„Dies Bildnis ist bezaubernd schön“

Der Publicus ist die Präsentationsplattform des Salons. Hier können Texte eingestellt werden, bei denen es den Autoren nicht um Textarbeit geht. Entsprechend sind hier besonders Kommentare und Diskussionen erwünscht, die über bloßes Lob oder reine Ablehnungsbekundung hinausgehen. Das Schildern von Leseeindrücken, Aufzeigen von Interpretationsansätzen, kurz Kommentare mit Rezensionscharakter verleihen dem Publicus erst seinen Gehalt
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Elsa
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Beitragvon Elsa » 08.03.2008, 11:59

Mit gerecktem Hals schritt Daphne über den Schulhof, schwenkte energisch ihre rote Plastikhandtasche. Einer der Schüler riss sie ihr immer aus der Hand und rannte davon. Die anderen grölten „Mongo, Mongo!“
„Ich b…bin nicht aus M…Mongolien!“ Daphne stapfte hinterher. „Ich hau dir den Popo kaputt ...“ ihre Stimme erstickte in Tränen.
Vom anderen Ende des Hofs schleuderte der Junge die Tasche in ihre Richtung. Im Dreck blieb sie liegen.
Beim Bücken tropfte Daphne der Rotz aus der Nase. Sie öffnete den goldenen Klippverschluss und linste hinein, seufzte, weil nichts fehlte. Die Taschentücher nicht, die Schokobonbons nicht, das Bettelarmband und der rosa Lippenstift nicht.
Das Armband, ein Taufgeschenk, passte nicht mehr um ihr Handgelenk. Sie zählte die silbernen Anhänger. Katzen, Kleeblätter, Schlüssel und die Herzen, die sie jedes Jahr hinzubekam. „Eins, fünf, zehn, drei, acht ...“ Manchmal geriet sie durcheinander, bei „Zehn“ stopfte sie es zurück, roch am Lippenstift und leckte dran.
Dann lief sie weiter solange ums Viereck, bis die Glocke schrillte.

Ihr Vater wurde wütend, als er von ihrer Zeugung erfuhr.
„Das musst du wegmachen lassen“, sagte er zu Clara, „Du bist über vierzig, und ich bin verheiratet.“
Claras Bauch wuchs, Thomas wurde geschieden und zog ein.
„Thom, sieh nur die süße kleine Nase, wie ein Kätzchen und die schräg gestellten Augen!“, sagte sie entzückt, als Daphne geboren war.

Zwei Jahre später tapste die Kleine neben Clara durch den Supermarkt.
„Niedlich das Püppchen“, sagte die Kassiererin.
Eine Kundin, die nach Clara ihre Einkäufe auf das Laufband legte, meinte nach einem Blick auf Daphne: „Das wird nicht so bleiben ...“
Eine andere seufzte. „Down-Syndrom.“ Ihr Blick in die Runde heischte nach Lob.
Clara nahm Daphne auf den Arm. Beim Hinausgehen hörte sie: „Sowas ist eine Strafe Gottes.“
Clara fing an Daphne zu beobachten. Merkte man ihr das Gen zuviel so deutlich an? Sie konnte keinen Unterschied zu anderen Kindern feststellen.
Lange Jahre hatte sie sich ein Kind gewünscht und jetzt sollte sie aus Angst vor den Leuten nicht mehr auf die Straße? Clara schüttelte den Kopf darüber, umarmte Daphne. Sie war stolz.
Als sie Thomas an ihren Gedanken teilhaben ließ, zwischen Tür und Angel – er verbrachte die meiste Zeit mit arbeiten, sagte er: „Ich habe dich angefleht.“
Er zog sich noch mehr zurück. Schließlich fing er ein Verhältnis mit seiner geschiedenen Frau an, übernachtete auswärts. Clara stellte verblüfft fest, dass es ihr nichts ausmachte.
Sie schleppte Daphne überallhin mit. Äußerte jemand, wie bedauernswert ihr Schicksal sei, sagte sie: „Ich bin überglücklich mit meiner Tochter, sie hat einen starken Charakter.“
Daphnes sechsten Geburtstag feierten sie allein; Thomas hatte angerufen und gesagt, er würde bei seiner ersten Frau bleiben, aber natürlich Unterhalt für das Kind bezahlen.
„B...blablabla!“ Daphne lachte Clara an, die ihr die Karte und das Kuvert aus der Hand nahm und vorlas: „Liebe Daphne, Glück und Segen auf all deinen Wegen. Ich lade dich in die Oper ein zur Zauberflöte. Deine Mama.“
Daphne klatschte in die Hände und blies alle Kerzen auf der Schokoladetorte aus. Sie zerbiss das rosa Seidenband des zweiten Geschenkes. Die Puppe mit blonden Locken sah sie kurz an, ehe sie sie in die Ecke schmiss.

Zwei Tage später saß Daphne mucksmäuschenstill auf zwei Telefonbüchern. Mit aufgerissenem Mund verfolgte sie das Geschehen auf der Bühne. Clara lächelte. Als der letzte Vorhang fiel, hopste Daphne vom Stuhl, fasste nach der Hand ihrer Mutter und zog sie hinaus. Auf dem Heimweg summte sie eine Weile. Plötzlich sang sie: „Strahlen der Sonne vertreiben die Nacht, zernichten Heuchler Macht.“
Clara trat auf die Bremse, drehte sich um. „Was hast du gesagt?“
Daphnes Augen glänzten. Sie wiederholte den Vers Sarastros aus der letzten Szene.

Clara tauschte die Puppe gegen einen Kassettenrekorder um und kaufte die Zauberflöte. Täglich hörte Daphne vor dem Schlafengehen ihre Lieblingsarien und sang sie begeistert und ganz ohne zu Stottern nach.

Ein paar Jahre später tauchte Daphne spät abends im Nachthemd im Wohnzimmer auf. Clara hatte ein paar Freunde, die ihr treu geblieben waren, eingeladen.
„M...Mama G...Geb...burtstag.“
Jemand lachte, was ihm einen scharfen Blick Claras einbrachte.
„Daphne weiß Geschenk“, sagte Daphne und stellte sich vor dem Fenster in Pose. „Pa-Pa-Pa-Papagena!“, begann sie zu schmettern.
Um den Wechsel zwischen Papageno und Papagena spielen zu können, trieb Daphne ihren gedrungenen Körper unerbittlich in Claras Wohnzimmer von einem Ende zum anderen. „Pa-pa-pa-pa-geno“, sang sie beim Kamin und dann vom Fenster her: „Pa-pa-pa-pa-gena.“
Hochrot, mit leuchtenden Augen hinter den Brillengläsern verbeugte sie sich. Clara weinte vor Freude und alle klatschten.
Danach stopfte Daphne Schokoladekuchen in den Mund, die Gäste schauten weg.

„Wir müssen einen Büstenhalter für dich kaufen, Liebling, du wirst langsam erwachsen.“
Daphne patschte auf ihre Rundungen und hüpfte auf und ab.
In der Wäscheabteilung stürzte sie sich mit einem Schrei der Begeisterung auf einen roten Satin-BH.
Die Verkäuferin entwand ihn Daphnes Händen. „Ein Einzelstück. Falsche Größe.“
„Was hältst du von diesem da?“ Clara zeigte auf einen hellblauen.
„Nein. Den da!“ Mit einem Ausfallschritt riss Daphne das rote Teil wieder an sich und zog sich hinter einen der Drehständer zurück.
„Gib her, der passt nicht, sagt die Dame.“
Daphne schnaufte und zog eine wütende Grimasse. Als Clara auf sie zuging, wich sie aus und stieß eine Figurine im grünen Negligé um, schrie: „Will aber!“ Sie stürmte davon, Clara hinterher. „Hör auf damit, du machst doch alles kaputt!“
Aber Daphne kippte drei Drehständer mit Dessous um und tobte weiter. „Ich will rot haben, rot, rot!“
Erst als Clara mit hängenden Armen stehen blieb, hielt Daphne an und streckte den Verkäuferinnen die Zunge heraus. „Rot!“
Clara drückte einer der Damen einen großen Geldschein in die Hand und verließ mit Daphne und einem zu großen, roten Büstenhalter den Laden.

Eine Tante lud am kommenden Wochenende zu ihrem achtzigsten Geburtstag ein. Daphne präsentierte den roten BH, dann sang sie eine Arie aus dem Fliegenden Holländer. Die Familie saß dicht gedrängt um die Kaffeetafel, Clara und Daphne teilten sich einen Stuhl. Mitten in der angeregten Unterhaltung seufzte Daphne laut auf. Mit verklärtem Gesichtsausdruck rieb sie ihr Geschlecht an der Stuhlkante. Sie stöhnte auf dem Höhepunkt, zuckte und sank entspannt in sich zusammen.
„Gut“, sagte sie und griff nach einem Stück Torte.
Einige hüstelten. Clara sagte: „Wir müssen gehen, mein Engel.“

In der Beratungsstelle für Eltern mit behinderten Kinder sagte man Clara: „Menschen wie Daphne haben eine starke Libido, ohne zu begreifen ...“
Clara nahm es hin und verkehrte nur noch mit Verwandten und Freunden, die ihre Tochter akzeptierten, wie sie eben war.

Eines Tages war das Bettelarmband aus der Handtasche verschwunden, nachdem Daphne sie zurückerobert hatte. Der Junge, der trotz aller Ermahnungen nicht genug davon bekommen konnte, sie zu ärgern, schrie: „Mongo! Mongo!“
Als Daphne den Diebstahl bemerkte, warf sie sich auf den Asphalt, wälzte sich und brüllte wie am Spieß. Sie keuchte wie unter Schock bis sie schließlich das Bewusstsein verlor. Der Rettungswagen brachte sie in die Klinik.

Die Schulleitung entschied, dass Daphne besser in einer Sonderschule aufgehoben wäre.
Clara begann wieder zu arbeiten. Halbtags in einem Steuerberatungsbüro. Einer der Klienten machte ihr den Hof.
„M...M...Matthias“, sagte Daphne, als er bei ihnen einzog. Er unterstützte Clara, indem er ihre Tochter von der Schule abholte, wenn sie länger im Büro zu tun hatte.
„Ich kann mir meine Zeit als Selbständiger gut einteilen“, meinte Matthias. Er besaß Seminarräume, die er für esoterische Kurse vermietete.
Er war begeistert von Daphne und zeigte ihr, wie sie auch ohne Sesselkante Lusterfüllung bekommen konnte. Während sie auf dem Bett im Kinderzimmer die Beine spreizte und masturbierte, saß er auf dem Kinderschaukelstuhl und rieb sich. Daphne lachte.
„Springbrunnen“, sagte sie zu seinem ejakulierenden Glied.
Nachher fütterte er sie mit Schokoladekuchen, wischte ihr den Mund ab.
Eines Tages kam Clara früher von der Arbeit und hörte Matthias aus dem Kinderzimmer stöhnen. Sie riss ihn an den Haaren, schlug auf ihn ein.
„Hau ab oder ich zeige dich an“, sagte sie, bemüht, nicht zu schreien, um ihr Kind nicht zu erschrecken.
Matthias packte hastig ein paar Sachen und war innerhalb einer Stunde verschwunden.
Clara sah nach Daphne. Sie hockte auf dem Bett, die Kopfhörer auf und hörte die Zauberflöte.

Als sie mit vierzehn die Sonderschule beendet hatte und tagsüber eine Behindertenwerkstätte besuchte, rief Matthias immer noch an.
„Ich will nichts mehr besprechen mit dir, sei froh, dass du so davon gekommen bist, Matthias“, sagte Clara, wenn er sie anflehte, ihm zu vergeben.
„Ich kann so nicht leben, weiß ja nicht einmal, was in mich gefahren war ...“
„Pech“, sagte Clara und legte auf.
Daphne hatte alle paar Tage einen anderen Freund.
„Sch...schau!“ Sie zupfte das Bild des Favoriten aus der roten Plastikhandtasche, ging von Tisch zu Tisch und hielt es jedem unter die Nase.
„Gut“, sagten die Kollegen und unterbrachen ihre Arbeit, um es sich anzusehen.
Zuhause blätterte sie die Illustrierten durch, die Clara aus dem Wartezimmer des Steuerberaters mitnahm. Gefiel ihr ein Foto, riss Daphne es heraus, stammelte: „Sch...schön.“
Sie drückte das Blatt an ihre Brust, nahm es mit in die Werkstätte und wenn es abgewetzt und eingerissen war, suchte sie sich ein Neues aus.

„Ich bin verlobt“, stieß Daphne eines Tages hervor und klopfte aufgeregt mit dem Zeigefinger auf den Auserwählten der Woche. Clara setzte die Lesebrille auf. Schräg stehende Augen, ein liebevolles Lächeln strahlten sie an.
Diesmal riss Daphne die Seite nicht heraus, sie nahm eine Bastelschere. Die Zunge zwischen den Zähnen konzentrierte sie sich auf das Ausschneiden.
„Soll ich dir helfen, Daphne?“
„Nein! Allein machen!“
Clara ging in die Küche, um Abendbrot vorzubreiten. Vor Schreck ließ sie einen Teller fallen, als Daphne plötzlich wie ein Stier aufbrüllte.
Mit verzerrtem Gesicht trampelte Daphne auf der Zeitschrift herum. „Blöde Schere!“, heulte sie und warf sie nach ihrer Mutter, die zur Seite sprang. Beide fingen an zu weinen.
Clara breitete die Arme aus. „Komm her, mein Kind, komm zur Mama.“
Mit gesenktem Kopf trottete ihre Tochter auf sie zu.
Später saßen sie auf dem Sofa. Daphne knetete ihre Hände rot, den Kopf an Claras Schulter gelehnt. „Mein Verlobter ...“
„Gleich Morgen kaufen wir einen neuen Stern. Und dann machen wir es zusammen. Und du bekommst einen Bilderrahmen, damit du deinen Verlobten aufstellen kannst.“
Daphne Nase rieb an ihrer Schulter. „Ja, Mama“, sagte sie. Sie ließ sich ins Bett bringen, Clara schob sie an der zerfledderten Zeitschrift vorbei.

Daphne durfte die Seite festhalten und Clara führte die Schere. Sie klebte das Bild sorgfältig auf Karton, schob es in den Rahmen aus Plexiglas.

„Jetzt setz dich bitte hin und arbeite wie die anderen“, wurde Daphne ermahnt. Mit eingezogenem Kopf schlurfte sie zu ihrem Platz und schimpfte: „B...blöder Hund!“
Sie blinzelte trübe in den Saal, wetzte auf dem Stuhl herum, beobachtete ihre Tischnachbarin, die ein Lampenschirmdrahtgestell mit Bast umwickelte. Ihr eigenes Werkstück, das wie ein Klumpen Fäden aussah, flog quer durch den Saal.
Sie holte den Dalai Lama aus ihrer Tasche und weinte.
Georg, der Werkstättenleiter, bat Daphnes Mutter zu einem Gespräch.
„Sie ist eben keine Handarbeiterin, sie hat andere Talente“, sagte Clara.
„Das ist schon richtig. Aber die Plätze bei uns sind sehr gesucht und ich kann keinen hier behalten, der sich nicht bemüht.“
„Aber sie ist doch ... das tut sie doch!“, sagte Clara.
Daphne drückte ihre Nase an der Fensterausnehmung in der Tür platt. Sie klopfte an die Scheibe und hielt das Bild des Dalai Lama hoch. „Mein Verlobter will ich hier bin!“
Clara winkte ihr zu. „Ich habe eine Idee“, sagte sie, „meine Tochter singt wunderschön Opernarien. Können Sie sie nicht zur Stimmungsmacherin ernennen? Das geht die Arbeit leichter von der Hand.“
Georg schüttelte den Kopf, aber er willigte ein.

Am nächsten Morgen, als Clara Daphne ablieferte, schlich sie mit schmalen Lippen zu ihrem Platz.
„Daphne, du musst das nicht mehr machen. Weißt du was?“, sagte Georg, während sie ihn anblinzelte, „Ab heute singst du für uns, damit wir mehr Spaß bei der Arbeit haben. Bist du einverstanden?“
Daphne stand langsam auf, sie lachte. Sie schritt durch den Raum an den Tischen vorbei und gab eine Arie nach der anderen zum Besten. Bei Applaus verbeugte sie sich, klatschte niemand, applaudierte sie sich selbst.

Matthias wartete eines Tages vor dem Haus, als Clara zur Arbeit ging.
„Ich möchte, dass du mir verzeihst. Bitte.“
Sofort hatte sie die Szene vor Augen. „Geh. Ich kann nichts tun für dich.“ Sie ließ ihn stehen.

Als Clara in den vorzeitigen Ruhestand ging – die Behindertenwertstätte hieß neuerdings Geschützte Werkstätte und Menschen mit Down-Syndrom wurden nicht mehr als mongoloid bezeichnet – bot sie ehrenamtliche Hilfe an, um ihrer Tochter nahe zu sein.
Georg war gern mit Clara zusammen. Sie half ihm fast täglich für ein paar Stunden in der Betreuung, teilte das Mittagessen aus.
Ihre Hände berührten sich bei einem der Teller. Clara blickte auf und lächelte Georg an. „Sagen musst schon du etwas als Mann.“
Er räusperte sich.
Sie drückte seine Hand. „Morgen Abend bei uns zum Essen?“

Daphne hatte ein ausgesprochen dramatisches Talent und Georg zerbrach sich den Kopf, ob man sie fördern könnte. Ihm gefiel, wie frei von allen Zwängen sie war, sich spontan engagierte, wenn jemand in der Gruppe bockte oder traurig war, er hatte sie gern.
Eines Abends lief im Fernsehen ein Beitrag über eine Opernschüleraufführung. Der Deutschlehrer sagte, sie hätten die Oper gekürzt, damit sie spielbar würde. In den nächsten Wochen suchten Clara und Georg im Wechsel Sponsoren, sprachen mit Banken, Kulturausschüssen der Parteien und karitativen Vereinigungen. Clara und Georg strichen die Zauberflöte zu einer einfachen Fassung zusammen und übten mit den Mitwirkenden die Rollen ein. Die Proben dauerten ein dreiviertel Jahr.

Mit roten Wangen starrte Daphne Georg an. Als er ihr das Zeichen gab, stapfte sie auf die Bühne.
Den Dalai Lama an die Brust gepresst, sang sie: „Zu Hilfe! Zu Hilfe! Sonst verloren, listige Schlange Opfer koren. Barmherzige Götter! Schon nahet sich; Ach rettet mich! Ach schützet mich!“

Die Presse lobte die Arbeit als beachtlich. Während eines Fernsehinterviews hielt Daphne das Foto in die Kamera und ihr Lachen war wie das des Dalai Lama. „M... Mein Verlobter. W... Wie gefällt dir m... mein Lippenstift?“, fragte sie und zeigte auf das Rosa. Die Journalistin drehte sich hilfesuchend um.
„Sag doch, wie gefällt er dir?“ Als Daphne keine Antwort bekam, winkte sie in die Kamera und ging aus dem Studio.

Bei der letzten Aufführung saß Matthias in der ersten Reihe.
„In heiligen Hallen kennt die Rache nicht, und ein Mensch gefallen, führt Liebe ihn zur Pflicht“, sang Daphne.
In diesem Augenblick erhob sich Matthias. In einen bodenlangen hellen Samtmantel gehüllt, nickte sie ihm zu, während sie weiter sang: „In heiligen Mauern, wo Mensch Menschen liebt, kann kein Verräter lauern, man dem Feind vergibt ...“
Sie beendete Sarastros Arie am Bühnenrand. „Wen solche Lehren nicht erfreu'n, verdienet nicht Mensch sein.“

Daphne aß kein Fleisch mehr, Clara und Georg beobachteten sie. Jedem blickte sie aufmerksam in die Augen. Sie machte keinen Unterschied, ob es ein Mensch war oder ein Tier.
„Als würde sie einem ins Herz hineinschauen“, sagten sie, ohne es besser beschreiben zu können.
Sie war Ende zwanzig, ihre Regel blieb aus. Noch immer sang sie Arien zur Unterhaltung in der Werkstätte, dazwischen ging sie hinaus in den Hof und setzte sich auf den Rasenfleck, legte das Foto neben sich ins Gras.
Wenn Georg zu ihnen nach Hause kam, nahm Daphne das ohne Einwand zur Kenntnis. Einmal beim Frühstück sagte sie: „Du kannst bleiben. Bist nett.“ Sie ging auf den Balkon hinaus und schaute in den Himmel.
Als Georg das nächste Mal kam, zog er ein Päckchen aus der Tasche des Sakkos. „Für dich, Daphne.“
Sie lachte ihn an, packte die Sonnenbrille aus und setzte sie auf. Sie legte sich der Länge nach auf den Boden des Balkons, verschränkte die Arme und starrte stundenlang in die Wolken.
Georg fragte Clara, ob sie seine Frau werden möchte.
„Ja“, sagte sie.
Georg war zehn Jahre jünger als sie, die auf die siebzig zuging. Er versprach ihr, sich eines Tages um Daphne zu kümmern.

Nach Claras Tod sorgte Georg dafür, dass Daphne eine Gewöhnungszeit blieb, sich auf ein Leben im Heim einzustellen. Als er selbst pflegebedürftig wurde, brachte er sie dorthin. Belegschaft und Bewohner versammelten sich zu ihrem Empfang im Gemeinschaftsraum. Sie hatten Papiergirlanden aufgehängt und es gab Schokoladekuchen.

Hoch in den Siebzigern legte sie sich ins Bett und stand nicht mehr auf. Einmal noch bekam sie einen Wutanfall. Die Krankenschwester hatte versehentlich das Bild ihres Verlobten vom Nachtkästchen gestoßen.
Eine anhaltende Lungenentzündung schwächte Daphne. Trotz Dekubitus begrüßte sie lächelnd jeden, der an ihr Bett trat, deutete mit zitternder Hand, dann nur mehr mit den Augen auf den Dalai Lama.

Die Werkstätte und das Heim sammelten für einen besonderen Grabstein, in dem ein Porträt von Dalai Lama eingelassen war. Darunter die Worte: „Wenn Leute lachen, sind sie fähig zu denken ...“

©ELsa Rieger
Schreiben ist atmen

aram
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Beitragvon aram » 08.03.2008, 22:18

ich weiß nicht genau, warum das so ist, aber nachdem ich "energisch" wie in "schwenkte energisch ihre rote plastikhandtasche" gelesen hatte, hörte ich mangels lust auf, weiterzulesen.
das ist sicherlich keine rezension und schon gar keine angemessene, es ist nur ein hinweis auf ein kleines detail, da es aber auswirkungen haben kann, wollte ich es nicht unerwähnt lassen.

trotzdem nochmals der ausdrückliche hinweis, dass sich diese bemerkung in keiner weise auf den weiteren text bezieht.

Mucki
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Beitragvon Mucki » 08.03.2008, 22:40

Liebe Elsie,

ich habe deinen Text noch nicht gelesen, mangels Zeit, mir aber ein Lesezeichen gesetzt und komme darauf zurück.

OT an aram:
Jetzt mach ich mal einen auf Korinthenkacker:
Kann es sein, dass du verdammt schlechte Laune hast, oder was soll das? Du hast also nur den ersten Satz gelesen (da steht nämlich das mit der Plastikhandtasche) und schreibst dann so einen Kommentar? Und dann schreibst du, dass dieser Hinweis sich in keiner Weise auf den weiteren Text bezieht? Wie kannst du das beurteilen, wenn du doch nur die erste Zeile gelesen hast?
Da kann ich nur den Kopf schütteln,-((((
Mucki

aram
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Beitragvon aram » 08.03.2008, 22:47

liebe mucki,
es mag sein, dass ich mich nicht allerbester laune erfreue, das ändert aber nichts an der aufrichtigkeit meiner rückmeldung, dass die lektüre dieses textes an dieser stelle erst mal zu ende war - und das wäre, wie ich mein leselustverhalten kenne, auch bei besserer laune meinerseits so gewesen.
wahrscheinlich wäre ich dann eher stumm geblieben; aber wir sind hier im publicus, warum nicht die wahrheit sagen?
dann schreibst du, dass dieser Hinweis sich in keiner Weise auf den weiteren Text bezieht? Wie kannst du das beurteilen, wenn du doch nur die erste Zeile gelesen hast?

na gerade deswegen.

ps. weiter 'drinnen' im text hätte so eine kleinigkeit für sich genommen bestimmt nicht die macht, die weitere lektüre so zu beeinflussen. aber der einstieg/ eröffnungssatz ist halt sehr sensibel in dieser hinsicht, gebe ich mich als leser einfach nur dem text hin, ohne festgefasste intention, 'warum' ich das tut, reagiere ich am anfang ungebunden und lustbetont.

dass dem erste satz besonders wichtigkeit zukommt, wird aber glaube ich allgemein so gesehen - ich kann also davon ausgehen, dass der autor die formulierung ganz bewusst gewählt hat. damit kann ich erkennen, das ein stil bevorzugt wird, der mir nicht gefällt. von daher ist die spontane entscheidung, nicht weiter zu lesen, auch verstandesmäßig zu bestätigen, oder?
Zuletzt geändert von aram am 08.03.2008, 23:02, insgesamt 1-mal geändert.

Mucki
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Beitragvon Mucki » 08.03.2008, 22:55

weißt du, aram, wenn ich sowas lese, dann vergeht mir auch die lust am publicus. aber vor allem die lust, selbst einen text in den publicus zu setzen, wenn ich mit solchen kommentaren von dir rechnen muss.
jetzt hab ich schlechte laune.

Trixie

Beitragvon Trixie » 08.03.2008, 23:03

die wahrheit wird hier erwünscht?
ich glaube, das ist mein erster kommentar hier im publicus. weil ich keine literarisch kritischen rezensionen schreiben kann. habe keine ahnung, wie das geht.

aber wenn kommentare wie der von aram hier eine berechtigung haben sollen, dann möchte ich auch die wahrheit sagen: gerade arams kommentar hat mich dazu bewogen, die geschichte zu lesen. zumindest war das anfangs so. dann vergaß ich, dass ich die geschichte lesen wollte und las sie. dann versank ich in ihr und sie nahm mich mit in ihre welt. am ende wachte ich wieder auf und hatte eine träne im rechten auge und ein friedliches lächeln auf den lippen.

ich habe keine ahnung, was in down-syndrom-menschen vorgeht. aber ich habe sie als sehr liebenswert und empfindsam kennengelernt, was den umgang mit sich selbst und anderen angeht. deine geschichte, elsa, überzeugt mich. sie wirkt auf mich authentisch, nicht dramatisch, dennoch interesse-weckend und am ball-bleiben-wollend. nicht gekünstelt und konstruiert, sondern fließend, dynamisch und doch nicht unstet oder sprunghaft. die perspektive, die ich nicht bennenen kann, weil ich die fachbegriffe nicht kenne, finde ich gut gewählt, denn sie vermittelt mir ein realistisches bild von dem, was da passiert. die ausführlichkeit der "ersten jahre" erscheint mir gut gewählt und dass es zum ende hin weniger details sind, nur noch auf das wichtigste beschränkt, lässt mich einerseits darüber spekulieren, was wohl noch passiert sein könnte in daphnes leben, andererseits auch drängen, fordern "wieso erzählst du nicht, was noch passiert ist!" und das liebe ich an büchern. mehr mehr mehr - wie schon vorbei? dieses gefühl der sättigenden leere am ende. dieses so viel aufgesogen haben, das im übergeordneten zusammenhang gar nicht ins gewicht fällt, aber dennoch bereichert, das ist genau das, was ich beim lesen einer solchen (im sinne von längeren) geschichte erwarte oder mir wünsche. je nachdem, wie vielversprechend schon die inhaltsangabe zum beispiel war.

kurz und gut: die wahrheit ist, die geschichte hat mich vom ihrer idee, ihrer umsetzung und ihrer übergeordneten zielsetzung überzeugt.

lieben gruß
trixie

aram
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Beitragvon aram » 08.03.2008, 23:08

mucki, ich habe noch ein p.s. zu meinem obigen komm ergänzt, das meine entscheidung erläutert.

warum lässt du dir die laune an anderen kommentaren verderben?

du hast völlig recht, wenn ich sanfter aufgelegt bin, halte ich solche kommentare zurück. wenn nicht, dann nicht - ist eben mal so, mal so.

ich denke, alle publizierenden autoren wissen ein lied davon zu singen, dass kritiker und kommentatoren nicht immer wohlwollend schreiben. damit sollte man glaube ich leben können, wenn man publiziert. und deshalb steht mein kommentar auch im publicus und nicht irgendwo anders.

Mucki
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Beitragvon Mucki » 08.03.2008, 23:14

und deshalb steht mein kommentar auch im publicus und nicht irgendwo anders.

weil sich der Autor nicht wehren, auf deinen launischen Kommentar nicht eingehen kann, na klasse ...

Gast

Beitragvon Gast » 08.03.2008, 23:23

Ich frage mich, was hier wirklich los ist.

Lieber aram,

muss man die Wahrheit auch ungefragt sagen? Hätte irgend jemand bemerkt, dass du den ersten Satz gelesen hast und dann nicht weiter kamst, weil der Text deinen Geschmack nicht getroffen hat?
Was soll, das? Brauchst du Aufmerksamkeit?

Es spricht leider nicht für dich, dass du dich derart aus dem Fenster lehnst. Wie kann man nur derart daneben langen.
Gute Besserung!

Liebe Grüße
Gerda

ich denke, alle publizierenden autoren wissen ein lied davon zu singen, dass rezensenten und kommentatoren nicht immer wohlwollend schreiben. damit sollte man glaube ich leben können, wenn man publiziert. und deshalb steht mein kommentar auch im publicus und nicht irgendwo anders.



... mit dem Unterschied, dass sich jene Reszensenten sicher die Mühe machen, den gesamten Text zu lesen.

aram
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Beitragvon aram » 08.03.2008, 23:28

weil sich der Autor nicht wehren, auf deinen launischen Kommentar nicht eingehen kann, na klasse ...

nein mucki, weil der publicus als abbild einer veröffentlichungssituation gedacht ist.

da kann eben jedes wort (eines anfangssatzes) auf die goldwaage kommen, es wird davon ausgegangen, dass der autor den text publikationsfertig hat.

eine befreundete autorin meinte letztens zu mir, wenn sie das feedback, dass ich ihr zu den ersten 2 absätzen ihres (vor einigen jahren veröffentlichten) romans gegeben hatte, vor drucklegung gehabt hätte, hätte sie manches daran geändert - jetzt wird es wohl keine neue auflage mehr geben.
aber ich will mich nicht 'schönreden', ja, ich bin nicht besonders freudig drauf, aber ich bin zuversichtlich, dass ungeschminktheit auch in so einer lage etwas gutes bewirken kann.

aram
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Beitragvon aram » 08.03.2008, 23:39

Lieber aram,

muss man die Wahrheit auch ungefragt sagen? Hätte irgend jemand bemerkt, dass du den ersten Satz gelesen hast und dann nicht weiter kamst, weil der Text deinen Geschmack nicht getroffen hat?
Was soll, das? Brauchst du Aufmerksamkeit?

Es spricht leider nicht für dich, dass du dich derart aus dem Fenster lehnst. Wie kann man nur derart daneben langen.
Gute Besserung!

liebe gerda, ich finde, du verfehlst das thema - muss man denn erst gefragt werden, um einen kommentar zu einem text abzugeben?
... mit dem Unterschied, dass sich jene Reszensenten sicher die Mühe machen, den gesamten Text zu lesen.

lies doch meinen erstkommentar bitte nochmal in aller ruhe durch. dann wirst du entdecken, dass ich aufgrund der von der norm abweichenden situation unmissverständlich darauf hingewiesen habe, dass sich meine anmerkung nur auf den ersten satz bezieht und es sich bei meinem kommentar damit nicht um eine insgesamt angemessene rezension handelt.

wenn das (dein nochmaliges durchlesen) dann noch nicht reicht, weiß ich nicht, was ich schreiben müsste, um von dir verstanden zu werden.
Zuletzt geändert von aram am 08.03.2008, 23:42, insgesamt 1-mal geändert.

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leonie
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Beitragvon leonie » 08.03.2008, 23:40

Ehrlich gesagt, ich kann arams Äußerung verstehen und ich finde sie völlig okay. Das ist auch ein Feedback, dass jemand nach dem ersten Satz nicht weitergelesen hat. Vielleicht für Elsa ein sogar ein Wichtiges.

Ich habe den Text ganz gelesen, und ich muss sagen, ich habe damit meine Schwierigkeiten. Mit solchen Formulierungen wie von aram angesprochen tue ich mich auch schwer.
Ich meine, diese Formulierung steht tatsächlich für etwas, was in dem Text problematisch ist:
Er überrascht nicht wirklich. So rutschen für mich manche der Begebenheiten, die erzählt werden, fast ins Klischee. Das Gehänselt-Werden, der Missbrauch....hatte ich schon erwartet. Und leider wurde diese Erwartung nicht enttäuscht.
Anderes wirkt auf mich unglaubwürdig (und darin zu dick aufgetragen): Dass ein mongoloider Mensch (ich habe gerade heute mit einem Kontakt gehabt) fehlerfrei Arien singen kann, dass eine Werkstätte ihn dazu "einsetzt", die anderen zu unterhalten und auch, dass er 70 Jahre und älter wird (meines Wissens ist die Lebenserwartung deutlich geringer).

Vieles ist in Elsa-Manier gekonnt erzählt, das will ich nicht bestreiten. Trotzdem: Dieser Text ist für mich inhaltlich nicht überzeugend.

Liebe Grüße

leonie
Zuletzt geändert von leonie am 08.03.2008, 23:47, insgesamt 1-mal geändert.

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Sethe
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Beitragvon Sethe » 08.03.2008, 23:42

Zu viel das Guten

In dieser Geschichte wimmelt es nur so von Klischees.
Es fäng schon mit der Zeugung an. Eine spätgebärende Mutter, logisch, daß das Kind das Down-Syndrom hat.
Der vorherrschender Charakterzug eines Menschen mit Down-Syndrom scheinen Sturheit und Wutanfälle zu sein. Glaubt man der Geschichte. Dem ist aber nicht so.
Auch bzgl. der Sexualität wird zu dick aufgetragen. Dies auch noch in doppelter Hinsicht. Zum einen das sexuelle Verhalten der Hauptperson, und zum anderen auch der sexuelle Mißbrauch einer Frau mit einer geistigen Behinderung durch den "Stiefvater". Entschieden zu viel des Guten.
Natürlich stellen die Menschen in der Werkstatt Lampenschirme und auch noch aus Bast her.
Die Krönung ist, daß die Hauptdarstellerin dieser Geschichte natürlich eine besondere Begabung haben muß.
Wieso eigentlich muß sie (Daphne) jetzt auch eine besondere Begabung haben? Um die anderen nicht vorhandenen Fähigkeiten auszugleich, um zu sagen, hier schaut her, auch Menschen mit einer geistigen Behinderung haben Fähigkeiten. Natürlich haben sie die. Aber muß es gleich wieder so etwas besonders sein? Hätte es nicht ausgereicht, wenn Daphne einfach wie jeder andere auch, ihr Leben gemeistert hätte?

Die Hauptperson - Daphne- kommt unsympahtisch rüber.
Ich kann mir nicht denken, daß dies gewollt ist.
Es hängt aber meiner Meinung nach damit zusammen, daß wohl sämtliche Vorurteile, Klischees die es so über Menschen mit dem Down-Syndrom gibt, verwendet worden sind.

Diese Geschichte vermittelt kein Verständnis.
Eher erzeugt sie Mitleid mit Daphne und mit ihrer Mutter.
Mitleid ist aber nun nicht das, was gebraucht wird.

Sicher, in dieser Geschichte werden auch Lebenssituationen angesprochen, die typisch sind. Aber eben nur versteckt. Vorallem das zu sehr beschützen der Mutter, das Einigeln, das Klammern (sie nimmt eine ehrenamtliche Tätigkeit in der Werkstatt an, um näher bei ihrer Tochter zu sein zum Beispiel, oder das erst ausziehen lassen der Tochter, als die Mutter und George gestorben sind, viel zu spät also).
Sicher, es ist nicht einfach, ein Kind mit einer geistigen Behinderung großzuziehen, es gibt genug Probleme, mit der Ehe, mit dem Umfeld, mit dem Kind.
Aber muß man es so darstellen, wie es hier getan wurde?
So unsympathisch, so abschreckend?

Einige "technische" Punkte der Geschichte veranlassen mich zu der Annahme, daß diese Geschichte nicht in im Jahr 2008 spielt, bzw. zumindest nicht in den letzten 20 Jahren begonnen hat.
Ansonsten kann ich mir nicht erklären, wieso Daphne schon mit 14 die Schule verließ und in die Werkstatt kommt, wieso die Mutter sie zur Schule und zur Arbeit fährt, wieso der Werkstattleiter die Drohung ausspricht, wenn sie nicht die geforderte Leistung bringt, fliegt Daphne aus der Werkstatt.
Das ist in Deutschland mindestens seit 20 Jahren nicht mehr so, die "Kinder" gehen zum Teil bis 19/20 Jahren in die Schule, gehen dann in die Werkstatt, in der sie -wenn nicht gerade ein schwerste körperliche Behinderung vorliegt (Pflegefall) - auch nicht rausgeschmissen werden.

Der Titel der Geschichte paßt nicht so recht.
Ich habe gedacht, er bezieht sich auf Daphne.
Aber wo wird in der Geschichte Daphne "schön" (ich meine jetzt nicht schön in Sinne von schönes Gesicht etc. sondern mehr schön bezogen auf die Persönlichkeit) dargestellt?
Garnicht für meine Begriffe.

Kurz und gut, ich bin der Meinung, daß diese Geschichte ein Bild von einem Menschen mit Down Syndrom zeichnet, daß andere Menschen davon abhalten könnte, diese Menschen näher kennenlernen zu wollen.
Wenn ich Menschen frage würde, bzw. schon gefragt habe, was ihnen zu Menschen mit geistiger Behinderung konkret Down-Syndrom einfällt, und warum sie eine Scheu oder sogar Angst haben, sich diesen zu nähern, würde ich das, was die Geschichte beschreibt zur Antwort erhalten bzw. habe ich schon zur Antwort erhalten.
Die Geschichte klärt daher nicht auf und räumt auch nicht Vorurteilen auf, sie bestärkt diese noch.

Das finde ich schade.

viele Grüße
Sethe
Was ich tu, das tu ich, was ich tat, das wollte ich tun.
(aus: "Ich schließe mich selbst ein" von Joyce Carol Oates)

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Beitragvon Sethe » 08.03.2008, 23:46

Leonie, Menschen mit Down Syndrom werden heutzutage auch 70 Jahre alt. Dies liegt an der besseren medizinischen Versorgung, so daß die mit dem Down-Syndrom einhergehenden körperlichen Erkrankungen behandelt und oftmals behoben werden können.
Wir haben jetzt in Deutschland die Situation, daß wir immer mehr Menschen mit einer geistigen Behinderung auch mit dem Down-Syndrom haben, die ins Rentenalter kommen.
Diese Situation ist für Deutschland was neues, da ja bekanntermaßen die meisten in die Jahren 1933-1945 umgebracht wurden.
Jetzt haben wir sozusagen die ersten Rentnergenaration von Menschen mit einer geistigen Behinderung.
Was ich tu, das tu ich, was ich tat, das wollte ich tun.

(aus: "Ich schließe mich selbst ein" von Joyce Carol Oates)


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