fragment über den tag

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Niko

Beitragvon Niko » 29.05.2007, 05:42


fragment über den tag

kam ein tag
leicht scheinend heran
frug nicht nach namen
blieb restlos
gefräßig
nahm sich was fehlte
bis der mond
ihn verjagte
Zuletzt geändert von Mucki am 11.02.2010, 22:46, insgesamt 3-mal geändert.
Grund: nach Absprache mit Niko Text wieder eingesetzt

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ferdi
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Beitragvon ferdi » 29.05.2007, 07:20

Hallo Niko,

ein schöner, treffender Text :smile:

Was allerdings "schwob" heißen soll, ist mir ein Rätsel - von "schweben" kann es jedenfalls nicht kommen, das ist schon, solange es eine deutsche Sprache gibt, ein schwaches Verb?! Und nach einem Text, in dem solche "Neubildungen" augenzwinkernd genutzt werden, sieht es mir hier doch auch nicht aus...

Ferdigruß!
Schäumend enthüpfte die Woge den schöngeglätteten Tannen. (Homer/Voß)

Niko

Beitragvon Niko » 29.05.2007, 12:16

lieber ferdi!
danke für deinen kommentar. augenzwinkernd neubildungen nutzen....- nö. so nun auch nicht. aber manchmal baue ich in vergessenheit geratene deutsche worte oder deren veraltete "beugung" ein (siehe du selbst). damit sie nicht ganz vergessen sein. "schwebte" hieß meines wissens nach vor garnicht allzu langr zeit noch "schwob". und auch du müsstest es kennen: eine - sagen wir mal - konservative sprachnutzung verleiht einem text manchmal eine besondere note. ein bestimmtes flair. ich empfinde das jedenfalls so.
spannend, dass dir im gegensatz zu "schwob" das "frug" nicht auffiel ;-)

lieben gruß: Niko, der an pfingsten einen kuchen buck. :razz:

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ferdi
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Beitragvon ferdi » 29.05.2007, 12:43

Hallo Niko!

"Frug" gab es wirklich. ("Fragen" hat eine sehr interessante Geschichte - die Beschäftigung damit lohnt sich :smile: )

"schwob" dagegen gab es nie! Das war, wie gesagt, schon immer ein schwaches Verb, soll heißen, es ging "schweben, ich schwebe, ich schwebte, geschwebt". Siehe etwa im Nibelungenlied: "si swebten sam die vogele vor im ûf der fluot." Das war vor ca. 800 Jahren, und ich glaube, es gibt sogar Beispiele in Otfrieds "Evangelienharmonie (such ich bei Bedarf raus) - und die ist ca. 870 geschrieben worden. Also, falls es nicht in einem ganz verschrobenen Dialekt vorkommen sollte (daran glaube ich aber nicht), hast du "schwob" für dieses Gedicht erfunden :smile: Oder hast du einen Beleg für die Nutzung von "schwob"? Fände ich sehr spannend!

Ferdigruß!
Schäumend enthüpfte die Woge den schöngeglätteten Tannen. (Homer/Voß)

Niko

Beitragvon Niko » 29.05.2007, 12:55

hab gesucht, ferdi, find aber nix. es gibt jetzt zwei oder drei möglichkeiten: ich schreibe "schwebte", oder jemand findet noch einen schweben, schwob, geschwoben - beleg, oder ich hab ein wort erfunden *g.
ich stöbere mal weiter. vielleicht hab ich ja das glück, das ich oder irgendjemand fündig wird....

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ferdi
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Beitragvon ferdi » 29.05.2007, 13:07

Ein drittes Hallo!

Ich habe mal bei Grimm (<-Link) geschaut, das ist eigentlich eine sichere Quelle in solchen Dingen, und der sagt:

"abweichungen der lautform begegnen kaum. die flexion ist durchgängig die schwache." Ich fürchte, es läuft auf "schwebte" hinaus...

Ferdigruß!
Schäumend enthüpfte die Woge den schöngeglätteten Tannen. (Homer/Voß)

Herby

Beitragvon Herby » 29.05.2007, 13:10

Hallo Niko,

das ist in der Tat ein ebenso treffendes wie treffliches Fragment, das ich sehr gerne gelesen habe.

Du schreibst:

eine - sagen wir mal - konservative sprachnutzung verleiht einem text manchmal eine besondere note. ein bestimmtes flair. ich empfinde das jedenfalls so.


Da stimme ich Dir aus ganzem Herzen zu, ich habe auch eine solche Schwäche für aussterbende Worte.

Liebe (verregnete) Grüße
Herby

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 29.05.2007, 15:36

Lieber Niko,

toller Text!! Aber von den seltsamen Vergangenheitsformen würde ich mich hier trennen. Das gibt dem Text etwas Possierlich-Humorvolles, was ich nicht brauche bei diesem Text. Ganz klar würde ich das....streichen*!

Ansonsten habe ich schon beim Titel gedacht, oh, hoffentlich ist das so gut, wie es klingt...und ja! Toller Rhythmus bis zum Ende aufgelöst (wie ein Musiktakt) und...unkonkret und trotzdem erlebbar.

* nicht falsch verstehen, genrell stimme ich deinem Beschützerinstinkt da zu, nur hier nicht!

So?



fragment über den tag

kam ein tag
schwebte/schien heran
fragte nicht nach namen
blieb restlos gefräßig
nahm sich was fehlte
bis der mond ihn verjagte

Fein das!

Liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Niko

Beitragvon Niko » 29.05.2007, 16:37

also gut, gut,gut!!!!!!!!!!!!!!!!!
von dem schwob trenne ich mich. aber bitte: lasst mir das frug! ich habe es auch in meinem täglichen sprachgebrauch......manchmal...............ein bisschen.....eigentlich ein kleines bisschen....also - fast ein bisschen..... :-)

lieben gruß: Niko
(überarbeitung siehe oben)

Mucki
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Beitragvon Mucki » 29.05.2007, 17:33

Hallo Niko,

wenn du soooooo sehr daran hängst ... *g*, aber ich stimme Lisa dennoch zu. Ich würde statt "frug" auch "fragte" schreiben.
Dieses "frug" fällt so heraus aus deinem schönen Gedicht ;-)
Saludos
Mucki

Max

Beitragvon Max » 30.05.2007, 18:52

Lieber Niko,

ich finde dass der Text (den ich als Bild gerne lese) durch das Streichen der neuerfundenen starken Beugung von "schweben" gewonnen hat, wobei mir Lisas

"schien heran"

auch zusagt, denn mit "scheinend" hast Du ja einen natürlichen Kandidaten für ein Verb dieses Satzes, das Du schon ins Partizip heben musst, weil eben 2 Prädikate nicht erlaubt sind ...

Hm ... warum es "frug" sein muss, verschließt sich mir noch, aber wenn Du es magts ...

Liebe Grüße
Max

Mucki
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Beitragvon Mucki » 30.05.2007, 19:25

Hallo Niko,

das "leicht scheinend" ist es noch nicht, finde ich. Wie wäre: schleichend?
Saludos
schnell wegschleichende Mucki,-)

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 30.05.2007, 20:03

Lieber Niko,

ich mag dein "leicht scheinend" auch. Das frug würde ich aber auch...aber immerhin ist es ohne das schwob enthumorisiert. Aber ich denke, für dich ist es jetzt so richtig.

Liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Niko

Beitragvon Niko » 30.05.2007, 22:18

ja, lisa, mucki, max......für mich ist es so eigentlich fertig. eigentlich deswegen, weil definitiv fertig ist es vielleicht erst in 5 jahren. wer weiß das schon so genau.
aber so ist es für mich erst einmal goldrichtig. und, ja...- von dem frug KANN ich mich einfach nicht trennen. nicht aus bockigkeit, sondern weil es a) bei mir unter artenschutz steht und weil es b) nicht einmal aus meinem sprachschatz verbannt ist. ich mag dieses wort. es gibt soviel wort-werte, die verloren gehen. den zug kann man sicher nicht aufhalten, aber abbremsen und zumindest eine weile auffrischen. ich mag auch: Tand, irden, indess, darob, dereinst etc......nicht überall "gesellschaftsfähig", aber wo ich kann, bau ich es ein. ;-)

wohlan denn, seid mir gegrüßet, edle, wertgeschätzte gefährten!

zum Gruß mit tiefer Verneigung: Niko


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