Herr A. wird Verleger

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Herby

Beitragvon Herby » 18.02.2007, 10:26

Herr A. wird Verleger

Herr A., der gern und viel geschrieben,
nun eines Tags den Wunsch verspürte,
dass man, was ungelesen noch geblieben,
mit schönem Einband publizierte.

Er wandte sich an Literaten*
und traute kaum mehr seinen Ohren,
als schließlich zwei Verlagslektoren
fernmündlich höflich darum baten,
ob es ihm etwa möglich wär,*
in Bälde ihnen zuzusenden
um prüfend sich dem zuzuwenden,
ein Exposé, nur ja nicht mehr.

Herr A. sah sich, die Brille rosa,
im Lorbeer schon für seine Prosa,
doch dann traf ihn am hellen Tag
ein wirklich herber Schicksalsschlag.
Es lagen die betippten Seiten
nicht mehr, wo sie seit Ewigkeiten
zu finden waren. Groß der Schreck:
das A.’sche Manuskript war weg.

Er kehrte Unterstes nach oben,
es ward gekramt, geräumt, gesucht,
die eigne Unordnung verflucht,
doch half kein Zetern und kein Toben
und er gestand nach vielen Stunden:
Die Urschrift war und blieb verschwunden.

So hat Herr A., zutiefst bewegt,
sein Erstlingswerk gar selbst verlegt.**

*geändert auf Anregung vom Reimerle u.a., denen ich herzlich danke
** An dem letzten Vers haben reimerle und aram mitgefeilt. Lieben Dank dafür!
Zuletzt geändert von Herby am 18.02.2007, 23:26, insgesamt 3-mal geändert.

Sneaky

Beitragvon Sneaky » 18.02.2007, 11:25

Hallo Herby,

ich mag die sog. leichte Muse, ein Schmunzeln am Morgen ist immer viel wert. Ich hab eins bekommen von diesem Text, die Pointe passt.

Für den Verlauf des Texts hab ich ein paar Anmerkungen. Nimm sie bitte als meine Meinung, nicht als "Verbesserungsvorschläge".

Vers eins müsste doch am Schluss "publiziere" heißen oder? "ungelesen" könnte man auch so auffassen, dass niemand Lust hatte, seine Werke zu lesen? unbekannt vielleicht eher.

Den Anfang des zweiten Verses find ich unschön mit der Auslassung. Warum nicht "er wandte"?

"ob es ihm denn wohl möglich wär", in diesem Satz ruckelt es nach meinem Ohr leicht.
ob`s ihm denn etwa möglich wär?

Vers drei "im Lorbeer sehen" ist eher ungebräuchlich "lorbeerbekränzt für seine Prosa"?


Ansonsten gefällts mir & habs gern gelesen

Gruß

reimerle

Last

Beitragvon Last » 18.02.2007, 11:54

Guten Morgen Herby,

das habe ich sehr gerne gelesen. Amüsant und stilsicher, durch die wechselnde Reimart spitzt sich auch sprachlich gegen Ende alles zu und die Pointe sticht nicht nur toll hervor sondern kann mich auch sonst überzeugen, schließlich musste ich darüber Grinsen :smile:

Sprachlich stimme ich Reimerle zu bei "er wandte" und den Lorbeerkränzen.

"Ob es ihm vielleicht möglich wär" gefällt mir persönlich.

LG
Last

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leonie
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Beitragvon leonie » 18.02.2007, 12:07

Lieber Herby,

das ist einfach köstlich. Durch den Titel habe ich ein völlig anderes Ende erwartet (nämlich dass Herr A. selbst Verleger wird, weil seine Texte überall abblitzen), ich vermute, dass Du das genauso gewollt hast und bei mir hat es super funktioniert. Das Ende ist einfach gut!

Liebe Grüße

leonie

Gast

Beitragvon Gast » 18.02.2007, 12:11

Lieber Herby,

ich habe sehr geschmunzelt... hast du ein lebendes Beispiel vor Augen oder ist das deiner Fantasie entsprungen?
Herr A. kann also sein Chaos nicht überblicken, und du hast es in Reime gefasst, die auch überwiegend schön fließen.

Zu Vers 1, Zeile 3 hat reimerle schon etwas gesagt, mein Vorschlag wäre:

dass man, was unveröffentlicht geblieben,
(muss man zwar ein wenig beim Betonen nachhelfen, aber sonst wird eine umfangreichere Änderung notig)

V2, Z1 wandt'

V2, Z1 stimme ich auch reimerle zu.

In V2, Z4 sind der Füllwörter wohl denn hinter einander nicht schön, deswegen auch die Irritation beim Sprechen.
Vielleicht ab Z4

telefonisch darum baten
er solle ohne Zögern handeln,
die Manuskripte an sie senden
-zwecks Prüfung - keine Zeit verschwenden,
"Ein Exposé", wie sie befanden.


Es ist nicht dasselbe was du ausgedrückt hast. Für mein Empfinden aber ein klein bisschen näher am Ablauf - ohne Füllwörter.

V3, Z2 statt "in Lorbeer" ... "den Goldschnitt schon für seine Prosa"

V4, Z3 die eigne Unordnung verflucht,
klingt mir auch noch nicht wirklich glatt, vielleicht:
und seine Unordnung verflucht

Und beim letzten V, Z1

Letztendlich hat Herr A. bewegt

klingt und passt besser, meine ich. ("So" kommt auch schon einmal vor)

Liebe Sonntagsgrüße
Gerda

Mucki
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Beitragvon Mucki » 18.02.2007, 13:47

hallo herby,

sehr gerne und schmunzelnd gelesen,-)
saludos
magic

Herby

Beitragvon Herby » 18.02.2007, 14:07

Hallo ihr Lieben,

Mein Jott, dat jing ja flott mit Euren Antworten zu meinem Leid geprüften Herrn A. Habt herzlichen Dank fürs mitfühlende Lob und Lesen.

Lieber Reimerle (jetzt hätte ich fast „Liebes Reimerle“ geschrieben)

„publiziere“ wäre tatsächlich korrekt, aber ich habe es durch das Tempus nicht anders hinbekommen. Zwei andere Anregungen übernehme ich gerne von Dir. Bei Vers 5 war ich anscheinend vernagelt, Dein Vorschlag zu dieser Stelle ist viel besser, wie auch Deine Idee zu Vers 9 mir besser gefällt.
Was den Lorbeer betrifft, so gebe ich gerne zu, dass meine Formulierung ungebräuchlich ist, aber ich finde, der Sinn bleibt trotzdem klar; Deinen Vorschlag hierzu kann ich leider nicht übernehmen, da die jambische Betonung auf der zweiten Silbe dann unsauber würde > lorBEERbeKränzt.

Lieber Last,
mit Deinem Vorschlag zu Vers 9 ist es ähnlich wie Reimerles Anregung zum Lorbeer: in Deiner Version läge durch den Jambus die Betonung auf VIELLeicht, was ich nicht so klingend finde.

Liebe leo,
wie schön, dass es bei Dir verfangen hat. Ja, so war es von mir auch intendiert. Mich hatten damals die unterschiedlichen Bedeutungen von „verlegen“ gereizt, und es entstand noch ein weiterer Text hierzu aus der Herr A. Reihe, den ich aber noch nicht richtig rund finde und an dem ich noch feile.

Liebe Gerda,
auch Dir erst mal Danke fürs Lob und Deine konstruktiven Gedanken. Nein, ich hatte kein lebendes Beispiel vor Augen, oder vielleicht doch, aber dann nur teilweise ... ;-) :eusa_shhh:
Mich würde interessieren, warum man bei

dass man, was unveröffentlicht geblieben


beim Betonen nachhelfen muss. Dieser Vers ist zugegeben der einzige mit fünf Hebungen, aber jambisch und, wenn ich das richtig sehe, ohne unnatürliche Silbenbetonung. Vielleicht hab ich ja auch ein metrisches Brett vor dem Kopf, falls ja, dann hilf mir bitte, es zu zerlegen. ;-)

Was die Füllwörter betrifft, hast Du Recht. Bei längeren Texten neige ich dazu und ich bin froh, wenn mich jemand drauf aufmerksam macht. Dein Vorschlag liegt mir aber noch quer, da „telefonisch“ aus dem Jambus raus fiele, da trochäisch, „handeln“ reimt sich nur sehr unrein auf „befanden“ und „Manuskript“ wollte ich auch nur einmal im Text haben.
Über Deinen Vorschlag zur „Unordnung“ denke ich noch nach, wobei ich noch zu verstehen versuche, wieso die in Deiner Antwort fett gedruckten Buchstaben den Klang beeinträchtigen.

Auch mit Deinem Vorschlag zum vorletzten Vers werde ich mich noch auseinandersetzen. Du merkst an, dass „so“ wiederholt wird. Das stimmt, aber durch die Übernahme von Reimerles Vorschlag fällt das erste ja nun weg. Mal sehen, wie ich es mache.

Liebe Gabriella,
hab Dank für Dein Lob, ich freue mich sehr darüber.

Euch allen herzlichen Dank für Eure Vorschläge. Es hat mich gefreut, dass ich Euch zum Schmunzeln bringen konnte.

Liebe Grüße in einen närrischen Sonntag
Herby

aram
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Beitragvon aram » 18.02.2007, 14:56

lieber herby,

schöne idee und amüsant geschrieben.

ich würde das "nun" der letzten zeile dem sinn zuliebe gegen ein "gar" tauschen.

sonnige sonntagsgrüße!
aram
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l. cohen

Herby

Beitragvon Herby » 18.02.2007, 23:16

Lieber aram,

herzlichen Dank für Dein Lob und Deinen Vorschlag! Dieser gefällt mir "gar" sehr und ich greife gerne darauf zurück. :engel:

Liebe Grüße und eine gute Woche
Herby

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 18.02.2007, 23:21

Lieber Herby,

So hat Herr A., zutiefst bewegt,
sein erstes Werk nun selbst verlegt.



:totlach: :totlach: :totlach: :blume0028:

Das Ende ist einfach nur wunderbar!!! Herrlich!

Danke für die Abendversüßung!

(Die erste Stropeh könnte im vergleich zu den anderen noch etwas unstockiger werden grammatisch/bezüglich, ansonsten, hui!)

Liebe Grinsegrüße,
Lisa

[schild=4 fontcolor=000000 shadowcolor=C0C0C0 shieldshadow=1]Herr A-Fan[/schild]
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Herby

Beitragvon Herby » 18.02.2007, 23:38

Liebe Lisa,

wie schön, dass mein Herr A. Dir den Abend versüßen konnte. Ich gebe Deine Fanpost gerne an ihn weiter. :engel:

Während Du schriebst, hatte ich den Schlussvers geändert und hoffe, dass Dir die neue Version ebenso gefällt.

An der ersten Strophe werde ich, auch wenn es etwas dauern sollte, noch feilen, um sie grammatisch/bezüglich, ansonsten, hui (??) zu entstocken. ;-)

Da ich Dir ja keinen närrischen Rosenmontag wünschen kann, so aber doch eine gute Woche!

Liebe Grüße
Herby

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Beitragvon Lisa » 18.02.2007, 23:44

Lieber Herby,
aber nicht zu viel an der ersten Strophe arbeiten - ein wenig verworren~possierlich muss sie auch sein, das passt!
Das Ende gefällt neu und alt, aber am besten Herr A :wub:

hui = lieraturwissenschaftlich toll ;-)

Liebe Grüße,
Lisa

(einen ROSENmontag kann man mir wohl wünschen! ich hatte sogar schon mal eine Clownsnase auf, zählt das?)
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Herby

Beitragvon Herby » 19.02.2007, 00:00

achsooo ... *grins* Das hast Du hervorragend formuliert, verworren possierlich passt tatsächlich zu meinem kleinen Herrn A.

einen ROSENmontag kann man mir wohl wünschen! ich hatte sogar schon mal eine Clownsnase auf, zählt das?


Gibt's von Dir mit Clownsnase ein Photo? Als Anfang aber schon mal gut.
Dann soll es morgen für Dich rote Rosen regnen, oder wie hieß das noch bei Hildchen Knef? Ich hoffe, Max liest das jetzt hier. ;-)

Herzliche Grüße
Herby

Wannendicht

Beitragvon Wannendicht » 08.03.2007, 20:48

Hi Herby

Das ist ein klasse Gedicht, super rhytmus und klasse Thema...
Ausser mir fällt mir da noch jemand ein, dem so etwas passieren könnte...


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