zu dritt

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Klimperer

Beitragvon Klimperer » 28.10.2016, 08:47

zu dritt haben wir
eine alte waschmaschine
in die wohnung des
todkranken
geschleppt
die tür dann
für immer zugemacht
die tür
die sich für alle öffnet
Zuletzt geändert von Klimperer am 09.11.2016, 10:54, insgesamt 3-mal geändert.

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OscarTheFish
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Beitragvon OscarTheFish » 07.11.2016, 08:11

Frage an den Autor:
Hat das Puzzleteil der Lyrik mit Gehirnwäsche zu tun, ein Verwässern der Gedanken und Erinnerungen - des Gedenkens?
Ein paar ausgewählte Werke zur Stillung weiterer Neugier:
AKUTES ABDOMEN, OBWOHL WIR BLIND SIND, SCHMUSEREI, MUCH ADO ABOUT FUJI.
Gedichte von: Der beste Dichter der Welt und XRayFusion.

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Zefira
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Beitragvon Zefira » 07.11.2016, 13:24

Ich fürchte, ich verstehe das Gedicht nicht. Liegt auch die Waschmaschine unter der Erde?
Vor der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
Nach der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.

(Ikkyu Sojun)

Klimperer

Beitragvon Klimperer » 07.11.2016, 14:45

Interessant, wie ein so klarer und einfacher Text, der kaum die Bezeichnung "Gedicht" verdient, komplizierte Gedanken bzw. Unverständnis hervorrufen kann.

Wir haben, zu dritt, diese alte Waschmaschine zu diesem todkranken Mann gebracht, und, mittlerweile, bin ich der einzige Überlebende. Ob die Waschmaschine unter der Erde liegt oder nicht, ist irrelevant.

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birke
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Beitragvon birke » 07.11.2016, 15:18

es ist wirklich missverständlich... tatsächlich entsteht vor meinem auge auch das bild, dass der todkranke und die waschmaschine unter der erde liegen. ich bin die ganze zeit davon ausgegangen - aber vielleicht ist das gerade der "witz" an diesem gedicht... dieses "sie" kann vieles heißen.....
wer lyrik schreibt, ist verrückt (peter rühmkorf)

https://versspruenge.wordpress.com/

Klimperer

Beitragvon Klimperer » 07.11.2016, 17:45

Ja... Diana. Ich glaube, dass ist das Einzige interessant an diesem Ding.

Aber ihr habt Recht, es ist wirklich missverständlich.

Wie könnte man es anders ausdrücken, ohne dass es zu banal klingt, denn dann wäre schlichte, wertlose Prosa?

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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 07.11.2016, 18:25

einer von vieren
todkrank
zu dritt brachten wir ihm
die alte waschmaschine

jetzt bringe ich blumen
zu den drei gräbern

Klimperer

Beitragvon Klimperer » 08.11.2016, 10:29

Nicht schlecht, Pjotr.

Bloß, ich bringe keine Blumen dorthin.

Ich betrachte lieber das Ding als ein gescheiterter Versuch.

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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 08.11.2016, 11:00

Es klingt ein bisschen wie eine scherzhafte Mathe-Aufgabe. Drei Musketiere kaufen vier Birnen. Um fünf Uhr sind nur noch zwei Birnen da. Wieviel Uhr ist es um Mitternacht?

Ich glaube, was Deine Zeilen ausdrücken sollen, ist eine Melancholie aus zwei, drei Bildern: Das erste Bild ist ein Erinnerungsfetzen einer lebhaften, originellen Geselligkeit, die allerdings schon erste Zeichen von Personalabbau enthält, und das letzte Bild zeigt die stille, immer wiederkehrende Verblüffung darüber, wie schnell die Zeit und die Leute vergehen. -- Ja, ich denke auch, der lyrische Versuch oben ist gescheitert; er ist zu ungenau.

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Zefira
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Beitragvon Zefira » 08.11.2016, 11:17

Warum nicht:

zu dritt
brachten wir die alte
waschmaschine
zu dem todkranken

Nun bin nur noch ich

.
Vor der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
Nach der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.

(Ikkyu Sojun)

Klimperer

Beitragvon Klimperer » 08.11.2016, 11:22

Danke , Zefira. Es gefällt mir sehr gut deine Version.

Es ist nur Folgendes: Ich wollte es nicht als etwas trauriges präsentieren sondern eher fast zynisch dargestellt. Sachlich, etwas distanziert. Ohne jede Wertung.

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birke
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Beitragvon birke » 08.11.2016, 13:23

noch eine idee hierzu.


zu dritt brachten wir die alte
waschmaschine
zu dem todkranken
nur einer
ist noch übrig


(oder: noch da)

(denn dass derjenige, der dieses schreibt, noch übrig, oder "noch da" ist, ist selbstredend, oder? :) )
wer lyrik schreibt, ist verrückt (peter rühmkorf)

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Klimperer

Beitragvon Klimperer » 09.11.2016, 12:11

Diese neue Version des Gedichts wäre nicht zustandegekommen, ohne die wertvolle, konstruktive Kritik.

Danke!

aram
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Beitragvon aram » 12.11.2016, 02:05

Klimperer hat geschrieben:Diese neue Version des Gedichts wäre nicht zustandegekommen, ohne die wertvolle, konstruktive Kritik.
lieber klimperer, die ursprungsfassung ist nun nicht mehr nachzulesen*, aber ging es nicht eigentlich darum, dass nur einer noch lebt? davon lese ich der aktuellen fassung nichts mehr. (in der erstfassung sah ich ein thema, das etwa leonard cohen in 'the partisan' so ausdrückt: "there were three of us this morning / i'm the only one this evening")
Klimperer hat geschrieben:zu dritt haben wir
eine alte waschmaschine
in die wohnung des
todkranken
geschleppt
die tür dann
für immer zugemacht
die tür
die sich für alle öffnet
ich grüble über die wendung "[haben wir] die tür dann / für immer zugemacht".
die aussage scheint weder auf die tür der wohnung passen zu können, durch die die waschmaschine transportiert wurde (die kaum für immer zu bleiben konnte, selbst falls der kranke gleich darauf starb oder gar nicht mehr in seiner wohnung lebte), noch in metaphorischem sinn, außer die tür zum leben wurde von den waschmaschinenträgern zugemacht, der tod durch sie herbeigeführt. das scheint die einzige interpretationsmöglichkeit (neben der, dass die tür der waschmaschine gemeint sein könnte) - aber sie ist gar nicht gemeint, oder? - wird vielleicht "für immer" mit "zum letzten mal" verwechselt?
auch frage ich mich, weshalb die waschmaschine als 'alt' bezeichnet wird, ob es dieses detail braucht (oder ob es irritiert, à la 'alte waschmaschinen für todkranke menschen')
- so bleibt mir der text doch sehr verschwommen, ungenau.

liebe grüße.


*p.s. diesen faden möchte ich dir noch ans herz legen: sichtbar lassen von änderungen an texten - mich interessiert deine meinung zu diesem thema.


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