Das letzte Mal

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Sam

Beitragvon Sam » 05.01.2008, 07:26

Das letzte Mal


Wir tanzen ein letztes Mal
Wange an Wange
meine Hand unter deiner Hüfte

Du bist ganz Trauer und Wehmut und Schmerz

Und ich bin
ganz Trauer und Wehmut und Schmerz

Aber auch ein bisschen
geil

Denn dies ist unser letzter Tanz
da könnten wir uns ja ruhig
nochmal ein wenig
gehen lassen

Du aber willst nicht gehen
Du willst tanzen

Nicole

Beitragvon Nicole » 05.01.2008, 09:11

Hi Sam, guten Morgen,

na, das ist doch mal eine feine Art, richtig wach zu werden...'nee frische Tasse Kaffee und dieses Gedicht.

Gefällt mir gut, gerade die Diskrepanz, LI und LD haben dieselben Gefühle (Trauer, Wehmut und Schmerz) aber aus anderen Gründen / mit anderem Hintergrund. Anfangs hat mich
meine Hand unter deiner Hüfte
gestört, weil ich beim Tanzen die Hand an und nicht unter der Hüfte sehe. Aber inzwischen glaube ich, es ist genau so Absicht, unterstreicht es doch den Unterschied zwischen den beiden....

Gruß, Nicole

Sam

Beitragvon Sam » 05.01.2008, 10:30

Guten Morgen Nicole,

freut mich, wenn das kleine Gedicht zum Morgenkaffee gepasst hat.

Und ja, die Hand unter der Hüfte ist beabsichtigt. In etwa so, wie du es auch gelesen hast.

Herzliche Grüße und ein schönes Wochenende

Sam

Nicole

Beitragvon Nicole » 05.01.2008, 10:45

Hi Sam,

es gefällt auch noch beim 4ten Kaffee (ich glaube, ich bin koffeinsüchtig :-) ) und in vollständig wachen Zustand.

Dir auch ein schönes Wochenende,

Nicole

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 05.01.2008, 11:30

Lieber Sam,

nun triffst du mich mit deinem Text "unterm Brustbein"! In der Schlichtheit sind die Zeilen einfach umwerfend. Die Wiederholung überaus passend und ja, klar, trotz Trauer und Schmerzgefühlen durch die Nähe des Tanzens auch Geilheit.

Ein Gedicht, wo ich weiterspinnen kann als Leser, warum zum Teufel trennen sich die Beiden, wie schade.

Frau will lieber tanzen als nochmals .... gefällt mir sehr!

Ein Einwand: Ich würde die beiden "ganz" vernichten.

Lieben Gruß
ELsa
Schreiben ist atmen

Gast

Beitragvon Gast » 05.01.2008, 11:48

Hm, lieber Sam, ich mache mich jetzt wieder mal unbeliebt,

mich erfasst hier ehrlich gesagt nichts, höchtens Verwunderung darüber, weshalb meine Vorkommentatorinnen, den Text so gut finden.
Du hast keine Metaphern verwendet, sondern 1:1 beschrieben in Worten, die gebräuchlich sind.
Weder ist die Sprache lyrisch, noch frisch und ungewöhnlich. Bei "Wehmut, Trauer Schmerz", gleich hintereinander weg, frage ich mich dann endgültig, ob du das nicht hättest anders ausdrücken können, über Reaktionen des Paares beispielsweise.
So bleibst du mMn in der Sentimentalität der Erinnerung des Lyrich stecken.

Ich assoziiere diverse Pop-Songs, die genau immer wieder diesen letzten Tanz "verwurstet" haben. Das mag natürlich anderen Lesern nicht so gehen, aber für mich schwächen sie deinenText gewaltig.

Ich bin halt von dir Anderes und mMn bedeutend Besseres gewohnt. :smile:

Liebe Grüße
Gerda

Max

Beitragvon Max » 05.01.2008, 13:39

Lieber Sam, liebe Gerda,

Ich war ähnlich wie die ersten Kommentare geneigt meine spontane Freude über diesen Text zu äußern, als ich Deinen Kommentar las, Gerda. Nun scheint mir, ich sollte die Freude begründen, oder zumindest gegen Deinen Kommentar kontrastieren.

Gerda, Du schreibst:

Du hast keine Metaphern verwendet, sondern 1:1 beschrieben in Worten, die gebräuchlich sind.
Weder ist die Sprache lyrisch, noch frisch und ungewöhnlich.



Mir scheint das ein seltsamer Maßstab. Die Metapher ist doch kein Wert an sich, sondern wir brauchen sie (ebenso wie frische Bilder, kräftige Ausdrücke), weil die alltägliche Sprache oft abgenutzt ist oder eine eigene Welt schafft. Dann sagen wir nicht, was wir sagen wollen, sondern wir sagen, was die Sprache durch uns ausdrücken mag. Umgekehrt schafft aber auch die Metapher die Möglichkeit und die Gefahr, dass sie uns von der Beschreibung fortträgt

Das Gedicht Sams finde ich deshalb so stark, weil ihm eine glaubwürdige Beschreibung gelingt. Und diese lebt in meinen Augen gerade davon, dass die sprachlichen Mittel sparsam eingesetzt sind. Die Alltagssprache wird durch eine Wiederholung

Du bist ganz Trauer und Wehmut und Schmerz

Und ich bin
ganz Trauer und Wehmut und Schmerz



oder eine Brechung wie

Aber auch ein bisschen
geil


mit eigener Kraft versehen ... und das finde ich sehr stark.

Liebe Grüße
Max

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 05.01.2008, 13:44

Liebe Gerda,

man soll ja die persönliche Lesart anderer nicht anzweifeln, aber ich mag doch etwas sagen dazu,
es muss doch nicht jedes Gedicht Metapher-mäßig übersetzt werden.

Dieses Gedichte hier ist wie eine Filmszene gebaut, das mag ich dran.

Gegenschuss: Dein neues Gedicht zur Identität empfinde ich auch 1:1 und es kommt ohne Metaphern daher, und es ist geglückt.

Lieben Gruß
ELsa
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Gast

Beitragvon Gast » 05.01.2008, 14:21

Liebe Elsa, lieber Max,

meinen nicht positiven Kommentar habe ich aber nicht ausschließlich damit begründet, dass mir Metaphern fehlen ... bitte, bitte alles lesen, was sich geschreiben habe und nicht einen Teilaspekt herauspicken. :confused:


... und lieber Sam,

ergänzend möchte ich noch einmal sagen, dass dieser Text keinen Nachklang bei mir erzeugt und mich nicht überezeugt und ich finde.

Liebe Grüße
Gerda

OT Liebe Elsa, ich finde nicht, dass mein Gedicht in Sams Faden herangezogen werden sollte, du könntest du mir das doch unter meinen Text schreiben. Dann könnte ich dazu auch Stellung nehmen, was hier in Sams Faden nicht tun möchte.
Ich hoffe, du verstehst. ;-)

Liebe Grüße
Gerda

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 05.01.2008, 14:49

Liebe Gerda,

Ja, du hast recht, ich sollte es unter deinen Faden ... entschuldige.

Du hast keine Metaphern verwendet, sondern 1:1 beschrieben in Worten, die gebräuchlich sind. Weder ist die Sprache lyrisch, noch frisch und ungewöhnlich.
Ich bezog mich in meiner Antwort auf den ganzen Passus. Weil ich Alltagssprache derzeit so gern mag.

Lieben Gruß
ELsa
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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 05.01.2008, 16:38

Ahoi,

in meinen Augen und Ohren ist das ein sehr schöner Text. Die einzelnen Aussprüche sind in ein erfrischend dynamisches Rhythmenmuster verteilt; kurz, lang, auf, ab, kurz, lang, ich lese förmlich dieses Wechselspiel aus Wehmut und latenter Lüsternheit; das ist Tango in Schrift und Sprache! Das zuckende Temperament bleibt dabei in einem sanften weichen Rahmen, dank der harmonischen Komposition insgesamt, und verstärkt nicht nur die doppeldeutige Pointe des Gehenlassens, sondern auch die tangoeske Spannung überhaupt. Grandios dosiert. Ob es einen solchen Texttango bereits gab, weiß ich nicht, aber für mich Laien erscheint diese Idee äußerst originell.


Salud

Pjotr

Max

Beitragvon Max » 05.01.2008, 16:38

Liebe Elsa, lieber Max,

meinen nicht positiven Kommentar habe ich aber nicht ausschließlich damit begründet, dass mir Metaphern fehlen ... bitte, bitte alles lesen, was sich geschreiben habe und nicht einen Teilaspekt herauspicken. confused


Liebe Gerda,

es muss ja möglich sein, von dem, was sowohl inhaltlich als auch formal in der Mitte Deiner Argumentationskette zu stehen scheint, zu sagen, dass es verkehrt ist, ohne dass ich gleich unterstellt bekomme, ich läse nicht, was Du schreibst.

Du sagst oben wörtlich (und das ist einer von i.w. zwei Absätzen)

Du hast keine Metaphern verwendet, sondern 1:1 beschrieben in Worten, die gebräuchlich sind.
Weder ist die Sprache lyrisch, noch frisch und ungewöhnlich. Bei "Wehmut, Trauer Schmerz", gleich hintereinander weg, frage ich mich dann endgültig, ob du das nicht hättest anders ausdrücken können, über Reaktionen des Paares beispielsweise.


darauf habe ich genatwortet. Typischerweise genügt es bei einer Argumentationskette, wenn eines der Argumente nicht trägt, um sie brüchig werden zu lassen ... (ansonsten stamme ich in direkter Linie von Ramses II. ab .. bis auf zwei kleine Lücken).

Liebe Grüße
Max

Mucki
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Beitragvon Mucki » 05.01.2008, 17:01

Hi Sam,

ich sehe, wie Pjotr, ein wenig Tango-Takt in deinen Zeilen, einzig dieser Passus:

Du bist ganz Trauer und Wehmut und Schmerz

Und ich bin
ganz Trauer und Wehmut und Schmerz


fällt aus dem "Tango-Rahmen", dem "Kampf der Geschlechter" beim Tango heraus.
Doch ich vermute mal, dass du dieses Tangohafte nicht intendiert hast, da das Stakkatohafte fehlt.

So lese ich es als wehmütiges Gedicht des LIs, das mir gut gefällt.
Saludos
Mucki

Klara
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Beitragvon Klara » 05.01.2008, 17:05

Hallo Sam,

dieser kleine Text berührt mich. Rührt mich. Ich mag das Extrovertierte daran, das gleichzeitig introvertiert ist. Das ergibt eine "geile" Schwingung...

Da möchte ich auch sofort die ganze Geschichte wissen! Macht mich neugierig.

Ob es sich um Prosa oder Lyrik handelt? Naja, du hast es als Lyrik gesetzt, und dadurch wird insbesondere das Wörtchen "geil" so hübsch herausgestellt, ex-poniert, wie ein falscher Tanzschritt, ein Tritt auf ihren Fuß... - ich find's gelungen. Aussage und Form passen zusammen.

Grüße
Klara


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