Vom Fass

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Perry

Beitragvon Perry » 29.11.2006, 11:43

Vom Fass

Aus Eiche gesägt
gespalten, gehobelt
in Eisen gezwängt
warte ich darauf
befüllt zu werden
um mich
bei Gelegenheit
wieder zu leeren

làgrimas

Beitragvon làgrimas » 29.11.2006, 12:26

kurz und banal - jedenfalls auf den ersten blick, füllt einem ab, nicht mit bier, aber mit einem grossen schluck der sich immer wiederholenden alltäglichen sinnlosigkeit.

ich mag die zeilen nicht besonders, die "zum-fass-werden-aufzählung" ist mir zu trocken, doch der nachgeschmak gefällt mir (beim bier ists genau andersrum :mrgreen: )
das in eisengezwängt werden finde ich wiederum eine schon fast zu schöne doppeldeutigkeit...


lg n.

Perry

Beitragvon Perry » 29.11.2006, 13:54

Hallo làgrimas,
freut mich, dass dich der Text "spaltet", denn nur so kann die metaphorische Seite zur Wirkung kommen.
LG
Manfred

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Zefira
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Beitragvon Zefira » 29.11.2006, 14:38

Hallo Perry,

es gibt eine Märchenfigur, einen Mann, der sich in eiserne Fassreifen zwängte, damit sein Herz nicht (vor Kummer) zerspringen konnte.

"Heinrich, der Wagen bricht!"
"Nein, Herr, der Wagen nicht, es ist ein Band von meinem Herzen, das da lag in großen Schmerzen ..."


Das ist aus dem Froschkönig, glaube ich.

Hattest Du das im Hinterkopf?

lieben Gruß
Zefira
Vor der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
Nach der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.

(Ikkyu Sojun)

Perry

Beitragvon Perry » 29.11.2006, 16:30

Hallo Zefira,
gute Assoziation, das mit dem eisernen Heinrich aus dem Froschkönig, war aber nicht meine Intention. Ich möchte diese aber noch offen lassen.
Danke und LG
Manfred
PS: Vielleicht nur soviel, ich sehe mich mit dem Text ein wenig in der Tradition von Horst Bienek.

Max

Beitragvon Max » 29.11.2006, 20:24

Lieber Manfred,

sagts Du auch noch, was von Horst Bienek. Ich kenne von ihm nur einen Roman und die Werkstattgespräche, die ich nebenbei bemerkt jedem ans Herz lege.

Liebe Grüße
Max

Mucki
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Beitragvon Mucki » 29.11.2006, 23:15

Hallo Manfred,

dieses Fass steht für mich so sehr im Vordergrund, dass sich mir der Text einfach nicht erschließen will. Das, was ich herauslese, ist ein Mensch, der gefangen ist oder sich gefangen fühlt und irgendwie einem Prozess unterworfen ist, der sich ständig wiederholt, nämlich beim "wieder zu leeren" und "befüllt zu werden". Mir drängt sich der Gedanke auf, dass er sich immer wieder befreit und immer wieder gefangen genommen wird, so etwas in der Richtung. Und dieses "warte ich darauf" lese ich als eine Haltung des sich dem "Schicksal" ergeben, aber wie gesagt, ich tappe noch im Dunkeln.
Saludos
Magic

Perry

Beitragvon Perry » 01.12.2006, 13:31

Hallo Max,
ich bin auf Horst Bienek als Lyriker auch mehr durch Zufall gestoßen. Er ist für mich z. B. Vorbild darin einen ganz normalen Sachverhalt, wie in diesem Fall eines Zeitungsartikels über den Beruf des Fassbinders, als Grundlage für eine lyrische Reflexion zu verwenden.
Das einzige Gedicht von ihm, das ich im Netz gefunden habe ist "Wörter"
(http://fhoelderslyrikseite.blogspot.com ... t%20Bienek).
LG
Manfred

Hallo Gabriella,
mit dem zweiten Teil des Gedichtes, der den lyrischen Rückbezug der Metapher "Fass" beschreiben soll, bin ich auch noch nicht ganz zufrieden.
Meine Inspiration war, dass wir zuerst vom Leben/Schicksal zurecht gebogen werden, dann mit den Trauben der Erfahrungen gefüllt und uns schließich nach einer Zeit des Gärens wieder entleeren. Auf der metaphysischen Ebene könnte man es auch als Reifen des Karmas umschreiben.
LG
Manfred


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