wahnsinnen

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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nera
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Beitragvon nera » 01.11.2014, 01:30

ich habe meinem sehnen
ein ablaufdatum verordnet
mache mir jedes A zu B zu C
und sage zuviel am ende
um das scheitern zu zerreden
ich verschließe dir den mund mit all
den vernüftigkeiten

das ist das schöne an der sprache
lieber
sie ist eine waffe

schreibe ich dir in die hand
und verspreche dir alles mit den augen


2.version

ich habe meinem sehnen
ein ablaufdatum verordnet
und rechne zuviel zum ende
zerrede das scheitern
verschließe dir den mund mit all
den vernünftigkeiten

das ist das schöne an zahlen und worten
lieber
sie verwandeln sich in mauern

wenn unsere hände intimes gaukeln
und unsere augen sich alles versprechen
Zuletzt geändert von nera am 02.11.2014, 19:06, insgesamt 1-mal geändert.

Nifl
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Beitragvon Nifl » 01.11.2014, 18:23

Ein Text, der mich mitnimmt, sanft aber auch kräftig und aggressiv ist, viele frische Bilder evoziert.


mache mir jedes A zu B zu C
klanglich, inhaltlich und "ausdrücklich" missfällt mit diese Zeile. Wunsch: bitte ersatzlos streichen.


sie ist eine waffe

eine Waffel würde sich besser ins Bild fügen *hihi, die Waffe schert arg aus, bitte irgendwas aus dem Kühlregal finden.


schreibe ich dir in die hand

in den Himmel in die Wolken in den Sand schnarch, tausendmal gelesen und schon lange nicht mehr berührt...

Aber jetzt bitte zu Satz 1 meines Kommentars zurück.

Gruß
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)

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nera
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Beitragvon nera » 02.11.2014, 14:26

ok ok, ich arbeite dran;)
Zuletzt geändert von nera am 02.11.2014, 23:50, insgesamt 1-mal geändert.

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nera
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Beitragvon nera » 02.11.2014, 19:07

so 2. versuch????

Nifl
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Beitragvon Nifl » 03.11.2014, 19:53

Huhu Wahnsinnende,

leider finde ich bis auf die Streichung alle anderen Änderungen nicht so gut. Da wird mir der geniale Neraflow gebremst, das Rechnen und die Zahlen wirken konstruiert. Die Mauer ist zwar schon besser als die Waffe, aber irgendwie trifft es mein Gefühl noch nicht genau.

Gruß
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)

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nera
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Beitragvon nera » 03.11.2014, 21:28

ach mensch! gut auf ein neues!

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birke
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Beitragvon birke » 03.11.2014, 21:38

hey, nera, ich finde den text sehr ansprechend,
und zwar vor allem in der ursprungsversion.
(die zahlen und das rechnen sind mir in der neuen version auch zu konstruiert ...)

die waffe stört mich hier an sich gar nicht, finde, das passt an sich sogar gut hier.
vielleicht (nur zum drüber nachdenken), die "waffe" spezifizieren, zb zu einem "messer"?

und ja, die letzten beiden zeilen ... die könnten sicher noch "schärfer" formuliert werden ...

lg,
birke
wer lyrik schreibt, ist verrückt (peter rühmkorf)

https://versspruenge.wordpress.com/

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nera
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Beitragvon nera » 03.11.2014, 23:00

irgendwie muss ich vom "ablaufdatum" zur sprache kommen, einen übergang finden. das ist das problem. vielleicht fehlt einfach noch eine weitere strophe. bei "messer" denke ich an eine zeile von kaffka aus seinem briefwechsel mit seiner frau/ geliebten(?), die einem lieblingsbuch (grossmann) von mir den titel gibt. deshalb habe ich damit ein unlogisches problem. "schild"? gefällt mir vom klang nicht und es fehlt der aspekt, der auch bei "mauer" fehlt. "bumerang"?
und zu den zwei letzten zeilen;) meine erste idee: (nur) unsere hände vögeln ...vielleicht ist das aber zu plump?

Rita

Beitragvon Rita » 14.01.2015, 09:19

Liebe Nera,

ein Liebesgedicht, schnörkellos, lakonisch, hier spricht die herrschende Hausfrau. Es muss da eine Menge Vernüftigkeiten geben, denn das LI verschließt damit dem Du den Mund. Und damit das Du das auch richtig versteht, kriegt es gleich eine Lehre mit auf den Weg: Die Sprache ist eine Waffe. Jetzt scheint der DU verstanden zu haben. Papier ist rar bei der sparsamen Hausfrau, sie schreibt ihm deshalb den Spruch in die Hand und verspricht ihm "alles" mit den Augen. Ich kann mir vorstellen, mit welchen Augen.

Du hast versucht, ein ungleiches Paar in die Szene zu bringen, quasi falschverstandener Feminismus in Aktion. Das arme Du hat nichts zu sagen, hier spricht nur einer, und das ist das LI, die besagte herrschende Hausfrau, Spießers Idylle. Das hast du gut rübergebracht, alles ausgespart, was die Szene wirklich erklären könnte, sogenannte moderne Lyrik reicht eben bloß von A bis C. Keine Einbildung von mir, du erwähnst es freundlicherweise.

Ciao, Rita

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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 14.01.2015, 16:38

verschließe dir den mund mit all
den vernünftigkeiten


Diese eine Stelle verstehe ich grammatisch noch nicht. Wird der Mund geschlossen mit Hilfe von Vernünftigkeiten? Oder sind die Vernünftigkeiten Teil des Mundes?

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 15.01.2015, 12:04

Rita hat geschrieben:die besagte herrschende Hausfrau, Spießers Idylle.
:blink2: Woraus erliest du das denn? Da steht ja noch nicht einmal, dass LIch eine Frau ist, oder LDu ein Mann?
Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

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nera
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Beitragvon nera » 15.01.2015, 14:23

pjotr, das musst du dir ungefähr so vorstellen: das lyrische ich, nehme wir ruhig ritas fantasierte xanthippe, füttert das lyrische du mit einem löffel voll vernünfigkeiten, wie die auch immer schmecken und sagt bei jedem ansatzweisen wiederspruch: " beim essen wird nicht geredet"

flora, manchmal ist der wunsch mutter eines gedanken oder aber rita ist ein taschenspieler und zaubert hausfrauen aus zylindern. vielleicht findet sie auch noch den kaiser aus china oder eine elfentrisch?

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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 15.01.2015, 19:07

Also ersteres: Der Mund wird geschlossen mit Hilfe von Vernünftigkeiten.

Ich sehe dieses technische Verständnisproblem hin und wieder. Schuld daran ist das zweideutige Wörtchen "mit". Sein "mit" einer Eigentümlichkeit. Tun "mit" einem Mittel. Wenn "mit" folgt auf eine Sache und auf ein Tun, ist nicht immer ganz klar, worauf sich das "mit" bezieht.

Ich finde, diese Stelle hat Potential für eine deutlichere Beschreibung, die dann auch noch origineller werden könnte (die jetzige finde ich aber auch originell). Deutlicher, weil: Das Hineinlöffeln erzeugt erstmal nur ein Bild vom Mundfüllen, nicht vom Mundverschließen; ein voller Mund hat eher offene Lippen. Anders wäre das bei einem Tesafilm. Also ich würde das Bild konsequenter malen: entweder den Mund stopfen damit (irgendwas mit Löffel etc.), oder den Mund verschließen damit (irgendwas lippenschließendes).


Ahoy

P.

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nera
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Beitragvon nera » 17.01.2015, 10:38

lass mich noch darüber nachdenken, pjotr. aber schon mal vorab: mit einem volem mund kann man schlecht sprechen.


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