Wintermeer

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Perry

Beitragvon Perry » 27.12.2007, 18:51

Wintermeer


Ruhig atmet die See
schmiegt sich ans Uferweiß
als wolle sie ihre Wange kühlen

Sinnende Schritte versinken
im Vergessen eines Sommers
der Blick schweift haltlos ins Weit

Werden wir uns wieder finden
im Spülsaum der Gezeiten dort
wo die Flocken im Ungewissen landen


1. Fassung:

Wintermeer


Ruhig atmet die See
schmiegt sich ans kalte Land
als wolle sie ihre Wange kühlen

Tief versinkt der Schritt
im Vergessen eines Sommers
treiben Blicke ins graue Weit

Dort am Ufersaum
wo die Flocken im Ungewissen landen
finden sich unsere Lippen
Zuletzt geändert von Perry am 30.12.2007, 19:53, insgesamt 1-mal geändert.

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leonie
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Beitragvon leonie » 28.12.2007, 15:57

Lieber Manfred,

das finde ich ein schönes gedicht, es weckt Erinnerungen und Assoziationen in mir.
Ich würde auf die beiden Adjektive verzichten. Vor allem auf das "kalt". Denn kühlen kann man sich ja nur an etwas, das kalt ist.
Auch das "graue" würde ich weglassen. Es ist offener ohne.

Liebe Grüße

leonie

Perry

Beitragvon Perry » 28.12.2007, 16:07

Hallo leonie,
freut mich, dass dir dieses kleine Wehmutsgedicht einer verlorenen Liebe gefallen hat. Das "kalt" könnte man durchaus noch weglassen, aber das "grau" soll die "Ungewissheit" vorbereiten, ob sich die Lippen im Ufersaum des Lebens (Jenseits) finden werden.
Danke und LG
Manfred

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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 28.12.2007, 17:35

Hallo,

ich persönlich finde das "kalt" wichtig, aus einem ähnlichen Grund wie bei dem "grau". Wenn mein Lesefluss bei "Wange kühlen" angelangt ist, ist der Kontext eingängiger dank des vorausgegangenen "kalt", denn das Land könnte ja auch wärmer sein als die See.

(Ich bin ein Freund flutschender Kontexte, Zickzack-Kontexte sind mir zu unchronologisch, sie verhindern den Aufbau von Melodie während des Lesens, beziehungsweise während des Flutschens.)


Ahoi

Pjotr

Perry

Beitragvon Perry » 29.12.2007, 19:24

Hallo Pjotr,
so Zickzack bewegt sich das LyrIch gar nicht, bei seiner Wanderung den winterlichen Strand entlang. Wenn du den gedanklichen Rücksprung zur verlorenen Sommerliebe meinst, ohne solche Blickwechsel wäre die Lyrik für mich zu langweilig.
Danke für deine Meinung und LG
Manfred

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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 29.12.2007, 19:41

Hallo Perry,

ich bin doch auf Deiner Linie. In der aktuellen Version sehe ich keinen Zickzack-Kontext. Den sähe ich nur dann, wenn das "kalt" und das "grau" gelöscht werden würde. Dass diese beiden Wörter noch drin stehen, finde ich ja gerade gut, denn so flutscht es für mich.

(Man verzeihe mein streckenweise non-akademisches Vokabular.)


Ahoi

Pjotr

Perry

Beitragvon Perry » 30.12.2007, 11:42

Hallo Pjotr,
dann haben wir uns missverstanden, denn unter "unchronologisch" hatte ich den zeitlichen Ablauf verstanden und diesen auf den Rückblick bezogen.
Danke fürs Feedback und LG
Manfred

aram
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Beitragvon aram » 30.12.2007, 11:52

hi perry, du kommst sicher damit klar, wenn ich das kitschig finde.

(dass sich lippen 'finden' hab ich schon mal wo gelesen...als schlusspointe etwas abgegriffen)

- dabei sind da tolle ansätze, die mir wirklich gefallen - z.b 'versinkt der schritt im vergessen eines sommers' - doch warum muss das versinken auch noch 'tief' sein, warum darauf noch 'graues weit' folgen? (ich würd ja gleich den blick versinken lassen)

auch der ufersaum, an dem die flocken im ungewissen landen, gefällt mir sehr.


ok ich weiß schon in etwa, was du antworten wirst, und du hast ja auch recht. trotzdem find ich schade, dass du dein talent am ende dann doch recht billig veräußerst.
liebe grüße.

Perry

Beitragvon Perry » 30.12.2007, 12:23

Hallo Aram,
keine Sorge, ich habe kein Problem mit deiner Einschätzung. Über echte Gefühle zu schreiben ist immer ein Balanceakt zwischen Kitsch und tiefem Empfinden. Wenn ich deine Argumentation weiterführe, dann müsste ich auch das Vergessen eines Sommers und vielleicht noch einige andere Bilder rausschmeißen, weil sie so oder so ähnlich schon oft benutzt worden sind. Für mich ist wichtiger, dass das transportierte Gefühl den Leser berührt. Das Lippenbild sollte die Berührung des Meeres mit Land noch einmal aufgreifen und mit der Sehnsucht des LyrIch verknüpfen. Vielleicht ist das ja auch mit weniger Ausschmückungen möglich. Wie du weißt, haben meine Texte meist einen längeren Weg hinter sich bevor sie druckreif sind. Dieser ist noch nicht am Ziel angelangt, danke für deinen Eindruck.
LG
Manfred


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