befreiung

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Mucki
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Beitragvon Mucki » 01.03.2007, 00:04

3. Fassung

im stillen kleid der nacht
befreit sich der geist
in leere



2. Fassung

leise welt

die nacht verbreitet ihr stilles kleid
katzen schleichen über die dächer
vögel schlafen in ihren nestern
der wind verharrt in ruhe
bäume stehen ohne regung
blumen bedecken ihre blüten
wolken ziehen flauschige bahnen
der mond wacht über allem

frische luft erfüllt den geist
ein guter augenblick
zu schweigen




1. Fassung

leise welt

die nacht verbreitet ihr stilles kleid
katzen schleichen über die dächer
vögel schlafen in ihren nestern
der wind verharrt in ruhe
bäume stehen ohne regung
blumen bedecken ihre blüten
der mond wacht über allem
wolken ziehen flauschige bahnen
frische luft erfüllt den geist

ein guter augenblick
zu schweigen


© Mucki
28.02.2007
Zuletzt geändert von Mucki am 02.03.2007, 00:54, insgesamt 2-mal geändert.

Niko

Beitragvon Niko » 01.03.2007, 05:49

hallo Mucki!
dieses stillleben gefällt mir. auch wenn die bilder schon fast klischeehaft sind und ich andererseits noch darüber grüble, wie pflanzen ihre blüte bedecken. sie mögen sie schließen über nacht, aber bedecken???
lieben gruß: Niko

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annette
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Beitragvon annette » 01.03.2007, 08:16

Hallo Mucki,

Niko sagt "fast klischeehaft" - ich denke, das Bild soll klischeehaft sein. Es erinnert mich an ein Schlaflied für Kinder, das möglichst anschaulich machen soll, dass die Welt jetzt schlafen geht: "Guck, die Blumen decken sich auch zu, dann kannst Du auch schlafen (oder ruhen oder schweigen), du verpasst nichts."

So wenig, wie Blumen sich bedecken, schlafen Vögel in Nestern, und der Wind kann auch nicht innehalten, weil er sonst nicht mehr wäre, und wenn er nicht wäre, würden die Wolken nicht ziehen.

Was ich sagen will: Der Text will nicht logisch oder korrekt sein. Für mich wird hier ein Kindergefühl wachgerufen, um zu Ruhe kommen zu können.

Ich würde die beiden Zeilen von Wolken und Mond umdrehen: die Wolken ziehen und über allem wacht der Mond.

Die frische Luft, die den Geist erfüllt, passt eigentlich schon eher zu den beiden letzten Zeilen. Vielleicht könntest Du sie einzeln setzten: als Übergang zwischen Kinderbild und dem Schweigen.

Falls ich den Text richtig lese, ist mir das "leise" aus dem Titel noch zu schwach. Eigentlich würde ich "stille welt" sagen wollen, aber "stilles" kommt schon in der ersten Zeile vor. "ruhende welt"? Ich weiß nicht recht.

"verbreitet ihr stilles kleid"
> warum nicht "breitet ihr stilles kleid"?

"der wind verharrt in ruhe"
> brauchst du "in ruhe"?

Wieso werde ich denn jetzt so schläfrig ... *g*

Gruß, annette

Mucki
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Beitragvon Mucki » 01.03.2007, 14:02

Hallo Niko,

dieses stillleben gefällt mir. auch wenn die bilder schon fast klischeehaft sind und ich andererseits noch darüber grüble, wie pflanzen ihre blüte bedecken. sie mögen sie schließen über nacht, aber bedecken???


ja, dieses Gedicht enthält lauter Klischees, und dies mit voller Absicht. Mir war danach, einfach mal so ein klischeehaftes Stimmungsbild zu schreiben, in dem man nicht zwischen den Zeilen lesen muss, sondern 1 :1, und außerdem, weil es mir letzte Nacht irgendwie genau so erging,-)
Zu den Blüten: klar, sie schließen sich, ich fand aber das Bild irgendwie schön, wenn man sich vorstellt, dass Blätter (die ich hier nicht erwähne) der Blume ihre Blüte bedecken. Wenn ich ganz korrekt vorgegangen wäre, würde kaum einer der Zeilen richtig sein, siehe Kommentar von Annette.

Hallo Annette,

ich denke, das Bild soll klischeehaft sein. Es erinnert mich an ein Schlaflied für Kinder, das möglichst anschaulich machen soll, dass die Welt jetzt schlafen geht: "Guck, die Blumen decken sich auch zu, dann kannst Du auch schlafen (oder ruhen oder schweigen), du verpasst nichts."

So wenig, wie Blumen sich bedecken, schlafen Vögel in Nestern, und der Wind kann auch nicht innehalten, weil er sonst nicht mehr wäre, und wenn er nicht wäre, würden die Wolken nicht ziehen.


Du hast es genau erfasst,-)

Ich würde die beiden Zeilen von Wolken und Mond umdrehen: die Wolken ziehen und über allem wacht der Mond.

Die frische Luft, die den Geist erfüllt, passt eigentlich schon eher zu den beiden letzten Zeilen. Vielleicht könntest Du sie einzeln setzten: als Übergang zwischen Kinderbild und dem Schweigen.


Das ist eine gute Idee, danke dir! Das werde ich machen.

Falls ich den Text richtig lese, ist mir das "leise" aus dem Titel noch zu schwach. Eigentlich würde ich "stille welt" sagen wollen, aber "stilles" kommt schon in der ersten Zeile vor. "ruhende welt"? Ich weiß nicht recht.


Das war auch mein Problem. Aber "ruhe" kommt auch im Text vor.
Außerdem ist die Welt nicht ganz still, weil ja doch immer irgendwelche Geräusche zu hören sind (ein Hund, der in der Ferne bellt etc.)

Wieso werde ich denn jetzt so schläfrig ... *g*


Wunderbar! :-) Ich war danach auch ganz schläfrig und bin dann recht schnell ins Bettchen gehüpft *lach*
Danke euch für eure Kommentare!
Saludos
Mucki

Max

Beitragvon Max » 01.03.2007, 21:11

Liebe M.,

Du schreibst:

ja, dieses Gedicht enthält lauter Klischees, und dies mit voller Absicht. Mir war danach, einfach mal so ein klischeehaftes Stimmungsbild zu schreiben, in dem man nicht zwischen den Zeilen lesen muss, sondern 1 :1,


Ja, aber es bleiben halt Klischees, oder? Für mich ist da kein Abstand, auch kein sich-eigen-machen erkennbar ....

Liebe Grüße
max

Mucki
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Beitragvon Mucki » 01.03.2007, 21:39

Hallo Max,

man kann es nicht jedem Recht machen, nicht wahr?
Saludos
Mucki und nicht M

scarlett

Beitragvon scarlett » 01.03.2007, 21:51

Liebe mucki,

nun ich habe nichts gegen Klischees einzuwenden- ich finde, das muss auch mal sein und sooo schlimm ist es, m M nach, überhaupt nicht.

Ich mag die "flauschigen Bahnen" - das hab zumindest ich noch nicht gelesen.

Traumgrüße,

scarlett

die aber schon gern etwas mehr verdichten würde... psst

Mucki
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Beitragvon Mucki » 01.03.2007, 22:02

Liebe scarlett,

mach mir doch ruhig mal konkrete Vorschläge, wo du verdichten würdest, ok?
Saludos
Mucki

Mucki
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Beitragvon Mucki » 02.03.2007, 00:55

verdichtete Fassung oben eingestellt.
Mucki

Hakuin

Beitragvon Hakuin » 02.03.2007, 08:45

fassung drei!

sehersehrgut ;-)

der stil zum urtext hat sich ein kleinwenig verändert, aber kaum der rede wert...

das "in" könnte ebenfalls leer werden...wie fändest du das?

salve und guten morgen
hakuin

p.s.:
hmmm,

das "in" wirkt schon funktional, daher macht es doch etwas auch, wenn es wegbliebe.
mir gefiele es "ohne" besser

Peter

Beitragvon Peter » 02.03.2007, 09:36

Liebe Mucki,

ein radikaler Schritt; zwischen der 2. und 3. Version liegt für mich eine Lebenszeit, hier eine Kindheit, dort ein beinah schon verklärtes Alter.

Trotzdem ist die 3. Version nicht etwas ganz anderes, sondern greift die Thematik auf - durchdringt sie. Ich sehe beinah eine stoffliche Verwandlung. Das Blumige der vorherigen Versionen wird ein harter, klarer Stein.

Eigentlich erschreckend... aber noch eigentlicher... wahr.

Liebe Grüße,
Peter

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 02.03.2007, 09:48

Liebe Mucki,

Schade.

Ich finde, die komprimierte Fassung geglückt, aber sie lebt von etwas anderem, als das liebevolle Ursprungsgedicht wohl gemeint hat.

Warum darf man nicht auch mal Märchenhaftes schreiben? Märchen enthalten Klischees, sie sprechen archaische Gefühle an, vertrautes. Und das finde ich völlig legal und ok.

Lieben Gruß
ELsa
Schreiben ist atmen

Gast

Beitragvon Gast » 02.03.2007, 10:20

Liebe Mucki,

ich habe mich weder mit der ersten noch mit der zweiten Fassung des Gedichts beschäftiigt.
Ein wenig ist es mir wie Max ergangen. Völlig unabhängig sehe ich nun ein Kurzgedicht, was mich sehr anspricht und ich sehr, sehr gelungen finde.
Die Kurzform durchdringt auf einer "vergeistigten" Ebene einzelne Gedanken der vorhergehenden Form auf einer philosphischen ebene, fasst zusammen um dann offen zu bleiben.

Auch gut überlegt das "Im" stillen Kleid, denn normalerweise befreit man sich von Kleidern, aber hier bleibt, das Lyrich, im Kleid, um Schutz zu haben.

Liebe Grüße
Gerda

Mucki
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Beitragvon Mucki » 02.03.2007, 12:18

Lieber Hakuin,

der stil zum urtext hat sich ein kleinwenig verändert, aber kaum der rede wert...


jou, kaum der Rede wert. Aus der verträumten, kindlichen Stimmung, die ich erlebte in dieser Nacht und genauso beschrieben hatte, ist nun ein, ja was, eine zen-artige Betrachtung geworden, die mit der Ursprungsversion jedoch nichts mehr gemein hat.

das "in" könnte ebenfalls leer werden...wie fändest du das?


du meinst, unten stünde dann nur noch "leere"? Ich könnte ja noch mehr kürzen:

stille nacht --> oh nein! = Klischee!, also

nacht
befreiter geist
leere

Hm?

Lieber Peter,

ein radikaler Schritt; zwischen der 2. und 3. Version liegt für mich eine Lebenszeit, hier eine Kindheit, dort ein beinah schon verklärtes Alter.


Ja, die Kindheit wurde, von Klischees verfolgt, zum Greis...

Ich sehe beinah eine stoffliche Verwandlung. Das Blumige der vorherigen Versionen wird ein harter, klarer Stein.


So ist es. Aus der Blume wurde ein Stein, ein leerer.

Eigentlich erschreckend... aber noch eigentlicher... wahr.


Ja, ich finde es auch erschreckend.

Liebe Elsie,

Schade.

Ich finde, die komprimierte Fassung geglückt, aber sie lebt von etwas anderem, als das liebevolle Ursprungsgedicht wohl gemeint hat.


ich finde es auch schade, weil vom Ursprungsgedicht, der Ursprungsstimmung nichts mehr geblieben ist. Aber, Elsie, ich habe mir beide Varianten aufgehoben und werde auch beide behalten.

Warum darf man nicht auch mal Märchenhaftes schreiben? Märchen enthalten Klischees, sie sprechen archaische Gefühle an, vertrautes. Und das finde ich völlig legal und ok.


Das ist ein grundsätzliches Thema hier im Forum. Klischees sind hier sozusagen "tabu". Schreibst du etwas Märchenhaftes mit einfachen Worten, kommt sofort die "Klischee-Lawine", leider.
So kann ich so etwas, wie die Ursprungsfassung hier nicht mehr unbefangen schreiben, sondern schreibe es halt für mich, stelle es aber hier nicht mehr ein.

Liebe Gerda,

Die Kurzform durchdringt auf einer "vergeistigten" Ebene einzelne Gedanken der vorhergehenden Form auf einer philosphischen ebene, fasst zusammen um dann offen zu bleiben.


ja. Es ist fast schon ein freestyle-Haiku, fast, da müsste ich noch einiges kürzen.

grübelnde
Mucki


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