Erfahrung

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Sam

Beitragvon Sam » 03.09.2007, 08:14

erfahrung


liebe:

ein rauer stein

der die harte haut deiner hand

zerreibt

wenn du ihn wirfst

oder ihn fängst

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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 07.09.2007, 08:36

Guten Morgen Sam,

spontan hatte ich, offenbar wie vom Autor beabsichtigt, Dein Gedicht tatsächlich als negative Beleuchtung der Liebe aufgefasst. Nach mehrmaligem Lesen jedoch entdeckte ich, optimistisch wie ich bin, eine positive Beleuchtung: denn da wird harte Haut aufgeweicht: so sei hingegen das Harte negativ, und das Weiche positiv.

Inhaltlich finde ich das Gedicht sehr originell, klanglich sehr gut, wobei aber jene mit "der die ..." beginnende Zeile ein Haar breit abrückt vom restlichen Wohlklang des Gedichts. Ich habe allerdings keinen besseren Vorschlag. Du wirst wohl auch selbst nach langer Überlegung festgestellt haben, dass die jetzige Formulierung dieser Zeile die beste ist. Denn es stimmt wahrlich ausgeklügelt der grammatische Bezug und die Stellung der Wörter entsprechend des nötigen Spannungsaufbaus, und für die Wörter selbst stehen keine besser klingende Synonyme zur Verfügung, glaube ich.

Ich gebe dem Werk 9 von 10 Blaubembel.


Salute

Pjotr



Edit: Ach ja, das doppelte "ihn" am Ende finde ich wichtig, denn es verdeutlicht die doch essentielle Symmetrie des Bildes.

Sam

Beitragvon Sam » 07.09.2007, 13:32

Hallo Pjotr,

vielen Dank für die Blaubembel!

Wird Haut aufgeweicht? Sie wird zerrieben. Harte Haut, oder auch Hornhaut, entsteht ja dort, wo die Haut immer wieder strapaziert wird. Als Schutz sozusagen. Dennoch zerreibt der Stein diese harte Haut immer wieder, beim Fangen wie beim Werfen.

Freut mich auch sehr, dass du dem doppelten "IHN" zustimmst. So stehe ich mit meiner Meinung diesbezüglich nicht ganz alleine da ;-).

Nochmals herzlichen Dank!

Liebe Grüße

Sam

Gast

Beitragvon Gast » 07.09.2007, 13:42

Danke smile, danke Sam, für die nochmaligen Rückmeldungen.
Ich finde der Vers lässt Raum, verlangt Beschäftigung und sagt am Ende viel Konkretes über den Charakter der Liebe aus.


Liebe Grüße
Gerda

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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 07.09.2007, 16:02

Hallo Sam,

einverstanden, Aufweichen ist nicht exakt gleichzusetzen mit Zerreiben. Und Hornhaut hat auch gute praktische Eigenschaften. Aber manchmal auch hinderliche, etwa in der Sinnlichkeit. In so einem Fall sehe ich den Abbau von Hornhaut als etwas positives. Aus hart wird weich. Je nach Aspekt ist das schlecht oder gut. Ich tendiere inzwischen aber durchaus wieder zu Deinem ursprünglichen Aspekt, dem negativen. Stein, harte Hände, Werfen, Zerreibung -- da dominiert doch eher das Bild einer rauen Bauarbeit (kann ich nachfühlen, war auch mal dabei) als das einer zarten Liebelei.


Cheers

Pjotr


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