großvater

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Mucki
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Beitragvon Mucki » 29.11.2007, 23:50

Endfassung

großvater

endlich nach dekaden
öffne ich das verschollene
versinken in deine welt
jeder silbe jedem wort
staune lache weine
blut vom gleichen blut

trete ein in deinen charme
voller poesie und esprit
führe fort der linie
worte steine
gelegt in ihr gefüge

"es sei"
forderst trotzig du
holprig auf unser
beider wege
blätter deine gedanken
du stellst unsere fragen

"wer bin ich"
ringen deine alten zeilen
wie heute meine jungen worte

"ein ich verloren"
sind wir einig
warum nur war
mein ich so klein
hab durch dich erkannt

"hört mir jemand zu"
höre sehe fühle ich
jetzt morgen immer
nicht zu spät
ich bin du



mit ganz lieben Dank an Moshe und Elsie!



2. Fassung

großvater

endlich nach dekaden
öffne ich das verschollene
versinke in deiner welt
jeder silbe jedem wort
staune lache weine

blut vom gleichen blut
trete in deine charmanten spuren
voller poesie phantasie und esprit
führe fort die linie

worte sind auch steine
gelegt in ihr gefüge
"es sei"
forderst du trotzig
holprig wurden unser
beider wege

blättere deine gedanken
du stellst meine fragen
"wer bin ich"
ringen deine alten zeilen
wie heute meine jungen worte

"ein ich verloren"
wir sind uns einig
warum nur war ich so klein
hab dich nicht gekannt

"hört mir jemand zu"
ich höre sehe fühle dich
jetzt morgen immer
nicht zu spät nein
ich bin du


1. Fassung

ich bin du

es treibt mich zu teilen
mit der ganzen welt
das verschollene geschenk
so lange gehütet
nun mein

tauche nach dekaden
in deine welt
inhaliere jeden buchstaben
jede silbe jedes wort
staune lache weine

wie kann es sein
sie schmiegt sich an meine
nein viel mehr soviel mehr
du gebarst die meine

worte sind auch steine
in ihr gefüge gelegt
"es sei"
forderst du voll trotz
und es wurde
holprig bahn oh ja
unser beider wege

verschlinge deine gedanken
hab ich sie geschrieben
wie kann es sein
du stellst meine fragen
bebe juble tanze

"wer bin ich"
ringst du mit offenen händen
ich bin du
erkenne mich mit jeder zeile
ringe um fassung

"ein ich verloren"

wir sind uns einig
warum nur war ich so klein
warum nur

"hört mir jemand zu"
ich höre sehe fühle dich
heute morgen immer
nicht zu spät nein
ich bin du

© Gabriella Marten Cortes
29.11.2007
Zuletzt geändert von Mucki am 14.12.2007, 18:01, insgesamt 2-mal geändert.

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 13.12.2007, 19:26

Mein Kommentar anbei:

großvater

endlich nach dekaden
öffne ich das verschollene
versinken in deine welt
jeder silbe jedem wort
staune lache weine
blut vom gleichen blut

trete ein in dein charmeur
voll poesie und esprit
führe fort der linie
worte steine
gelegt in ihr gefüge

"es sei"
forderst trotzig du
holprig auf unser
beider wegen
blätter deine gedanken
du stellst unsere fragen

"wer bin ich"
ringen deine alten zeilen
wie heute meine jungen worte

"ein ich verloren"
sind wir einig
warum nur war
mein ich so klein
hab durch dich erkannt

"hört mir jemand zu"
höre sehe fühle ich
jetzt morgen immer
nicht zu spät
ich bin du


Mit bestem Gruß

Moshe

Mucki
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Beitragvon Mucki » 13.12.2007, 21:46

Lieber Moshe,

ich finde deine Zeilenumbrüche echt klasse! Ich würde es glatt komplett so übernehmen, habe nur ein einziges Problem, hier:
trete ein in dein charmeur


Du benutzt das Wort Charmeur, setzt es als Substantiv ein, während ich es Adjektiv benutzte:
trete in deine charmanten spuren

Ich trete ja nicht in seinen Charme ein, also in den Mann (der ein Herzensbrecher etc. ist), sondern in seine Spuren, die ich als charmant empfinde. (Hintergrund ist hier eben die von mir bei ihm entdeckte, charmante Art zu schreiben). Verstehst du mein Dilemma? Wie lässt sich das lösen?
Ich würde nämlich sehr gerne deine Formatierung übernehmen, deine Umbrüche sind sehr gekonnt gesetzt. Ich bin sehr angetan davon. :daumen: Und du hast nur 2 oder drei Worte von mir entfernt, also eigentlich alles dringelassen.
Help! :mrgreen:
Saludos
Mucki

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 13.12.2007, 22:26

Liebe Mucki!

Ich bitte um Nachsicht, daß diese eine Stelle nicht gelungen ist.

Mir ging es so, daß ich deinen Text einfach eingesogen habe, und wieder ausgepustet, ohne viel zu überlegen, weil ich..., ja weil ich auch so eine Verwandschaft habe.

Bitte erlaube mir, weil es für mich auch überraschend war/ist, noch ein wenig nachzudenken.

So long

Moshe

Mucki
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Beitragvon Mucki » 14.12.2007, 00:30

Lieber Moshe,

lass dir alle Zeit, die du brauchst. Es geht in der Tat nur um diesen einen Satz. Den Rest finde ich großartig und möchte ihn genauso übernehmen.
Ich finds klasse, dass du dich selbst in diesem Text derart wiedergefunden hast, eine Parallele zu deiner eigenen Verwandtschaft. Das ist doch wunderbar *freu*
Saludos
Mucki

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 14.12.2007, 09:50

Liebe Mucki,

Moshes Fassung, die andere Strophensetzung hat wirklich was.
Abgesehen davon, gefällt mir die erschlankte 2. Fassung sowieso schon sehr gut.

Lieben Gruß
ELsie
Schreiben ist atmen

Mucki
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Beitragvon Mucki » 14.12.2007, 13:43

Liebe Elsie,

ja, dank deiner und Moshes Hilfe wird dieses Gedicht etwas Feines werden. Das finde ich ganz toll. Dieses Gedicht ist mir sehr wichtig, wie du dir sicher vorstellen kannst. ;-)
Saludos
Mucki

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 14.12.2007, 16:17

LIebe Mucki!

Nach einmal drüber schlafen und weiterem Nachdenken, komme ich zu dem Schluß, daß die Umstände durch die Überschrift und die erste Strophe eh schon klar sind, also daß es sich um Spuren handelt.
Somit kann ich, wenn sicher sehr ungebräuchlich, das 'charmeur' durchaus als Adjektiv sehen.
Das dürfte aber zuviel Moshe sein und so liegt die Lösung doch auf der Hand: 'trete ein in deinen charme'.
Oder?

fragender Moshe

Mucki
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Beitragvon Mucki » 14.12.2007, 17:55

Recht hast du, lieber Moshe,

"trete ein in deinen charme
voll poesie und esprit"

Das geht gut, denke ich, denn den Charme beschreibe ich ja mit "poesie" und "esprit".
So werde ich es machen.

Hier ist mir noch aufgefallen:
"es sei"
forderst trotzig du
holprig auf unser
beider wegen
blätter deine gedanken
du stellst unsere fragen

ändere ich ab in: "beider wege (also ohne "n").

Vielen Dank, du Lieber. Ich setze die Version oben ein :)))))
Saludos
Happy Mucki

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 14.12.2007, 19:38

Liebe Mucki!

Es freut mich sehr, daß ich dir bei einem Text, der dir wichtig ist und mir auch sehr nahe geht, helfen konnte.

Nun solltest du ihn aus der Werkstatt in die Welt entlassen.

MlG

Moshe

Mucki
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Beitragvon Mucki » 14.12.2007, 19:48

Lieber Moshe,

ja, du hast mir sehr geholfen, den entscheidenden Schliff gegeben. :blumen:
Stimmt, aus der Werkstatt kann er nun raus. Ich schreibe ne pn an Max, er hat das Gedicht ja schon hierher gehievt, dann kann er das Verschieben noch mal üben *kicher*
Saludos
Mucki

Gast

Beitragvon Gast » 15.12.2007, 15:03

Liebe Mucki,

ich kann den Inhalt deines Textes ganz und gar nachvollziehen und würde ihn als Erzählgedicht lesen, bis auf den letzten Vers, den ich persönlich „relitätsfremd und zu euphorisch berauscht" ;-) empfinde (menschlich durchaus nachvollziehen kann).

Ich habe allerdings erhebliche Probleme, dass du das Erlebte mehr oder minder unreflektiert 1:1 erzählst.
So bleibt der Text bei dir, das schmälert nicht seinen Wert an sich, der auf der früheren Beziehung Großvater/Enkeltochter basiert, die jetzt eine Wendung erfährt. Ich spreche ihm also nicht ab, dass er notwendigerweise geschrieben sein muss.

Was mir fehlt, ist Folgendes: Ich würde gern etwas daraus für mich mitnehmen kann, oder deine Intention weiter auslegen können.

Daran ändert auch die Version 2 nichts und die andere Setzung.

Sollte dieses als Hommage an den Großvater, gedacht sein, dann wäre mir allerdings das „ich bin du“ viel zu dick aufgetragen (s. w. o.).

Du stellst dir doch ganz bestimmt derzeit viele Fragen im Zusammenhang mit dem Kennenlernen seiner Art sich schreibend auszudrücken.

Wie gut kanntest du ihn wirklich? Woran erinnerst du dich?

Ändert sich nun deine Sicht auf seine Person ganz und gar? Oder siehst du den alten Herrn, an den du erinnerst, der so unnahbar war und ernst noch dahinter?

Dem Text fehlen Brüche, die würden ihn auch für fremde Leser interessant machen, verstehst du, was ich sagen möchte?

Lass doch erst Mal, die für dich neuen Informationen über ihn auf dich wirken.

Ich glaube wirklich, dass die Zeit noch nicht reif ist für ein Gedicht, was dann auch für fremde Leser Aussagen bereit hält oder Fragen aufwirft.
Behalte das auf jeden Fall im Auge.

Das war vielleicht keine Hilfe aber meine Sicht.

Liebe Grüße
Gerda

Mucki
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Beitragvon Mucki » 15.12.2007, 15:51

Liebe Gerda,

sieh dieses Gedicht als erstes einer Folge von Gedichten, die noch kommen werden.
Im nächsten z.B. schwebt mir vor, diese Diskrepanz zwischen dem damaligen Erleben und dem Heute genauer zu beschreiben, vor allem seinen Humor in den Fokus zu nehmen, den ich nie erlebte, jedoch in seinen Texten fand. Und mein Erstaunen darüber.

Du beschreibst die letzte Strophe als zu euphorisch. Ich sehe das ein bisschen anders. Ich befinde mich in diesem Gedicht quasi im Dialog mit meinem Großvater (zitiere ja einige Worte von ihm) und stelle eben völlig verblüfft fest, dass er wortwörtlich meine Gedanken/Fragen aussprach, ich mich also total in ihm wiederfinde. Deshalb das: ich bin du. Ich finde das nicht zu dick aufgetragen, sondern: es ist einfach so ,-)
Als Erzählgedicht kann ich das nicht durchgehen lassen, da zu sehr verdichtet und eben nicht auserzählt.
Danke dir für deinen Kommentar,-)
Saludos
Mucki

Gast

Beitragvon Gast » 15.12.2007, 16:40

Liebe Mucki,

so ganz verständlich habe ich mich wohl nicht machen können.
Selbst wenn dieses Gedicht, das erste aus einer Reihe sein wird, muss es allein laufen können. ;-)
und beim Leser ankommen ohne, dass man die Geschichte dazu kennt.

Möglich, dass ich mit dem "euphorisch" noch nicht ganz richtig treffe. Die Äußerung wirkt auf mich eindimensional die gespiegelte Freude, sich im Du (Großvater) zu erkenennen, kann nicht "SEIN" bedeuten, sondern Empfinden als ob, also nicht "ich bin".
***
Versetze dich in die Situation des völlig unvoreingenommenen Lesers, der nicht in die Vorgeschichte zum Text, die den Salonern bekannt sein dürfte, eingeweiht ist ...

Wie wird er den Text lesen?

Das meine ich hinterfragen zu dürfen.

Liebe Grüße
Gerda

Mucki
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Beitragvon Mucki » 15.12.2007, 18:18

Liebe Gerda,

natürlich kannst du alles hinterfragen. Ich habe das Gedicht jetzt noch mal gelesen und dabei versucht, es aus der Sicht eines fremden Lesers zu sehen.

Die erste Fassung, keine Frage, die war viel zu euphorisch und da wusste der Leser auch nicht, worum es überhaupt geht.

In der Endfassung jedoch steht jetzt als Titel: großvater. So, damit ist schon mal für den Leser klar, worum es geht.
Im weiteren Verlauf wird zudem klar, dass das Ich (der Leser weiß natürlich nicht, dass ich mich selbst damit meine, aber das spielt auch keine Rolle), nach langer Zeit endlich die Werke seines Großvaters liest. Dass es jedes Wort verschlingt, staunend, lachend, weinend, eben die gleiche Blutlinie erkennt. Dann erkennt es den Charme, die Poesie des Großvaters und stellt fest, dass der Weg des Ichs und auch der des Großvaters holprig war und ist verblüfft, dass der Großvater in seinen Texten die gleichen Fragen stellt wie das Ich, des weiteren resumiert es, dass es als Kind den Großvater gar nicht verstanden hat und es kommt zu dem Fazit, dass es endlich erkannt hat ("hab durch dich erkannt") und antwortet auf die Frage des Großvaters, wer ihm zuhöre, dass das Ich es tut, mit Leib und Seele. ("höre sehe fühle ich jetzt morgen immer") und sagt seinem Großvater (in liebevollem Schulterschluss) "ich bin du"

Für mich ist das, auch für einen fremden Leser, alles nachvollziehbar. Dieses "ich bin du" ist für mich wichtig. Ich möchte nicht: "ich bin wie du" schreiben" oder "ich bin dir so ähnlich" etc. etc. Nein, hier geht es darum, dem Großvater posthum mitzuteilen, was das Ich fühlt. Und es fühlt eben: "ich bin du"

Schade, dass es für dich nicht stimmig ist, aber jeder liest und schreibt halt anders.
Also, für mich ist das Gedicht so genau richtig, wie es ist.
Saludos
Mucki


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