Wilson Varela war stolz darauf, dass die Initialen seines Namens V W waren, er machte mich darauf aufmerksam, als wir an einem geparkten Käfer vorbei liefen, während eines unserer langen Spaziergänge.
Zwischen uns hatte sich eine Freundschaft entwickelt, wobei ich eher eine untergeordnete Rolle spielte. Ich glaube, er sah in mir einen zukünftigen Schriftsteller, momentan ein armer Teufel, aber wer weiß ... So erzählte er mir alles Mögliche von ihm, in der Hoffnung, ich würde eines Tages darüber schreiben.
Lange Spaziergänge machten wir, meistens in der Nacht, durch die Straßen von Guayaquil. Wir redeten hauptsächlich über Literatur, er wusste viel mehr als ich, auch wenn er im Grunde nicht viel mehr als Titel und Namen wusste. Ich glaube, zum Beispiel, dass er nie ein Buch von Camus gelesen hatte, er wusste aber, dass dieser mit seinem Wagen verunglückt war. Camus soll gesagt haben „Der Tod liegt um die Ecke“, und nach diesem Zitat, fügte Wilson hinzu „und er verunglückte mit seinem Wagen als er um eine Ecke bog“. Er hatte die Kultur eines Politikers. Er wusste auch, dass Goethes letzte Worte „Licht, mehr Licht“ gewesen sein sollen.
Damals wohnte er in der Nähe der „Piscina Olímpica“, des einzigen öffentlichen Schwimmbads der Stadt, mit seinen Eltern, einem jüngeren Bruder und zwei Schwestern. Öfter lud er mich, nach der Schule, zum Mittagessen ein. Seine Mutter kochte sehr gut. Ich war froh darüber, denn bei mir zu Hause gab es oft, außer Reis, kaum etwas zu essen.
Wilson Varela machte mich mit der klassischen Musik bekannt. Er besaß einige Platten von Chopin und, sein größter Stolz, die Neunte Symphonie von Beethoven. Es waren mehrere Platten in einer roten Kassette, ein Prachtstück, unter der Leitung von Otto Klemperer. Unzählige Male hörten wir diese Musik in seinem Wohnzimmer, während die Familie schlief, bei offenem Fester, damit die Klänge den Himmel erreichen konnten. Der Höhepunkt war der Einsatz eines Sängers, wenn er „Freude!“ rief. Weder er noch ich konnten damals kein einziges Wort Deutsch.
Er führte mich auch in den Okkultismus ein, brachte mich eines Tages zum „Cabalito“, einem Lehrer dieser Wissenschaft, der sehr zurückgezogen lebte. Er hieß Rafael Guzmán, lebte mit zwei Schwestern in seinem großen Haus in der Santa Elena Straße. Ein großer, schlanker Mann, immer schwarz gekleidet, sah höchstens wie 40 aus obwohl er schon 60 Jahre alt war. Er konnte seinen Körper verlassen und in den Körper eines Inders namens Lemur eintauchen, das konnte für Minuten oder Tage sein, so dass wir nie genau wussten, ist er jetzt unser Freund und Meister Rafael oder „Lemur“, der Mann der in einer kleinen Stadt in Indien lebte … Vielleicht haben wir es uns eingebildet, aber als er „Lemur“ war, hatte er eine andere Art zu lachen. Dieser Austausch konnte innerhalb von Sekunden stattfinden, denn alles geschah in einer unsichtbaren Dimension, in der Raum und Zeit praktisch keine Rolle spielten.
1992 hörte ich zum letzten Mal von „Cabalito“, von Rafael Guzmán. Er war damals schon 100 Jahre alt, und soll, bis auf seine weiß gewordenen Haare, noch ganz der Alte gewesen sein.
"Cabalito" (To Rafael Guzmán, wherever he is)
Wer ist online?
Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 2 Gäste