Am Abend

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
moshe.c

Beitragvon moshe.c » 07.05.2008, 21:10

Am Abend

erhob ich mich im Kreise
gegen die Berechnung
von Absichten
Rache und Verschuldung

Du darfst nicht bitten um Heimzahlung
sagte ich
aus meinem Wesen
und setzte mich

Ein Anderer stand auf

Du kannst kein Gericht
über deine Gefährten bringen

Und dann
bog sich eine Mauer
bröckelnd
von der Vergebung
gebeugt
bevor ein Sandsturm
kam
Zuletzt geändert von moshe.c am 08.05.2008, 19:33, insgesamt 1-mal geändert.

ecb

Beitragvon ecb » 08.05.2008, 14:39

die müßigkeit solcher "berechnungen" (gericht, gerecht, richtig, richten, rache, und ich denke da auch an ein "gegeneinander aufrechnen"),
weil es nur eine "lösung" gibt und die zeit ohnehin alles mitnimmt?

eindrückliche bilder voller symbolischer bewegung und energie, moshe.

lg. eva

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 08.05.2008, 19:32

Liebe Eva!

Nein, die Zeit verwischt nicht alles, auch wenn es oft gewollt wird, bleibt es doch zumindest zu Lebzeiten und ggf bei den Nachfolgern manchmal länger, als erahnt.

Aber das ist hier jetzt nicht so sehr der Punkt.

So versuche ich einen Punkt der Rechtsfindung aufzuzeigen, dessen Ausgang wohl weiter umstritten ist.

(Offtopic: Ich habe dich nicht vergessen, sondern genieße erstmal eine Woche des Müßiggangs.)

--------------------------------

Die dritte Zeile in der letzten Strophe: 'flüsternd', streiche ich ersatzlos.

-------------------------------

Mit bestem Gruß

Moshe

ecb

Beitragvon ecb » 08.05.2008, 19:55

ich hatte die letzte strophe so gelesen, moshe, war mich aber unsicher und habe deshalb ein fragezeichen hinzugefügt.
ich meinte auch nicht unbedingt vergessen, sondern daß die zeit unaufhaltsam den abstand vergrößert, den charakter des gewesenen im gedächtnis der menschen verändert.
im übrigen muß ich zugeben, daß ich zu wenig von rechtlichem denken verstehe, als daß ich in diesem punkt etwas zu deinem gedanken beitragen könnte.

danke fürs nichtvergessen, das ist nett von dir, aber genieß nur erst mal deine ferien!

lg eva

african queen

Beitragvon african queen » 10.05.2008, 09:56

hey moshe,
dieser text hat mich sofort angesprochen, offen für weitere gedanken.
klare bilder, tiefenwirksam. kleine anmerkung :" du kannst kein gericht
über deine gefährten bringen" - vielleicht etwas zu ungenau, da könnte
ich mir noch treffendere worte aus deinem reichem wortschatz vor-
stellen. ansonsten gefallen mir diese gedanken in worte gefaßt sehr
gut.

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 10.05.2008, 18:30

Liebe african queen!

Danke für deine Wahrnehmung und dein Gedanken.
Du siehst hier eine Ungenauigkeit ohne mir zu sagen, was du dir ansonsten vorstellst.

Bitte sei so lieb und sage mir, was du damit meinst.

MlG

Moshe

african queen

Beitragvon african queen » 10.05.2008, 20:10

bei dem satz " du kannst...... (in welchem sinne ist das gemeint- du solltest.... oder du wirst nicht..... du mußt nicht...... )
"kein gericht über deine gefährten bringen....... ( deine gefährten.....,
wen meinst du damit ??? das wort gericht bedeutet ja richten.... recht....
das wort "kann" am anfang ist mir zu vage ....., ist es eine mahnung an dich, ein gebot.....oder mehr....
das wort "gefährten"..... damit habe ich probleme......
verstehst du, was ich meine....????
sicher, ich verstehe schon , du sprichst ja mit dir oder in dich hinein,
vielleicht ist mir das wort gefährten auch nicht so geläufig.... damit
kann sehr viel gemeint sein........
lg
gertraud

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 12.05.2008, 20:51

Liebe african queen!

Besten Dank für deine Vertiefung.

Mir geht es hier nicht um Jemanden bestimmtes, auch nicht um eine zu lokalisierende Gruppe, oder etwas ähnliches, sondern um das Aufzeigen einer Schwierigkeit bei der Rechtsfindung aus einer Clan- oder Gruppenstruktur heraus, zu einem staatlichen Rechtswesen zu finden, das über diesen überkommenen Strukturen entstehen muß, um unparteiisch (im Idealfall) sein zu können, und im Idealfall eben ein geordnetes Staats- und Rechstsystem hervorzubringen.
Man kann ja an jedem x-beliebigen Tag die Zeitung aufschlagen und sehen wie in interschiedlicher Weise Partikular-Interessen gehandhabt werden, je nach Gesellschaft/Staat.
Dennoch ist es dauernd ein Kampf, eine Struktur zu finden, die unparteiisch ist.

Meiner Meinung nach sind die Unterschiede zwischen Ländern hier graduell, und somit diese aufgezeigte Situation mit nichten erledigt.

MlG

Moshe

african queen

Beitragvon african queen » 12.05.2008, 21:21

lieber moshe,
kannst du z.b. al betroffener überhaupt unparteiisch sein, das ist sicher
je nach situation möglich, aber sehr kompliziert.
meiner meinung nach. sollte abstand gesucht werden, aus einer gewissen distanz heraus ist auch ein verzeihen, im sinne von ... geschehenes ist nicht rückgängig zu machen.... möglich, nicht im ganzen, aber in
sich selbst den aufruhr, oder viele offene fragen wird man sich nicht
andauernd stellen. z.b. ob man gericht ( also richten ) über ...gefährten... stolper....kann oder soll. unparteiisch oder neutral ist nicht mehr möglich, aber ein neuer blick, da erfahrungen eingebrannt sind, häufig den blick
auf die zukunft versperrt.
diese gedanken habe ich mir zu deinem kommentar gemacht.
bin mir nicht sicher, ob man ein kompliziertes geschehen, in dierser allgemeinen wortwahl gerecht wird.
du sprichst ja irgendwie mit dir selbst, also nicht allgemein, in einer
vertiefung mit einem schwierigen thema, sehr beeindruckend umgesetzt. las den text flüssif, bis ich am abschnitt über ..... gefährten .... hängen
geblieben bin.
lg
gertraud

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 14.05.2008, 20:28

Liebe Gertraud!

Mein Text versucht hier garnicht eine Antwort zu geben, sondern Fragen aufzuwerfen.

Findest du das legitim?

MlG

Moshe

african queen

Beitragvon african queen » 14.05.2008, 20:42

lieber moshe,
aber natürlich ist das legitim, nur durch fragen findet man neue wege, nicht unbedingt antworten. völlig in ordnung. vielleicht haben sich mir neue andere fragen aufgedrängt, nur weil ich einen satz gestolpert bin. ( .....gericht über gefährten bringen kann...... ) auf diese weise ensteht eine auseinandersetzung mit für mich sehr interessantem text, oder ein
dialog.
lg
gertraud

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 14.05.2008, 20:57

Liebe Gertraud!

Du sagst es: Wenn ein Dialog nach innen entsteht und nach aussen, dann hat ein Text was.

Ist bei Bildern auch nicht anders. Oder?

(Habe deine letzten Beiträge hier in dieser Richtung genossen.)

MlG

Moshe

african queen

Beitragvon african queen » 14.05.2008, 21:12

:smile: :smile: moshe,
ja genauso meine wahrnehmung, in afrika fließt das "sprechen der seele "
in vielfältiger ritualisierten formen in das alltagsleben ein.
ein starker ausdruck, fremd, nicht immer faßbar, greifbar in worten,
in farben, im tanz, musik, und....und.... berühren der seelen, macht glaube ich einen großen teil der faszination von kunst aus. mystische angelegenheit zuweilen, wenn ein funke überspringt. unplanbar, unvorhersehbar , auch unverzichtbar.
lg
gertraud

Hakuin

Beitragvon Hakuin » 16.05.2008, 10:14

lieber moshe,

ich bin mal wieder HIER und....denke grad: braucht es DIESEN teil...

Du darfst nicht bitten um Heimzahlung
sagte ich
aus meinem Wesen
und setzte mich
Am Abend


da HIER ja schon diese haltung eröffnet wird:

erhob ich mich im Kreise
gegen die Berechnung
von Absichten
Rache und Verschuldung


das HIER finde ich passt, wie aufs auge:

Ein Anderer stand auf

Du kannst kein Gericht
über deine Gefährten bringen


wozu der sandstrum am ende?
deine idee mit der gebeugten mauer kommt gut,
doch eine gebeugte mauer die sich weiter beugt vor vergebung
an diesem bild "knirscht" es noch....wenn etwas gerade ist...wird es gebogen, immer weiter, bis es krumm ist. vergebung BENÖTIGT einen HALTUNGSWECHSEL. wer den HOCHSTATUS innehat, kann ihn halten oder sich verwandeln...ok auch beugen...verbiegen...krümmen.., hmmm bin unsicher.

sag DU.

Und dann
bog sich eine Mauer
bröckelnd
von der Vergebung
gebeugt
bevor ein Sandsturm
kam


salve
hakuin


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