kyrill

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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Thomas Milser
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Beitragvon Thomas Milser » 18.01.2007, 21:26

thomas milser
18/I/2007


kyrill

- ein sturmtief -


wenn es zum ersten mal wirklich still ist
in unserer kneipe
und nur die teelichter brennen

der ganze stadtteil im dunkeln liegt
und alles innehält
als sei krieg

- als es wieder strom gibt hören wir volksempfänger
  fürchten das grollen
  und rücken zusammen -

zeigt selbst dieser mickrige sturm uns
wie jämmerlich
wir wirklich sind
Zuletzt geändert von Thomas Milser am 24.01.2007, 07:54, insgesamt 10-mal geändert.
Menschheit, Du hattest von Anfang an nicht das Zeug dazu... (Charles Bukowski)

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Thomas Milser
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Beitragvon Thomas Milser » 18.01.2007, 21:30

Über Strophe 3 ist das letzte Wort noch nicht gesprochen., aber aus aktuellem Anlass musste das Ding sofort raus...

edit: nach dem 10ten Versuch lasse ich es jetzt so stehen...

...erstmal... :o]

Tm
Zuletzt geändert von Thomas Milser am 18.01.2007, 22:35, insgesamt 1-mal geändert.
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leonie
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Beitragvon leonie » 18.01.2007, 21:47

Hi Tom,

ist/war der Strom bei Euch schon ausgefallen? Hier war das vor einiger Zeit einmal so, das ganze Viertel war eine Stunde lang stockduster. Da konnte man sich nicht vorbereiten und ich habe erstmal eine ganze Weile gebraucht , um Taschenlampe und Kerzen zu finden.
Ich kann Deine Gedanken in dem Gedicht gut nachvollziehen.
Ich mag solche Ereignisse wie Kyrill, weil sie die Grenzen aufzeigen...(Das soll nicht zynisch sein, ich weiß natürlich, dass dabei eine Menge Schäden entstehen und hoffe, dass Menschenleben verschont bleiben)

Liebe Grüße

leonie

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Thomas Milser
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Beitragvon Thomas Milser » 18.01.2007, 21:51

leonie hat geschrieben:Ich mag solche Ereignisse wie Kyrill, weil sie die Grenzen aufzeigen


Ja.
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Lisa
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Beitragvon Lisa » 18.01.2007, 22:01

Lieber Tom,
auf ein Sturmgedicht im Sturm zu antworten hat was, also muss der Komm auch gleich raus ;-).

Eben stand in deinem Komm dazu noch, dass Strophe 2 und 3 noch wackelig sein, dem widerspreche ich, auch wenn da jetzt was anderes steht.

ah jetzt sehe ich der Text hat sich schon auch geändert...naja...

So oder so finde ich es nahezu "perfekt" gesetzt, sagt mir sehr zu, trifft.

ZUr ersten Version wollte ich sagen: Allein die umgekehrte Reihenfolge im Gegensatz zu vorher ist seltsam gesetzt, jetzt gilt das komplett für Strophe 3.

Wirkt irritierend, dass du in Strophe 1 mit wenn beginnst, es aber in Strophe 3 schon durch ein Danach brichst und erst in Strophe 4 zum dann kommst. Könnte ich nun als Auge des Sturms deuten, (das, was deutlich wird), mag ich aber nicht, find ich einfach nicht gut gesetzt, das Gebannte des Textes fliegt fort damit.

(ich glaub, ich fand die Version von vorhin eh stärker).

Trotzdem - :antwort: Ingsesamt serh schlagkräftig und doch zart.

(Das schönste Anlassgedicht, das ich je gelesen habe ;-)).

Liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

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Thomas Milser
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Beitragvon Thomas Milser » 18.01.2007, 22:07

*schamelz*

Lisa, der Break in Strophe 3 ist genau das, was ich jetzt durch immer neue Versionen beobachte und letztendlich wirklich so will. Ich möchte dieses 'durchfließen' - was meinen Texten generell anheim ist - brechen. Erscheint mir neuerdings zu glatt.
Es ist aber nicht das Auge des Sturms, sondern eher das Gegenteil, nämlich schlichtweg eine Böe. Aber so eine Böe kann einem immer noch den ganzen Schirm kaputtmachen.

Danke,
Tom.

p.s. an der 'Wenn-Dann'-Konstruktion habe ich lange gefeilt. Habs dann sogar ohne 'dann' nach Hause geschaukelt. Das war das Hauptproblem. Sie gucken wirklich gut hin, Madame! :o)

p.p.s. Sie wurden soeben Zeugin eines Live-Entwurfs. Daher die Anfangsverwirrung. Ich brauchte das aber für den Prozess, wenn Sie verstehen, was ich meine?
Menschheit, Du hattest von Anfang an nicht das Zeug dazu... (Charles Bukowski)

Jürgen

Beitragvon Jürgen » 18.01.2007, 22:35

Hallo Tom

Ich lese das Gedicht gerade erst und weiß daher nicht, wie und ob es sich verändert hat.

Es trägt und Strophe vier bietet die richtige Konklusion. Hier hatten wir zwar den ganzen Tag Strom, aber wenn ich so aus dem Fenster sehe. Krieg mag mehr griefbare Tote und mehr Zerstörung vorzuweisen haben, doch das da draußen ist schon ein bedrohliches Szenario.

Bis demnächst

Jürgen

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Thomas Milser
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Beitragvon Thomas Milser » 18.01.2007, 22:40

Ja, Jürgen, genau: ein Szenario.

Ohne die Benennung seitens der Medien wäre es keins, sondern schlichtweg ein bisschen mehr Wind als sonst.

Wir degenerieren. Die Wahrnehmung stimmt nicht mehr. Das prangere ich an.

Tom.

p.s.: Ich muss das lesen, dann ist die dritte Strophe sofort klar.
Menschheit, Du hattest von Anfang an nicht das Zeug dazu... (Charles Bukowski)

Klara
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Beitragvon Klara » 19.01.2007, 00:10

Hallo,

gefällt mir. (keine bemerkungen gelesen)
(der Name des Sturms gefällt mir übrigens auch - kann man das auch kaufen? So wie die Namen von Hochs und Tiefs - mal männlich, mal weiblich? Hat sich jemand Kyrill gekauft? Für seinen Kanarienvogel vielleicht? - kyrill! kyrill!)

beim lesen sperre ich mich gegen das späte dann - aber das macht vielleicht nix.

die volksempfänger finde ich besonders gelungen.

zwei sachen verstehe ich nicht:
warum "selbst" der mickrige sturm?
und warum muss er mickrig sein? gibt es mehr als (Orkanstufe 12 oder wie das heißt)? oder urteilt implizit ein göttlicher blick, für den alles nach der sintflut mickrig kommt, nur um sich gleich drauf zu geißeln für die Hoffahrt?

Man könnte das dann ohne Probleme inhaltlich in die zweite Strophe legen und die letzte zum normalen Hauptsatz machen. Behauptungssatz. Aber ich glaube, so wie es jetzt ist, ist es besser.

LG
Klara

aram
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Beitragvon aram » 19.01.2007, 01:56

hallo tom,

du entwickelst dich zum lyrikreporter. eine stärke, wie ich finde - entsprechend ansehnlich ist das ergebnis.

nachtgruß
aram

Klara hat geschrieben:der Name des Sturms gefällt mir übrigens auch - kann man das auch kaufen? So wie die Namen von Hochs und Tiefs - mal männlich, mal weiblich? Hat sich jemand Kyrill gekauft?

Lübeck/Berlin (dpa/bb) - Der Name des Orkantiefs «Kyrill» ist ein Geburtstagsgeschenk. «Wir drei Kinder haben unserem Vater (Kyrill Genow) die Namenspatenschaft zu seinem 65. Geburtstag geschenkt», sagte Rumen Genow aus Neuenhagen bei Berlin den «Lübecker Nachrichten» (Freitag). «Eigentlich sollte es ein Hochdruckgebiet werden, aber das gab es nicht mehr. Nun ist es ein Sturmtief geworden, und wir hoffen selber, dass wir glimpflich davonkommen», sagte Genow. Die Namenspatenschaften für Hoch- und Tiefdruckgebiete werden vom Institut für Meteorologie der FU Berlin vermarktet. Ein Tief kostet den Angaben zufolge 199 Euro, ein Hoch 299 Euro.

quelle: newsticker der berliner morgenpost, 18.1.07 18:11, http://www.morgenpost.de
there is a crack in everything, that's how the light gets in
l. cohen

königindernacht

Beitragvon königindernacht » 19.01.2007, 18:37

Ja, ein Lyrikreporter ist er. Und ein guter! Das Gedicht fängt genau ein, was Viele von uns dachten.

Meine Anerkennung, KÖ

Max

Beitragvon Max » 19.01.2007, 19:40

Lieber Tom,

gefällt mir die Szene des Sturms. Bei mir wäre der Hauptkritikpunkt auch nicht so sehr die dritte Strophe, die zwar in meinen Augen etwas dichter könnte, aber sei's drum, sondern eher die letzte
zeigt selbst dieser mickrige sturm uns
wie jämmerlich
wir wirklich sind


wo mir nicht klar ist, ob "mickrig" notwendig ist und ob "jämmerlich" wirklich notwendig ist, um "klein" auszudrücken.

Liebe Grüße
max

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eva
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Beitragvon eva » 19.01.2007, 20:31

hallo thomas,

die ersten beiden strophen fließen so, dass ich die spannung mitempfinde und unwillkürlich den atem anhalte dabei.
doch dann stolpere ich über das wiederholte "als" und das nicht, weil plötzlich das licht angeht.
und es wird mir nicht schlüssig, dass der volksempfänger das grollen einschaltet, während ich gebannt den eindringlichen hiobsbotschaften lausche - die stimme des sturmes war für mich vorher viel deutlicher.
und zuletzt wird der sturm diskriminiert - ich finde, das hat er nicht verdient, bloß weil er uns den spiegel vorhält.
aber bei aller kritik - ich mag die stimmung, die du einfängst.

kyrillinische grüße
eva

Birute

Beitragvon Birute » 19.01.2007, 21:03

Huhuuu lieber Tom,

mir geht es beim Lesen wie dem Max.
Ich bin nicht jämmerlich, und dieser Sturm hat unser komplettes Dach vom Haus gepustet. Das kann doch ein "Mickriger" nicht.
Die vierte Strophe würde ich überdenken.

Lieben Gruß
Birute


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