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Lieber Carl,
wie ich glaube, hast du ein wesentliches Motiv ausgesprochen in deinem Versuch, nicht nur für meine Sprache, auch für die Sprache im allgemeinen. Das Motiv ist der Pfeil und es ist der Bogen.
Je mehr ich darüber nachdenke, desto größer wird der Auftritt dieses einen Beweggrundes; mir ist, als vollzöge sich eine große Summe, über die vieles deutlicher wird.
Zum Beispiel oben "Höre, mein Herz", das Gedicht könnte ebenso heißen "Spanne den Bogen, mein Herz", auf dass du noch einmal zurückkehrst in die größeren Weiten, in deinen Bezug, der aus Ziel besteht, nicht aus Dasein.
Ich habe ein ganz herrliches Bild vor Augen: es ist das des schwirrenden Pfeils, in dem sich der innigste Kreis vollzieht - wir wissen nicht, auf welches Ziel hin, aber es ist im Schwirren schon versprochen, in der innigsten Mitte. Dahin wollte ich und werde ich immer versuchen.
Ich weiß nicht, Carl, ob ein solcher Gedanke zu vereinen ist mit einem Standpunkt, den du, wenn ich verstehe, in meinen Gedichten vermisst. Das vorerst zu Erzielende ist die Auflösung und Entgrenzung. Daraus kann zuerst eine Beliebigkeit entstehen, eine Oberfläche zur freien Assoziation, über die der Leser in jedes "gleiten" kann, auch ins Banale. Ich glaube, meine Gedichte nehmen das in Kauf. Vielleicht sind sie vieles Träumen, Assoziieren, aber sie sind auch, für mich zumindest, ein sehr bestimmter Traum, die nur eine Assoziation, das nur Eine, das nur eben nicht direkt zu erreichen ist, sondern allein über den weitläufigen Gedanken.
Es muss das Ziel aufgerichtet werden, immer wieder, mehr ist vielleicht nicht zu leisten. Alles Weitere dann ist nicht mehr Schreiben, es ist Hören, Folgen in der einen Konzentration, dann, wie ich manchmal erlebte, wird das Wort überwunden, das Gespann wird (beinah) zum Gefäß, in das sich (wie oben im Gedicht) die Fernen füllen, die Höhen, die Stimmen, die wirklicher sind.
- Soweit zum Motiv.
Vielleicht noch ein anderes Wort.
Ich habe ein merkwürdiges Gefühl, lieber Carl, das ich nicht verschweigen will. Ich weiß nicht, ob dein Lesen und Denken, da es mir ernsthafter schient als meines, sich aufgehoben und wiederfinden kann in meinem Schreiben. Ich bin, oder meine Sprache scheint mir eine so vielfache Ironie, dass ein ernsthafter Leser, wie ich glaube, daran scheitern muss. Eine Stellungnahme verweigern meine Zeilen, da sie aus einem Fühlen entstehen, das hinter jedem Ding ein Hohles erkannte, in dem Hohlen aber in jedem Ding ein Spiel. Sage ich etwas Ernstes, spiele ich es nur. Nehme ich eine Haltung an, nehme ich sie auf einer Bühne an. Ich mache kein Leben daraus. Weil das Leben, so mein Glaube, woanders ist. Und weil das Leben nicht anzuhalten ist.
Das führt manchmal zu seltsamen Widersprüchen, über die ich mich wundere. Vorhin sprach ich noch so, im nächsten spreche ich anders - was mich wundert ist der Zusammenhang, der trotzdem entsteht... usw... hier könnte man noch vieles sagen. Ich gestehe dir, lieber Carl, der Grundstoff meines Schreibens ist das Lachen. Ich weiß nicht, ob du damit zufrieden sein wirst.
Vielleicht darf ich mich einmal selbst zitieren, um dieses Lachen, das ich meine, näher zu erklären. Das Folgende ist ein Auszug aus einem Text, der „Das Gesuch“ heißt. Wie ich finde, greift er unser Thema der Überwindung und Entgrenzung auf, und vielleicht behauptet er, dass Pfeil und Bogen, obwohl ein so großes Motiv, nicht das letzte bleiben müssen. Es gibt noch mehr:-)
„(…) plötzlich war alles leicht. Alle Gegenstände waren aufgehoben. Die Dunkelheit war verschwunden. Alles war still, und durch das Schaufenster fiel ein leichter Tag. Jemand fing zu lachen an. Dieses Lachen war wie ein Wasser. Es floss dahin, es kam auf mich zu, es ging über in die Stille. Es wurde ein See (…) jedes, soweit man denken konnte, wurde zum Spiegelbild (…) Immer weiter stieg das Wasser. Man wurde aus den Verhältnissen herausgetragen (…) Für das Getragen-werden schien es keine Hürde zu geben (…) Man floss, selbst!, an Sackgassen vorbei, (..) fand Auswege auch, wo keine waren. Es ging immer weiter hinauf. Es ging immer weiter hinaus. Es kamen größere Hürden, Bollwerke aus Mauern und Stahl. Und floss doch über sie hinweg, wie über Stufen, die fielen…“
„Man war weit aus einem Labyrinth heraus gekommen, das nicht nur, wie man sah, aus Wänden, sondern aus Bunkern bestand, die, in einem kubistischen Arrangement, eine Welt bildeten – die aber nicht Welt hieß, sondern Welt hieß, was außerhalb des Labyrinthes war, man sah einen Weltraum verschwommen in millionen Farben, alle Namen waren zu dieser Seite, es war ein solches Wunder an Licht (…)“
Liebe Grüße,
Peter
--
Liebe Mucki,
Peter fühlt sich jetzt so überschüttet mit Gold, auch natürlich aus Carls wunderbaren Vergleichen (über die ich übrigens nochmal nachdenken muss, da sie ja sehr weitreichend sind), dass ich, das Wort, ihn eigentlich beneide, und mir denke, dass hat der doch eigentlich gar nicht verdient. Ich, das Wort, möchte dir sagen, liebe Mucki, dass der ein rechter Taugenichts ist, fürwahr! Ich unterstreiche nicht, dass derein Künstler ist! In Wahrheit bin nämlich ich der Künstler, er klaut ja alles nur, nämlich von mir!
Aber na gut, er hat schon ein Talent, nämlich dieses, dass er mich sein lassen kann.
Liebe Grüße!
wie ich glaube, hast du ein wesentliches Motiv ausgesprochen in deinem Versuch, nicht nur für meine Sprache, auch für die Sprache im allgemeinen. Das Motiv ist der Pfeil und es ist der Bogen.
Je mehr ich darüber nachdenke, desto größer wird der Auftritt dieses einen Beweggrundes; mir ist, als vollzöge sich eine große Summe, über die vieles deutlicher wird.
Zum Beispiel oben "Höre, mein Herz", das Gedicht könnte ebenso heißen "Spanne den Bogen, mein Herz", auf dass du noch einmal zurückkehrst in die größeren Weiten, in deinen Bezug, der aus Ziel besteht, nicht aus Dasein.
Ich habe ein ganz herrliches Bild vor Augen: es ist das des schwirrenden Pfeils, in dem sich der innigste Kreis vollzieht - wir wissen nicht, auf welches Ziel hin, aber es ist im Schwirren schon versprochen, in der innigsten Mitte. Dahin wollte ich und werde ich immer versuchen.
Ich weiß nicht, Carl, ob ein solcher Gedanke zu vereinen ist mit einem Standpunkt, den du, wenn ich verstehe, in meinen Gedichten vermisst. Das vorerst zu Erzielende ist die Auflösung und Entgrenzung. Daraus kann zuerst eine Beliebigkeit entstehen, eine Oberfläche zur freien Assoziation, über die der Leser in jedes "gleiten" kann, auch ins Banale. Ich glaube, meine Gedichte nehmen das in Kauf. Vielleicht sind sie vieles Träumen, Assoziieren, aber sie sind auch, für mich zumindest, ein sehr bestimmter Traum, die nur eine Assoziation, das nur Eine, das nur eben nicht direkt zu erreichen ist, sondern allein über den weitläufigen Gedanken.
Es muss das Ziel aufgerichtet werden, immer wieder, mehr ist vielleicht nicht zu leisten. Alles Weitere dann ist nicht mehr Schreiben, es ist Hören, Folgen in der einen Konzentration, dann, wie ich manchmal erlebte, wird das Wort überwunden, das Gespann wird (beinah) zum Gefäß, in das sich (wie oben im Gedicht) die Fernen füllen, die Höhen, die Stimmen, die wirklicher sind.
- Soweit zum Motiv.
Vielleicht noch ein anderes Wort.
Ich habe ein merkwürdiges Gefühl, lieber Carl, das ich nicht verschweigen will. Ich weiß nicht, ob dein Lesen und Denken, da es mir ernsthafter schient als meines, sich aufgehoben und wiederfinden kann in meinem Schreiben. Ich bin, oder meine Sprache scheint mir eine so vielfache Ironie, dass ein ernsthafter Leser, wie ich glaube, daran scheitern muss. Eine Stellungnahme verweigern meine Zeilen, da sie aus einem Fühlen entstehen, das hinter jedem Ding ein Hohles erkannte, in dem Hohlen aber in jedem Ding ein Spiel. Sage ich etwas Ernstes, spiele ich es nur. Nehme ich eine Haltung an, nehme ich sie auf einer Bühne an. Ich mache kein Leben daraus. Weil das Leben, so mein Glaube, woanders ist. Und weil das Leben nicht anzuhalten ist.
Das führt manchmal zu seltsamen Widersprüchen, über die ich mich wundere. Vorhin sprach ich noch so, im nächsten spreche ich anders - was mich wundert ist der Zusammenhang, der trotzdem entsteht... usw... hier könnte man noch vieles sagen. Ich gestehe dir, lieber Carl, der Grundstoff meines Schreibens ist das Lachen. Ich weiß nicht, ob du damit zufrieden sein wirst.
Vielleicht darf ich mich einmal selbst zitieren, um dieses Lachen, das ich meine, näher zu erklären. Das Folgende ist ein Auszug aus einem Text, der „Das Gesuch“ heißt. Wie ich finde, greift er unser Thema der Überwindung und Entgrenzung auf, und vielleicht behauptet er, dass Pfeil und Bogen, obwohl ein so großes Motiv, nicht das letzte bleiben müssen. Es gibt noch mehr:-)
„(…) plötzlich war alles leicht. Alle Gegenstände waren aufgehoben. Die Dunkelheit war verschwunden. Alles war still, und durch das Schaufenster fiel ein leichter Tag. Jemand fing zu lachen an. Dieses Lachen war wie ein Wasser. Es floss dahin, es kam auf mich zu, es ging über in die Stille. Es wurde ein See (…) jedes, soweit man denken konnte, wurde zum Spiegelbild (…) Immer weiter stieg das Wasser. Man wurde aus den Verhältnissen herausgetragen (…) Für das Getragen-werden schien es keine Hürde zu geben (…) Man floss, selbst!, an Sackgassen vorbei, (..) fand Auswege auch, wo keine waren. Es ging immer weiter hinauf. Es ging immer weiter hinaus. Es kamen größere Hürden, Bollwerke aus Mauern und Stahl. Und floss doch über sie hinweg, wie über Stufen, die fielen…“
„Man war weit aus einem Labyrinth heraus gekommen, das nicht nur, wie man sah, aus Wänden, sondern aus Bunkern bestand, die, in einem kubistischen Arrangement, eine Welt bildeten – die aber nicht Welt hieß, sondern Welt hieß, was außerhalb des Labyrinthes war, man sah einen Weltraum verschwommen in millionen Farben, alle Namen waren zu dieser Seite, es war ein solches Wunder an Licht (…)“
Liebe Grüße,
Peter
--
Liebe Mucki,
Peter fühlt sich jetzt so überschüttet mit Gold, auch natürlich aus Carls wunderbaren Vergleichen (über die ich übrigens nochmal nachdenken muss, da sie ja sehr weitreichend sind), dass ich, das Wort, ihn eigentlich beneide, und mir denke, dass hat der doch eigentlich gar nicht verdient. Ich, das Wort, möchte dir sagen, liebe Mucki, dass der ein rechter Taugenichts ist, fürwahr! Ich unterstreiche nicht, dass derein Künstler ist! In Wahrheit bin nämlich ich der Künstler, er klaut ja alles nur, nämlich von mir!
Aber na gut, er hat schon ein Talent, nämlich dieses, dass er mich sein lassen kann.
Liebe Grüße!
Lieber Peter,
Du schreibst
"wie ich glaube, hast du ein wesentliches Motiv ausgesprochen in deinem Versuch, nicht nur für meine Sprache, auch für die Sprache im allgemeinen. Das Motiv ist der Pfeil und es ist der Bogen...
Spanne den Bogen, mein Herz, auf dass du noch einmal zurückkehrst in die größeren Weiten, in deinen Bezug, der aus Ziel besteht, nicht aus Dasein... wir wissen nicht, auf welches Ziel hin, aber es ist im Schwirren schon versprochen, in der innigsten Mitte."
Genau so sehe ich es auch! Ich spüre das auch in Deinen Gedichten.
"Ich weiß nicht, Carl, ob ein solcher Gedanke zu vereinen ist mit einem Standpunkt, den du, wenn ich verstehe, in meinen Gedichten vermisst."
Ich vermisse keinen Stand"punkt" in Deinem Sinne, sondern die Spannung, die dem Pfeil Schnellkraft, das Schwirren gibt. Die entsteht durch das Einlassen auf die Dualität, im Plural: als Kreuzungspunkt von Spannungen. So entsteht meine Art von Standpunkt (als Schnittpunkt, der aber die ganze Spannung sichtbar macht/aushält. Deshalb auch das Zitat aus dem XXIX Sonett).
Das scheinst Du mir etwas zu vorschnell zu verweigern:
Das vorerst zu Erzielende ist die Auflösung und Entgrenzung.
Eben nicht vorerst: Entgrenzung geschieht paradoxer Weise nicht durch Auflösung (das gibt nur eine Depression: ist wohl auch Deine Gefährdung?), sondern Steigerung der Spannung über das Erträgliche hinaus. Weil die Heutigen das grundsätzlich verweigern, kennen sie diese Erfahrung nicht mehr, die hinter den beiden Elegien steckt (und halten sie für Pathos).
"Daraus kann zuerst eine Beliebigkeit entstehen, eine Oberfläche zur freien Assoziation, über die der Leser in jedes "gleiten" kann, auch ins Banale. Ich glaube, meine Gedichte nehmen das in Kauf."
Sie provozieren es. Die heutige Kritik würde ihnen unterstellen, sie raunten.
"Vielleicht sind sie vieles Träumen, Assoziieren, aber sie sind auch, für mich zumindest, ein sehr bestimmter Traum, die nur eine Assoziation, das nur Eine, das nur eben nicht direkt zu erreichen ist, sondern allein über den weitläufigen Gedanken.
Das Eine ist nicht aussprechbar. Aber der weitläufige Gedanke verliert sich im Vagen, im Nichts. Es geht um Konzentration als Spannungssteigerung bis hin zum Paradox (siehe die KOAN-Sachen im Zen/ von Hakuin).
"Es muss das Ziel aufgerichtet werden, immer wieder, mehr ist vielleicht nicht zu leisten. Alles Weitere dann ist nicht mehr Schreiben, es ist Hören, Folgen in der einen Konzentration, dann, wie ich manchmal erlebte, wird das Wort überwunden, das Gespann wird (beinah) zum Gefäß, in das sich (wie oben im Gedicht) die Fernen füllen, die Höhen, die Stimmen, die wirklicher sind."
Das verstehe ich im oben ausgeführten Sinne!
Ich habe übrigens bisher keine Gegenpositionen zu Deinen formuliert, sondern wollte eine Spannung durch Satz (von Dir) und Gegen-Satz (von mir) aufbauen: in diesem Spannungsfeld kann sich dann das "Eine" spiegeln, wenn man es denn sieht.
"Ich habe ein merkwürdiges Gefühl, lieber Carl, das ich nicht verschweigen will. Ich weiß nicht, ob dein Lesen und Denken, da es mir ernsthafter schient als meines, sich aufgehoben und wiederfinden kann in meinem Schreiben."
Darum geht es nicht: ich zeige Dir eine mögliche Schwäche Deiner Lyrik auf, die nicht dadurch korriegiert wird, dass Du es so machst, wie ich das für gut halte!!!
Sondern ich zeige einen Pol auf, in dessen Richtung Du Dich noch bewegen könntest.
Das solltest Du ruhig ernst nehmen!
Für mich gälte dann natürlich das Umgekehrte. Deswegen kann sich auch mein Denken nicht in Deiner Lyrik erschöpfen. Und umgekehrt.
"Ich bin, oder meine Sprache scheint mir eine so vielfache Ironie, dass ein ernsthafter Leser, wie ich glaube, daran scheitern muss. Eine Stellungnahme verweigern meine Zeilen, da sie aus einem Fühlen entstehen, das hinter jedem Ding ein Hohles erkannte, in dem Hohlen aber in jedem Ding ein Spiel. Sage ich etwas Ernstes, spiele ich es nur. Nehme ich eine Haltung an, nehme ich sie auf einer Bühne an. Ich mache kein Leben daraus. Weil das Leben, so mein Glaube, woanders ist. Und weil das Leben nicht anzuhalten ist."
Wenn Du willst, kann ich Dir diese Zeilen psychologisch deuten, und sie einordnen in die zeitgenössische Philosophie.
Aber das nur als PN.
"Das führt manchmal zu seltsamen Widersprüchen, über die ich mich wundere."
In der Tat. Die sind durchaus nicht nur lyrisch bedingt...
Nur soviel: Du möchtest nicht erkannt werden. Du möchtest die Deutungshoheit behalten. Du lässt Dich nicht ein, aus Angst Dich zu verlieren. Kann ich Dir nicht verdenken... Aber wie Du schon sagst:
" dazu könnte man noch vieles sagen. Ich gestehe dir, lieber Carl, der Grundstoff meines Schreibens ist das Lachen. Ich weiß nicht, ob du damit zufrieden sein wirst.
Nein, weil es nicht stimmt.
Der Grundstoff bei Dir ist nicht das Lachen. Hier entwirfst Du ein Selbstbild, das Ibsen als "Lebenslüge" bezeichnen würde.
"Vielleicht darf ich mich einmal selbst zitieren, um dieses Lachen, das ich meine, näher zu erklären. Das Folgende ist ein Auszug aus einem Text, der „Das Gesuch“ heißt." Stell den Text mal ein unter der Fragestellung, ob die "Leichtigkeit des Seins" seine Grundlage ist, oder eher der Wunsch nach ihr! Mal sehen, was die Kommentatoren so sagen.
Liebe Grüße, Carl
Du schreibst
"wie ich glaube, hast du ein wesentliches Motiv ausgesprochen in deinem Versuch, nicht nur für meine Sprache, auch für die Sprache im allgemeinen. Das Motiv ist der Pfeil und es ist der Bogen...
Spanne den Bogen, mein Herz, auf dass du noch einmal zurückkehrst in die größeren Weiten, in deinen Bezug, der aus Ziel besteht, nicht aus Dasein... wir wissen nicht, auf welches Ziel hin, aber es ist im Schwirren schon versprochen, in der innigsten Mitte."
Genau so sehe ich es auch! Ich spüre das auch in Deinen Gedichten.
"Ich weiß nicht, Carl, ob ein solcher Gedanke zu vereinen ist mit einem Standpunkt, den du, wenn ich verstehe, in meinen Gedichten vermisst."
Ich vermisse keinen Stand"punkt" in Deinem Sinne, sondern die Spannung, die dem Pfeil Schnellkraft, das Schwirren gibt. Die entsteht durch das Einlassen auf die Dualität, im Plural: als Kreuzungspunkt von Spannungen. So entsteht meine Art von Standpunkt (als Schnittpunkt, der aber die ganze Spannung sichtbar macht/aushält. Deshalb auch das Zitat aus dem XXIX Sonett).
Das scheinst Du mir etwas zu vorschnell zu verweigern:
Das vorerst zu Erzielende ist die Auflösung und Entgrenzung.
Eben nicht vorerst: Entgrenzung geschieht paradoxer Weise nicht durch Auflösung (das gibt nur eine Depression: ist wohl auch Deine Gefährdung?), sondern Steigerung der Spannung über das Erträgliche hinaus. Weil die Heutigen das grundsätzlich verweigern, kennen sie diese Erfahrung nicht mehr, die hinter den beiden Elegien steckt (und halten sie für Pathos).
"Daraus kann zuerst eine Beliebigkeit entstehen, eine Oberfläche zur freien Assoziation, über die der Leser in jedes "gleiten" kann, auch ins Banale. Ich glaube, meine Gedichte nehmen das in Kauf."
Sie provozieren es. Die heutige Kritik würde ihnen unterstellen, sie raunten.
"Vielleicht sind sie vieles Träumen, Assoziieren, aber sie sind auch, für mich zumindest, ein sehr bestimmter Traum, die nur eine Assoziation, das nur Eine, das nur eben nicht direkt zu erreichen ist, sondern allein über den weitläufigen Gedanken.
Das Eine ist nicht aussprechbar. Aber der weitläufige Gedanke verliert sich im Vagen, im Nichts. Es geht um Konzentration als Spannungssteigerung bis hin zum Paradox (siehe die KOAN-Sachen im Zen/ von Hakuin).
"Es muss das Ziel aufgerichtet werden, immer wieder, mehr ist vielleicht nicht zu leisten. Alles Weitere dann ist nicht mehr Schreiben, es ist Hören, Folgen in der einen Konzentration, dann, wie ich manchmal erlebte, wird das Wort überwunden, das Gespann wird (beinah) zum Gefäß, in das sich (wie oben im Gedicht) die Fernen füllen, die Höhen, die Stimmen, die wirklicher sind."
Das verstehe ich im oben ausgeführten Sinne!
Ich habe übrigens bisher keine Gegenpositionen zu Deinen formuliert, sondern wollte eine Spannung durch Satz (von Dir) und Gegen-Satz (von mir) aufbauen: in diesem Spannungsfeld kann sich dann das "Eine" spiegeln, wenn man es denn sieht.
"Ich habe ein merkwürdiges Gefühl, lieber Carl, das ich nicht verschweigen will. Ich weiß nicht, ob dein Lesen und Denken, da es mir ernsthafter schient als meines, sich aufgehoben und wiederfinden kann in meinem Schreiben."
Darum geht es nicht: ich zeige Dir eine mögliche Schwäche Deiner Lyrik auf, die nicht dadurch korriegiert wird, dass Du es so machst, wie ich das für gut halte!!!
Sondern ich zeige einen Pol auf, in dessen Richtung Du Dich noch bewegen könntest.
Das solltest Du ruhig ernst nehmen!
Für mich gälte dann natürlich das Umgekehrte. Deswegen kann sich auch mein Denken nicht in Deiner Lyrik erschöpfen. Und umgekehrt.
"Ich bin, oder meine Sprache scheint mir eine so vielfache Ironie, dass ein ernsthafter Leser, wie ich glaube, daran scheitern muss. Eine Stellungnahme verweigern meine Zeilen, da sie aus einem Fühlen entstehen, das hinter jedem Ding ein Hohles erkannte, in dem Hohlen aber in jedem Ding ein Spiel. Sage ich etwas Ernstes, spiele ich es nur. Nehme ich eine Haltung an, nehme ich sie auf einer Bühne an. Ich mache kein Leben daraus. Weil das Leben, so mein Glaube, woanders ist. Und weil das Leben nicht anzuhalten ist."
Wenn Du willst, kann ich Dir diese Zeilen psychologisch deuten, und sie einordnen in die zeitgenössische Philosophie.
Aber das nur als PN.
"Das führt manchmal zu seltsamen Widersprüchen, über die ich mich wundere."
In der Tat. Die sind durchaus nicht nur lyrisch bedingt...
Nur soviel: Du möchtest nicht erkannt werden. Du möchtest die Deutungshoheit behalten. Du lässt Dich nicht ein, aus Angst Dich zu verlieren. Kann ich Dir nicht verdenken... Aber wie Du schon sagst:
" dazu könnte man noch vieles sagen. Ich gestehe dir, lieber Carl, der Grundstoff meines Schreibens ist das Lachen. Ich weiß nicht, ob du damit zufrieden sein wirst.
Nein, weil es nicht stimmt.
Der Grundstoff bei Dir ist nicht das Lachen. Hier entwirfst Du ein Selbstbild, das Ibsen als "Lebenslüge" bezeichnen würde.
"Vielleicht darf ich mich einmal selbst zitieren, um dieses Lachen, das ich meine, näher zu erklären. Das Folgende ist ein Auszug aus einem Text, der „Das Gesuch“ heißt." Stell den Text mal ein unter der Fragestellung, ob die "Leichtigkeit des Seins" seine Grundlage ist, oder eher der Wunsch nach ihr! Mal sehen, was die Kommentatoren so sagen.
Liebe Grüße, Carl
Lieber Carl,
ich habe über das Wort "Spannung" nachgedacht, oder vielmehr habe ich herauszufinden versucht, als welchen Begriff du dieses Wort verwendest. Inzwischen habe ich ein Bild davon, ich möchte dich fragen, ob es mit deinem Gedanken übereinstimmt. Wenn du von Spannung sprichst, meinst du eine Oberfläche. Diese Oberfläche erscheint dir in meinen Gedichten zu still, zu ruhend, vielleicht auch: zu versöhnlich, sodass sich ein Leser vielleicht zu leicht in sie einfinden kann und über sie ebenso leicht in eine Beliebigkeit gerät. Wir sprechen also von der Oberfläche, und mein Bild dazu ist, dass du es als einen Fortschritt ansehen würdest, wenn ich diese leichten Oberflächen komplizierter strukturieren würde, wenn ich es wagen würde, die Worte konträr zu stellen, auswegloser vielleicht.
Das wäre dann Spannung.
Die Auflösung, von der ich sprach, wäre hier nicht das Ziel, im Gegenteil. Auflösung wäre ein Verlust, da die Worte ihre poetische Kraft allein aus dem Widerspiel ihrer Gegensätze erreichen und schöpfen.
Wenn ich verstehe, hängen wir dann aber verschiedenen Theorien an. Dein Augenmerk scheint der Oberfläche zu gelten; wenn ich begreife, siehst du in ihr eine notwendige Auseinandersetzung, der Behauptung nach, das Gedicht hätte hier stattzufinden. Ich selbst sprach von einem "weitläufigen Gedanken", den ich zu erzeugen suchte; du antwortest darauf: Die Weitläufigkeit verläuft ins Nichts.
Hier scheinen sich unsere Theorien-Geister zu scheiden. Denn ich sage auch: Die Weitläufigkeit verläuft ins Nichts, konnotiere daraus aber etwas Positives.
Mein Ideal, um meine Theorie zu verdeutlichen, wäre ein solches: 1. Die Auflösung der Oberfläche; Worte, die sich nicht mehr reiben. 2. Die Überwindung des Wortes, der Wortausdruck, der verschwindet. 3. Das Allgemeine, ganz allgemeine. 4. Das freie Ziel darin. - Umgesetzt könnte dies bedeuten: Ich füge Substantive aneinender, zwischen ihnen webt ein verborgenes Verb, ein verborgenes Adjektiv. Steine, zwischen denen, über die, ein unsichtbares Wasser zieht. (Das fände ich herrlich!)
Von "Spannung" in deinem Sinne würde aber dann, vielleicht, gar nichts mehr übrig bleiben.
Es wäre jenes Wasser (aus "Das Gesuch"), das sich mit den Farben, den millionen, im Astralen verbindet. Natürlich kann man das auch psychologisch sehen, schließlich war es ein Traum. Aber ob sich daraus die Ursache ergibt?
Ein interessantes Gespräch, lieber Carl. Meine Antwort hat ein bisschen gedauert, aber man muss hier schon manches überdenken.
Eine Nachfrage, wenn du erlaubst. Du schreibst in deiner ersten Antwort: "Du machst das Gegenteil von dem, was die Konkrete Poesie will." Was heißt hier "Konkrete Poesie"? Oder meintest du "das Konkrete der Poesie"?
Liebe Grüße,
Peter
ich habe über das Wort "Spannung" nachgedacht, oder vielmehr habe ich herauszufinden versucht, als welchen Begriff du dieses Wort verwendest. Inzwischen habe ich ein Bild davon, ich möchte dich fragen, ob es mit deinem Gedanken übereinstimmt. Wenn du von Spannung sprichst, meinst du eine Oberfläche. Diese Oberfläche erscheint dir in meinen Gedichten zu still, zu ruhend, vielleicht auch: zu versöhnlich, sodass sich ein Leser vielleicht zu leicht in sie einfinden kann und über sie ebenso leicht in eine Beliebigkeit gerät. Wir sprechen also von der Oberfläche, und mein Bild dazu ist, dass du es als einen Fortschritt ansehen würdest, wenn ich diese leichten Oberflächen komplizierter strukturieren würde, wenn ich es wagen würde, die Worte konträr zu stellen, auswegloser vielleicht.
Das wäre dann Spannung.
Die Auflösung, von der ich sprach, wäre hier nicht das Ziel, im Gegenteil. Auflösung wäre ein Verlust, da die Worte ihre poetische Kraft allein aus dem Widerspiel ihrer Gegensätze erreichen und schöpfen.
Wenn ich verstehe, hängen wir dann aber verschiedenen Theorien an. Dein Augenmerk scheint der Oberfläche zu gelten; wenn ich begreife, siehst du in ihr eine notwendige Auseinandersetzung, der Behauptung nach, das Gedicht hätte hier stattzufinden. Ich selbst sprach von einem "weitläufigen Gedanken", den ich zu erzeugen suchte; du antwortest darauf: Die Weitläufigkeit verläuft ins Nichts.
Hier scheinen sich unsere Theorien-Geister zu scheiden. Denn ich sage auch: Die Weitläufigkeit verläuft ins Nichts, konnotiere daraus aber etwas Positives.
Mein Ideal, um meine Theorie zu verdeutlichen, wäre ein solches: 1. Die Auflösung der Oberfläche; Worte, die sich nicht mehr reiben. 2. Die Überwindung des Wortes, der Wortausdruck, der verschwindet. 3. Das Allgemeine, ganz allgemeine. 4. Das freie Ziel darin. - Umgesetzt könnte dies bedeuten: Ich füge Substantive aneinender, zwischen ihnen webt ein verborgenes Verb, ein verborgenes Adjektiv. Steine, zwischen denen, über die, ein unsichtbares Wasser zieht. (Das fände ich herrlich!)
Von "Spannung" in deinem Sinne würde aber dann, vielleicht, gar nichts mehr übrig bleiben.
Es wäre jenes Wasser (aus "Das Gesuch"), das sich mit den Farben, den millionen, im Astralen verbindet. Natürlich kann man das auch psychologisch sehen, schließlich war es ein Traum. Aber ob sich daraus die Ursache ergibt?
Ein interessantes Gespräch, lieber Carl. Meine Antwort hat ein bisschen gedauert, aber man muss hier schon manches überdenken.
Eine Nachfrage, wenn du erlaubst. Du schreibst in deiner ersten Antwort: "Du machst das Gegenteil von dem, was die Konkrete Poesie will." Was heißt hier "Konkrete Poesie"? Oder meintest du "das Konkrete der Poesie"?
Liebe Grüße,
Peter
Lieber Peter,
Dank für Deine ausführliche Antwort!
"Spannung" meint für mich nicht die Oberfläche. Es gibt Pole, zwischen denen sich etwas ausspannt, z.B. eine Oberfläche. Die Oberfläche sollte möglichst einfach sein (denk an eine Seifenhaut im Drahtring: der trägt die ganze Spannung, die Seifenhaut ist optimal einfach).
Natürlich kann ich "die Pole" in abstracto genausowenig beim Namen nennen, wie Du das "Allgemeine".
Aber konkret habe ich in meinem vorigen Beitrag z.B. bewusst eine Gegenposition zu Deiner aufzubauen versucht.
Der Sinn war nicht, Dir einen Ort anzuweisen, wo Dein Gedicht stattzufinden habe, sondern Dich ein klein wenig zu dem zu nötigen, was Du "man muss hier schon manches überdenken" nennst.
Das hast Du getan.
Und Du bist zum Ergebnis gekommen, dass alles genau so gut ist, wie's ist.
Damit bin ich einverstanden.
Denn indem Du's überdacht hast, hast Du Dein Lyrikverständnis automatisch neu abgesichert in eine Richtung, die ich (vielleicht) durch meine Gegenposition vorgespannt hatte.
Damit hast Du Dich schon verändert.
Das muss ich nicht kontrollieren. Kann ich auch gar nicht.
"Konkrete Poesie" ist übrigens ein terminus technicus: Jandl und Gomringer, nur so als Stichworte.
Gutes Schaffen, Carl
Dank für Deine ausführliche Antwort!
"Spannung" meint für mich nicht die Oberfläche. Es gibt Pole, zwischen denen sich etwas ausspannt, z.B. eine Oberfläche. Die Oberfläche sollte möglichst einfach sein (denk an eine Seifenhaut im Drahtring: der trägt die ganze Spannung, die Seifenhaut ist optimal einfach).
Natürlich kann ich "die Pole" in abstracto genausowenig beim Namen nennen, wie Du das "Allgemeine".
Aber konkret habe ich in meinem vorigen Beitrag z.B. bewusst eine Gegenposition zu Deiner aufzubauen versucht.
Der Sinn war nicht, Dir einen Ort anzuweisen, wo Dein Gedicht stattzufinden habe, sondern Dich ein klein wenig zu dem zu nötigen, was Du "man muss hier schon manches überdenken" nennst.
Das hast Du getan.
Und Du bist zum Ergebnis gekommen, dass alles genau so gut ist, wie's ist.
Damit bin ich einverstanden.
Denn indem Du's überdacht hast, hast Du Dein Lyrikverständnis automatisch neu abgesichert in eine Richtung, die ich (vielleicht) durch meine Gegenposition vorgespannt hatte.
Damit hast Du Dich schon verändert.
Das muss ich nicht kontrollieren. Kann ich auch gar nicht.
"Konkrete Poesie" ist übrigens ein terminus technicus: Jandl und Gomringer, nur so als Stichworte.
Gutes Schaffen, Carl
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