Freiräume

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
scarlett

Beitragvon scarlett » 27.06.2007, 21:19

Selbst die Sehnsucht
wird löchrig mit den Jahren

Freiräume entstehn.


scarlett, 2007

Max

Beitragvon Max » 28.06.2007, 20:41

Liebe Scarlett,

das habe ich schon gestern gelesen. Nach dem ersten Eindruck hatte ich das Gefühl, das das Gedankenspiel Löcher als Freiräume zu erkennen eine sehr originelle Idee ist, aber das man es vielleicht noch pfiffiger ausdrücken könnte. Nun aber sehe ich ein: ich kann es nicht. Also ist Dein Gedicht wohl gelungen ;-).

Liebe Grüße
Max

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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 28.06.2007, 21:15

Hallo Scarlett,

mir gefallen Deine Zeilen auch.

Höchstens bei dem Wort "löchrig" bleibe ich eine Zehntelsekunde stehen. Wie würdest Du das ausprechen? Eher mit heruntergezogenen Mundwinkeln oder eher nachdenkich locker? Wenn letzteres zutrifft, klingt das Wort für mich ein bißchen krachig, im akustisch-lyrischen Sinn. Mir fällt momentan allerdings auch keine Alternative ein. Ist auch, wie gesagt, ziemlich irrelevant. Das nur nebenbei.

Cheers

Pjotr

MarleneGeselle

Beitragvon MarleneGeselle » 29.06.2007, 09:50

Hallo Scarlett,

mir gefällt das Bild mit den Löchern. Ja, sie geben den Blick frei auf das, was sich dahinter befindet und vielleicht schon lange darauf wartet, entdeckt zu werden. Neue Ziele? Neuer Lebensabschnitt, wer weiß.

Liebe Grüße
Marlene

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 29.06.2007, 10:20

Liebe Scarlett,

unwillkürlich fällt mir bei deinen Zeilen ein:

Ein Loch ist da, wo etwas nicht ist von Kurt Tucholsky :-)

Ich bin kein Fan so kurzer Aussagen, in den Zeilen könnte noch vieles Platz haben.

Lieben Gruß
ELsa
Schreiben ist atmen

lagunkel

Beitragvon lagunkel » 29.06.2007, 21:33

Liebe scarlett,

wenn ich richtig verstanden habe, so geht es in deinem Gedicht darum, dass auch Sehnsüchte sich irgendwann verlieren, sich auflösen und durch die nun nicht mehr stete Fixierung auf einen Wunsch, der Kopf frei ist, etwas anderes zu entdecken und evtl zu begehren.
Dem stimme ich hiermit zu ;-) , finde das aber generell eher schade, aber da kann dein Gedicht nix für...

lg

Rebekka

scarlett

Beitragvon scarlett » 30.06.2007, 12:47

Liebe Rebekka, liebe Marlene,

ja genau so, wie ihr meinen kurzen Text verstanden habt, so habe ich ihn gemeint.
Sehnsucht, denke ich, kann nicht ad infinitum bestehen, irgendwann bekommt sie Risse, die weiten sich aus, Löcher entstehen und dann erkennt man auch anderes wieder, bekommt den Blick sozusagen wieder frei für Neues.

Liebe Elsa,

tja, die kurzen Aussagen haben es mir manchmal schon angetan, man ist gezwungen, präzise zu sein und doch gleichzeitig "Freiräume" entstehen zu lassen. Das reizt mich schon, aber natürlich ist das nicht jedermanns Sache.

Hallo Pjotr,

also ich habe mir im Vorfeld keine Gedanken zur Aussprache von "löchrig" gemacht, aber nun, da du das angesprochen hast, habe ich darüber nachgedacht. Ich glaube (und wenn mich mein Spiegel nicht belogen hat :rolleyes: ), ich lese es eher mit etwas heruntergezogenen Mundwinkeln, auf keinen Fall aber nachdenklich locker, eher etwas spöttisch/zynisch.
Ich mag das Wort eigentlich nicht besonders, aber in der Kombination mit den Vokalen in den Worten "selbst die Sehnsucht..." kommt dann dieses ö und ich habe dabei immer das Gefühl, daß man auch akkustisch wie in ein tiefes Loch fällt... Will sagen, daß dieser Spannungsbogen unter den Vokalen für mich durchaus (s)einen Reiz hat.

Lieber Max,

schade, ich hätte mich über eine andere Versprachlichung der Idee aus meinem Gedicht schon sehr gefreut. Aber, was nicht ist, wird ja vielleicht noch ;-) - andrerseits gibt es sicherlich interessantere Themen.
(nebenbei: wann kann man denn von dir mal wieder was lesen? deine Texte gehen mir schon ab in letzter Zeit)

Ich danke euch allen herzlich für eure Gedanken zum Gedicht.

Liebe Grüße in ein hoffentlich sonniges WE,

scarlett

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ferdi
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Beitragvon ferdi » 30.06.2007, 14:25

Hallo Scarlett!

Ein schöner Gedanke :smile: Ich habe allerdings wie Max auch das Gefühl, dass er noch nicht in der "gültigen Letztform" vorliegt. Eine andere Version vorzuschlagen, scheint aber schwierig - gerade bei solch kurzen Texten ist es immer sehr schwer, zwischen objektiver Verbesserung und persönlichem Geschmack zu unterscheiden. Ich für mein Teil hätte den Gedanken wahrscheinlich so gefasst (ausgehend von deiner Realisation, natürlich):

Die Jahre bohren Löcher
in die Sehnsucht schaffen
freien Raum

Für deinen Text ist daraus vielleicht der "freie Raum" interessant? Ich finde ihn etwas weniger offensichtlich als die "Freiräume", die den Leser doch stark bei der Hand nehmen (wie der Pfadfinder die alte Dame, die gar nicht über die Straße will ;-) :mrgreen: ). Darüber hinaus bekommst du ein Prädikat, bei dem du kein "e" des Textes verweisen musst... Und, (für mich) nicht unwichtig: ich finde, es hat einen besseren Rhythmus.

Selbst die Sehnsucht
wird löchrig mit den Jahren

Freier Raum entsteht

Hm. Was meinst du?!

Ferdigruß!
Schäumend enthüpfte die Woge den schöngeglätteten Tannen. (Homer/Voß)

Klara
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Beitragvon Klara » 30.06.2007, 15:08

Hallo,

find ich hübsch.

Ich würd eher in die Richtung formulieren:

Mit den Jahren
bekommt sogar die Sehnsucht Löcher

Freiräume

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 30.06.2007, 15:21

Hallo Scarlett,

ich frage mich nur, ob es das wirklich gibt, löchrige Sehnsucht. Ob Sehnsucht nicht immer ein Ganzes, ein alles oder nichts ist. Wird nicht eher die Liebe oder das Verliebtsein (oder die Trauer) löchrig? Und dann entdeckt man vielleicht durch die Löcher ein neues Objekt der Sehnsucht.

liebe Grüße smile

Mucki
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Beitragvon Mucki » 30.06.2007, 16:44

Liebe scarlett,

die Aussage ist klar und ich stimme ihr auch zu.

Doch auch ich tue mich schwer mit dem "löchrig". Für mich bekommt die Sehnsucht keine Löcher, sie verblasst, verliert an Intensität, aber löchrig finde ich hier als Adjektiv nicht so geglückt.

Klaras Setzung hat einiges für sich, finde ich:

Mit den Jahren
bekommt sogar die Sehnsucht Löcher

Freiräume

Ich würde vielleicht anregen, nur mal so als Idee:

Mit den Jahren
verblasst selbst die Sehnsucht

Freiräume


Saludos
Mucki

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Beitragvon Pjotr » 30.06.2007, 19:04

Hallo Scarlett.

scarlett hat geschrieben:Ich glaube (und wenn mich mein Spiegel nicht belogen hat :rolleyes: ), ich lese es eher mit etwas heruntergezogenen Mundwinkeln, auf keinen Fall aber nachdenklich locker, eher etwas spöttisch/zynisch.


Perfekt, dann habe ich keinen weiteren klang-ästhetischen Einwand. Dein Text kommt komplett bei mir an.

Es wurde mehrfach kritisiert, Sehnsucht könne keine Löcher haben. Diese Kritik kann ich nicht nachvollziehen. Es gibt ja vielerlei Sehnsüchte, eine ganze Palette davon. Nun bekommt diese Palette eben Löcher. Das finde ich durchaus stimmig.


Salute

Pjotr

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Beitragvon Elsa » 30.06.2007, 19:10

Hallo,

Löcher - wie schon gesagt - sind ein guter Vergleich.
Die Sehnsucht wird porös, wenn sie nur lange genug nicht erfüllt wird.
Sie könnte auch abgestanden werden. Aber ich finde löchrig passend.

Es ist hart aber wahr.

Lieben Gruß
ELsa
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Beitragvon Pjotr » 30.06.2007, 19:25

Porös!

Das klingt natürlich auch gut! (Rein klang-ästhetisch).

(Scarlett, was ich übrigens mit "krachig" in "löchrig" meinte, war nicht das "ö", sondern das "chrig").


Adiö

Pjotr


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