Nachtschatten

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Schwanenschrei

Beitragvon Schwanenschrei » 15.05.2006, 00:23

Nachtschatten

ich kam im hinterhaus
nicht weiter denn wie ein
schatten wuchsen dort die

ranken um die schlösser
(ich habe wohl zu viele sterbens
wörter in deinen grund gedrückt

eins nach dem anderen). auf ein
mal warst du da und umklammerst
den stift und als du kamst sind wir

fast gestorben vor lauter leben
und wir spürten noch lange wie die kunst
dünger sich durch unsere häute bissen.

Wannendicht

Beitragvon Wannendicht » 15.05.2006, 01:11

purer sex

im hinterhaus? wo die rosenranken stehen?
sehr dornig

stift als phallisches symbol ist nett gesagt

dünger: inspiration...
kunst: was man daraus macht

sehr kryptisch aber wenn mans einmal hat... ich hätt es gern :-$

§bump§

umrankte schlösser...vielseitig interpretierbar, ich nehms mal bildlich

sterbenswörter erinnert mich an gesagte begriffe und/oder luftabdrücken...


mag auf traumebenen mit einem abbild passiert sein (phantasie)
oder jemand, der sowas mag...

solange niemand muß...
wie auch immer

wanne

Louisa

Beitragvon Louisa » 15.05.2006, 07:41

Hallo Schwanenschrei!
Spätestens bei Kunstdünger ging bei mir die Erotik verloren. Eigentlich schon bei "Stift"... (einfach ein etwas alberner Vergleich)-

Aber:

schatten wuchsen dort die
ranken um die schlösser


und besonders:

sind wir
fast gestorben vor lauter leben


Auch der Aufbau ist interessant, aber ansonsten ist es mir zu bäuerlich...Kunstdünger- Das sind ja wieder Fantasien hier.

Morgengrüße, louisa

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 15.05.2006, 11:21

Hallo,
ich denke nicht, dass die Kunstdünger so leicht aus dem Text zu nehmen sind. Denn man sollte sich in diesem Zusammenhang die Frage stellen, was denn die Kunstdünger sind? Es ist- wie die anderen Worte, in die es sich einordnet - (wuchsen, ranken etc.) im übertragenden Sinne zu lesen, zumindest in meinen Augen.

Sprachlich mutet das Wort vielleicht zunächst etwas seltsam an, vielleicht kann man es durch ein besseres synonym ersetzen, aber inhaltich finde ich es spannend...denn was ist der Kunstdünger der (sinnlichen) Liebe?

Sind körperliche gemeint wie Enzyme, Hormone? Oder geht es um kulturelle Ideen wie absolute Liebe, stilisierte Lust, die durch ihren Traum-Wunsch-Charakter zu solchen Taten anfeuern?

Der Stift bleibt auch mir ein Rätsel, gibt es im Zusammenhang mit Pflanzen vielleicht noch eine Bedeutung? Das damit das männliche primäre Geschlechtsorgan gemeint ist, glaube ich nicht, denn ER umklammert es ja...

Auch der Hinterhof im Kontrast zu den Schlössern ist spannend...

Ich finde das Gedicht (auch seinen Aufbau) durchaus gelungen...und bin gespannt, was díe Autorin dazu schreibt :grin:

Lisa

Gast

Beitragvon Gast » 15.05.2006, 12:08

Ja, in der Tat, da kann ich Lisa beipflichten, sehr apart!
Schließlich enthaält das wort "Kunstdünger" ja auch das Wort "Kunst" und das hat ja nun viele Bedeutungen...
Mir gefällt dein Gedicht Schwanenschrei, ich wundere mich nur, dass lisa von einer AutorIN spricht, ich habe auf Autor getippt, aber man kann sich ja auch täuschen ;-)

Liebe Grüße
Gerda

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Beitragvon Lisa » 15.05.2006, 13:20

Hallo Gerda,
ähäm, du hast völlig recht...es ist überhaupt nicht erkenntlich, dass es sich um eine AutorIN handelt. Seltsam, wie unterschwillig das alles in mir keimt :cool:

Das Rätsel wird gelüftet werden! :-$

Max

Beitragvon Max » 15.05.2006, 13:22

Naja, mein Ding ist der Kunstdünger nicht, aber wer das Wortspiel mag ;-) ...

Eine profqane Frage. Stimmt die Zeit bei "umklammerst"?

Liebe Grüße
Max

carl
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Beitragvon carl » 15.05.2006, 16:07

Hallo Ladies,

wie wär's mit einer homoerotischen Beziehung?


Mein lieber Schwan(enschrei)!

Wie wär's wegen der Metrik mit
"(ich habe wohl zu viele sterbens
wörter in den grund gedrückt

eins nach dem anderen)"?
und
" auf ein
mal warst du da umklammertest
den schlüssel und als du kamst sind wir"

nur so als Anregung: Schlüssel wäre durch die "Schlösser" eine bereits angelegte Metapher, die auch die Lösung des "nicht weiterkommens" einleitet.

Grüße, Carl

Max

Beitragvon Max » 15.05.2006, 16:51

Lieber Carl,

den Ansatz einer homoerotischen Beziehung hatte ich außer Acht gelassen, guter Tipp.

Deine sprachlichen Hinweise kann ich nur unterstützen.

Liebe Grüße
Lady
Max

Schwanenschrei

Beitragvon Schwanenschrei » 15.05.2006, 23:41

Hallo zusammen,
zuerst mal vielen vielen Dank für das massige Feedback!
Da sich die meisten eh schon Gedanken gemacht haben, halte ich es nicht für verkehrt kurz zu schildern was ich beim Schreiben für Bilder vor Augen hatte. Grundsätzlich gilt natürlich, dass sich unterschiedliche Ansätze nicht ausschließen und die gleiche Existenzberechtigung haben. In Sachen Auslegung gibt es m.E. kein richtig und kein falsch.

Im Allgemeinen wollte ich folgende drei Motive miteinander verknüpfen:
-> SCHREIBEN (Schreibblokade, lyrische Verworrenheit)
-> PFLANZEN (bzw. deren Zyklus von werden und v.a. vergehen)
-> SEX (bedarf keiner Erklärung O:) )

Zuerstmal zum kunst/dünger, der ist nämlich mein Baby ;)
Prinzipiell passt er m.E. gut ins Schema PFLANZEN. Es wird ja, wie auch im Titel und S1 das Augenmerk nicht auf bunte Gänseblümchen, sondern eher düstere Vegetation gelegt. Der Kunstdünger, der bei mir persönlich eher negativ konnotiert ist (Chemikalie, ätzend, Umweltschutz etc.) aktiviert die Ranken, die den Weg versperren. Mindestens genauso wichtig ist er quasi als Resultat der Körperlichen Vereinigung, die "Muse" kehrt wieder zurück in den Schreiber, nachdem er vor "verschlossenen Türe" stand. Witzig dass es bei dir, Louisa, eher das Gegentleil auslöst :) aber ich stimme Lisa zu, dass man sie nicht so einfach aus dem Kontext reißen darf. Dazu muss ich sagen, dass ich einfach auch eine "seltsame" Komponente wollte. Ein Gedicht nur im gleichen "Liebesstil" zu schrieben kann manchmal einseitig und daher langweilig sein.

Ranken um die Schlösser habe ich in erster Linie geschrieben um das "nicht weiterkommen" zu versinnbildlichen. Dörnröschen lässt natürlich grüßen (wieder: Pflanzen im "düsteren" kontext.)

Stift als phallisches Symbol ist natürlich gewollt und zugegeben etwas direkt (um nicht zu sagen: plump). Weiter erklärt er das Motiv SCHREIBEN. Jemand kommt und hilft, indem er den "Stift" in die Hand nimmt. Blütenpflanzen haben meines Wissens auch "Stifte". (oder waren das Stempel?)

Dass die Zeit bei umklammerst stimmt, lieber Max, hoffe ich einfach mal. Ich hätte hier unzälige Versionen, und so hörte es sich am richtigsten an. Aber ich lasse mich auch eines Besseren belehren :)

Homoerotische Ansätze sind natürlich interessant, aber ich denke dass sich die sexuelle Orientierung der Liebenden nicht weiter relevant ist. Oder habe ich klare Hinweise etwa selbst übersehen? (Soll vorkommen ;) )

Das Gedicht ist in einer freien Form geschrieben und erhabt keinen Anspruch auf metrische Genauigkeit. Aber deine Idee mit dem Schlüssel, Carl, finde ich fabelhaft. Da mache ich mir nochmal drüber Gedanken.

Nocheinmal vielen Dank für euere Mühen und eure tollen und zahlreichen Ansätze!

PS: Ich bin ein Kerl :cool:


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