In der Stille

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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leonie
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Beitragvon leonie » 29.01.2007, 22:51

In der stille

höre ich
gedanken wandern
sie gehen barfuß
bebildern unsere träume
erklimmen kantige berge um
auf verschneiten tannen
zu rasten
schwimmen in
gläsernen seen
blicken auf die
kiesel am grund
halten ihre gesichter in
silbrige sonnen trinken
aus überquellenden oasen
auf farbigem sand
treiben mit wellen
die kein blau
je gemalt

und wandern
weiter

als könne
kein wort sie
zerstören



Zwischenzeitliche Neufassung, bevor ich zur ursprünglichen zurückkam:

In der stille

höre ich
gedanken wandern
sie gehen barfuß
bebildern unsere träume
erklimmen kantige berge
um auf verschneiten tannen zu rasten
schwimmen in gläsernen seen
blicken auf die kiesel am grund
halten ihre gesichter in silbrige sonnen
trinken aus überfließenden quellen
lehnen an farbige oasen auf wüstensand
treiben mit wellen die kein blau
je gemalt

und wandern
weiter

als könne
kein wort sie
zerstören


Anfang vorher:

In der stille

höre ich gedanken
wandern sie gehen
barfuß bebildern
landschaften
unserer träume


Schluss vorher:

und wandern
weit
weiter

wandern

als könne
kein wort sie
zerstören
Zuletzt geändert von leonie am 01.02.2007, 21:49, insgesamt 5-mal geändert.

Herby

Beitragvon Herby » 30.01.2007, 00:10

Liebe leonie,

auch Du, ähnlich wie Magic, nimmst den Leser hier auf eine Reise, eine Gedanken- und Traumreise mit und entwirfst dabei, wie ich finde, sehr schöne poetische Stationsbilder.

Was mich nur beim Lesen störte, ist Deine Setzung der Verse, z.B. hier:

höre ich gedanken
wandern sie gehen
barfuß bebildern
landschaften


Nach meinem Empfinden bringt sie eine gewisse Unruhe in den Text und stellt sich somit quer zum Titel, mit dem ich eine ruhige, eher meditative Stimmung assoziiere. Es würde mich sehr interessieren zu erfahren, welche Überlegungen Dich hinter dieser Setzung stehen.

Liebe Grüße
Herby

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leonie
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Beitragvon leonie » 30.01.2007, 10:29

Lieber herby,

danke für Deine schnelle Rückmeldung. :smile:

Ich glaube, ich probiere vielleicht zur Zeit etwas zuviel mit der Setzung, da ist es ganz gut, wenn einen mal einer "zurückpfeift". Witzigerweise war sie genau an der Stelle erst anders, dann aber dachte ich, ich möchte barfuß bebildern in einer zeile haben. Aber ich sehe ein, es ist ein bisschen zuviel "gewollt".
Ich überarbeite das.

Liebe Grüße

leonie

Mucki
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Beitragvon Mucki » 30.01.2007, 11:58

Hallo leonie,

ich gehe mit dir auf diese schöne Reise,-)

Bei diesem Passus:

und wandern
weit
weiter

wandern


würde ich noch verdichten. Ich weiß, was du meinst, willst diesen Gedanken quasi nachhallend "weitertragen", dennoch würde ich es so schreiben:

und wandern
weiter

Du hast eine traumhafte Atmosphäre geschaffen mit deinen Zeilen,-)
Saludos
Magic

Herby

Beitragvon Herby » 30.01.2007, 12:02

Liebe leonie,

Als ich Dir schrieb, dass ich mich mit der Setzung schwer tue, war es nicht meine Absicht, Dich zurückzupfeifen, sondern es ging mir darum, Dir Leseeindrücke zu schildern. Das, was mich stört, kann ja durchaus einen anderen Leser ansprechen. Und da bisher noch keine weiteren Kommentare gekommen sind, würde ich erst einmal abwarten und nichts vorschnell ändern. Es ist in meinen Augen doch weniger die Frage, womit ich als Leser eines Gedichtes leben kann, als vielmehr die, womit Du als Autorin leben kannst, ohne dass DEIN Text sich der von Dir vorgesehenen Konzeption und Intention entfremdet.

Liebe Grüße
Herby

oops... ich sehe gerade, Magic war mit ihrem Kommentar schneller. Aber was sie schreibt, bekräftigt mich in dem, was ich meinte.

Sneaky

Beitragvon Sneaky » 30.01.2007, 12:53

Hallo leonie,

die Überarbeitung des Anfangs ist gelungen, erstaunlich, was ein geänderter Umbruch bewirken kann. Die meditative Stimmung ist sehr angenehm zu spüren.

Bei dem einen oder anderen Adjektiv nehme ich anderes mit, als du wahrscheinlich vermitteln wolltest.

kantige Berge z.B. schränkt die Berge für mich eher in Richtung "Würfel" .

Sanfte Sonnen wieder ist mir zu vom Sinn her zu süß, vielleicht gibts was anderes, was die Alliteration hält?

Ein schönes Stimmungsgedicht.

r.

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leonie
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Beitragvon leonie » 30.01.2007, 16:20

Liebe magic,

ja, ich denke, am Schluss straffe ich doch noch etwas.

Lieber herby,

nein, Deine Worte waren genau richtig, ich habe sie auch so verstanden als Lesereindruck (deshalb "zurückpfeifen" in Anführungsstrichen). Und wenn ich mir selbst sicher wäre, hätte ich nichts geändert.

Lieber reimerle,

bei "kantige berge" möchte ich nochmal abwarten, es soll ja auch metaphorisch sein...Bei den Sonnen überlege ich, "sanft" ist natürlich sehr ausgelutscht, beschreibt aber hier, was ich meine.
Vielleicht "samtene", "silbrige", etwas in der Art?

In mir ist jetzt noch eine Frage zum Anfang aufgetaucht: Wäre "im schweigen" vielleicht besser als "in der stille"? Ist es deutlich, dass es um das geht, was zwischen zwei menschen stattfindet, die miteinander schweigen können? Oder muss ich das noch deutlicher herausarbeiten?

Vielen Dank Euch allen und liebe Grüße

leonie

Mucki
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Beitragvon Mucki » 30.01.2007, 16:31

Hallo leonie,

In mir ist jetzt noch eine Frage zum Anfang aufgetaucht: Wäre "im schweigen" vielleicht besser als "in der stille"? Ist es deutlich, dass es um das geht, was zwischen zwei menschen stattfindet, die miteinander schweigen können? Oder muss ich das noch deutlicher herausarbeiten?


ich finde, das einträchtige Schweigen kommt wunderbar heraus. Den Titel würde ich so belassen. Er hat so etwas Positives, während "im Schweigen" eher negativ besetzt ist.
Saludos
Magic

scarlett

Beitragvon scarlett » 30.01.2007, 20:43

Liebe leonie,

die Bilder, die du in deinem Gedicht malst, finde ich sehr schön, sie nehmen einen richtig mit wie auf eine Reise ins Land der Phantasie.
Die Gedanken, die barfuß wandern... das hat wirklich was.

Den geänderten Schluß finde ich auch besser als vorher, allerdings: mit der Setzung komm ich auch nach mehrmaligem Lesen (und ich habe dein Gedicht wirklich sehr oft gelesen) einfach nicht klar. Ich kann keinen Sinn darin finden, warum ab ca der Mitte diese Setzung so anders wird, mir erscheint das zu gewollt, aber wozu? mit welchem Zweck? Sehe ich ihn nur nicht?

Bitte sei nicht böse, es ist ja Geschmackssache vielleicht, aber ich denke, daß vor allem gegen Ende hin der Text wie "aufgedröselt" wirkt, wie eine Spule, von der das Garn allmählich alle wird...und ich verstehe nicht, warum.

Ansonsten wie gewohnt ansprechend, schön!

Grüße,

scarlett

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Beitragvon leonie » 30.01.2007, 21:03

Liebe magic,

danke für Deine Rückmeldung, das ist gut zu wissen, dass Du es "herausgelesen " hast, was mir so wichtig ist.

Liebe scarlett,

danke für Deine Rückmeldung. Nein, ich bin überhaupt nicht böse, die Setzung ist bei mir oft so eine intuitive Sache, ich möchte nochmal abwarten, ob dazu andere noch was schreiben. Ich denke, ich werde für mich aber mal ausprobieren, ob ich es mir auch anders vorstellen kann oder ob es mir dann sehr falsch vorkommt....

Liebe Grüße

leonie

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Beitragvon leonie » 31.01.2007, 12:36

Liebe scarlett,

hier kommt wie versprochen der Versuch einer neuen Setzung mit kleinen inhaltlichen Änderungen.

Liebe Grüße

leonie

Mucki
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Beitragvon Mucki » 31.01.2007, 12:52

Hallo leonie,

ich halte die zweite Version, also nicht die neue, für sehr viel gelungener. Durch die Überhänge fließt/schwebt dein Gedicht. Durch die neue Setzung fällt dies weg.
Saludos
Magic

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 31.01.2007, 14:56

Liebe leonie,

bis auf eine Stelle

schwimmen in
gläsernen seen blicken
auf die kiesel


ist deine Setzung der zweiten Version für mich durchaus gelungen! Mit dem schweben als entscheidenden Faktor, gebe ich magic völlig Recht. Das liegt auch am versteckten Wirken der Adjektive, die sonst zu auffällig werden.

Version 3 mag ich nicht so sehr (seltsam wie stark die Umbrüche in diesem Text gestalten).

Wenn du Umbrüche magst, wäre dies mein Entwurf:

In der stille

höre ich
gedanken wandern

sie gehen barfuß
bebildern landschaften unserer träume
erklimmen kantige berge
um auf verschneiten tannen zu rasten

in gläsernen seen
schwimmen sie
blicken auf die kiesel am grund
halten ihre gesichter in
sanfte sonnen

sie trinken aus überfließenden quellen
in farbigen oasen auf wüstensand
treiben mit wellen
die kein blau je gemalt

und wandern
weiter

als könne
kein wort sie
zerstören


(Du müsstest also (siehe Strophe 3 hier die Umstellung) in einer gebrochenen Version zumindest einmal den Satzbau ändern, weil sonst ein bisschen das gleiche passiert wie in Max Dämmerung. So gebrochen gefällt es mir auch ganz gut...aber die ungebrochene Version hat auch was.

Der Text wird seinem Titel gerecht und ich habe ihn sehr gern gelesen!

Liebe grüße,
Lisa

Stille empfinde ich viel besser als Schweigen.
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

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Beitragvon leonie » 31.01.2007, 17:31

Liebe magic,

vielen Dank für Deine Einschätzung, sie bestärkt meinen eigenen Eindruck. Wie gesagt, ich mache die Setzung oft eher intuitiv und wenn ich es jetzt begründen sollte, denke ich, es dient der verlangsamung. Wenn dadurch etwas Schwebendes entsteht, umso besser.

Liebe Lisa,

auch Dir vielen Dank. Ja, je öfter ich es in der Neufassung lese, desto mehr erinnert es mich auch an die Diskussion unter max´Dämmerung. Ih denke, ich lasse es bei der Setzung wie in der älteren Fassung und verändere die von Dir angemerkte Stelle. Außerdem störe ich mich selbst noch an den "überfließenden Quellen", da versuche ich noch etwas anderes.

Liebe scarlett,

kannst Du mir noch einmal genau die Stellen nennen, die Dich an der Setzung stören? Vielleicht hast Du ja auch noch einen ganz andere Idee?

Liebe Grüße und danke Euch allen für die Mühe!

leonie


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