In Paris III

Bereich für Erzähl- und Sachprosa, also etwa Kurzgeschichten, Erzählungen, Romankapitel, Essays, Kritiken, Artikel, Glossen, Kolumnen, Satiren, Phantastisches oder Fabeln
Klimperer

Beitragvon Klimperer » 14.09.2014, 09:53

Nach über 20 Jahren laufe ich wieder durch Quartier Latin, trinke einen Espresso in der Brasserie „Le Notre Dame“, fotografiere eine sinnlos fotografierende Frau, wenig später setze ich mich auf eine Bank für arme Leute und esse Reste des Frühstücks beim Betrachten der vorbeifahrenden Pferdekutschen durch den fast leer Boulevard Sant Germain.
Ich laufe auf meinen Stock gestützt, vorbei an LE DEUX MAGOTS. Jetzt sitze ich im LE ROUQUET; trinke einen Espresso (hier schreiben sie Expresso). Zwei Chinesinnen rechts von mir essen Spiegeleier.
Mit einem Bus der Linie 63 bin ich nach Sant Michelle gefahren, jetzt sitze ich in der Bar-Brasserie LA GENTILHOMMIERE, an dem kleinen Platz St. André de Arts, trinke ein Stella Artoi.
Vorhin kaufte ich in einer Buchhandlung in der Rue Danton mehrere zweisprachige Gedichtbände für je 1 Euro 80. Ich muss öfter auf die Toilette.
Später ging ich wieder zum L´ecritoir, der dritte Kellner ignoriert mich, braucht dann ewig um den bestellten demi litre Chardonnay zu bringen.
Ich hatte mit der Idee gespielt, am Abend zu dem kleinen italienischen Restaurant zu gehen, wo ich im vorigen Jahrhundert so gut, preiswert und gemütlich gespeist hatte. Jetzt ist aber dort eine „Creperie“. An der Fassade konnte ich noch, schattenhaft, den Namen des italienischen Restaurants erkennen: MEZZA LUNA.
Es erschien ein alter Chanteur im Place de la Sorbonne, stellte sich mit seinem Mikrofon direkt neben Auguste Comtes Denkmal und begann, mit zweifelhafter Stimme, die grossen Chansonniers nachzuahmen. Der alte Professor, vertieft in seinen Lektüren, hob nicht einmal die Augen von seinen Schriften.
Ich trank noch viel Rotwein in meinem Zimmer, direkt gegenüber der Ecole Maternelle.

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