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Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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leonie
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Beitragvon leonie » 11.05.2006, 23:31

Als habe ich dich
von weit her
gekannt.

Doch warte, bitte
warte

einen blauen Augenblick

bis du mich
bei meinem Namen
nennst.
Zuletzt geändert von leonie am 13.05.2006, 07:17, insgesamt 1-mal geändert.

carl
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Beitragvon carl » 12.05.2006, 10:20

Hallo leonie,

dein Gedicht gefällt mir sehr!
Zwei Fagen dazu:

Als habe ich dich
von weit her
gesehen.

Wird im Auben"blick" beantwortet.
Nur: ist der blaue Agenblick
nicht viel? Jedenfalls kannst Du's offen lassen:

Warte

einen blauen Augenblick

bis du mich
bei meinem Namen

Liebe Grüße, Carl
nennst.

Herby

Beitragvon Herby » 12.05.2006, 11:47

Hi Leonie,

das ist einer jener Texte, die mich gleich beim ersten Lesen begeistert haben, und die Begeisterung hält an, je öfter ich deinen Text lese!

Gelungener Aufbau und vor allem eine wunderschöne Sprache!!

Sehr sehr gerne gelesen!

LG Herby

Louisa

Beitragvon Louisa » 12.05.2006, 19:25

Ja, ich kann mich nur anschließen. Sehr schön!

(Auch das macht mich wieder furchtbar traurig, also ist es ein gelungenes Gedicht!)

Fein, leonie!

LG, louisa

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leonie
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Beitragvon leonie » 12.05.2006, 21:52

Lieber....
carl,

danke für Deine Vorschläge, ich habe mir jezt eine zweite Version gemacht und überprüfe noch, welche ich besser finde. Das kann bei mir ein Weilchen dauern.

Lieber Herby, liebe Louisa,

danke für Eure Rückmeldungen, ich habe mich gefreut. Aber Louisa, warum macht Dich das traurig? Es geht doch um den Anfang...Das würde mich interessieren...

Liebe Grüße

leonie

Louisa

Beitragvon Louisa » 12.05.2006, 22:16

Manchmal gibt es nur einen einzigen großen Anfang, ohne Folge, ohne Ende. Immer nur der Anfang und mehr nicht.

Glücklicherweise hat jemand einmal das Wort "Neuanfang" erfunden, sonst würde die Seele wohl vollkommen verfaulen.

Gute Nacht! louisa

Paul Ost

Beitragvon Paul Ost » 12.05.2006, 22:27

Hallo Leonie,

ein schöner Gedanke. Aber hier muss ich doch nachfragen: Sollte es nicht heißen: Als hätte ich dich von weit her gekannt? Wenn der Konjunktiv I dem Perfekt entspricht, muss man dann nicht den Konjunktiv II wählen, um ein besseres Verständnis zu ermöglichen?

Oder entgeht mir da ein fundamentales Sprachspiel?

Grüße

Paul Ost

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leonie
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Beitragvon leonie » 13.05.2006, 07:17

Lieber Paul Ost,

da gibt es noch so ein Wort, müsste es nicht „bevor“ statt „bis“ heißen? Zuerst war es nur so ein Gefühl, dass es so richtig ist, wie es ist. Heute nacht ist mir eingefallen, warum (gähn...).

Wenn ich „hätte“ und „bevor“ verwendet hätte, würde das eine zeitliche Abfolge festlegen. Ich möchte dieses ganze Geschehen aber aus einer solchen herausnehmen und damit deutlich machen, dass es ein schöpferischer Akt ist. Der ist nicht an zeitliche Abfolgen gebunden.
Ich habe ja ein paar biblische Bezüge eingebaut: Am Anfang erschafft Gott die Welt durch das Wort. Ich finde, da ist was Wahres dran. Worte erschaffen Wirklichkeit (Sie können z.B. verletzen oder heilen, etc.). Wenn mich jemand (vor allem zum ersten Mal) bei meinem Namen nennt, auch, wenn ich etwas benenne oder für etwas Worte finde, hat das für mich etwas von so einem schöpferischen Anfang. Es war etwas da, jetzt tritt es ein in die Wirklichkeit. Ein kostbarer Moment.
Deshalb übrigens hasse ich überflüssige Worte, sie haben etwas Inflationäres und entwerten. Gedichte hüten die Worte. So wie die Liebe es auch sollte. Behutsam sein. Deshalb der dringliche Wunsch, einen blauen Augenblick zu warten....(...carl, ich glaube, der muss in dieser Dringlichkeit bleiben, das „nur“ nehme ich raus)

Ich hoffe, man versteht, was ich meine...

Liebe Grüße

leonie

Gast

Beitragvon Gast » 13.05.2006, 07:28

Liebe leonie, ich verstehe nur zu gut, was du ausdrücken willst und es ist dir wunderbar gelungen...
Erinnert mich ganz stark an "Oh Augenblick verweile , du bist so schön"... aus Goethes Faust und ist dennoch etwas völlig Eigenständiges.
Die sprache lässt Raum und schafft ein Ahnen...
Sehr schön! :smile:

L. G. G.

carl
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Beitragvon carl » 13.05.2006, 07:48

Hallo Leonie,

vielleicht geht auch "erkannt"?

Grüße Carl

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Beitragvon leonie » 13.05.2006, 15:38

Lieber carl,

kannst Du mir sagen, was genau Dich an „gekannt“ stört?

Ich hatte auch schon an „erkannt“ gedacht. Aber bei „erkannt“ oder „gesehen“ denke ich gleich daran, dass man jemanden auf der Straße von weitem gesehen oder erkannt hat. Ich meine aber etwas ganz anderes. Deshalb kann ich mich damit nicht so recht anfreunden.
Vielleicht fällt mir noch etwas anderes ein...

Danke für Dein Mitdenken

leonie

carl
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Beitragvon carl » 13.05.2006, 19:23

Hallo Leonie,

mich stört daran nichts, ich wollte Dich bloß noch mal animieren, die Alternativen zu prüfen:
Die Parallele "sehen/erkennen" - Augen"blick" habe ich schon erwähnt.
Die Doppeldeutigkeit des von der andern Straßenseite aus erkannt werdens, wird spätestens bei dem "blauen Augenblick" erledigt: dieses provozierte Missverständnis hat seinen Reitz.
Von "weit her gekannt haben" verbindet eine Entfernungsangabe mit der Beziehung "kennen". Das hat auch seinen (meta-logischen) Reitz, ist aber am Anfang auch missverständlich: ich habe dich entfernt gekannt.
Du meinst aber: ich habe dich schon lange gekannt, vielleicht schon aus einem anderen Leben! jetzt nimm bitte mich/unsere Begegnung wahr!
Das alles erschließt sich aber erst vom Schluss des Gedichtes...
Deshalb würde ich dazu tendieren, es am Anfang bewusst auf eine "platte" Deutung ankommen zu lassen.
Aber es ist Dein Gedicht!

So oder so, es gefällt mir sehr!
Carl

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Beitragvon leonie » 13.05.2006, 22:00

Danke nochmal, Carl,

ich denke weiter darüber nach. Gesehen passt für mich nicht. Erkennen schon eher. Ich wollte biblische Assoziationen, aber ob die zu "erkennen" hier passt? Andererseits ist sie vielleicht gar nicht mehr so bekannt...
Hm, ich weiß es noch nicht...

Liebe Grüße

leonie

carl
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Beitragvon carl » 14.05.2006, 07:02

Hallo Leonie,

alttestamentlich heißt "erkennen" "schlafen mit": Und Adam erkannte Eva...
(allerdings kenne ich es nur vom Mann aus in dieser Bedeutung).
"Ich habe dich von je und je gekannt" sagt Gott zu seinem Sohn Israel (wenn ich mich recht erinnere).

Grüße, Carl


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