Tauwetter

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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annette
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Beitragvon annette » 31.03.2009, 14:22

Tauwetter

Die Welt fließt zurück
treibt und sprießt und riecht nach Grün
sanfter Regen löst die Winterstarre.

Es öffnen sich Schleusen und Fenster
der Horizont verheißt saisonale Ewigkeit.
Neue Worte wollen ausgesprochen sein
unerhört und gewagt wie jedes Jahr.

Wir spüren mildere Winde, hellere Tage, leichtere Herzen
Morgensonne auf der Haut, Morgenländer im Erwachen.
Mit schwingender Unruh atmen wir Aufbruch
und straucheln mit den Gewohnheiten im Gepäck.

Der Wald weiß andere Dinge als die Stadt
Lasst uns anfangen, was längst begann.
Die Sonne soll uns aus der Krume locken
wir wollen mit dem Wasser den Berg hinunterlaufen.

Manch einer behütet sich noch
ummantelt sein Winterfell voller Misstrauen.
Doch wenn die Gänse lachend über uns hinwegziehen
wenn Tag und Nacht sich die Waage halten
werft Schranken und Zaudern in den Wind
klopft eure Teppiche und haltet die blassen Gesichter in den Tag.

Lasst uns anfangen, was immer wieder beginnt.
Zuletzt geändert von annette am 09.04.2009, 11:18, insgesamt 2-mal geändert.

Mucki
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Beitragvon Mucki » 10.04.2009, 01:06

Das trau ich dir tatsächlich zu, du verrückte Nudel. *lach*

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 10.04.2009, 16:38

Liebe annette,

Zumindest ohne die Zeilen 5-7 scheint mir, liest sich der ganze Text eher harmlos, frühlingsplätschernd. Der Hinweis auf die Gewohnheiten im Gepäck ist mir zu wenig, um noch als kritische Betrachtung durchzugehen. Steht denn dem Text nicht ein bisschen Biss (oder der Seitenhieb, wie scarlett sagt)?


Nach den weiteren Interpretationsansätzen und genauem Hinschauen aufgrund deiner Frage, bin ich meiner eigenen wahrnehmung gegenüber unsicher geworden :book3: . Ich bin mir nicht sicher - vielleicht ist es tatsächlich ein Muss im Sinne von Sams und Lydies Interpretation(en). Ja, ich glaube ja.


Enthaltung .-)


liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

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annette
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Beitragvon annette » 11.04.2009, 16:11

Lieber Max,

ich freu mich, dass Du dem Text folgen magst.
Bei "saisonal" habe ich auch erst gezögert, aber darüber soll man ja stolpern.
"verheißt Ewigkeit für eine Saison" ist mir zu umständlich. Und "saisonal" transportiert für mich gut eine industrielle Wegwerfmentalität, es erzeugt Nähe zur Werbesprache - finde ich.

Viele Grüße - annette

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annette
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Beitragvon annette » 11.04.2009, 16:38

Hallo Stefan,

Der Wald weiß andere Dinge als die Stadt.


den Satz hätte ich etliche Male fast wieder rausgenommen. Eben weil er so vieldeutig ist, so sehr viel offener als der Rest und - wie Du ja auch sagst - ein ganz anderes Fass aufmacht.
Ich bin froh, dass ich ihn behalten habe, denn er öffnet den Text und weist über ihn hinaus.

Viele Grüße - annette


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