wErdung

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Niko

Beitragvon Niko » 27.11.2006, 16:05

wErd
Zuletzt geändert von Niko am 15.11.2007, 23:49, insgesamt 3-mal geändert.

aram
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Beitragvon aram » 27.11.2006, 16:27

hallo niko

gefällt mir sehr, von anfang bis ende und rundum

- nur 'flammen aus der asche' finde ich etwas weit hergeholt oder ich versteh es nicht ganz - würde es 'glut aus der asche' nicht treffen?

den fisch zu zeichen und fisch zu sein, inmitten, entzündet ... gallseitig schlafen - sehr schöne bilder.

danke für das gedicht
aram
there is a crack in everything, that's how the light gets in
l. cohen

Perry

Beitragvon Perry » 27.11.2006, 16:53

Hallo Niko,
spricht mich an, die in persönliche Befindlichkeit (Galle) und gedankliche Suche eingebetete Erkenntnis, ich brauche dich nicht Gott (Fischsymbol)!
LG
Manfred
PS: Warum das "oder" im ersten Vers?

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annette
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Beitragvon annette » 27.11.2006, 19:38

Niko,

eindrückliche Bilder von jemandem, der sich löst und sich etwas Neuem zuwendet - der eben "wird" (wobei mir das Wort "werdung" nicht gefällt).

Meine Lesart:
Die erste Strophe beschreibt hilflose Handlungen, die nichts erreichen, nur schaden können: Mit Kreide Gezeichnetes dauert nur kurz; Gedachtes wird nicht zum (bewussten, gesagten oder geschriebenen) Wort.
Zwei Fragen dazu:
1. Wie kommst Du auf das Bild "gallseitig schlafen"? Mir fällt dazu ein, dass unser Ärger mit der Galle assoziiert wird. Meinst Du, dass man mit Ärger schläft, dass der Ärger einen auch im Schlaf nicht verlässt?
2. Warum die Wortstellung in Vers 6? Ich würde vorschlagen: schadet mir nur.

In Strophe 2 beginnt etwas Neues. Wobei auch mir die Flammen etwas zu schnell schlagen. Glut scheint mir ein guter Vorschlag. Sehr gefällt mir "entzünde mich wortwärts" - nun werden aus den Gedanken Worte, das Ich beginnt, sich zu manifestieren. "Werdung" durch Sprache.

Die letzten vier Zeilen sind ein Ritual, den Abschied von der Vergangenheit zu bekräftigen. Das lyrische Ich schreibt sich los - allerdings im Wissen, dass der Regen den Bannspruch gleich wieder tilgen wird.
Deshalb bleiben mir Zweifel: Wird der Regen auch die Flammen/Glut wieder löschen?

Zur Symbolik: Beim Fisch dachte ich auch gleich an das Symbol für das Christentum. Hat der Fisch bei Dir diese Bedeutung? Dann wäre "und bin inmitten / ein fisch" die Bekenntnis zur eigenen individuellen Religion oder Spiritualität?

Sehr anregender und intensiver Text.

Gruß, Annette

Max

Beitragvon Max » 27.11.2006, 19:44

Lieber Niko,

auch von mir kommt ein großes Lob für die Bilder. "Gallseitig schlafen" ist neu und sehr originell. "Wortwärts" finde ich auch sehr stark und zum schluss mit Kreide auf den Asphalt zu schreiben, so dass es ja fast nicht mehr gilt .. all das ist sehr sehr schön.

Annette, Du schreibst:

2. Warum die Wortstellung in Vers 6? Ich würde vorschlagen: schadet mir nur.


ich glaube, dass "schaden" gehört noch zur Zeile drüber ...:


dies alles kann nichts
schaden nur mir



Liebe Grüße
max

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annette
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Beitragvon annette » 27.11.2006, 20:04

Max hat geschrieben:ich glaube, dass "schaden" gehört noch zur Zeile drüber ...:

dies alles kann nichts
schaden nur mir


Stimmt, Max, das hab ich falsch bezogen. In meiner Lektüre sollte "dies alles kann nichts" die Ohnmacht dieser Handlungen ausdrücken. Aber mit einem gedachten Komma nach "schaden" ist es stimmiger.

Gruß, Annette

Peter

Beitragvon Peter » 27.11.2006, 21:36

Hallo aram und annette!

Im Gedicht heißt es: "So suche ich Flammen aus der Asche...", das heißt nicht, wie ich meine, dass da welche sind oder werden. Eben das zeigt doch, und unterstützt, und schafft das Resignative des Gedichtes. Ich selbst finde diese Stelle besonders ausdrucksstark.

Und die Resignation führt zur "Werdung" - ich kann das, an Niko gesprochen, sehr gut nachvollziehen, ja mir selbst ist kaum ein anderes Werden bekannt! als das aus der Resignation.

Liebe Grüße,
Peter

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 27.11.2006, 22:44

Ich stimme allem zu, lieber Niko.

Besonders auch Max mit dem 'Schaden'.

Eine Werdung, die unter der Haut ist, da wo das eigentliche Wasser fließt.

Moshe

Offtopic = (?)

Iris

Beitragvon Iris » 28.11.2006, 10:52

Hallöchen, mit den Flammen aus der Asche suchen, komme ich auch noch nicht so zurecht, doch man könnte einen Kienspan nehmen und ihn suchen, neu zu entzünden, um ihn mit auf die weitere Reise zu nehmen, windgeschützt mit zur nächsten Feuerstelle zu tragen, eine Art Windlicht.
Dann braucht man nicht verweilen und nicht mühsam das Feuer neu entzünden an anderem Ort.

Wortwärts geht es dann weiter.

Liebe Grüße Iris

Niko

Beitragvon Niko » 28.11.2006, 13:41

huiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiii

noch nicht mal ein tag drin und schon eine menge kommentare! ich danke euch allen fürs "kopf machen" und kommentieren!
im einzelnen:

mit den Flammen aus der Asche suchen, komme ich auch noch nicht so zurecht


man muss die beiden gesondert sehen, iris. auf der einen seite die flammen, die für das entfachte, das brennen, lodern, verzehrende, das heiße stehen und auf der anderen seite die asche, kalt, verbrannt, unkenntliches material etc........dieses bild, das so gut in sich passt, macht vielleicht gerade dadurch dicht für weitreichendere ebenen.

peter, moshe - euch vielen dank und ja, das resignative ist keinesfalls passiv. schlussendlich jedenfalls. moshe: offtopic???andernorts wird es erfolgen. ok?


anette und max - ja, der schaden ist auf beide zeilen bezogen. sprich: dies alles kann nichts / dies alles kann nichts schaden / dies alles kann nichts schaden, nur mir. - diese lesarten sollten deutlich werden.
Wie kommst Du auf das Bild "gallseitig schlafen"? Mir fällt dazu ein, dass unser Ärger mit der Galle assoziiert wird. Meinst Du, dass man mit Ärger schläft, dass der Ärger einen auch im Schlaf nicht verlässt?
ja. das kann man so lesen, anette. aber auch (das war meine intention) auch etwas, das im grunde unlogisch ist: gallseitig schlafen. auf der galle liegend schlafen, sie quasi mit sich selbst verschwindend machen. auch dachte ich an den versuch, die galle durch wärme milder zu stimmen. aber ich glaube, rein medizinisch ist das unfug. mitgeschwungen beim schreiben ist eine mischung aus alldem. inclusive deiner lesart.

das schreiben mit kreide kurz vor dem regen hat etwas zögerliches für mich. und ein austricksen. eine aussage, ein wille oder statement, das man beKräftigt in dem wissen, dass er hier nicht gefordert ist (das eine, kreide, passt nicht zum anderen) und/ oder diesen mut nur aufbringen können, wenn man sicher ist, das es wieder revidiert werden kann. es steht für mich als eine art lernphase. der eigentliche prozess der werdung.

Wird der Regen auch die Flammen/Glut wieder löschen?
das würde vorraussetzen, das flammen in der asche vorzufinden waren.

;-)


mit dem fisch wollte ich schon auch den religiösen aspekt einbringen. aber es kam mir auch "lebendig wie ein fisch" in den sinn. hier schien mir die kombination gut zu passen.

das "oder" perry......was genau stört dich daran?

aram.....da sach ich nur: DANKE :cool: die flammen hab ich ja weiter oben schon seziert.....

lieben gruß an euch alle: Niko, erstaunt und begeistert von soviel rückmeldungen :antwort:

habe den titel minimal abgeändert und aus "werdung" "wErdung" gemacht

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 28.11.2006, 15:07

Lieber Niko,
ein starkes Gedicht, zu dem schon von anderen und dir selbst viele gesagt wurde, so dass ich mein Lob mehr oder weniger nur hier unten dran hänge. Ich kann mit den Flammen durchaus etwas anfangen, bezeichnen sie doch die Suche nach etwas nicht mehr Erreichbaren. Insgesamt gefällt mir besonders die durchgängige Klarheit der Komposition deines Textes von Anfang bis Ende und natürlich die ungewöhnlichen Bilder.

Sehr gerne gelesen!

Liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Perry

Beitragvon Perry » 28.11.2006, 15:48

Hallo Niko,
oder-Aufzählungen stellen im allgemeinen Alternativen, dar. Hier scheint mir aber mehr eine Aufzählung gemeint zu sein. Was den Fisch anbelangt, als Symbol der Lebendigkeit scheint mir die Verwendung als Zeichnung bzw. als "Grillgut" in Asche/Feuer eher weniger naheliegend, aber da sind wir wohl wieder an unserer unterschiedlich tickenden lyrischen Uhr angelangt (lächel).
LG
Manfred

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leonie
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Beitragvon leonie » 28.11.2006, 16:32

Lieber Niko,

auch ich schließe mich an: Ein starkes Gedicht, hab ich sehr gern gelesen, besonders die ungewöhnlichen Bilder!

Liebe Grüße
leonie

Niko

Beitragvon Niko » 01.12.2006, 16:15

hallo lisa!

danke für deine lobenden worte. und ich freue mich, dass du mit dem "flammenbild" etwas anfangen kannst.

hi perry!

ich denke, es ist von beidem etwas. eine alternative aufzählung :idee:

aufzählen mit oder geht auch. beispiel: wenn ich zeit hab, geh ich ausessen, in der stadt spazieren oder ins kino.

hi leonie!

auch dir ein "danke" für lesen und kommentieren. :daumen:

lieben gruß euch allen: Niko


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