kastanie

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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Thomas Milser
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Beitragvon Thomas Milser » 19.05.2007, 09:16

Geänderte Version


kastanie


es wird ein anderes erwachen sein
ein anderes licht
von osten her

heller
doch ärmer an facetten
im schattenspiel

das rauschen im wind
wird verstummen
wie eintauchen in öl

keine blüte
wird ihren duft
mehr verströmen

der uns einst so lieblich stimmte
an dunklen tagen
wenn nichts anderes mehr schön war

doch ein düsterer tag
wird es wieder sein
und furchtbar still

wenn morgen
die fünfzehn meter hohe kastanie
vom nachbarn

fällt





Erste Version


kastanie


es wird ein anderes erwachen sein
ein anderes licht
von osten her

heller
und ärmer an facetten
im schattenspiel

das rauschen im wind
wird verstummen
wie eintauchen in öl

und keine blüte
wird ihren geruch
mehr verströmen

der uns einst so lieblich stimmte
an dunklen tagen
wenn nichts anderes mehr schön war

und eine träne werde ich weinen
ganz allein
und zusehen

wenn sie morgen
die fünfzehn meter hohe kastanie
vom nachbarn

fällen
Zuletzt geändert von Thomas Milser am 19.05.2007, 13:26, insgesamt 4-mal geändert.
Menschheit, Du hattest von Anfang an nicht das Zeug dazu... (Charles Bukowski)

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Thomas Milser
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Beitragvon Thomas Milser » 19.05.2007, 13:13

Die Eingangshelle (die Helle, die da ist, weil was anderes fehlt) habe ich schonmal durch das nachfolgende 'doch' zu relativieren versucht, sonst ist sie zu positiv besetzt.

Jetzt nochmal Strophe 6. Wenn man einmal anfängt zu schrauben *rrrrr*

Grübel-Tom
Zuletzt geändert von Thomas Milser am 19.05.2007, 13:29, insgesamt 1-mal geändert.
Menschheit, Du hattest von Anfang an nicht das Zeug dazu... (Charles Bukowski)

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 19.05.2007, 13:15

Hallo Tom,
überzeugt mich auch nicht so recht, noch einmal das Dunkel hineinzubringen. Vielleicht:
noch einsamer (trostloser, traumloser, hoffnungsloser...)
wird es sein
und fruchtbar still

liebe Grüße smile

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Thomas Milser
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Beitragvon Thomas Milser » 19.05.2007, 13:17

Jaja, ich arbeite fieberhaft, smile...Beim Nudelnessen :o)

Jedenfalls 'fruchtbar' wird der Tag bestimmt nicht werden :o)))
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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 19.05.2007, 13:21

Immerhin habe ich jetzt mehrere Tränen gelacht. Das ist doch schon ziemlich fruchtbar! :mrgreen:

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Thomas Milser
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Beitragvon Thomas Milser » 19.05.2007, 13:34

So, das Ende ist schonmal übergebügelt, weil 'gefällt' wird der Baum ja nicht im direkten Sinne. An einem Tag kommt ein Klammeraffe mit Motorsäge und schneidet alle Äste raus, die Laub tragen (danach schrob ich diese Zeilen, im Anblick des Skelettes), und am nächsten Tag zerlegt ebenjener Affe die dicken Stämme, die dann meterweise hinabstürzen, also den Baum von oben nach unten. Dieser Vorgang ist jedoch dermaßen unpoetisch, dass ich das Ganze fassen wollte. Deswegen ist 'Der Baum fällt' auch richtiger (da sinnbildlich möglich) als dass '...sie ihn fällen'.

Und jetzt lass ich mich auch erstmal fällen äh fallen, nämlich zu einem kleinen Distanzbekommmittagsschläfchen.

Tom.
Zuletzt geändert von Thomas Milser am 19.05.2007, 16:03, insgesamt 1-mal geändert.
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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 19.05.2007, 14:13

Hallo Tom,

ich finde das Gedicht insgesamt schön und angenehm genau in seiner Sinnlichkeit; das "wie eintauchen in öl" finde ich besonders originell.

Zwei Kleinigkeiten eventuell:

"doch ein düsterer tag" -- warum "doch"? Wo ist der Gegensatz, auf den sich das "doch" bezieht?

"die fünfzehn meter hohe kastanie" -- "fünfzehn meter" eingepackt in der ganzen Zeile erscheint mir ein wenig holprig. Wie wär's mit einer Metapher für 15m?


Cheers

Pjotr


Edit 1: Als ich diesen Kommentar schrieb und abdrückte, hatte ich Seite 2 dieses Fadens noch nicht auf dem Radar. Das "doch" finde ich trotz der obigen Erläuterung noch nicht perfekt.

Edit 2: Ne, Quatsch, jetzt macht auch mir das "doch" einen Sinn. Ich bin einfach ein schlechter Hypotaxler.

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leonie
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Beitragvon leonie » 19.05.2007, 16:14

Lieber Tom,

ich mag das Gedicht, sehe aber bei der jetztigen Fassung auch das "hell-dunkel"-Problem. Ich habe schon überlegt, ob man das nicht über "vorweggehörte Geräusche" des Fällens machen könnte, aber mir ist ehrlich gesagt auch noch ncihts eingefallen.

Die Schlussstrophe finde ich viel besser so. Man sieht den Baum jetzt fallen.

Aufgefallen ist mir hier die Nagstion:

keine blüte
wird ihren duft
mehr verströmen


Könnte man das nicht noch stärker formulieren?
Auch das doppelte "mehr" würde ich evtl. zu vermeiden suchen.

Liebe Grüße

leonie

scarlett

Beitragvon scarlett » 19.05.2007, 17:48

Hallo Tom,

mir erschließt sich jetzt das "furchtbar still" leider überhaupt nicht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das still sein soll, wenn so ein Baum gefällt wird...

Na ja, schade...

Grüße,

scarlett

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Thomas Milser
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Beitragvon Thomas Milser » 19.05.2007, 17:55

Hallo ihr alle.

Da haben wir den Salat. Einmal irgendwo angefangen zu ändern, schon passts an allen Ecken nicht mehr.
Ich brauche länger dafür, um hieran weiterzuarbeiten... ich sehe selbst, dass es noch (oder jetzt erst) unstimmig ist...seht es als 'vorläufig' an, ja?

Tom
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Lisa
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Beitragvon Lisa » 19.05.2007, 19:39

Lieber Tom,

weißt du, was ich als allererstes einmal doof sagen muss? Jetzt, wo ich dich kenne und deinen Kirschenhof, da nehme ich diesen Text gleich ganz anders - kann das leider nicht abstellen. Auf diese spezielle Art kann mich sogar nicht mal die Tränenstelle stoßen, ich weiß auch nicht...

Aber wenn ich dann die Schultern straffe und mir vorstelle durch eine Brille zu blicken - ja, dann geb ich den anderen schon ein bisschen Recht. (Und irgednwo zwischen den beiden Haltungen liegt dann das richtige Maß).

Kannst das Ende nicht einfach fortlassen?


kastanie


es wird ein anderes erwachen sein
ein anderes licht
von osten her

heller
doch ärmer an facetten
im schattenspiel

das rauschen im wind
wird verstummen
wie eintauchen in öl

keine blüte
wird ihren duft
mehr verströmen


der uns einst so lieblich stimmte
an dunklen tagen
wenn nichts anderes mehr schön war

(ich würde zudem die etwas ottonormalverbraucheranhörende blütenstrophe (blau) versuchen optisch näher mit der folgenden zusammenzubringen - weil die wende die passage besser mitfangen würde?)

Und wenn mit Ende dann vielleicht gar:

kastanie


es wird ein anderes erwachen sein
ein anderes licht
von osten her

heller
doch ärmer an facetten
im schattenspiel

das rauschen im wind
wird verstummen
wie eintauchen in öl

keine blüte
wird ihren duft
mehr verströmen

der uns einst so lieblich stimmte
an dunklen tagen
wenn nichts anderes mehr schön war

wenn sie
morgen
fällt


??

Ich weiß, zuviele Vorschläge - aber diesmal ergab es sich so, schlag sie einfach in den Wind.

Ich finde den Text echt. Gibts da nochwas hinzuzufügen? Nö.

Liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Max

Beitragvon Max » 19.05.2007, 20:57

Lieber Tom,

finde ich einen interessanten Vorschlag, das Ende gnz fortzulassen. Darauf wäre ich selbst wohl nicht gekommen, aber das heißt ja nix ;-).

Liebe Grüße
Max

scarlett

Beitragvon scarlett » 19.05.2007, 21:17

Hallo Tom,

wenn du das Ende ganz weglassen würdest, würde ich mich fragen: na und? was nu??? warum das alles??? Ich - wohlbemerkt nur ich, vermutlich - würde das Gedicht dann ganz anders lesen, auf jeden Fall käme ich nicht auf die Idee, dass es ums Fällen ginge....Natürlich, nachdem man das "Ende" einmal kennt, kann man immer behaupten, es auch ohne zu verstehen, aber ich bin mir ganz sicher, so hätte man es nicht von Anfang an gelesen.

Es war dermaßen stimmig in seiner ersten Fassung - ich sage nur nochmal: schade drum!

Ist denn das mit der Träne wirklich so schlimm für dich? du könntest ja überlegen, es evtl. anders zu formulieren, weil die Idee in Anlehnung an die Redewendung "jdm oder etwas keine Träne nachweinen", ist gut (die Umkehrung gibt es hingegen nicht, deshalb fand ich das gerade so gut!)

Nu ja, ich bin schon still....

Nachdenkliche Grüße,

scarlett

Max

Beitragvon Max » 19.05.2007, 21:21

Liebe Scarlett,

scarlett hat geschrieben:Ist denn das mit der Träne wirklich so schlimm für dich?


ich weiß ja nicht, was Tom denkt. Aber für mich fällt diese Zeile aus dem Gedicht und - sei mal ehrlich - wir wollen ja nicht nur Gedichte schreiben ,die nicht sooo schlimm sind, oder?

Liebe Grüße
Max

scarlett

Beitragvon scarlett » 19.05.2007, 21:28

ok, falsch gefragt: was ist denn so schlimm an der Träne?
(vor allem in Anbetracht dessen, was ich dazu noch geschrieben habe)

Und natürlich, lieber Max, wollen wir nicht nur Gedichte schreiben, die nicht sooo schlimm sind- wobei sich immer die Frage stellt, für wen? ;-)

Liebe Grüße,

scarlett


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