Mamma

Bereich für Erzähl- und Sachprosa, also etwa Kurzgeschichten, Erzählungen, Romankapitel, Essays, Kritiken, Artikel, Glossen, Kolumnen, Satiren, Phantastisches oder Fabeln
Nicole

Beitragvon Nicole » 01.01.2010, 17:35

„So Maus, jetzt gehen wir noch Wurst holen und dann ab zur Kasse.“ Ich strecke Lena die Hand hin und wir stellen uns in die Schlange. Zum Glück ist sie nicht sehr lang, nur ein Pärchen, das bereits bedient wird und eine ältere Dame, die über den Rand ihrer Brille hinweg die Auslagen begutachtet. Wie oft, wenn wir im Supermarkt anstehen, möchte meine Tochter nun kuscheln. Sie umfasst meinen Oberschenkel mit beiden Armen und drückt ihren Kopf fest an mich. Ich streichele ihr über das Haar und kitzele sie dabei hinter dem Ohr. Sie kichert und windet sich. Ich ziehe sie hoch, setze sie mir auf die Hüfte. Die ältere Dame neben uns ist durch die Albereien aufmerksam geworden und schaut herüber. Irgendwie kommt mir das Gesicht bekannt vor. Ich weiß nur nicht, wo ich es hinstecken soll. Über Lenas Kopf hinweg betrachte ich sie genauer. Eine schlanke ältere Dame, gepflegter, grauer Pagenkopf, gerade Haltung. Aber irgendwas … irgendwas stimmt nicht. Ich kann es nicht fassen, es ist fast wie bei dem Original und Fälschung Bild in der Fernsehzeitung. Ich schaue erneut hin und stelle fest, dass sie mich ebenfalls mustert. „Dann hat es also doch noch geklappt?“ fragt sie und schaut erst Lena an, dann mir in die Augen. Natürlich. Jetzt erinnere ich mich auch.

Ich wurde morgens gegen drei Uhr mit fürchterlichen Unterleibsschmerzen wach. Etwas stimmte nicht. Im Bad war ich dann auch nicht wirklich überrascht, als ich das Blut bemerkte. Der Frauenarzt bestätigte kurz darauf, was ich bereits wusste. „Ach, da geht ja schon alles ab. Da ist nichts mehr zu machen. Ich schreibe Ihnen dann mal eine Überweisung in die Klinik, zur Ausschabung.“ Wie lapidar das klang. Als wäre er gerade dabei, mir einen Hustensaft aufzuschreiben. Danach kam mir alles vor, als schaute ich einen Kinofilm, dessen Hauptdarstellerin mir verblüffend ähnlich sah. Die Fahrt zum Krankenhaus, die Aufnahme. Auf dem Flur sitzen, warten. Eine Schwester. „Na, dann kommen Sie mal mit.“ Die beige-gelbe Wände, melierter PVC-Boden. Hellgraue Quadrate mit dunklen Fugen. An der Wand die üblichen Beschriftungen „zum Aufzug“, „zur Cafeteria“. Vor einem Raum mit der Aufschrift „Schwesternzimmer“ blieben wir stehen.“Warten Sie einen Moment, bitte.“ Schon war die Schwester verschwunden, ich lehnte mich gegen die Wand und schloss die Augen. Den Flur weiter runter hörte ich ein Baby schreien. Ich konzentrierte mich auf das Gespräch hinter der nur angelehnten Tür.“ Hallo, Marie. Was bringst Du mir, lass mal sehen. Ja, was soll ich denn damit? Nein, nein, das geht doch nicht. Nicht auf die Wöchnerinnenstation. Ruf in der Inneren an, vielleicht ist da Platz!“ Kurz darauf war die Schwester wieder bei mir. „Ich bringe sie auf eine andere Station.“
Schließlich landete ich in einem Dreibettzimmer. Direkt an der Tür lag eine Frau Ende dreißig, im mittleren Bett eine ältere Frau. Auf beiden Nachttischen Blumensträuße. Ich murmelte „Hallo.“, legte mich in das freie Bett und rollte mich zusammen. Ich spürte, dass beide Frauen mich ansahen. Ich wollte nicht reden, tat so, als sei ich eingeschlafen. Was die alte Dame nicht zu stören schien. „Weshalb sind Sie denn hier?“ Ich drehte mich in ihre Richtung. „ Ich hatte eine Fehlgeburt.“ Ich blinzelte die Tränen weg und schaute sie trotzig an. „ Die Reste werden morgen ausgeschabt.“ „Oh, das tut mir leid.“ Sie nickte mitfühlend. „Das ist schlimm. Mir wurden vorgestern beide Brüste entfernt. Brustkrebs. Meine Tochter“, sie deutet mit dem Kopf auf die jüngere Frau an der Tür, „meine Tochter war zur Vorsorgeuntersuchung, wissen Sie. Da wurde ein Knoten in ihrer linken Brust festgestellt. Bösartiger Tumor. Sie hat dann darauf bestanden, dass ich auch zur Untersuchung gehe. Und was glauben Sie? Bei mir haben Sie den Krebs auch gefunden. Aber auf beiden Seiten. Und dann sind wir beide zusammen ins Krankenhaus gegangen, ich wurde einen Tag nach meiner Tochter operiert.“ „Ach Mutter!“ Ihre Tochter unterbrach sie. „Nun lass die Frau doch in Ruhe! Sie hat sicher anderes im Kopf!“ „Wissen Sie“ sie richtete sich vorsichtig ein wenig auf „Mutter ist böse mit mir, dass ich sie zur Untersuchung geschickt habe. Sie meint, sie wäre zu alt für so was … Aber jetzt lassen wir Sie in Ruhe!“ Ein scharfer Blick zu ihrer Mutter. Ich nickte wortlos.
Am nächsten Morgen ganz früh war mein OP-Termin. Eine Kleinigkeit, kaum zwei Stunden später war ich wieder im Zimmer. Leer. Und unangemessen ausgeruht und schmerzfrei. Ich döste eine Weile, bis ein leises Klopfen an der Tür Besuch ankündigte. Ein großer Mann mit Brille betrat den Raum und küsste die Jüngere von beiden. Sie flüsterten ein wenig, dann kramte er aus dem Schrank einen Bademantel hervor und half ihr behutsam aus dem Bett. Im Glauben, ich schlafe, erklärten sie der Mutter leise, dass sie einen Kaffee in der Cafeteria trinken gehen und ihr von dort dann ein Stück Kuchen mitbringen würden. Die alte Frau ermahnte ihre Tochter noch, an die Vorführung in einer Stunde zu denken. Eine Vorführung? Im Krankenhaus? Was sollte das werden? Ich musste wohl kurz die Augen aufgemacht haben, denn schon begann die alte Frau wieder, mit mir zu sprechen. „Ach wissen Sie, der Manfred, das ist ein wirklich guter Mann. Ich habe ja schon gedacht, meine Tochter würde gar keinen Mann mehr finden, so viel, wie sie gearbeitet hat. Hatte gar keine Freizeit, immer nur im Büro… Und sie ist ja auch schon fast vierzig. Aber dann hat sie Manfred kennen gelernt. Vor knapp einem Jahr haben die beiden geheiratet. Gerade wollten sie in Urlaub, als die Diagnose kam. Wissen Sie, bei einer alten Frau wie mir, ist das ja nicht mehr so schlimm. Ich habe doch mein Leben schon gelebt. Wen interessiert da, ob ich noch eine Brust habe, oder nicht. Aber Gudrun! Ich hoffe nur, dass Manfred Gudrun auch mit nur einer Brust noch liebt…“ Sie plappert noch eine Weile auf mich ein, erzählte in allen Einzelheiten von der Hochzeit ihrer Tochter, schwenkte dann zu der Tochter ihrer Nachbarin, die gerade in Scheidung lebte. Ich hörte ihr nicht wirklich zu. Ich nickte hin und wieder und war im Grunde nur froh über dieses Hintergrundrauschen, das jedweden eigenen Gedanken unmöglich machte. Dann kamen Manfred und Gudrun wieder. Er saß an ihrem Bett, hielt ihre Hand und erzählte leise von den Geranien, die er gerade an dem Morgen für ihren Balkon gekauft hatte. Die Tür ging auf und eine rundliche Frau Mitte fünfzig mit einer großen Arzttasche betrat den Raum. „Guten Tag!“ flötete sie gutgelaunt. „Ich bin Frau Wiesner-Mann. Ich wollte Ihnen gerne die Brustprothesen zeigen.“ Mit einer schwungvollen Bewegung legte sie die Tasche auf den Tisch an der gegenüberliegenden Wand des Raumes. Mit einem geradezu fröhlichen „Klack“ ließ sie die Verschlüsse der Tasche aufschnappen. Manfred verabschiedete sich rasch und verließ den Raum.
Frau Wiesner-Mann lächelte Gudrun freundlich an. „Na, was haben Sie denn für eine Körbchengröße in Ihren BH’s? Haben Sie einen bereit gelegt, wie besprochen? Wir wollen den doch wieder gut ausfüllen, nicht wahr?“ Gudrun antwortete „80 C.“ und zog einen hautfarbenen Spitzen-BH aus der Schublade ihres Nachttisches. „Oh, der ist aber schön! Darin gefallen Sie ihrem Mann aber sicher sehr, sehr gut.“ gurrte Frau Wiesner-Mann und ignorierte den entsetzten Blick Gudruns. Frau Wiesner-Mann inspizierte den Inhalt des Koffers „Dann schau ich doch mal, das ist ja eine ganz gängige Größe, die habe ich bestimmt dabei…“ und zog mit einem triumphierenden „Na, wer sagt es denn!“ einen milchig-hautfarbenen Beutel in Brustform heraus. „So, dann werde ich Ihnen das mal zeigen.“ Sie hielt Gudruns BH mit an den Rückenträgern fest und platzierte die Ersatzbrust auf der rechten Seite. „Es ist die linke…“ wandte Gudrun leise ein. „Oh, dann hat man mir wohl etwas Falsches aufgeschrieben. In meinen Unterlagen steht rechts. Aber macht nichts, dann nehmen wir eben das Gegenstück. Wir wollen ja nicht, dass ihre Brust nachher in die falsche Richtung zeigt, gell?“ Flugs holte sie eine andere Prothese aus ihrem Koffer und plauderte munter weiter. „ So, nun schauen Sie mal. Das sieht doch richtig gut aus, oder?“ Sie hielt den BH nun an den Schulterträgern hoch, sodass auf der linken Seite die gefüllte Schale prall nach vorne stand. Bei diesem Anblick zog sich mein Magen zusammen und ich schluckte hörbar. Frau Wiesner-Mann warf mir einen strafenden Blick zu und wendete sich dann wieder Gudrun zu. „Nun, für die erste Zeit, bis die Narben wirklich abgeheilt sind, bekommen Sie von mir eine vorläufige Prothese, eine textile Erstprothese. Die Kosten übernimmt die Krankenkasse zu hundert Prozent. Die wird einfach in den BH eingelegt. Wenn dann die Verbände runter sind und alles schön verheilt ist, kriegen Sie eine Silikonprothese. Hier übernimmt die Kasse auch die kompletten Kosten. Einen Prothesen-BH brauchen Sie dann noch, da müssen Sie aber je Modell noch etwas draufzahlen. Diese Basis-Prothesen haben zwar noch keine Brustwarzen, aber Sie können sich aufklebbare Mamillen kaufen. Die gibt es sogar in verschiedenen Hauttönen.“ Frau Wiesner-Mann machte eine kurze Pause, ließ den Blick über ihre Zuhörerinnen schweifen. Auch ich hatte mich aufgerichtet und verfolgte den Vortrag mit schauderndem Interesse. „Wenn Sie es etwas komfortabler möchten, empfehle ich Ihnen, mit selbsthaftenden Prothesen zu arbeiten oder mit befestigbaren. Die selbsthaftenden sind aus Silikon und haben eine Haftschicht auf der Rückseite, die sie erst fest auf die Haut drücken und dann durch einen BH fixieren. Da brauchen Sie dann auch keinen Prothesen-BH mehr, sondern können Ihre alten einfach weiter benutzen. Und die befestigbaren Prothesen, das ist dann der Mercedes unter den Prothesen! Ich zeig sie Ihnen mal.“ Frau Wiesner-Mann wühlte kurz in ihrem Koffer und zog das Gewünschte heraus. „Schauen Sie. Dieses Teil kleben Sie auf die saubere, enthaarte Haut.“ Sie hielt eine nierenförmige, etwas stärkere Plastikfolie in die Höhe. „Die sitzt dann so fest, dass sie mindestens eine Woche drauf bleiben kann. Auch beim Duschen. Auf der Oberseite sind so Flauschteile und auf der Innenseite der Prothese ist ein Klettteil angebraucht. Das ist dann so fest, sie können sogar auf den BH verzichten. Ist wirklich super bei rückenfreier Kleidung. Dann macht die Prothese auch jede Bewegung mit und sieht dabei richtig natürlich aus.“ Frau Wiesner-Mann unterstrich die Vorteile der befestigbaren Prothese dadurch, das sie den am Fußende von Gudruns Bett liegenden BH mit einer raschen Bewegung hochzog und mit ihm heftige Wippbewegungen vollführte. Gudrun starrte den baumelnden, halbseitig gefüllten BH an. Frau Wiesner-Mann wendete sich nun der Mutter zu. „So, Frau Klauser. Eigentlich komme ich ja erst morgen zu Ihnen, aber wo wir gerade so schön bei der Sache sind, wollen wir doch auch direkt für Sie die Erstprothese raussuchen, gell?“ Sie musterte die Angesprochene kurz, schaute dann auf Ihre Unterlagen. „Welche Brustgröße hatten Sie denn vor der OP? Ah, ich seh’ schon, 85 A. Na, dann ist der Unterschied zu vor der OP ja nicht so schrecklich groß, nicht wahr? Ich lege Ihnen auch mal ein Paar Erstprothesen hin. Ich denke, Sie brauchen später dann nur ganz kleine Einlagen, oder möchten Sie ganz darauf verzichten?“

Plötzlich fällt mir auf, was mich am Erscheinungsbild der alten Dame so irritierte. Die linke Brust ist deutlich größer als die rechte. „Ja, ich erinnere mich.“ Ich nicke, setze Lena ab und streiche ihre zerzausten Haare glatt. „Wie geht es Ihnen? Haben Sie alles gut überstanden?“ Die alte Dame nickt. „Ja, danke, alle Nachuntersuchungen sind in Ordnung. Sie haben bei der OP alles entfernt. Kein Krebs mehr.“ „ Das freut mich sehr. Und Ihre Tochter? Wie geht es denn … Gudrun? Hat sie die Reise mit ihrem Mann inzwischen nachgeholt?“ Frau Klauser sieht auf Lena herunter, schaut mir dann wieder in die Augen. „Gudrun ist vorletztes Jahr im Sommer gestorben.“ erwidert sie leise. Ich weiß nicht, was ich sagen soll und ziehe Lena unwillkürlich näher an mich heran. „Oh Gott, das tut mir wirklich sehr leid. Wie…“ „Metastasen in den Lymphknoten. Es ging ganz schnell.“ Ich schaue betreten zu Boden und unterdrücke den Impuls, mit meinem Kind auf dem schnellsten Weg den Supermarkt zu verlassen. Die alte Dame beugt sich zu Lena herunter und streichelt ihr sanft über die Wange. „Sie haben wirklich eine hübsche kleine Tochter. Ich wünsche Ihnen beiden alles Gute.“ Gedankenverloren streicht sie mit der Hand über ihre linke Brust, lässt sie dann dort ruhen und blickt mich an. „Ich beneide Sie. Ich wünschte, meine Tochter könnte mir so nahe sein.“

Vorherige Version:
► Text zeigen
Zuletzt geändert von Nicole am 17.01.2010, 15:24, insgesamt 1-mal geändert.

Klara
Beiträge: 4508
Registriert: 23.10.2006

Beitragvon Klara » 01.01.2010, 19:17

Hallo Nicole,
deine Geschichte berührt mich sehr.
Nicht nur, weil ich gerade vorgestern - "99,9 % pure Routine", meinte der Arzt - nach der gyn. Vorsorge zur Mammo- und -Sonografie war, wollte diese schon vor Wochen überwiesene Pflicht noch im letzten Jahr hinter mich bringen, verdrängt, zum Glück gab es noch einen Termin, ich war nicht ernsthaft beunruhigt, aber als ich dann da saß, in dem Wartezimmer, dessen Weihnachtsbaum irgendwie grau lampierte, und andere zur Chemo, die es schon getroffen hatte, und man sah von außen nichts und fragte sich (nur Kontrolle? Oder schlimm krank?), auch, ob all die Leute dort ihr Leben weitgehend damit verbrachten, nicht an diese schlimme Krankheit zu denken,d ie sie da haben, als ich mich also prophylaktisch schon mal drauf vorbereitete, zu diesen Unglücklichen zu gehören, ohne Vorwarnung sozusagen, zu diesen Unbeachteten, im Dunkeln Leidenden (eine Bekannte hat Brustkrebs und lebt mit der Angst nach der OP etc., irgendwie scheint sich das zu häufen), und ich dann von der resolut-freundlichen Arzthilfe untersucht wurde, ohne Vorwarnung, die Brust gequetscht und gezogen und gedrückt (bei mir ist da nicht so viel, wenn ihc nicht gerade schwanger bin oder stille), dann das bange Warten, in der Sonografie, wo ich mich legte wie befohlen, Oberkörper "freigemacht", und betete, tatsächlich betete, "bitte lass mich gesund sein, bitte" und noch weitere Wünsche anfügte, und die Radiologin kam und merkwürdig formulierte "Sie waren noch nie zur Mammografie? Nun, ich habe kein Problem mit Ihnen", das hatte sie auch nach dem Ultraschall nicht, und ich erleichtert wie von Steinen, die vom Herzen fielen, zuvor gar nicht bewusst wahrgenommen, nein, ich werde hier - zumindest vorläufig - nicht öfter kommen müssen, nicht hierher, in dieses triste Krankheitsgrau einer fröhlichen Praxis, Himmel hilf! Also nicht nur deshalb jedenfalls berührte mich deine GEschichte. Niemand erzählt davon. Schlingensief baut seine Oper - das ist gut! - in Afrika, und schreibt gegen den Krebs und die Tabus an. Brustkrebs exisitert weitgehend nur ind er Statistik und in HOllywood-Outings: Jede hat Angst, kaum eine spricht drüber. Meine Freundin war schon xmal bei der Mammografie, wegen der betroffenen gemeinsamen Bekannten - und doch wusste ich z.B. nicht, wie unangenehm, ja schmerzhaft die Untersuchung ist.

Ich bin mir nicht sicher, ob es so funktioniert, wie du es versuchst: Brustkrebs mit Kinderwunsch, Leben, Tod und "Ausschabung", zusammenzupacken. Wenn ich es schaffe, schaue ich es mir später noch mal an.
Ich würde jedenfalls am Anfang das "schmunzelnd" rausnehmen (das sich auch noch doppelt im ersten Absatz), weil das ein Wort aus der Banalliteratur ist. Schmunzelnd sagt seitdem nichts mehr. Man glaubt es nicht, es ist ein Füllsel. Ich meine: Es braucht es nicht. Lass Lena einfach das Nutellaglas nehmen, drück das Schmunzeln anders aus als mit "Schmunzeln", dann wird es das Echte echter rüberbringen. Glaub ich. Vielleicht sogar mit der direkten Rede anfangen "So,Maus..." Dann bist du direkt in der Geschichte und nicht in der Beschreibung eines mütterlichen Amüsements.

Später hoffentlich mehr!

Herzlich
klara

Benutzeravatar
Lisa
Beiträge: 13944
Registriert: 29.06.2005
Geschlecht:

Beitragvon Lisa » 01.01.2010, 20:22

Liebe Nicole,

Klaras letzter Gedanke ist wichtig: Ob das alles nebeneinander funktioniert, gerade, weil es dann ein richtig guter Text ist: Und für mich kann ich sagen: Es funktioniert! Ich finde das toll und nicht klischeehaft arrangiert, die zwei Mutter/Kindverhältnisse, die Parallelen, die Figuren kommen alle auch so rüber, als könnten sie das alles voneinander gegenseitig mitbekommen, als herrschte da Offenheit, die keine Blöße entstehen lässt. Zudem wirkt die Geschichte angenehm genau recherchiert und trotzdem nicht zu faktisch erzählt, diese vielen Details (etwa wie die Dame die Prothese etc. erklärt) wirkt.
Sprachlich könnte an einigen Stellen (der Schmunzelkritik würde ich mich unbedingt anschließen) noch ein wenig verfeinert werden, wenn du magst, würde ich mir das die Tage nochmal angucken (wenn bis dahin nicht jemand schneller war :pfeifen: ), aber wirklich nur minimal.
Was mir als einziges "größeres" Problem aufgefallen ist, ist dass der Ton zum Ende hin, irgendwie weniger erzählend wird, ich bin aber noch nicht dahinter gekommen, warum bei mir dieser Eindruck entsteht, sobald ich eine Idee habe, schreib ich hier nochmal.


(Da ich ziemlich vertieft gelesen habe, erinnere ich mich nur dunkel an KLeintippselkram: Gleich am Anfang fehlt irgendwo ein Komma nach einem Relativsatz, irgendwo ist ein Leerzeichen vor einem Punkt und an einer Stelle hast du "Anderes" groß geschrieben, wird aber klein)


Insgesamt aber finde ich das überzeugend, nah, unkitschig und doch wie eine Kamera in "bütgerliche Verhältnisse", die zeigen: alles liegt so nah beieinander - klingt so albern, dein Text schafft es aber, dass es das eben nicht ist!

liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Klara
Beiträge: 4508
Registriert: 23.10.2006

Beitragvon Klara » 01.01.2010, 20:45

Hallo nochmal,
also ich glaub, es funktioniert. Gutes Thema! Interessante Kombination! Ich bin mir nicht ganz sicher, ob man die Ausgangssituation nicht noch ein, zweimal zwischenschieben könnte in die Krankenhaus-Erinnerung. Oder ob gerade das abrupte Ein- und wieder Aussteigen die Stärke macht. Tendiere zu letzterem.

Schwächelnd in meinen Augen nur der Einstieg, der irgendwie nicht zu passen scheint, in der Tonlage, und auch sprachlich schwächer ist. Danach wird man dann reingezogen, da sind dann nur Feinheiten.
(Grotesk, diese Vorführung).
Ich glaube, das Nutella braucht es ebensowenig wie das Schmunzeln. Einstieg mit "So Maus". Etwas missverstänndlich die Wendung "Ich kann es nicht fassen", weil das nicht nur "es entzieht sich mir" heißt, sondern vor allem das "Ich fasse es nciht, nicht zu fassen"-Staunen. Und das ist ja wohl nicht gemeint?
Fraglich für mich auch, ob "Gudrun" für 40Jährige realistisch ist, in meinen Ohren gehört der Name zu einer früehren Generation, oder zumindest einer 10, 15 Jahre älteren Frau - aber das mag regional verschieden sein, ist auch nicht wirklich relevant.

Starker Text!

Herzlich
klara

Benutzeravatar
leonie
Beiträge: 8896
Registriert: 18.04.2006
Geschlecht:

Beitragvon leonie » 01.01.2010, 21:11

Liebe Nicole,

mir ging es beim Lesen so, dass ich einzig die relativ genaue Beschreibung der Fehlgeburt im Nachhinein als zu ausführlich empfunden habe. Weil sie inhaltlich mit dem Hauptstrang etwas in Konkurrenz gerät mit den Problematiken, die Du da ansprichst. Ich fände, das wäre eine eigene Geschichte wert. (Es kann aber sein, dass ich darauf anspringe, weil ich eine eigene Geschichte damit habe, übrigens mit anschließender Unterbringung auf der Entbindungsstation, was auch nicht wirklich lustig war. Und einem "einfühlsamen" Arzt, der, als ich mir den Eingriff erklären ließ, meinte, er wolle ja nur ein bisschen kratzen. Ich empfinde übrigens das bis heute als verletzend, was mir zeigt, wie sensibel man in Situationen sein sollte, in denen jemand einem "ausgeliefert" ist. Ich könnte hier jetzt seitenweise weiterschreiben zu dem Thema, lasse es aber erstmal dabei.).

Wie dem auch sein, ich kann mir gut vorstellen (und dazu trägt vermutlich eigene Erfahrung mit manchem "medizinischem Personal" in Puncto Einfühlsamkeit bei), dass dieses Situation in den Grundzügen so passiert ist wie Du sie schilderst. Sie wirkt auf mich sehr authentisch und ob sie es nun ist oder nicht, spielt letztlich keine Rolle, es könnte so gewesen sein, meine ich.
Die "Vorführung" ist natürlich extrem krass geschildert, übertreibt (hoffe ich jedenfalls) und entlarvt einen Umgang mit Leid, der es (angeblich) gut meint und besonders schlecht macht, weil nu eine Pseudo-Einfühlung in das Gegenüber geschieht, um es sich selber leicht zu machen. Fürchterlich. Gruselig. Zum Draufhauen.

Am Ende geht es mir so, dass ich mir den Schluss auch gut offener vorstellen könnte. Ohne die versöhnlichen Worte der alten Dame. Dass die Härte erstmal stehen bleibt und dem lyrIch seinen Impuls, fortzulaufen, weiterhin zumutet.
So nämlich kann man das Thema abschließen. Die alte Dame scheint Frieden gemacht zu haben mit ihrem Schicksal. Ließe man es offen, dann bleibt auch im Leser die Zumutung, weiter darüber nachzudenken.

Soviel erstmal. Den Titel hast Du gut gewählt, finde ich, weil er verschiedene Ebenen und Aspekte aufgreift.


Liebe Grüße

leonie

Yorick

Beitragvon Yorick » 01.01.2010, 21:29

Hallo Nicole,

"Schmunzeln" steht auf meiner Liste der Bad Worte ganz oben.

Das fand ich schade:

"Frau Wiesner-Mann war wirklich ein Paradebeispiel der resoluten, gut gelaunten „Ihnen braucht nichts peinlich zu sein, ist doch alles ganz natürlich“ Schwester"

Ich fand die Frau Wiesner-Mann sehr schön von dir beschrieben, und dieser Satz passierte gerade im Text. Die Erläuterung schwächt mMn den Text stark. Wenn dieser "nichts-peinlich" Satz von ihr gesagt werden würde - ich denke, das wirkt besser.

Sag mal, das Ende ist ein Hammer, oder? Da trägt die Frau Mutter die Brustprothese ihrer toten Tochter? Ihr Kind am Herzen? Horror! Da haben sich bei mir die Nackenhaare augestellt, das finde ich echt krank. Für mich überschattet das den ganzen Rest (!) vom Text. Also zieht alles in eine neue Richtung, symbiotische Mutter/Tochter-Beziehung.

Sehr gehaltvoller Text.

Viele Grüße,
Yorick.

Benutzeravatar
leonie
Beiträge: 8896
Registriert: 18.04.2006
Geschlecht:

Beitragvon leonie » 01.01.2010, 22:27

Oh weia, Yorick, jetzt, wo Du es sagst...
Also, das kommt für mich so nicht rüber in der Geschichte. Ich glaube, das hängt damit zusammen, dass ich anderes als viel dominierender empfinde, vor allem die "Vorführung". Da ist mir nicht mehr so präsent, wer jetzt welche Brust abgenommen bekommt und wie das Verhältnis der Körbchengrößen ist. Ich wusste noch, dass die Mutter die kleinere hatte (was mich verwundert hat, da bei älteren Frauen die Brüste oft eher größer wirken, meine ich), habe dann aber am Schluss gedacht, vielleicht hat sie Prothese in den Müll getan (weil ich vergessen hatte, dass sie beide Brüste amputiert bekam, oben im Text sagt sie ja auch einmal, wen interessiert es, ob ich noch eine Brust habe, das klingt für mich so, als habe sie nur noch eine, irritiert mich also etwas).

Eigentlich finde ich es fast schade, wenn die Geschichte auf diese Weise so einen anderen "Clou" bekommt, vor allem, weil mir das wieder eher wenig glaubwürdig erscheint. Denn die Prothese ist ja etwas Künstliches, was doch vermutlich eher als Fremdkörper und gerade nicht als etwas "Essentielles" empfunden wird. Was eher für die Krankheit steht, die die Tochter weggenommen hat als für die Tochter selbst.
Also, ich glaube, ich würde das als erstes wegschmeißen. Und ich habe das auch bei anderen erlebt, dass sie alles, was mit der Krankheit zusammenhing, nach dem Tod eines Menschen schnell aus dem Haus geschafft haben und nicht aufgehoben. Ich glaube, da steht z.B. ein Lieblingskleidungsstück oder etwas anderes, das er gemocht hat, eher symbolisch für den Verstorbenen.
Dazu kommt, dass mir für diesen Schwerpunkt die Persönlichkeit der Mutter nach meinem Empfinden zu undeutlich bleibt. Es wirkt ja so als sei die Prothesen-Dame die Hauptdarstellerin.
Auf mich wirkt es zudem so, als stimme aufgrund einer "Veränderung" etwas nicht am Erscheinungsbild der Frau (weil sie sie ja nicht gleich erkennt), aber die Erzählerin kann doch die Frau noch gar nicht mit Prothese gesehen haben)

Für mich scheint das auf diese Weise so, als sei die Geschichte auf diesen "Clou" hin geschrieben (der für mich zudem noch recht undeutlich herausgearbeitet ist). Und das lässt das andere Potential, das darin ist, dann zum "Nebendarsteller" werden. Für mich wäre es ohne diese Komponente glaubwürdiger und auch stärker. Funktioniert also nicht wirklich.


Liebe Grüße

leonie

Benutzeravatar
Lisa
Beiträge: 13944
Registriert: 29.06.2005
Geschlecht:

Beitragvon Lisa » 01.01.2010, 22:34

Hallo,

erstmal: Ich stimme Yoricks Kritik an dem einen Satz zu, empfand ich ganz genauso.

Zum "Clou": ich habe den auch so herausgelesen, ich finde es im richtigen Maß angedeutet,im Text sind dezent Hinweise gesetzt (rechts links verwechslung, hand der mutter), dass man vorbereitet ist. Ob so eine Idee am Ende dann wirkt, kann man nicht pauschal sagen: ich kenne Filme, in denen noch viel absurdere Verhaltensweisen von Menschen beschrieben werden und oft hat das Absurde die Kraft, etwas nach außen zu tragen, weil es erfrischt - esw kommt eben auf die Qualität der "Verfilmung" an - das ganze kann als Gag kaputtmachen, das ganze kann erhaben wirken: ich finde es hier gut eingebunden, passend und nicht unangenehm.

liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Benutzeravatar
leonie
Beiträge: 8896
Registriert: 18.04.2006
Geschlecht:

Beitragvon leonie » 01.01.2010, 22:49

Also, für mich kommt die Geschichte tatsächlich ins Absurd-Komische, das hängt, meine ich, an den Punkten, die ich als unglaubwürdig und unstimmig empfinde. Der Schluss wirkt auf mich dadurch wie ein ausgedachter "Gag" (um Lisas Wort aufzugreifen) und von daher kommt dann auch auf den Rest der Geschichte so ein Licht. Mich enttäuscht das jetzt einfach. Schade...

leonie

Benutzeravatar
Zakkinen
Administrator
Beiträge: 1768
Registriert: 17.07.2008
Geschlecht:

Beitragvon Zakkinen » 01.01.2010, 23:05

Mir gefällt der Schluss. Könnte man vielleicht noch etwas ausarbeiten. Kurz vor Schluss dachte ich "gleich ist es zu Ende, wie löst sie das?", und dann ging es etwas rasch.

Hab's jetzt erst einmal gelesen, also noch keine Details. Nur noch: ich bin nicht ausgestiegen. Vielleicht war ich einfach schon oft genug im Krankenhaus, man gibt immer einen Teil der Würde und der Privatsphäre am Eingang ab.

Grüße,
Henkki

Sam

Beitragvon Sam » 02.01.2010, 09:55

Hallo Nicole,

dass mir dein Text sehr gut gefällt, weißt du ja ;-)

Ich denke, mir ist ein einigermaßen unbefangener Blick auf den Text möglich. Zumindest versuche ich es.

Yoricks Anmerkungen bezüglich des Satzes über Frau Wiesner-Mann kann ich auch zustimmen.

Interessant sind Leonies Bemerkungen bezüglich des Clous, auf den Text hin geschrieben zu sein soll. Das empfinde ich nicht so. Das Ende kommt ja nicht mit einem Paukenschlag, sondern eher beläufig. Tatsächlich wäre die Geschichte auch ohne dieses Ende gut, z.B. wenn die Erzählerin einfach nur erfahren würde, dass Gudrun gestorben ist. So, wie sie da steht, ist sie aber besser, weil jene Auflösung der ganzen Geschichte noch einen Aspekt hinzufügt. Sie wird dadurch noch komplexer, beleuchtet das Thema noch von einer zusätzlichen Seite. Aber was ist das Thema? Für mich ganz klar: Verlust & Ersatz. Dabei konzentriert sich der Text auf Mutter/Tochter Beziehungen. Die Erzählerin verliert ein Kind. Später bekommt sie aber eine Tochter, die sie offensichtlich sehr liebt. Dann die beiden anderen Frauen, die ebenfalls einen Verlust erleiden, die ältere Dame sogar zwei, denn ihre Tochter stirbt. Aber auch für diese Verluste gibt es einen "Ersatz". Nun sind es aber eigentlich unersätzliche Dinge, die da verloren gehen. Sei es ein Menschenleben oder eine Brust. Und dass sie eigentlich unersätzlich sind, zeigt der Text indem er zwei extreme Formen von "Ersatz" beschreibt. Zum Einen, die pietätlose Vorstellung der Frau Wiesner-Mann. Und auf der anderen Seite die alte Frau, die die Brustprothese ihrer Tochter trägt. Beide Extreme erzeugen ein Spannungsfeld, indem der Leser gefangen ist. Gerade weil es eigentlich "unvorstellbar" ist, in dem Sinne, als dass man weder so gefühllos mit einem endgültigen Verlust umgehen würde, wie Frau Wiesner-Mann, noch sich vorstellen kann, ein solches "Erinnerungsstück" wie die alte Dame bei sich zu tragen.
Es handelt sich hier um eine anregende Nichtnachvollziehbarkeit, weil sie nachdenklich macht. Mich jedenfalls.
Eine Erzählerin zu wählen, die ihren Verlust offenbar überwunden hat, ist ebenfalls eine gute Wahl. Dadurch steht sie irgendwie in der Mitte der beiden Extreme, ohne dass man natürlich weiß, ob dieser Verlust nicht doch irgendwelche Spuren hinterlassen hat.

Für mich ein starker, zutiefst menschlicher Text.

Liebe Grüße

Sam

Sam

Beitragvon Sam » 02.01.2010, 10:37

Noch etwas ist mir aufgefallen. Ist eigentlich nebensächlich, aber ich finde es doch recht passend. Und zwar die Wahl des Names jener Frau Wiesner-MANN. Denn sie agiert ja tatsachlich wie ein Mann. Da gibt es dieses recht erfolgreiche Buch von John Gray "Männer sind anders, Frauen auch" (Für Männer vor allem ein sehr aufschlussreicher Lesestoff). Er beschreibt den Mann dort als Problemlöser. Jedesmal wenn die Frau über etwas spricht, dass sie bedrückt, setzt der Mann seiner Handwerkermütze auf und will das Problem lösen, während die Frau in erster Linie darüber reden möchte. Ratio vs. Gefühl. Und das findet man wieder im Text. Der völlig rationelle Umgang mit dem Verlust einer Brust im Gegensatz zu dem unrationellen, rein auf Gefühlen beruhenden Vorgehen der Mutter.

Das nur so am Rande...

Sam

Benutzeravatar
ferdi
Beiträge: 3260
Registriert: 01.04.2007
Geschlecht:

Beitragvon ferdi » 02.01.2010, 10:51

Hallo Nicole!

Mir gefällt, wie allen anderen auch, dein Text gut. Und wie viele habe ich so meine Probleme mit dem Ende. Irgendetwas verunsichert mich da... ich glaube, es ist der letzte Satz. Weil er auf so ausdrücklich unpathetische Art pathetisch ist. Oder so ;-) Wie würden die Leser wohl reagieren, wenn er einfach fehlte?!

"Schmunzeln" darf man meines Erachtens auch in nicht banalen Texten.

So übertrieben geschildert finde ich die "Vorführung" übrigens gar nicht... Oder alle vergleichbaren Situationen, die ich erlebt habe, waren zufällig ganz ähnlich (unangenehm).

Ferdigruß!

PS Ich habe "ab irgendwo" ein paar Holperer rauskopiert - vielleicht kannst du sie ja brauchen.

und erzählte leise von dem Geranien
Gerade wollten Sie in Urlaub
Gutem Tag
Sie hielt den BH nun an den Schulterträger_
lies den Blick über ihre Zuhörerinnen schweifen.
Die sitzt dann so fest, das_
die Vorteile der befestigbaren Prothese dadurch, das_
schaute dann auf Ihre Unterlagen
Ich schaue auf Ihre Brüste
mit Ihrem Mann inzwischen nachgeholt
Schäumend enthüpfte die Woge den schöngeglätteten Tannen. (Homer/Voß)

Benutzeravatar
leonie
Beiträge: 8896
Registriert: 18.04.2006
Geschlecht:

Beitragvon leonie » 02.01.2010, 12:00

Sam hat geschrieben:Tatsächlich wäre die Geschichte auch ohne dieses Ende gut, z.B. wenn die Erzählerin einfach nur erfahren würde, dass Gudrun gestorben ist. So, wie sie da steht, ist sie aber besser, weil jene Auflösung der ganzen Geschichte noch einen Aspekt hinzufügt.


Nein, sie ist schlechter ist mit diesem Schluss.

Für mich wird es dadurch "platt". Zieht die Thematik ins Skurille und Unglaubwürdige. Das pathetisch Unpathetische des letzten Satzes verstärkt das noch.

Es ist doch erstaunlich, dass niemand von uns sich vorstellen kann, dass man tatsächlich so handeln könnte.

Neben der Pietätlosigkeit und Gefühllosigkeit sprechen eben auch noch "trauerpsychologische" Aspekte dagegen. Es ist nicht vorstellbar, dass jemand ausgerechnet eine Prothese als Ersatz für ein geliebtes Wesen "benutzt", weil die eben gerade nicht für jenes steht.
Für mich müsste die Persönlichkeit, die begründen könnte, warum es doch geht, viel genauer herausgearbeitet sein.

Dazu kommt, dass die Prothesendame eine "Außenperspektive" hat, während die alte Dame in doppelter Weise betroffen ist. Insofern kann man bei der Prothesenfrau diese Gefühllosigkeit nachvollziehen, bei der alten Dame aber eher nicht (da sie ja vorher nicht so auftritt).

Die Vergleichsperson in puncto Verlust und Ersatz müsste doch eher die junge Frau sein.

Ich will hier nichts madig machen, es ist ja auch deutlich geworden, dass ich die Geschichte ohne diesen Aspekt gut finde, ich würde einfach gerne überzeugende Argumente hören, warum es glaubwürdig sein kann, dass eine Prothese einen Menschen ersetzt. Ich vermute, dass die meisten Frauen ihre Brustprothesen als Fremdkörper empfinden und froh wären, wenn sie sie nicht "bräuchten". Dass manche sie vielleicht sogar hassen, weil sie Brust eben nicht ersetzen können. Es ist viel naheliegender, dass die Prothese die Krankheit symbolisiert und deswegen gerade nicht die verstorbene Person ersetzen kann.

Das ist für mich ein wirklicher Knackpunkt, an dem vieles hängt.

Mir geht es einfach so, dass ich, wäre es meine Geschichte, den unbedingt und zwingend widerlegen wollen würde.

Liebe Grüße

leonie


P.S: Ich habe versucht, da nochmal gründlich zu recherchieren und dabei festgestellt, dass heute offensichtlich nach einer Brust-OP in den meisten Fällen ein Brustaufbau mithilfe von Implantaten gemacht wird...


Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 2 Gäste