wann fingst du an...

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Eliane

Beitragvon Eliane » 24.10.2006, 19:08

wann fingst du an…

deine seele
zu geißeln

mit
wortpeitschen
die zerfransten
narben
aufzureißen

sie
ans licht zu ziehen
um doch selbst
im schatten
zu bleiben

als wären sie
nicht
die deinen

die da heilen.


© Eliane
Zuletzt geändert von Eliane am 29.11.2006, 07:35, insgesamt 1-mal geändert.

Cara

Beitragvon Cara » 24.10.2006, 20:54

Liebe Eliane,

ein Gedicht, das mit Worten peitscht.
Es beeindruckt mich außerordentlich.

Ich überlege gerade , wie das vor sich geht, wenn man Narben aufreißt und ans Licht zieht, dabei aber selber im Schatten bleibt. Das klingt, als seien die Narben getrennt von einem selber. Du sagst ja auch:
"So, als wären es nicht die deinen".
Werden sie demnach nur exhibiert?
Nein, das kann nicht sein, denn die Seele wird ja gegeißelt. Es geht also durchaus an die Substanz....
heilt aber am Schluss..............

Ein brachialer Beginn, ein gutes Ende.

Was das Formale betrifft:
Ich würde das Komma hinter "so" weglassen und ebenso den Punkt am Schluss.

Ich finde das Gedicht sehr erschütternd!

Liebe Grüße
Cara

Benutzeravatar
leonie
Beiträge: 8896
Registriert: 18.04.2006
Geschlecht:

Beitragvon leonie » 24.10.2006, 20:59

Liebe Eliane,

den Anfang finde ich auch sehr stark, und ich denke auch noch über das "um doch selbst im schatten zu bleiben " nach.
Der Schluss ist für mich ein wenig "umständlich".
Wie wäre:

als gehöre nicht zu dir, was da heilt

Liebe Grüße
leonie

Eliane

Beitragvon Eliane » 26.10.2006, 08:38

liebe Cara, liebe Leonie

Ich danke euch für euer feedback und eure Fragen zu meinem Gedicht, das ich für jemanden geschrieben habe, den ich schätze.

"um doch selbst im Schatten zu bleiben",

ist doppelt zu deuten. Die Person schaut mit Distanz auf sich. Der Außenstehende muss erst "in den Schatten tauchen", um sie zu erkennen.

Cara, es geht nicht um ein Exhibieren, aber das hast du dir ja selbst beantwortet.

Komma und Punkt sind die einzigen Satzzeichen. Komma soll eine"gedankliche Pause", eine Reflektion, darstellen.
Der Punkt soll eine Bekräftigung ausdrücken.

Leonie, die beiden letzten Zeilen möchte ich nicht ändern. Ich finde, dass

"nicht die deinen"

drastischer ausgedrückt ist, auch vom Rhythmus her besser passt.

liebe Grüße!

Eliane

königindernacht

Beitragvon königindernacht » 30.10.2006, 09:06

Einen außergewöhnlichen Text hast du uns hier zum Lesen gegeben, liebe eliane.
Er peitscht sich ein. Das liegt besonders an der Wort- und Buchstabenwahl in Strophe 1. Die Seele (mit Wortpeitschen Narben aufreißend)zu geißeln ist schon ein ungewöhnliches Bild.

Aber: Ich weiß nicht, ob "ziehen" in Strophe 2 ein passendes Wort ist im Zusammenhang mit dem Peitschen in Strophe 1. Beziehst du dies eigentlich auf die Seele oder die Narben?
Wenn du das Ziehen auf die Seele beziehst, dann stimmt die Grammatik am Schluss ja nicht mehr. (So wären...) Wenn du das Ziehen auf die Narben beziehst, dann frage ich mich, ob man Narben den ans Licht ziehen kann...

Ich verstehe den Inhalt deines Gedichtes sehr gut, aber irgendetwas an der genannten Stelle erscheint mir noch nicht ganz schlüssig,

herzlichst, KÖ

Eliane

Beitragvon Eliane » 30.10.2006, 10:23

Liebe Königin,

danke für dein aufmerksames Lesen!

mit

"die deinen, die da heilen"

sind die "neu aufgerissenen Narben" die nun "ans Licht gezogen werden" gemeint.

Du schreibst, im Zusammenhang mit der Peitsche würde das Wort "ziehen" nicht so recht passen.

Nun, die Peitsche hat ihre Arbeit davor getan, was dann geschieht, ist wieder eine andere Sache.

Ich erinnere mich daran, dass meine Mutter mir als Kind öfter sagte: "Lass Licht und Luft an die Wunde, dann heilt sie schneller".

eine Alternative könnte sein

"sie zu belichten" (was aber an Fotografieren erinnert)

Für weitere Vorschläge bin ich offen *s. Vielleicht findet sich ja eine bessere Formulierung.

lieben Gruß,
Eliane

Last

Beitragvon Last » 11.11.2006, 12:58

Hallo Eliane,

gefällt mir sehr und ist inhaltlich sehr nah an meiner "Allein sein"-Reihe, nur aus der Betrachterperspektive, statt aus der Ego-perspektive geschrieben. Habe auch keine Verbesserungsvorschläge, bis auf den einen: Das "so" (drittletzter Vers) ist ein unnötiges Füllwort.

LG
Last

Eliane

Beitragvon Eliane » 29.11.2006, 07:38

Hallo Last,

habe heute erst dein posting gelesen, war in Urlaub.

Das "so" habe ich gestrichen und dem "nicht" eine eigene Zeile geschenkt, um es hervorzuheben.

lieber Gruß,
Eliane


Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 14 Gäste