Symphonie der Augenblicke - Sehnsucht

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Stigma

Beitragvon Stigma » 30.04.2006, 11:41

Symphonie der Augenblicke - Sehnsucht

Ach, wie funkeln Diamanten
Zu tausend' meinem Weg so schön.
Jenen, die mein Ziel erkannten
Musst' still der Glanz verloren geh'n.

Nicht vergehen will das Ziehen,
Das meiner Seele Frieden stört.
Ich versuche mich zu fliehen,
Doch find ich nur, was mir gehört.

Durch den Nebel meiner Sinne
Gelangt zu mir ein schwaches Licht.
Höre meiner Seele Stimme:
"Dies' ist dein Weg, verlier ihn nicht."

Und das Ziehen meiner Seele
Es saugt das Licht ergriffen auf;
Singt sich los mit goldner Kehle
Lässt den Gefühlen freien Lauf.



(Dezember 2004)

Louisa

Beitragvon Louisa » 01.05.2006, 14:32

Hallo Stigma!

Was bedeutet:
Ich versuche mich zu fliehen
?

Ansonsten ist Deine Sprache zwar sehr romantisch und wenn wir die Zeit hundertfünfzig Jahre zurückdrehen wäre Dir mein Lob sicher (leider gab es da noch kein Internet).

Aber ich glaube für die heutige Zeit ist ein "Ach..." in Verbindung mit so vielen Reimen und "singt sich los mit gold´ner Kehle"-Formulierungen leider etwas zu altertümlich (befürchte ich).

Meine ersten "Werke" sehen aber genauso aus. Mir gefällt trotzdem der Rhythmus und die Stimme, sowie das Ziehen der Seele.

Das sind gute Bilder für die Sehnsucht. Daran würde ich anknüpfen. Vielleicht überlegst Du Dir, wohin es die Seele genau zieht und sprichst einfach Deine wahren Gedanken aus. Reime = unwichtig !
oder denkst Du in dieser Sprache? Vielleicht auch noch gereimt ?

Ich hoffe ich konnte Dir helfen. Viel Spaß und Erfolg weiterhin !

LG, louisa

Stigma

Beitragvon Stigma » 01.05.2006, 18:32

Hallo louisa,

Was bedeutet:
Zitat:
Ich versuche mich zu fliehen


Das bedeutet dasselbe, als wenn das "mich" da nicht stände. Hab ich beim Latein-Vokabeln-lernen gefunden: se fugere - sich fliehen. Das ist eine verstärkte Form von "fliehen". (lt. Latein-buch ;))


denkst Du in dieser Sprache? Vielleicht auch noch gereimt ?


Nein, natürlich nicht. Aber wenn ich meine "wahren Gedanken" ausspreche, wie du so schön sagst, warum sollte ich dann überhaupt noch Gedichte schreiben? Dann kann ich ebensogut Tagebuch schreiben, unverschnörkelt, ohne Reime und Metaphern. Dann schreibe ich statt "Nicht vergehen will das Ziehen,/ Das meiner Seele Frieden stört." eben "ich habe Sehnsucht und das nervt mich".
Deine Begründung, dass Reime unwichtig und altertümlich sind, kann ich in absolut nicht nachvollziehen. Reime sind kein Indikator für Gedichte, die aus den letzten Jahrhunderten stammen. Auch zu Goethes Zeit gab es freie Dichtung (z.B. "Ganymed"), deswegen kann ich nicht verstehen, wie du (indirekt) behaupten kannst, dass Reime "out" und freie Dichtung "in" sind.
Sprache ist Kunst, bzw. aus Sprache lassen sich Kunstwerke gestalten. Du kannst einen kreis auf ein Blatt Papier malen. Ob das Kunst ist, darüber lässt sich streiten.
Wenn du eine Frühlingslandschaft detailgetreu malst, wird dein Bild eher als Kunstwerk angesehen. Wenn jemand sagt "Ich liebe dich", dann ist das wohl eher keine kunst. Jedoch kann man diese Aussage ausschmücken mit metaphern, aber auch mit Metrum und Reimen. Sie sind Hilfsmittel, dem Leser eine bestimmte Atmosphäre nahe zubringen.
Nun gut, über die Ausdrucksweise lässt sich streiten. Man kann sich "modern" Ausdrücken oder eben auch, wie hier, "altertümlich". Aber das passt hier doch eigentlich ganz gut zum Thema. Thematisch ist es eindeutig ein romantisches Gedicht: intensives Gefühl, poetisierte Welt, Sehnsucht und deren Erfüllung... Zeitlich ist die Romantik von 1795 bis 1840 anzusiedeln, sodass die Sprache doch gut passt O:) (aber es geht noch schlimmer, wart mal ab, bis ich meine aktuellen Gedichte poste :mrgreen: )

Vielen Dank für dein feedback. Ich wünsche dir noch einen schönen ersten Mai.

Liebe Grüße,
Stigma

Louisa

Beitragvon Louisa » 01.05.2006, 19:39

Hallo Stigma.
Ich meinte ja bloß. Jeder hat da ja so seine eigene Vorstellung, aber diese Wortwahl kommt mir beim Lesen nun mal ein wenig überromantisch vor, ich kann mir nicht vorstellen, dass man heutzutage in diesen Formulierungen lebt.
Das war aber keine Ablehnung vom Reim an sich, wenn er gut gemacht und auffällig individuell ist.

Wenn jemand sagt "Ich liebe dich", dann ist das wohl eher keine Kunst


-Es kommt darauf an was man daraus macht, siehe:

http://www.deutsche-liebeslyrik.de/laske125.htm

Wenn du das liest, siehst du vielleicht das solch´ tiefe Empfindungen in wundervolle Kunstwerke zu transportieren sind. Aber das ist sehr schwierig, ob gereimt oder ungereimt spielt da einfach erst einmal keine große Rolle.

Ich würde mir nie anmaßen solch´ fantastische Lyrik zu erreichen.

Liebe Grüße und viel Spaß weiterhin, louisa

Stigma

Beitragvon Stigma » 01.05.2006, 20:16

Hallo louisa,

natürlich lebt man heute nicht mehr in diesen Formulierungen. Dennoch liest man Goethe, sieht sich Theaterstücke nach Lessing an, etc., wo man zwangsläufig mit dieser Sprache konfrontiert wird.

Mit meinem Beispiel "Ich liebe dich" wollte ich aussagen, dass dieser Ausspruch keine kunst ist, wenn er wirklich alleine dasteht. In diesem gedicht von Lasker-Schüler sind "Verschnörkelungen", Metaphern, die die Aussage verdeutlichen und so Gefühl transportieren. Die vermittlung des Gefühls ist für mich Kunst.

Liebe Grüße,
Stigma

Louisa

Beitragvon Louisa » 01.05.2006, 21:06

Ich möchte jetzt keine große Diskussion entflammen, aber meinst Du wirklich das man das Recht hat alte, gute Klassiker nachzuzeichnen und einfach Mal ein paar Jahrhunderte auszuklammern.

Obwohl wir uns diese Werke ansehen und sie lesen, auch viele wichtige Botschaften und einfach auch Weisheiten aus ihnen schöpfen können, ist die Zeit ja nicht stehen geblieben.

Die Kunst sollte dóch auch etwas neues, frisches erschaffen, etwas faszinierednes, neue Bilder, neue Weisheiten, neue Spracherlebnisse.

Die Kunst muss doch in einem gewissen Grad auch die zeit und die gedanken die wir heute erleben in gekonnter Form in eine kommende Nachwelt transportieren, glaube ich.

Willst Du, dass man später einen Gedichtband (falls es das dann überhaupt noch gibt-) aufschlägt und sagt:

"Mmm... Stigma- Keine Datierung, aber ich würde sie ins 19. Jahrhundert schätzen."

-Also ich möchte das nicht. Das ist ja auch ein gewisser künstlerischer Ehrgeiz etwas Schönes, Neues zu schaffen, dass trotzdem alle Blickwinkel trifft (...)


So. Genug zu meiner Meinung.

Liebe Grüße, louisa


Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 27 Gäste