Give Way

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Klara
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Beitragvon Klara » 14.02.2007, 22:57

Schottland 1991

Die Brombeern am Weg
saftig, reif
Jede Kurve –
linksseitig! –
birgt trauriges Glück
in der sonnigen Nacht
hundert Wünsche und Lieder
der Filz in den Kleidern
zu Wasser, zu Land, auf den stoppligen Feldern
mit Rollen und Ecken von Stroh

Der Schalk sitzt dir immer im Nacken
im Ohr,
geizig bist du
nur mit den schnellen Entschlüssen

Dein windblauer Himmel...

Was riechst du nach Rauch!
nach Schafen und trockenem Gras
dunkle Erde gibt Äpfel
und Lust auf den Regen
und duftet nach Meer
Stein und Wasser
eiskalt

Deine Eisenschienen ins Nichts
weiter weg als ich kann

Den einen Brief hab ich geschrieben
den anderen nicht

Give way

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 15.02.2007, 11:26

Liebe Klara,

ich muss dich leider offiziell verwarnen, wenn du solch einen Text nochmal in die Textwerkstatt stellst, so geht das nicht! ;-)

Der Text ist doch ganz fantastisch! (Wohin soll ich ihn verschieben? Freies Weben? Liebe? Erzähllyrik?)
Oder hast du bestimmte Fragen? Große Vorhaben?
Für mich ist er sehr gelungen, wie er ist.

Ideen:

trauriges Glück gefällt mir als Ausdruck noch nicht, das geht besser, spüre ich bei diesem Text.
Die Interpunktion des Textes finde ich große Klasse und mehr als stimmig. Drückt die Übersprungshandlungen aus, gefällt mir sehr.

Brombeern würde ich zu Brombeeren machen. Brombeern sind für mich nicht unbedingt in erster Linie saftig, wenn sie reif sind, um sie als saftig zu empfinden, schmecken sie zu rauh/atückelig ~ auch wenn sie rote finger machen ;-). anderes adjektiv? wäre dann auch origineller...

Ansonsten könnte ich alle Passagen zitieren, sie sind alle sehr gelungen.

Das give way am Ende "raff" ich nicht..soll es an Give away zugleich erinnern? Könnte für mich auch entfallen? Aber sicher verstehe ich da etwas nicht.

Ganz toller Text,
administrative Grüße @Verwarnung ;-)
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Klara
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Beitragvon Klara » 15.02.2007, 11:32

Hallo Lisa,

danke, jaja, ich find ihn ja auch schön, aber "irgendwie" erst, seitdem er hier drin steht - komisch. Wenn du ihn verschieben magst, verschieb in in Liebe, ja?
Man kann ja auch ein Land lieben, auch wenn man nur einmal da war, und man liebt ein Land ja auch nur, wenn da ein Mensch war, der drin lebte, oder?

Give way heißt es auf den Straßenschildern, wenn man eine Vorfahrtstraße kreuzt.

Die Brombeern und beeren - das stimmt,und da sind die Adjektive noch zu geläufig. Mal sehen, ob mir noch was einfällt.

Liebe Grüße von einer verwarnten
Klara

Hoedur

Beitragvon Hoedur » 15.02.2007, 12:15

Hallo Klara,

schönes Gedicht, schöne Stimmung. Da will man gleich aufbrechen! ;-)
Man kann ja auch ein Land lieben, auch wenn man nur einmal da war, und man liebt ein Land ja auch nur, wenn da ein Mensch war, der drin lebte, oder?

Ersteres ja, zweiteres wohl nicht ausschliesslich.
Aber macht ja nichts.
Saftig reif find ich grad schön für Brombeeren.
Ich hab jede Menge davon zuhause, und wenn die saftig reif sind, dann sind sie sehr lecker!
Wenn man da rein beisst, dann kann man schon sein Tshirt ruinieren.
Nicht so gefällt mir da:
Deine Eisenschienen ins Nichts

Hmm ...

Lg
Hoedur (der auch gern mal nach Schottland will)

Gast

Beitragvon Gast » 15.02.2007, 13:30

Liebe Klara,

ein feiner lyrischer Text, so ganz anders... und doch "Liebeslyrik".
Gefällt mir arg gut.
Das "linksseitig" zu Beginn warf mich zunächst raus aus dem Sprachfluss, nein nicht aus der Bahn.

Den Titel finde ich gut, aber heißt der nicht, "Vorfahrt Achten"...

Die Eisenschienen, die Hoedur schon angeführt hat, fallen für mich raus aus dem Kontext und auch aus dem Bild, obwohl ich bereit bin, mir tatsächlich einfach die getrennten Wege vorzustellen, den Abschied, aber für mich isind sie dennoch kein passendes Bild. Vielleicht magst du da noch einmal überlegen... Schienen hat schon was... in Verbindung mit Weichen, Gleisen...

Das ändert nichts am gut.

Liebe Grüße
Gerda

Klara
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Beitragvon Klara » 15.02.2007, 13:40

Hallo,

dank euch, Hoedur und Gerda.

Den Titel finde ich gut, aber heißt der nicht, "Vorfahrt Achten"...

Ja, eben. Wenn man eine Vorfahrsstraße kreuzt...
- muss man selber den Weg freigeben.

Die Eisenschienen mag ich nicht erklären, und kann es auch nicht. Vorhin wusste ich es noch, wie ich es erklären könnte, jetzt ist es weg. Oder es ist zu lange her, so dass ich das Bild nicht mehr habe, das mir das Motiv gab - aber ich spüre die Berechtigung. Da nehme ich euer Nicht-Mögen in Kauf.

lg
klara

Hoedur

Beitragvon Hoedur » 15.02.2007, 14:34

Hello Karla,

rhin wusste ich es noch, wie ich es erklären könnte, jetzt ist es weg

macht ja nichts ;-)

Vielleicht fällt es Dir ja noch ein.

Lg
Hoedur

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leonie
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Beitragvon leonie » 15.02.2007, 16:01

Liebe Klara,

auch das finde ich sehr, sehr schön, man kann es sehen und riechen und fühlen, auch wenn man, wie ich, noch nie in Schottland war.

Liebe Grüße

leonie

Max

Beitragvon Max » 16.02.2007, 18:27

Liebe Klara,

ich finde das ein herrlich intensives Gedicht, das erstaunlicherweis ohne große Verdichtung auskommt und als reines Erzählgedicht sehr tief wirkt.

Einzig über den Titel (und damit auch die letzte Zeile) würde ich vielleicht nochmal nachdenken, vielleicht verstehe ich da auch den Zusammenhang einfach nicht.

Liebe Grüße
max

Perry

Beitragvon Perry » 21.02.2007, 17:57

Hallo Klara,
als Schottlandfan, komme ich natürlich nicht an deinen Zeilen vorbei.
Insgesamt hast du die Landschaft gut eingefangen, obwohl ich mir ein wenig mehr zum Adressaten des Briefes und vielleicht etwas weniger Duft vorstellen könnte. Der Schluss ist sehr gelungen, weil er etwas über die Beziehung ahnen lässt. Ich könnte mir dazu einen anderen Titel wie "Schottland 1991, postlagernd" oder Ähnliches besser vorstellen, als das doch für mich unlyrisch wirkende Give Way. Gern gelesen!
LG
Manfred

Klara
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Beitragvon Klara » 21.02.2007, 22:24

Hallo,

dank euch sehr für euer wohlwollendes Feedback.

Das freut mich.

Schottland ist so lange her... ach, ich würd gern mal wieder... dahin.

Max, es ist schön, dass es so ankommt!!
Leonie: dito.

Hoedur: Karla ist auch hübsch, aber in diesem Fall wäre es Klara ,-)

Nein, Manfred/Perry, mehr gibt es nicht zum Adressaten des Briefes, wer immer es sei, vielleicht ist es ja Schottland selbst? Oder die Inseln, oben, wo die Steine stehen aus uralten, matriarchalen Zeiten? Oder das Meer? Oder das sprechende Ich, selbst, halbverrückt, mit sich selbstsprechend, oder ganz verrückt?

Das Give Way überlege ich noch.

Grüß euch
klara (meinetwegen auch karla)


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