Ein anderer sein

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
JULI

Beitragvon JULI » 30.04.2014, 17:44

Ein anderer sein

Warten wir auf nichts mehr,
in meinem Haus ist Nacht.

Früher nennen
wir nun unsere Zeit.

Ruhelos rennen wir in Richtung Zuversicht,
formal lehnt der Körper sichtbar im Raum,
deine Stirn zittert dir weit voraus
in die brutalste Wendung der Zeit.

Die Stille berührt sich taktlos und fängt neues
Blau himmelwärts.
Unsere zögerlichen Schritte sind glaubhaft,
die zweite Zeit beginnt ohne Namen und
wir bleiben die blinden Generäle
einsamer Ordnung.

Klimperer

Beitragvon Klimperer » 01.05.2014, 11:03

Ein Gedicht über das Altern?

Der Titel erinnert an Rimbaud, der sagte: "Je suis un autre"

ecb

Beitragvon ecb » 01.05.2014, 20:37

Eher eine Trennung spüre ich hier, und wie unmöglich es sein kann, so etwas in seiner vollen Wucht zu erkennen, anzuerkennen. Ein "state of denial", eine Art Schockzustand kommt für mich sehr plastisch hier zum Ausdruck.

Persönlich habe ich es immer etwas schwer, wenn viele Adjektive verwendet werden; ich glaube immer, daß poetischer Ausdruck weitgehend ohne sie auskommen müßte, aber darüber kann man sicher auch anderer Meinung sein.
Falls ich das Gedicht richtig aufgefaßt habe, wäre es ja dennoch gelungen.

Liebe Grüße
Eva

JULI

Beitragvon JULI » 05.05.2014, 22:05

Interessante thematische Verknüpfungen von euch beiden, sowohl das Altern als auch die Trennung stecken für mich in dem Text. Wieso keine Adjektive? Welche stören dich denn? Danke für erste Gedanken!

ecb

Beitragvon ecb » 06.05.2014, 18:18

Es sind mir in diesem Fall zu viele Adjektive im Verhältnis zu dem kurzen Text, JULI - ruhelos, brutal, taktlos, zögerlich, glaubhaft, blind, einsam - ich habe ja nicht gemeint, daß man gar keine verwenden sollte, aber ich bin dafür, sie so sparsam wie möglich einzusetzen, weil ich meine, daß Adjektive in einem Gedicht dazu neigen, die Auffassung des Lesers zu präjudizieren.

In diesem Sinne
Eva

Rita

Beitragvon Rita » 27.09.2014, 10:20

O ja, Juli. Dein Gedicht spricht mich an mit seiner Klage über die Einsamkeit des Neubeginnens, die Hilflosigkeit in dem Meer des Andersseins, das Nochnichtwissen, wohin es gehen soll.

Vielleicht eine ganz kleine Korrektur: statt zögerlich schreib zögernd. Außerdem schlage ich dir vor, zu streichen: "Die Stille ... himmelwärts." Die Formulierung erscheint mir zu verklausuliert. Über zu viele Adjektive kann ich nicht klagen, ich finde die vorhandenen treffend eingesetzt. Das Substantiv Wendung zum Beispiel wäre ohne das Adjektiv brutalste meiner Ansicht nach zu blass. Wobei ich nicht weiß, ob du schon etwas geändert hast. Was das präjudizieren angeht, so bin ich der Ansicht, dass der Autor in und zu seinem Text einen Standpunkt äußern sollte, was ja nicht heißt, dass der Rezipierende, also der Leser, ihn nun unbedingt teilen muss.

Auch, dass du das Gedicht unter Liebeslyrik eingestellt hast, verstehe ich sehr gut.



Lieben Gruß, Rita


Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 12 Gäste