieben zu werden. Sie fliegen nicht mehr, sie fallen auch nicht, es ist noch schmerzhafter, sie sind ausgelöscht.

Dieses Ende kommt unerwartet, (ich rechnete mit einem ganz anderen) hat jedoch gerade dadurch seine Wahrheit, lässt mich nachdenklich zurück, sagt mir aber auch, dass die Wahrheit vielleicht gerade darin verborgen liegt, dass die Worte bereits geschrieben waren, sonst könnte man sie nicht auslöschen. Insgesamt beschreibst du auf eine geheimnisvolle und wunderbar bildhafte Art den Kampf des LIs, wie es ihm ergeht, wenn Worte in ihm brennen.
Sehr gerne gelesen!
Saludos
Mucki

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 05.04.2008, 10:41

Hallo Mucki,

das ist ein toller Kommentar, danke, dass du dich so intensiv mit dem Gedicht auseinandergesetzt hast! Er hat es mich noch einmal auf ganz andere Art lesen lassen.
(Peter ist immer inspirierend .-). Da es ein ganz frisches Gedicht ist, hat sich „Angelei“ hier sicher mit hineingewebt, allerdings nicht bewusst. Es waren andere Gedanken, die das Gedicht „ausgelöst“ haben, und dann hat es sich einfach so erzählt. :-))

Zu deinen Hinweisen:
In S1 fehlt ein Punkt, denn „durch die Luft“ bezieht sich nicht nur auf die Feuerfliegen, da gebe ich dir recht, dass es eigentlich überflüssig wäre, sondern auch auf „lispeln flammenränder“. Das ändere ich gleich ab.
„lispeln“ habe ich hier gewählt, weil es lautmalerisch meiner Vorstellung am nächsten kam. „flüstern“ passt für mich nicht, weil ich das mit Worten in Verbindung bringe und nicht mit den Flammen, die diese Worte „auslöschen“.-).

hier lese ich, wie Worte sich entzünden wollen, jedoch erst einmal nicht ausgesprochen werden können. Tolles Bild.

Das ist eine interessante Leseweise. Du setzt das Brennen der Worte hier als positives. So hatte ich es nicht gesehen, dadurch verschiebt sich auch das Bild am Ende (besonders deine Gedanken über die letzte Strophe fand ich sehr spannend zu lesen.)
ich folge dem wind seiner spur --> durch die Setzung wirkt dies sehr umgangssprachlich. Vielleicht: ich folge der spur des windes

Der Gedanke war hier ein anderer, nämlich, dass die Spur eines fliegenden Vogels der Wind ist, den seine Flügelschläge erzeugen. Vielleicht funktioniert es aber so nicht. :confused: Umgangssprachlich war es nicht gedacht.

das versunkene häuschen im neptungarten/versteckt der spiegelsee, empfinde ich als Tautologie. Ich würde den Spiegelsee wählen.

mmmh, du würdest den neptungarten weglassen? Das wäre zu überlegen (obwohl ich schon ein bisschen an diesem Bild hänge), ich müsste mal versuchen, wie ich das umstellen kann.

hier geht mir das auftauchen zu schnell. Ich würde gerne mehr lesen, wie es dem LI unterm Wassermond ergeht, was es fühlt, denkt in den Tiefen des Spiegelsees.

Darüber muss ich erst mal nachdenken. .-) Danke für die Anregung, das ist eine sehr interessante Frage.

liebe Grüße smile
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annette
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Beitragvon annette » 05.04.2008, 13:58

Hallo smile,

von der Sprache her ist mir der Text zu schnörkelig, etwas gekünstelt - aber das ist Geschmackssache.
Ich versuche, mich dem Inhalt zu nähern, hier meine Lektüre:

Erstes Szenario sind die schreibhöhlen, in ihnen Feuer, Flammen und Asche. Da es um Worte geht, die brennen, assoziiere ich mit den feuerfliegen die Worte. Worte, die hier nicht bleiben können, die vielleicht nicht ausgesprochen werden (münder schließen), und die die Augen verbrennen, vor denen die Augen sich schließen. Diese Worte sind dem Menschen gefährlich, bringen Zerstörung, zumindest Ablehnung, Angst.

Dann ist da der Schlafwald, den wir aber beim Lesen nicht betreten. Das Käuzchen kehrt (daraus?) zurück. Das zurück impliziert, dass es von hier zunächst nach dort gelangt ist. Das ist mir zuviel vorausgesetzte, vorausgegangene Bewegung, die mir an dieser Stelle nicht weiterhilft. Brauchst Du das zurück?
durch zerbrochenes glas: Da das Käuzchen fliegt, können es keine Scherben auf dem Boden sein, sondern ist eher eine zerbrochene Scheibe. Der Kauz kommt also aus dem Wald zurück in ein Gebäude?

Das Ich folgt aber als nächstes der Spur des Käuzchens (oder des Windes?). Da das Ich draußen ist (Straßen), kann es eigentlich nicht dem Kauz folgen, es sei denn, es will dem Kauz zunächst in den Schlafwald (wo er schon nicht mehr ist) und dann wieder hinaus folgen. (Schlafwald = Traum?)

ich folge dem wind seiner spur > Ich weiß, dass es so nicht gemeint ist, klingt aber wie die in der Umgangssprache "dem Kalle sein Hund" ;) Folgt das Ich dem Wind, der Spur des Windes oder der Spur des Käuzchens?

Ich frage mich auch, wo das Ich herkommt, ob es auch in der Schreibhöhle war, ob es seine Augen waren und sein Mund. Wenn ja, könnte das deutlicher werden. Straßen und Neptungarten folgen unerwartet schnell aufeinander, kann man die Straßen nicht weglassen? Der Spiegelsee ist gleichzeitig versteckt und leuchtend?

Der gedrehte Kopf erinnert mich wieder an den Kauz. Wartet er nicht mehr? Oder hat er hier auf mich gewartet?

knarzend verbinde ich eher mit Holz, nicht mit Gittern, kann mir aber das Geräusch hier vorstellen. Eintauchen, auftauchen und das Ich ist wieder im Zimmer (aufgewacht?). Die Luft ist gebadet, gereinigt. Der Traum war reinigend, das Wasser, vielleicht auch das Feuer. Die Schrift auf der Truhe ist mir zu sehr Harry Potter oder so etwas.
Hier sind die Worte wieder. Sie sind gelöscht, brennen nicht mehr. Aber ich denke an den Titel und frag mich jetzt: Wohin gingen sie, als sie brannten? Ist es nicht so, dass das Ich, das das Brennen der Worte in sich trug, fort ging, um sich und die Worte zu löschen? Der Titel suggeriert ein Eigenleben der Worte, das ich im Text nicht wieder finde - falls ich das überhaupt so richtig gelesen hab.

Versteh mich nicht falsch: Ich finde nicht, dass sich alle diese Fragen aus dem Text erklären müssen. Es ist einfach nur, was mir beim Lesen durch den Kopf geht, was mir nicht klar wird - und vielleicht ja auch gar nicht soll.

Die Idee des Textes, so wie ich ihn verstehe, gefällt mir gut, wobei für mich ein großer Reiz vom Titel ausgeht und von der Vorstellung, dass die Wörter ihre eigenen Wege gehen. In der Durchführung sind mir zu viele Szenenwechsel da, zuviel Bewegung in dem kurzen Text, etwas verwirrend, selbst wenn die Nähe zum Traum groß ist, dadurch verliert sich viel der Atmosphäre.

Und auch sehr subjektiv: mein Unbehagen bei einigen Deiner Komposita. "Schlafwald" gefällt mir nicht, leider kann ich nicht sagen, wieso. "Frageblicke" ist mir etwas künstlich, etwas gewollt aus "fragende Blicke" gebildet, "Spiegelsee" scheint mir vom Bild her eigentlich eine Dopplung, es sei denn hier sollte ein Spiegel eine Rolle spielen, vor dem das Ich steht?

"Ascheaugen", "Wassermond" und "Schneckentreppen" finde ich ganz schön, die beiden letzteren stehen mir zu nah beisammen, das wirkt auf mich überladen.
"butterlicht" ist sehr eigenwillig - gefällt mir.

Ich finde schöne Ansätze, der Text steht sich aber an den genannten Stellen selbst im Wege.

Gruß - annette

Mucki
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Beitragvon Mucki » 05.04.2008, 14:16

Hallo smile,

ja, ich assozierte das "brennen" hier tatsächlich mit etwas Positivem. Darauf basiert ergo auch meine gesamte Interpretation.
Vielleicht hätte ich dem Käuzchen (als Symbol für den Todesboten) mehr Bedeutung beimessen sollen (dann wäre mein Fokus wohl eher in Richtung deiner Intention gegangen), aber ich dachte an die Eule, die als Symbol für die Weisheit/Wahrheit steht. Da jedoch für mich dein Gedicht Zeile für Zeile so schlüssig funktionierte, selbst der zuerst für mich überraschende Schluss, kam ich überhaupt nicht auf die Idee, das "brennen" könnte negativ konnotiert sein. Da kannste mal sehen, wie unterschiedlich man lesen kann,-)
Saludos
Mucki

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 05.04.2008, 15:49

Hallo Annette,

danke für diesen ausführlichen Kommentar. Es sind viele Fragen, die sich hier für dich auftun, was mir zeigt, dass der Text für dich nicht bildhaft geworden ist. Und ich denke, das liegt wirklich daran, dass du die Bewegung nicht mitgehen kannst. Was ich natürlich schade finde, weil ich diesen Weg im Moment nicht anders zeigen kann.
Ich kann dir, ohne den Text für mich zu entzaubern, nicht alle Fragen beantworten. :-)
Vielleicht aber zur Hauptbewegung etwas, nach der du fragst.
Da sind die Schreibhöhlen, darin (ver-)brennen die (aufgeschriebenen) Worte. Werden „ausgelöscht“. Und die Frage ist, was geschieht mit ihnen? Wohin gehen sie? Vielleicht auch, kann man sie wiederfinden, wieder an sie heranreichen, gibt es einen Weg, der uns dorthin führt, dass die Münder und Augen sich wieder öffnen können? Gibt es einen Weg diese Worte (wieder) sichtbar zu machen, sagbar? Ich glaube es ist auch die Frage, was denn dieses „ausgelöscht“ meint und welche Worte da brennen und warum. Also auch viele Fragen .-)
Und ich denke das Gedicht erzählt von einem Weg. Vielleicht muss er schnörkelig sein, ein wenig märchen-, oder traumhaft, um für mich erzählbar zu sein.
Das Käuzchen muss zurückkehren, weil es an seinem Ort, auf der Truhe im Zimmer hinter dem zerbrochenen Fenster im versunkenen Häuschen, die ausgelöschten Worte hütet und den Weg dorthin zeigt, wenn man es im Schlafwald rufen hört und seiner Spur folgt. :-)
Mit Harry Potter erschreckst du mich aber schon ein bisschen. Den habe ich nie gelesen.

Ich hoffe es ist für dich in Ordnung, dass ich nicht alle einzelnen Gesichtspunkte aufgreife, mir wurde durch deine Fragen vieles deutlicher, was mir beim Schreiben gar nicht so bewusst war.

liebe Grüße smile


Hallo Mucki,

ich kann deiner Leseart gut folgen und habe mich gefreut, dass es dich auf diese Weise erreichen konnte und du davon erzählt hast. Es wäre schön, wenn die symbolische Bedeutung des Käuzchen sich aus dem Gedicht selbst heraus ergeben würde. Ich glaube, ich habe hier ganz eigene Assoziationen. .-)
Danke, dass du dich nochmal gemeldet hast.

liebe Grüße smile
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annette
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Beitragvon annette » 05.04.2008, 16:27

Hallo smile,

Ich hoffe es ist für dich in Ordnung, dass ich nicht alle einzelnen Gesichtspunkte aufgreife, mir wurde durch deine Fragen vieles deutlicher, was mir beim Schreiben gar nicht so bewusst war.


Na klar. Wie gesagt, viele der Fragen waren nur, um Dir zu zeigen, welche Dinge der Text uU offen lässt - vielleicht beabsichtigt.

Da sind die Schreibhöhlen, darin (ver-)brennen die (aufgeschriebenen) Worte. Werden „ausgelöscht“. Und die Frage ist, was geschieht mit ihnen? Wohin gehen sie?


Das war mir überhaupt nicht klar. Ich las "Wohin die Worte gehen, wenn sie brennen" und nicht "wenn sie verbrannt sind". Ich dachte also, dass sie brennend gehen, etwa um sich zu löschen (da passte der See ganz gut). Für mich sind die brennenden Worte gegangen, um sich zu verwandeln, vielleicht weiteres Feuer zu legen etc. Bei Deiner Intention wäre für mich als Titel klarer: "wohin die verbrannten worte gehen".

Und ich denke das Gedicht erzählt von einem Weg. Vielleicht muss er schnörkelig sein, ein wenig märchen-, oder traumhaft, um für mich erzählbar zu sein.
Das Käuzchen muss zurückkehren, weil es an seinem Ort, auf der Truhe im Zimmer hinter dem zerbrochenen Fenster im versunkenen Häuschen, die ausgelöschten Worte hütet und den Weg dorthin zeigt, wenn man es im Schlafwald rufen hört und seiner Spur folgt.


Ja, den Weg sehe ich jetzt. Das "zurück" und auch das Warten des Käuzchens werden im Nachhinein klarer. Das Käuzchen fliegt aus dem Wald an seinen Ort, das Ich kommt von einem anderen Ort dorthin. "zurück" klang für mich zunächst nach "zurück zum Ich". Bei kehrt durch zerbrochnes glas zurück sah ich das Käuzchen auf das Ich durch das Glas zufliegen. Da wechseln meiner Ansicht nach die personale und auktoriale Erzählperspektive, das finde ich verwirrend.

Der Weg, den Du beschreibst, ist mir etwas zu konstruiert, aber ich verstehe es, wenn Du sagst, dass Du es im Moment nicht anders erzählen kannst.

Mit Harry Potter erschreckst du mich aber schon ein bisschen. Den habe ich nie gelesen.


Ich auch nicht. Damit zielte ich auf das klischeehafte Bild einer geheimnisvollen Truhe mit einem verlöschendem Schriftzug ab, das mir sehr Harry Potter-like daher kommt. Ist eigentlich nur ein weiteres Schnörkel-Element - also ignorier dieses Gemäkel ruhig ;-)

Du hast mir erklärt, dass aufgeschriebene Worte verbrannten und (dadurch?) Münder und Augen verschlossen sind. Da muss ich an Bücherverbrennung denken, die dazu führt, dass Menschen sich verschließen müssen. Dazu passt der märchenhafte Weg in meinen Augen nicht (evtl. inneres Exil?), also weiß ich nicht, ob das ein Aspekt war, an den Du dachtest.

Ich frage mich, warum sonst das Verbrennen von geschriebenen Worten Augen und Münder verschließt. Und warum das Wiederfinden sie heilen kann. Auf diesen Aspekt wäre ich ohne Deine Erklärung nie gekommen, gefällt mir aber.

Soweit im Moment.
Gruß - annette

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 05.04.2008, 21:02

Hallo Annette,

Ich dachte also, dass sie brennend gehen, etwa um sich zu löschen (da passte der See ganz gut). Für mich sind die brennenden Worte gegangen, um sich zu verwandeln,

Deshalb hatte ich das (ver-) auch in Klammern gesetzt und das "gelöscht" in Anführungszeichen. Ich glaube da war deine Leseart meiner schon sehr nahe. Vielleicht braucht es diese Verwandlung manchmal, bevor man die Dinge dann wirklich sagen kann. Insofern glaube ich ist das "brennen" schon der richtige Augenblick, um sie gehen zu lassen.

Wäre es das Käuzchen betreffend einleuchtender, wenn da stünde:

aus dem schlafwald ruft ein käuzchen
kehrt durch zerbrochnes glas
zurück an seinen ort
wartet

?

Damit zielte ich auf das klischeehafte Bild einer geheimnisvollen Truhe mit einem verlöschendem Schriftzug ab, das mir sehr Harry Potter-like daher kommt.

Ah, jetzt verstehe ich :-) Aber da ist doch ein Doppelpunkt.

Du liest wirklich sehr aufmerksam, das finde ich klasse. Warum Worte verbrannt werden, kann viele Gründe haben, auf einen politischen oder gesellschaftlich/geschichtlichen Hintergrund wollte ich aber nicht hinaus, das könnte so ein Traum-text für mich auch gar nicht leisten.

liebe Grüße smile
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