Traum A

Rala

Beitragvon Rala » 18.12.2006, 18:39

Folgender Text war ursprünglich nur als kleine Fingerübung gedacht, aber er passte gerade so gut zum Thema ... Sorgen bezüglich meiner geistigen Gesundheit sind trotz allem völlig unnötig.


Traum A

Als ich eines Morgens früh erwachte, roch es recht streng in meinem Zimmer. Das war auch nicht weiter verwunderlich, denn wie ich alsbald feststellte, hing ein Elch an der Wand. Er war ja nicht zu übersehen in meinem kleinen Schlafzimmer, und er hing direkt über meinem Bett. Zwei dicke Seile führten um seinen Rumpf und durch zwei kräftige Ösen, die in die Mauer geschraubt waren. Den Kopf musste er schief halten, weil anders für seine riesigen Schaufeln kein Platz war.
„Was soll das, was tust du da?“, fragte ich indigniert. Ich fühlte mich entschieden in meiner Privatsphäre gestört. „Elche gehören nicht in Schlafzimmer. Und du müffelst.“
„Na, entschuldige mal“, brummelte der Elch. „Du hast mich doch höchstpersönlich hier hingehängt. Meinst du, mir macht das Spaß?“
„Das war jetzt aber ein ganz mieser Witz. Als könnte ich kleines schwaches Weib einen ausgewachsenen Elch fangen, in meine Wohnung schleppen und dann auch noch an die Wand hängen. Außerdem müsste ich mich daran doch erinnern, oder?“
„Wie, du erinnerst dich nicht einmal daran? Ich dafür umso besser! Was für eine Blamage! Die anderen haben sich totgelacht, als du mich mit diesem fiesen Trick ...“
„Was für ein Trick?“
„Naja, von hinten anschleichen, während ich fresse, und mir mit einer Strumpfhose die Augen verbinden. Wo ich doch mit verbundenen Augen total hilflos bin!“
„Und was kam dann?“
„Du hast mir die Füße zusammengebunden und mich eine halbe Ewigkeit durch die Gegend geschleift. Mir tut jetzt noch alles weh. Durch den Wald ging’s ja noch, aber über die Straßen ... schau, wie abgerubbelt mein Fell aussieht! Überall Löcher! Und dann erst die Treppe hoch! In den fünften Stock! Warum hast du nicht wenigstens den Aufzug genommen?“
„Du wirst wohl nicht reingepasst haben ... Hab ich das wirklich alles getan? Ganz allein?“
„Ich hab wenigstens niemanden sonst gesehen. Kannst du dich denn wirklich nicht daran erinnern? Nicht einmal an einen Traum, der in die Richtung geht?“
„Nein ... geträumt habe ich von dicken Rosinen, wie jede Nacht.“
„Wovon?“
„Naja, meine Eltern haben mir jahrelang jeden Abend vor dem Einschlafen gesagt, ich soll von dicken Rosinen träumen. Ich war schon immer ein braves Kind. Und jetzt kann ich von nichts anderem mehr träumen.“
„Du Arme! Wie langweilig!“
„Aber vielleicht hast du das ja geträumt? Wenn du dich doch so gut daran erinnerst.“
„Hmm, schon möglich. Ich hab öfter Albträume. Aber selten mit so realistischer Fortsetzung. – Aber, Traum hin oder her, ich wäre dir sehr verbunden, wenn du mich jetzt wieder auf den Boden stelltest, die Seile schnüren mich ziemlich ein und außerdem sind mir schon die Beine eingeschlafen.“
„Oje ... ich versuch’s mal.“
Ich stellte mich aufs Bett, um an die Knoten zu kommen, aber sie waren so fest geschnürt, dass ich sie beim besten Willen nicht aufbekam. Die konnte ich doch nie und nimmer selbst gemacht haben.
„Kannst du dich nicht einfach wieder da runter träumen?“
„Tut mir leid, aber auf den Inhalt meiner Albträume habe ich leider keinen Einfluss. Sonst hätte ich nämlich keine mehr.“
„Dann warte kurz.“
„Was bleibt mir anderes übrig?“
Ich holte ein Messer aus der Küche. Mit viel Mühe säbelte ich die Seile durch. Dabei rasierte ich dem Elch noch ein paar Löcher mehr ins Fell.
„Tut mir sehr leid, aber das ging jetzt nicht anders.“
Mit einem dunpfen Plumps landete er auf meinem Bett, das prompt in die Knie ging.
„Jaja, ist schon gut. Kommt eh nicht mehr drauf an.“
„Und jetzt?“
„Wie, und jetzt?“
„Soll ich dich zurück in den Wald begleiten oder ...“
„Zurück in den Wald? Bist du wahnsinnig? Ich kann mich dort doch nie mehr blicken lassen! Ein ausgewachsener Elch mit blauen Flecken und Löchern im Fell, von einer Frau überwältigt und verschleppt ...“
Tief beschämt blickte er zu Boden.
Seitdem lebe ich mit einem Elch zusammen. Trotz aller Waschversuche müffelt er immer noch ein wenig und wälzt sich nächtens des öfteren unruhig im Schlaf. Von mir weggeträumt hat er sich bisher noch nicht. Manchmal, wenn er schläft, versuche ich ihn an die Wand zu werfen, um zu sehen, ob er nicht vielleicht irgendjemand Verzauberter ist, aber solche Kräfte, wie ich sie in dieser einen Nacht gehabt haben muss, habe ich bislang nicht mehr aufgebracht ...
Zuletzt geändert von Rala am 21.12.2006, 18:20, insgesamt 2-mal geändert.

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Beitragvon leonie » 23.12.2006, 22:32

Hm, nicht mit Seife oder Shampoo also, sondern mit Liebe....Und duschen, nicht baden. Okay....
Meint Ihr, dass der ein oder andere Weihnachtsmann wegen Rentiermangels mit Elchen unterwegs sein könnte? Ich werde dann morgen mal die Augen aufhalten.

Liebe Grüße

leonie


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