Meinen Vätern

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Klara
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Beitragvon Klara » 12.02.2008, 14:49

Meinen Vätern

Ich sammle mir
kleine Väter
in jede Hand
streue damit
meine Welt

Am Anfang
war einer der ging
jetzt hab ich für jede
Sekunde genug und für
jede Wichtigkeit einen

ich stehe auf eigenen Füßen
auf all meine Väter und jedem
geb ich ein Geschenk
geb ich mein Gesicht
meine Lieder zum Glück

aram
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Beitragvon aram » 12.02.2008, 15:19

liebe klara,

berührt mich.


von der setzung für meinen geschmack manchmal etwas abgehackt durch umbrüche.
"zum glück" könnte vielleicht entfallen. (oder auch nicht.) groß/kleinschreibung am strophenbeginn ist uneinheitlich.

anregung:


Meinen Vätern

Ich sammle mir kleine
Väter
in jede Hand
streue damit meine Welt

Am Anfang war einer der
ging
jetzt hab ich für jede Sekunde genug
für jede Wichtigkeit einen

Stehe auf eigenen Füßen
und auf all meine Väter
geb jedem
ein Geschenk

Mein Gesicht
meine Lieder zum Glück

Klara
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Beitragvon Klara » 12.02.2008, 15:44

Hallo aram,

danke fürs - rasante! - lesen und anregen.
deine anregung funktioniert für mich aus rhythmischen gründen nicht: ich brauche gerade dieses abgehackte. das "zum glück" brauch ich auch rhythmisch, als schlusspunkt aber nicht nur, es ist auch das doppeldeutige darin, das ich brauche (das kleine 'oh, zum glück, gerade noch geschafft!' und das große weg-gehen zum glück)

grüße
Klara

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ferdi
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Beitragvon ferdi » 13.02.2008, 09:51

Hallo Klara!

Ich schließe mich einfach Aram in allen Punkten an :-) Berührend ist es und auch ein wenig abgehackt, dein Werk. Speziell die Stelle ich stehe auf eigenen Füßen / auf all meine Väter und jedem hat mich ziemlich rausgeworfen, weil "auf jemanden stehen" für mich eher ein "gedichtferner" Ausdruck ist und seine "stilmittelnde Verknüpfung" mit den "Füßen" mich erst mal überfordert hat... "Aber dafür kann ich doch nichts", höre ich dich schon antworten - und du hast damit ja wahrscheinlich auch recht ;-) Ich schweige daher also.

Ferdigruß!
Schäumend enthüpfte die Woge den schöngeglätteten Tannen. (Homer/Voß)

Klara
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Beitragvon Klara » 13.02.2008, 17:34

Aber dafür kann ich doch nichts", höre ich dich schon antworten - und du hast damit ja wahrscheinlich auch recht


Hey ferdi, sowas würde ich doch nie sagen ;-) Wer sollte denn sonst etwas dafür können!

Danke fürs Lesen und Kommentieren. Ich weiß noch nicht, ob diese Stelle so umgangssprachlich bleiben soll.

Viele Grüße
Klara

Niko

Beitragvon Niko » 13.02.2008, 18:23

ich stehe auf all meine väter..........da lese ich automatisch auch "ich stehe auf all meinen vätern. wie eine bodenplatte, die trägt.
ja, klara. das ist wirklich berührend. und zum einschleimen sag ich jetzt mal: ich find das garnicht so abgehackt...
und - ich bin heut noch nicht auf schleimspuren ausgerutscht - ich setz noch einen drauf: du hast eine ganz feine art, dinge auszudrücken. und - das wichtigste - eine dir eigene art. und wenns dann noch so ist, wie hier, das es einen berührt....fein!
gern gelesen (wie alles von dir)

Niko, grad ausgerutscht :pfeifen:

Klara
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Beitragvon Klara » 13.02.2008, 20:12

Hallo Niko,

(interessant, dass sich zumindest bis jetzt nur Männer zu dem kleinen männerverliebten Text da oben äußern ,-))

ich kann ja nun mit einigem umgehen (mag eine Fehleischätzung sein, aber bis jetzt lebe ich noch?), doch mit vorbehaltloser Zustimmung nur sehr schwer. Diese Schwäche ist möglicherweise eine der Ursachen dafür, dass mein lyrisches Ich all diese Väter so dringend braucht ,-)

Merci.

Klara

Niko

Beitragvon Niko » 13.02.2008, 20:47

bis jetzt lebe ich noch?), doch mit vorbehaltloser Zustimmung nur sehr schwer.

ich schrieb doch:
ich find das garnicht so abgehackt...

man beachte das unscheinbare wort "so". ;-)
lieben gruß: Niko

ne, mal im ernst, klara: gefällt mir wirklich unvorbehaltlos gut! nimms einfach mal hin und bestenfalls an. kann man lernen. ich kenne dieses " lob nicht annehmen können". auch wenn das oft genug nicht so aussieht. das kann ich mitlerweile. annehmen von kritik ist noch im lernprozess befindlich :-)
aber: wir sind alle rampensäue (auch du!) und können das schon ab, das loben :pfeifen:

Trixie

Beitragvon Trixie » 13.02.2008, 22:17

hallo klara!

ich las zuerst ganz ohne nachzudenken und völlig selbstverständlich und hätte schwören können, dass das auch wirklich so da stand, bis ich arams kommentar gelesen habe:

"meine lieder zurück"...

das fände ich auch schön. denn das Glück ist doch schon etwas abgedroschen. Aber in der von dir beabsichtigten Doppeldeutigkeit nicht schlecht. Den Füße-Vers mit dem "auf die Väter stehen" fand ich beeindruckend gut.
Ja, hat auch mich - als weibliches Wesen - berührt, obwohl ich nicht wirklich viele Väter habe. Nur einen, und der ist sehr sehr lange schon sehr sehr weit weg. Daher aber umso mehr interessant, das Gedicht.

Grüße
Trixie

Klara
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Beitragvon Klara » 14.02.2008, 15:37

Hallo Trixie,

dank dir fürs Kommentieren .-)

"meine Lieder zurück" geht für mich nicht.
denn das Glück ist doch schon etwas abgedroschen.


ohweih, nein! lass das Glück niemals abgedroschen sein! Weder als Glück, noch das hübsche, hübsche ü-Wort (ich mag die ü-Wörter, hübsch, Glück, süß, Füße, Süßer, kühl, wühlen, fühlen, spülen - hach, die ü-Wörter ;-))
Nein, im Ernst: ich glaub, ich weiß, was du meinst. Bin mir mit dem Glück noch unsicher. Vielleicht fällt mir noch was anderes ein, oder ich traue mich doch noch, es offen zu lassen und mit "Lieder" aufzuhören.

Entfernte Väter sind ein Lebensthema, gerade für Mädchen/Frauen. Ich kenne Frauen, die hatten (haben teilweise noch) NICHT entfernte Väter, und diese Frauen haben ein Selbstbewusstsein, das ich nie haben werde, eine selbstverständliche Selbstliebe, die ich mir mühsam erarbeiten musste; durch die lange liebende Anwesenheit eines Vaters verfügen sie über eine lebenslange Abwesenheit von grundsätzlichen, quälenden Selbstzweifeln, um die ich sie beneide (um diese Abwesenheit). Dieser Drang, sich ständig quasi für die eigene Anwesenheit entschuldigen zu müssen, sich sogar noch für das entschuldigen zu müssen, was man gut macht, worauf man stolz sein könnte, wäre einst jemand stolz drauf gewesen - so etwas Dummes kennen Frauen mit vollen Vätern nicht. Aber vorbei, vorbei! Weißt du, ich glaub, man sollte sich vielleicht wirklich Väter sammeln, um (trotzdem) glücklich zu sein, egal, ob man nun mit ihnen kuscheln mag oder nicht. Das Schöne bei gesammelten Vätern ist ja, dass Inzest oder Alter keine Rolle spielen ;-)

Lieber Gruß
Klara

Mucki
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Beitragvon Mucki » 14.02.2008, 15:58

Hi Klara,

ein wunderbar melancholisch-positives Gedicht. Und vor dem Hintergrund dessen, was du an Trixie schreibst, gerade für mich sehr interessant, da ich mich selbst hinterfrage.
Ich würde übrigens als Ende "meine Lieder" sehr viel stärker empfinden, weil so ausdrucksstärker herauskommt, was für ein Geschenk es ist, nämlich ein sehr großes.

Weißt, bei mir ist es genau andersherum. Weil der Vater nicht da war (und auch nicht mehr ist), suche ich mir paradoxerweise keine Väter, sondern versuche, alle Menschen "abzuwehren", die väterliche Züge haben könnten. Dein Gedicht hat mich zum Nachdenken angeregt. Danke dafür ,-)
Saludos
Mucki

Nicole

Beitragvon Nicole » 14.02.2008, 17:23

Hi Klara,
ich mag das Gedicht sehr. Der Gedankengang "ich sammele mir kleine Väter" berührt....

Mehr oder weniger OT muß ich hier aber widersprechen:
NICHT entfernte Väter, und diese Frauen haben ein Selbstbewusstsein, das ich nie haben werde, eine selbstverständliche Selbstliebe, die ich mir mühsam erarbeiten musste; durch die lange liebende Anwesenheit eines Vaters verfügen sie über eine lebenslange Abwesenheit von grundsätzlichen, quälenden Selbstzweifeln, um die ich sie beneide (um diese Abwesenheit). Dieser Drang, sich ständig quasi für die eigene Anwesenheit entschuldigen zu müssen, sich sogar noch für das entschuldigen zu müssen, was man gut macht, worauf man stolz sein könnte, wäre einst jemand stolz drauf gewesen - so etwas Dummes kennen Frauen mit vollen Vätern nicht.


Ich hatte und habe einen "nicht entfernten Vater",den allerbesten dieser Erde! Ich war immer sein "Mäuschen", also vielgeliebt, umsorgt und sicher auch im Unmaß "verhätschelt".
Daraus hat sich für mich jedoch keine selbstverständliche Selbstliebe entwickelt und auch keine Abwesenheit von Selbstzweifeln oder Rechtfertigungsbedürfnis....

Nicole

Klara
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Beitragvon Klara » 14.02.2008, 19:27

Ich hatte und habe einen "nicht entfernten Vater",den allerbesten dieser Erde! Ich war immer sein "Mäuschen", also vielgeliebt, umsorgt und sicher auch im Unmaß "verhätschelt".
Daraus hat sich für mich jedoch keine selbstverständliche Selbstliebe entwickelt und auch keine Abwesenheit von Selbstzweifeln oder Rechtfertigungsbedürfnis....

Nicole, du hast natürlich Recht. Ich habe wieder wild meine subjektiven Erfahrungen und Beobachtungen allgemeingültig wirken lassen - noch dazu so verkürzt ausgedrückt. Ich relativiere das hiermit, wenn du einverstanden bist, ja? Natürlich ist das alles komplexer als ich implizit behauptet habe. Söhne werden Väter, die abwesende Väter (und u. U. sogar auch abwesende, tote, kranke etc. Mütter) hatten etc. Es ist dies mit Fontane (oder vielmehr einer seiner Figuren in Effi Briest glaub ich?, deren Name mir gerade entfallen ist, ein Doktor Sowieso) "ein weites Feld", auf dem sich irgendwo auch mein UrsprungsVater versteckt, der mir eine Menge gegeben hat, die sich gar nicht berechnen lässt, schon gar nicht mit Küchenpsychologie à la Klara ,-)

Dank dir fürs Lesen.

Mucki, ich bin wie gesagt noch nicht sicher mit dem Schluss. Das mit dem Abwehren habe ich hoffentlich endlich hinter mir... Es können auch unväterliche Menschen zu gesammelten Vätern werden - es kommt nur drauf an, dass man sich etwas geben lässt, etwas schenken lassen kann. Und auch dies ist subjektiv und nicht verallgemeinerbar: meine individuelle Erfahrung, die mich froh macht, weil ich keinen Groll mehr hegen mag, weder gegen die Vergangenheit, noch gegen andere Leute, noch gegen mich selbst.

Lieber Gruß
Klara

Mucki
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Beitragvon Mucki » 14.02.2008, 19:57

Hi Klara,
meine individuelle Erfahrung, die mich froh macht, weil ich keinen Groll mehr hegen mag, weder gegen die Vergangenheit, noch gegen andere Leute, noch gegen mich selbst.

Da bist du bereits sehr weit gekommen. Ich habe da wohl noch einen langen Weg vor mir, da bei mir das Misstrauen einfach zu groß ist, dass diese "väterlichen" Typen eben etwas von meinem "Vater" haben könnten. Da klingeln innerlich die "Alarmglocken", ob ich will oder nicht. Ein schwieriges Thema ...
Saludos
Mucki


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