schuld

pandora

Beitragvon pandora » 01.11.2006, 14:04

kaum hatte ich ihn
im olivenhain begraben
trug die gefiederte see
sein kinderlachen an land
aber auch das höhnische grinsen
des besseren

ich hielt seinen duft
in den mörderhänden
und wusste nur noch
diesen einen flügelschlag lang
wie weich seine haut gewesen war

die wunde blieb mir
als der weiße falter davonflog

Max

Beitragvon Max » 04.11.2006, 18:07

Liebe Pandora,

beinahe wird es schon zur Gewohnheit, dass ich die Kraft und Originalität Deiner Bilder bewunderer. Hier ist es vor allem das Bild der gefiederten See, das ich sehr mag. In der gleichen Strophe habe ich aber auch Probleme, mir zu erschlie0en, wer denn "des besseren" ist. Darum gibt mir Dein Gedicht immer noch Rätsel auf.

Liebe Grüße
Max

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 05.11.2006, 13:10

Liebe pandora,
ich habe den Text schon ganz oft gelesen und mag ihn sehr - nur weiß ich nicht, was ich schreiben soll. Er lässt mich zwischen Phantasie und der Suche nach "bekannter" Sage, lässt mich in der Schwebe und das mag ich. Die erste Strophe erinnerte mich an Kain und Abel, wenn die Sprache auch überhaupt nicht die einer Parabel ist @besseren. Wird der andere daraufhin verwandelt?

ich mag die Bilder sehr.....voller Poesie! Wie kann ich das sagen, dass deutlich wird, dass dies ein ganz besonderer Text ist? ich hofe, du kannst es erahnen.

Liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

pandora

Beitragvon pandora » 06.11.2006, 08:46

liebe lisa, lieber max,

die sage von ikaros ist recht bekannt, weniger bekannt ist die "vorgeschichte", die von daedalos, dem begnadeten bildhauer, erzählt, der aus angst, von seinem schüler talos im künstlerischen übertroffen zu werden, zum mörder wird.
http://gutenberg.spiegel.de/schwab/sagen/sch111b.htm

lg
p

Max

Beitragvon Max » 06.11.2006, 09:53

Liebe Pandora,

ups, das ist mir peinlich ... ich habe die Sage schlicht nicht erkannt, was natürlich dann auch nicht sher für mein verstehen spricht ... Interessant, wie einem dann mit einem Schlag alles klarer wird :-)

danke sagt
Max

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 07.11.2006, 18:29

Ohjeohje... :icon_redface2: . Ja, das hätte ich auch herauslesen können - es steht ja da. Genau die Flügel/Feder/Vogel/Falter Elemente waren das, woran ich immer dran anknüpfen wollte, aber es ist mir einfach nicht gelungen. Aber wenn ich richtig verstehe, hast du beides ein bisschen verwoben, Ikarus und Daedalus und die Vorgeschichte, in der Dadalus zum Mörder wird? Genauer: Du hast die Vorgeschichte erzählt, aber die gefiderten Elemente eingebaut um Ikarus zu kennzeichnen? (ich habe die Geschichte des Links jetzt nicht gelesen).

Eigentlich hätten schon die Olivenhaine mich schon aufmerksam machen müssen.

Auch stark - das wollte ich schon letztes Mal erwähnen - dass du von einer Wunde sprichst, die der Mörder sich zufügt, an der zugleich der andere stirbt. Das ist kein Wort, was man intuitiv verwenden würde, aber es geht sehr tief.

Liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Gast

Beitragvon Gast » 04.12.2006, 02:02

Liebe Pandora,

da ich mir für diesen Text ein Lesezeichen gesetzt hatte, weil dieser Text für mich einer jener ist, der in die Monatswahl gehört, möchte ich dir noch etwas zu diesem für mich sehr ausgewogenen, anspruchsvollen Text schreiben. Es soll meine Wahl begründen.
Die Sage von Daedalus und Ikarus hast du dir zum Thema gemacht-
Durch den Titel "schuld" kommt man nicht sofort darauf und dies macht auch den Reiz dieses tiefsinnigen gelungenen Texts aus.
Wäre festgelegt von Beginn an, worum es sich handelt, würde der Leser abgehalten, zu suchen, zu intentdieren, zu interpretieren.
Dafür ein ganz dickes Lob von mir.
Nun wäre eine solches Gedicht, ja nichts weiter als eine gute knappe lyrische Zusammenfassung der Sage, wenn man nicht auch einen Gegenwartsbezug herleiten könnte, gleich jetzt, ob du dieses intendiert hast oder nicht.
Ein Mensch, der auf Grund seiner Lebenserfahrung hätte vernünftig sein können, schickt einen unerfahrenen, der unerschrocken Neues probieren möchte, in den Tod, weil er Anerkennung braucht...
Zweifach der Schmerz, hier in der Auslegung der Sage.
Ein Thema, welches an Aktualität nichts eingebüßt hat, wenn ich mir z. B. Hochleistungssportler und Ihre Trainer (auch oft Väter) ansehe... Die Anerkennung lässt sich heutzutage bar ablesen...
Das ist zugegeben ein wenig zynisch, aber wenn ich an die Dopingfälle denke...kein Wunder.
Auch der zweifache Schmerz würde hier passen.
Ein für mich wichtiges Gedicht, dem ich gern zu mehr Aufmerksamkeit verhelfen würde.

Liebe Grüße
Gerda

pandora

Beitragvon pandora » 04.12.2006, 13:55

liebe gerda,

zunächst danke, dass du den text "ausgegraben" hast. :blumen:
mich reizen sagenstoffe generell, wie ja möglicherweise auch hier schon aufgefallen ist.
was mich im besonderen an ihnen fasziniert, und das hast du in deinem kommentar sehr schön formuliert, ist dieser spezielle menschliche aspekt, den wir beim lesen alle in uns wiedererkennen.
in diesem fall: neidgefühl. angst vor konkurrenz. die furcht zu versagen. plus: die grundsätzliche bereitschaft, moralische grenzen tief zu verletzen, um (zumindest für den moment) herr/frau der lage zu werden. ich freue mich, wenn du den text so weit fasst, dass du z.b. an spitzensportler denkst, denn dann ist es mir gelungen, den eben erwähnten aspekt so "freigelegt" zu haben, dass er zwar noch im sagenkontext schlummert, aber für sich selbst "wirkt".
auch "caunian love" wollte ich gern so verstanden wissen. es gibt zwar diese geschichte von caunos und byblis, aber das, was mich gefangennimmt, das, was ich mit eigenen erfahrungen und eigenem erleben verbinde, ist diese unerfüllte liebe, die sich die beiden nur für das eine mal und im wissen, "unmoralisch" zu handeln, nehmen.
abschließend: ich überlege momentan angestrengt, wo und wie ich die geschichte vom enttäuschten teufel ansiedle (--->schreibwerkstatt), um sie eben nicht nur in der sagenwelt zu belassen.

liebe grüße
pan

Gast

Beitragvon Gast » 05.12.2006, 19:53

Liebe pandora,

ja, dass du gern Sagen als Ideengeber "anzapfst" habe ich schon bemerkt. ;-)
mein Wissen ist begrenzt, und bei Caunian Love, war das z. B. für mich der Grund, weswegen ich zu diesem Text nicht wusste, was ich hätte schreiben können.
Ja, ich finde, dass es dir gelungen ist, der Text, die dir wichtigen Aspekte trägt.
Vielen Dank dir für die auführliche Rückmeldung.

Liebe Grüße
Gerda


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