VII. Vorbei ist nur ein anderes Wort

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Trixie

Beitragvon Trixie » 20.07.2009, 00:22

geänderte und gekürzte Version

VII. Vorbei ist nur ein anderes Wort

Mit der schwindelnden Mitternachtssonne versank auch das Schiff hinter den Hügeln der Igel, um dort für sehr lange Minuten in den wohlverdienten Winterschlaf zu vergessen.
Ich war beeindruckt. Es war nicht das erste Mal, dass ich dieses Spektakel heute sehen durfte, es war nämlich schon einmal am Vortag geschehen.
Ich hing soeben am mehrfach geöffneten Fenster, als der Marabu zielscheibensicher vor mir anhielt. Unerwartet war das nicht gerade, denn was in meinem Kopf vorging, konnten beinahe alle durch die schwache Beleuchtung genau erkennen. Leider warst das nicht du, denn die Beleuchtung bestand aus kariert gefärbtem Wüstensand, der eindeutig durch eine Partie Schach gewonnen worden war. Der Marabu jedenfalls war ein Taxi, das mich zu dir bringen wollte, und es wollte ganz exquisit wissen, wohin die Fahrt nicht gehen sollte. Also versuchten meine Gedanken natürlich, nicht an dich zu denken, was so schief ging wie eine Ameise mit Krücken.
Wir erreichen also zunächst die Schnapsbräunerei, wo du natürlich nicht warst, sonst hätte es nach dir gerochen, nicht etwa nach Erdnüssen. Du rochst in meinen Gedanken nämlich nach einem frischen Fruchtcocktail aus Dämmerung, Sommerblau und den Vorhängen zu meinen intimsten Gedanken. Erschrocken fuhr ich hoch, denn ich hatte doch gar keinen Gartenzaun, doch das war nicht schlimm. Der Knopf, der mich schon seit Tagen verfolgte, hatte mir vehement verdeutlicht, wie wichtig es war, Dinge zu streichen. Der Knopf gefiel mir, denn er war einerseits sehr philosophisch und auf der gleichen Seite pragmatisch. Und, wie es sich gehört für einen pragmatischen Philosophen, hatte er eine unglaubwürdig zärtliche Stimme. Sie klang nach beinahe Einschlafen, doch auch sie roch anders als du.
Allerdings war jetzt Streichen die Devise, der Marabu musste ja bezahlt werden. Zunächst eine Mischung aus gelb und durchsichtig, beschloss ich energetisch. Der Taxi-Marabu verlor langsam jedoch die Geduld und den Faden mit mir und hielt einen Passanten an, der offenbar auf offener See spazieren ging. Dummerweise stieg ich aus und der Affe grinste mich an und hing mich kopfüber an ein Seil. Gerade hatte er mir noch Geschichten von seiner Reise nach Venedig erzählt und dann tat er so etwas. Ich verstand es nicht, denn ich sprach kein venedisch. Wir hatten ihn nur nach dem Weg zu dir fragen wollen. Dabei rutschte ich auf frisch geliertem Erdbeerkuchen aus. Der Kuchen war sehr lecker und vor allem äußerst beliebt hier im Traumland. Niemand konnte ihn ausstehen, das machte die Geschichte viel interessanter. Bis du kamst – denn alles, was du mochtest, mochte ich mit einem Mal auch. Selbst, wenn ich es bereits wusste oder konnte. Das spielte keine Rolle, denn du wirbeltest mich herum immer und wieder, ohne dass ich den Kreisel anhalten konnte, der mit meinen sieben schönsten Fingern fangen und manchmal Klavier spielte.
Das Taxi hielt schließlich an und die Sonne begann, sich aus dem Beet zu wachsen. Es war speziell für sie angelegt worden, denn die Idee war einfach so hübsch gewesen, dass ich sie mir eingerahmt in mein Schlafzimmer gehängt hatte.
Nachdem ich nun beinah den ganzen Traum über gefahren und gehangen bin, auf der Suche nach dir oder deinem Geruch, war ich wieder einmal hinter dem Hügel angekommen, dort wo das Gras Schach spielte, und ich hielt abermals Ausschau nach dem, was kommen würde. Es war gründlich und weich wie ein Flokati, der aus mindestens siebenundfünfzig Murmeln bestand. Genau richtig, um den Kopf in den Hoffnungen zu betten, die der Tag so mit sich brachte. Zunächst fuhr dieser in einem roten Koffer vorbei und setzte den Affen ab, doch bald schon zogen die Luftballons, die aus dem Affen sprachen, ihn nach oben und er flog davon. Ich wollte ihm nachrufen, dass er sich nicht zu fürchten bräuchte, doch aus meinem Mund sprudelten andere Bäche, nämlich von dir und uns und mir bei dir. Sie waren ganz verspielt und so pfirsichgrün, dass ich sie küssen wollte, denn ein Kuss holt alles hervor, was tief in mir nicht einmal hier heraus kommen mag, obwohl es das nun doch tat, zumindest im Haaransatz. Da sah man dann ganz undeutlich einen kleinen blauen Ball, der hin und her dopst tief in mir und mich immer wieder dazu bringt, dich doch zu lieben. Doch ich bin wie du, wenn du bei mir bist und das ist falsch, denn das kann gar nicht funktionieren. Viel zu sehr wollte ich dich und berühren, allerdings verführen wäre zu viel. Zudem musste der Marabu noch bezahlt werden, denn er war nicht nur das Taxi, sondern musste auch noch einkaufen gehen. Schnell nieste ich ihm über die Schulter und er verschwand in glitzernden Tautropfen.
Ich lehnte mich zurück und suchte in den Wolken unter mir nach gestrandetem Selbstvertrauen und fand nur ein paar liebevolle Fingerabdrücke. Ich vermutete, dass sie von dir sein mussten, doch der Regenbogen mahnte zum Nicht-Denken. Aus lauter Langweile und von zu viel Sand im Handgelenk, erwachte ich schließlich. Diesmal war ich ein wenig geknickt, denn ich hatte dich kaum gefunden, dafür viele nette Wesen und Gestalten, die alle nicht du waren und erst recht nicht nach dir rochen. Ich sah mich schnaubend um und statt dich zu sehen, war da nur der übliche Besen beim Walzertanzen mit der Tischpflanze. Die beiden wussten noch, was Romantik war, dachte ich mir, und die vertrauten Wellen schifften mich schließlich wieder dorthin zurück, wo ich gerade hergegangen war.


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Änderungen:
- das "Und" zu Beginn des Textes gestrichen
- das "beinah" am Anfang hat ein "e" am Ende bekommen
(danke Bilbo)








ursprüngliche Version
VII. Vorbei ist nur ein anderes Wort

Und mit der schwindelnden Mitternachtssonne versank auch das Schiff hinter den Hügeln der Igel, um dort für sehr lange Minuten in den wohlverdienten Winterschlaf zu vergessen.
Ich war beeindruckt. Es war nicht das erste Mal, dass ich dieses Spektakel heute sehen durfte, nein, es war nämlich schon einmal mehrmals am Vortag geschehen. Ich hing soeben am mehrfach geöffneten Fenster, als der Marabu zielscheibensicher gegen meine Fingerkuppen zwitscherte. Unerwartet war das nicht gerade, auch nicht der unbedeutsame Schmerz, denn was in meinem Kopf vorging, konnten beinah alle, die es gerne so wollten, durch die schwache Beleuchtung genau erkennen. Leider warst das nicht du, denn die Beleuchtung bestand aus kariert gefärbtem Wüstensand, der eindeutig durch eine Partie Schach gewonnen worden war. Der Marabu jedenfalls war ein Taxi, das mich zu dir bringen wollte, und es wollte ganz exquisit wissen, wohin die Fahrt nicht gehen sollte. Also versuchten meine Gedanken natürlich, nicht an dich zu denken, was natürlich so schief ging wie eine Ameise mit Krücken. Armer Kerl, dachte ich. Hätte ich doch besser aufgepasst, dann hätte er jetzt noch alle Sechse.
Kurz vor erfolgreich erreichten wir also die Schnapsbräunerei, wo du natürlich nicht warst, sonst hätte es nach dir gerochen, nicht etwa nach Erdnüssen. Du rochst in meinen Gedanken nämlich nach einem frischen Fruchtcocktail aus Dämmerung, Sommerblau und den Vorhängen zu meinen intimsten Gedanken. Erschrocken fuhr ich hoch, denn ich hatte doch gar keinen Gartenzaun, doch das war nicht schlimm. Der Knopf, der mich schon seit Tagen verfolgte, hatte mir vehement verdeutlicht, wie wichtig es war, Dinge zu streichen. Am besten für immer aus dem Kopf, dann hätte man mehr Platz für andere Tücher. Der Knopf gefiel mir, denn er war einerseits sehr philosophisch und auf der gleichen Seite pragmatisch. Und, wie es sich gehört für einen pragmatischen Philosophen, hatte er eine unglaubwürdig zärtliche Stimme. Sie klang nach beinahe Einschlafen, aber der Mond ist auf Diät, und auch sie roch ganz anders als du. Doch das war nicht allzu interessant, wie ich fand. Streichen war jetzt die Devise, der Marabu musste ja bezahlt werden. Zunächst eine Mischung aus gelb und durchsichtig, beschloss ich energetisch. Der Taxi-Marabu verlor langsam jedoch die Geduld und den Faden mit mir und hielt einen Passanten an, der offenbar auf offener See spazieren ging. Dummerweise stieg ich aus und der Affe grinste mich an und hing mich kopfüber an ein Seil. Gerade hatte er mir noch Geschichten von seiner Reise nach Venedig erzählt und dann tat er so etwas. Ich verstand es nicht, denn ich sprach kein venedisch. Wir wollten ihn nur nach dem Weg fragen, dem Weg zu dir, doch diese Frage war wohl mit sehr viel Übereifer verbunden und prompt rutschte ich auf einem frisch gelierten Erdbeerkuchen, noch immer kopfüber, aus. Der Kuchen war sehr lecker und vor allem äußerst beliebt hier im Traumland. Niemand konnte ihn ausstehen, das machte die Geschichte viel interessanter. Bis du kamst – denn alles, was du mochtest, mochte ich mit einem Mal auch. Selbst, wenn ich es bereits wusste oder konnte. Das spielte keine Rolle, denn du wirbeltest mich herum immer und wieder, ohne dass ich den Kreisel anhalten konnte, der mit meinen sieben schönsten Fingern fangen und manchmal Klavier spielte. Das Taxi hielt schließlich an und die Sonne begann, sich aus dem Beet zu wachsen. Es war speziell für sie angelegt worden, denn die Idee war einfach so hübsch gewesen, dass ich sie mir eingerahmt in mein Schlafzimmer gehängt hatte. Direkt über den Küchentisch, damit ich immer einen Blick darauf hatte. Ansatzweise funktionierte die Idee auch, doch sie war so schlüpfrig, dass sie mir oft aus dem offenen Mund fiel und meine Arme hinab floss als wäre sie gar nicht aus kochendem Salzwasser.
Nachdem ich nun beinah den ganzen Traum über gefahren und gehangen bin, auf der Suche nach deinem Geruch, war ich wieder einmal hinter dem Hügel angekommen, dort wo das Gras Schach spielte, und ich hielt abermals Ausschau nach dem, was kommen würde. Es war gründlich und weich wie ein Flokati, der aus mindestens siebenundfünfzig Murmeln bestand. Genau richtig, um den Kopf in den Hoffnungen zu betten, die der Tag so mit sich brachte. Zunächst fuhr dieser in einem roten Koffer vorbei und setzte den Affen ab, doch bald schon zogen die Luftballons, die aus dem Affen sprachen, ihn nach oben und er flog davon. Ich wollte ihm nachrufen, dass er sich nicht vor den goldenen Kranichen zu fürchten brauchte, denn die gab es hier gar nicht, doch aus meinem Mund sprudelten andere Bäche, nämlich von dir und uns und mir bei dir. Sie waren ganz verspielt und so pfirsichgrün, dass ich sie küssen wollte, denn ein Kuss holt alles hervor, was tief in mir nicht einmal hier heraus kommen mag, obwohl es das nun doch tat, zumindest im Haaransatz. Da sah man dann ganz undeutlich und klar einen Heiligenschein in zart beflügelt oder manchmal auch einen kleinen blauen Ball, der hin und her dopst tief in mir und mich immer wieder dazu bringt, dich doch zu lieben. Doch ich bin wie du, wenn du bei mir bist und das ist falsch, denn das kann gar nicht funktionieren. Wie ein kaputtes Auto ein für allemal gegen eine Wand fahren und doch kommen wir jedes Mal unverletzt von Bord. Viel zu sehr wollte ich dich und berühren, allerdings verführen wäre zu viel. Zudem musste der Marabu noch bezahlt werden, denn er war nicht nur das Taxi, sondern musste auch noch einkaufen gehen. Schnell nieste ich ihm über die Schulter und er verschwand in glitzernden Tautropfen.
Ich lehnte mich zurück und suchte in den Wolken unter mir nach gestrandetem Selbstvertrauen und fand nur ein paar liebevolle Fingerabdrücke. Ich vermutete, dass sie von dir sein mussten, doch der Regenbogen mahnte zum Nicht-Denken. Aus lauter Langweile und von zu viel Sand im Handgelenk, erwachte ich schließlich. Diesmal war ich ein wenig geknickt, denn ich hatte dich kaum gefunden, dafür viele nette Wesen und Gestalten, die alle nicht du waren und erst recht nicht nach dir rochen. Ich sah mich schnaubend um und statt dich zu sehen, war da nur der übliche Besen beim Walzertanzen mit der Tischpflanze. Die beiden wussten noch, was Romantik war, dachte ich mir, und die vertrauten Wellen schifften mich schließlich wieder zurück dahin, wo ich gerade hergegangen war.
Zuletzt geändert von Trixie am 26.07.2009, 13:18, insgesamt 2-mal geändert.

Trixie

Beitragvon Trixie » 26.07.2009, 13:14

Hallo Hannes,
danke für die erschöpfende Mühe und das an einem sonnigen Sonntag.
Ich finde es echt super lieb, dass du da versuchst, irgendwie zu "verbessern", aber ich kann deine Vorschläge nur bedingt umsetzen.
Warum?
Also, deine Vorschläge:
-das "Und" am Anfang könnte ich weglassen, ja. Aber scheint es für mich nicht, als wäre man mitten drin, ohne Anfang. Aber ich überleg es mir.
-dass das Spektakel "heute" gesehen werden darf ist sehr wichtig, denn ich sage ja paradoxerweise aus, dass ich es heute schon einmal gesehen habe, nämlich am Vortag.
-das Taxi, ein Taxi - wo ist da für dich der verbesserte Unterschied? Dadurch, dass ich das Taxi konkret machen würde, würde das implizieren, dass ich bereits auf eines gewartet hatte und das ist ja nicht so.
-andererseits pragmatisch wäre ja völlig normal ;), aber das abgedrehte daran ist ja eben gerade, dass er beides auf einer Seite ist (jaja, sowas können auch nur Knöpfe hinkriegen).
-ich sehe auch keine Verbesserung bei "sowohl als auch", denn das sind ja nur mehr Wörter. Meinst du, es ist besser lesbar dadurch?

Hast du dich mal durch die letzten Texte, Teil 1-6 (ich glaube, vier davon hab ich hier eingestellt) gelesen? Der Stil ist derselbe: auf den ersten Blick normal erscheinende Wörter, die auf den zweiten Blick doch nicht die sind, für die sie gehalten wurden und dem Text einen völlig unlogischen, aber normal erscheinenden Sinn geben. Als wäre alles, was da steht, völlig selbstverständlich. Wenn ich anfange, die einen Sachen in normale Sprache zu übersetzen, müsste ich das durchgehend machen und dann wäre die Seele des Textes verschwunden, verstehst?

Danke dennoch für deine Mühe, mir mit dem Text zu helfen. Ich will nicht stur wirken (hab ja auch schon ein wenig verschlankt), aber ich will auch nich alles für die Leser aufgeben, das für mich die Texte ausmacht :).

Schönen Sonntag wünscht
die Trix

DonKju

Beitragvon DonKju » 28.07.2009, 21:56

Hallo Trixie,

was die "Textarbeit" angeht - Das ist ja gerade das, was ich, wie die meisten anderen im Salon hoffentlich auch, hier so schätzen; Aber natürlich leitet sich daraus für den Autor keine Verpflichtung ab, die "Vorschläge" und Anregungen auch zu übernehmen. Ebenso wie letzten Endes nur er entscheiden kann, welche Änderungen & Kürzungen sein Text verträgt.

Was nun die anderen Texte der Reihe angeht, nein, ich habe zwar nicht alle gelesen, aber dieser = 'Trixies "VI. Vorhin war schon alles anders"' hat mir so gut gefallen, daß er sogar eine Stimme bei der Monatswahl für den April bekam. Was allerdings auch heißt, daß die, ich sag' das jetzt mal so, Kapitel VI und VII unterschiedlich in ihrer Güte, zumindest was die persönliche Sicht dieses armen Lesers ist, sind. Und das ist nur eine Einzelmeinung.

Mit lieben Grüßen dazu von Hannes


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