winterdämmern

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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leonie
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Beitragvon leonie » 28.12.2006, 23:10

winterdämmern

die welt
ein schwarzweißes bild

wieder
sich bergen
in den holzduft
des vaters

dem gesang
der mutter lauschen
engel wachen
in der nacht

doch
mit dem schnee
zerschmelzen
die flügel

kühl rinnt
kindheit
durch die finger
und
die selbstgebauten leitern
erreichen den himmel nicht

ich greife
den wolken
hinterher
auf der suche
nach morgen


Erstfassung:

die welt
ein schwarzweißes bild

wieder
sich bergen
in den holzduft
des vaters

und den gesang
der mutter
engel wachen
in der nacht

doch
mit dem schnee
zerschmelzen ihnen
die flügel

kühl rinnt
kindheit
durch die finger

und
die selbstgebauten leitern
erreichen den himmel nicht

ich greife
den wolken
hinterher

auf der suche
nach morgen
Zuletzt geändert von leonie am 30.12.2006, 13:06, insgesamt 3-mal geändert.

Mucki
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Beitragvon Mucki » 29.12.2006, 00:24

Liebe leonie,

dein Gedicht berührt mich sehr. Es trifft den Nerv. Soviel Wehmut und Sehnsucht und wunderbare Bilder beschreibst du.

Ich würde, um es noch intensiver zu gestalten, das Ich in die Verse auch oben einbringen.
(meines vaters, meiner mutter, durch meine finger etc.)
und die beiden Schlusszeilen braucht es nicht. Das Gedicht ist stärker ohne sie.
berührte Grüße
Magic

Gast

Beitragvon Gast » 29.12.2006, 00:53

Liebe leonie,

...da bin ich ausnahmsweise mal nicht fürs Kürzen...

Für mich sind die letzte zwei Verse die wichtigsten überhaupt.
Das Lyrich auf der Suzche nach der Zukunft ohne die Stützen der Vergangenheit.
Jedenfalls , interpretiere ich deine zarten Worte so.
Der Winter ist Bild für Vergehen, so wie der Schnee schmilzt, schmilzt die Kindheit dahin un der Schutz, den die Eltern gewährt haben. das Schwarz/Weiß interpretiere ich in Richtung Gut/Böse, also die einfache Einteilung die in der Kinderwelt gültig ist.
Die Selbstständigkeit, die sich das Lyrich schafft, steht noch auf wackligen Beinen.
Noch mal auf Wolken schweben, do leicht dahin, wie früher... aber das ist vorbei und die Zukunft unsicher...

Was die Setzung angeht hätte ich Änderungsvorschläge, ansonsten gefällt mir dein Text sehr. Die Frage ist nur, ob mein Lesen deiner Intention nicht zugegen läuft.

Nächtliche Grüße
Gerda

winterdämmern

die welt
ein schwarzweißes bild

wieder
sich bergen
in den holzduft
des vaters
und den gesang
der mutter

engel wachen
in der nacht
doch
mit dem schnee
zerschmelzen
die flügel

kühl rinnt
kindheit
durch die finger
und
die selbstgebauten leitern
erreichen den himmel nicht

ich greife
den wolken
hinterher
auf der suche
nach morgen

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leonie
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Beitragvon leonie » 29.12.2006, 12:33

Liebe magic,

danke für Deinen Kommentar, er freut mich sehr! Witzigerweise hatte ich das lyrIch in der ersten Versen drin und habe es dann wieder rausgenommen. Ich überlege das nochmal.

Liebe Gerda,

auch Dir vielen Dank! (Freu!!!) Die Setzung habe ich gewählt, weil der Gesang der Mutter von Engeln handelte. Für mich gehören sie deshalb eher zu der Strophe dazu. Aber Deine Setzung gefällt mir auch sehr. Ich lasse mir das in Ruhe noch einmal durch den Kopf gehen.

Liebe Grüße

leonie

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leonie
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Beitragvon leonie » 30.12.2006, 13:08

Liebe magic, liebe Gerda,

jetzt habe ich mir den Text noch einmal vorgenommen und kleine Änderungen vorgenommen, vor allem in der Setzung und in der zweiten Strophe. Die beiden letzten Zeilen sind mir doch wichtig, deshalb möchte ich sie erstmal so lassen.

Liebe Grüße

leonie

Max

Beitragvon Max » 30.12.2006, 13:25

Liebe Leonie,

das finde ich mal wieder ein sehr gelungenes Gedicht von Dir.

Schon das schwarz-weiß als Bild für den Winter zu verwenden und gleichzeitig (jedenfalls bei mir) das Schwarz-weiß alter Photografien (die gehören dann auch mit ph geschrieben ;-) ) zu assoziieren finde ich sehr gut. Überhaupt besticht das Gedicht in meinen Augen dadurch, dass die Bilder nahtlos ineinander übergehen, keine Brüche zu lesen sind. Dass mit dem Schnee die Flügel schmelzen und gleichzeitig die Kindheit, die dann durch die Finger rinnt, ist ein Beispiel hierfür, die Himmelleiter, die zu kurz ist, um den Wolken hinterherzugreifen ein weiteres.

Habe ich sehr, sehr gern gelesen.
Liebe Grüße
max

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noel
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Beitragvon noel » 30.12.2006, 18:15

jajajaaaaaaaaaa
hartes winterkonturen
geruch von holz
gesang
alle sinne lässt du
sprechen
mir

zu den 2 versionen kann ich momentan
noch einfach
nUr berührt
nichts sagen
der in
_halt hat mich halt
gefangen

noel
NOEL = Eine Dosis knapp unterhalb der Toxizität, ohne erkennbare Nebenwirkung (NOEL - no observable effect level).

Wir sind alle Meister/innen der Selektion und der konstruktiven Hoffnung, die man allgemein die WAHRHEIT nennt ©noel

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leonie
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Beitragvon leonie » 30.12.2006, 21:41

Lieber Max,

danke für Deine Worte, über die ich mich sehr freue. Du hast es so verstanden, wie ich es gedacht hatte, das freut mich auch. Ebenso, dass Du die Nahtlosigkeit der Bilder lobst, weil ich das mit Bedacht so geschrieben habe. Dass diese alten Bilder Photographien sind, finde ich auch, allerdings bei mir sogar mit zweimal "ph"...

Liebe noel,

schön, dass das Gedicht Dich anspricht, darüber freue ich mich sehr! (auch über Deine Stimme...)

Liebe Grüße

leonie

königindernacht

Beitragvon königindernacht » 30.12.2006, 22:24

Den Worten von Max gibt es nichts mehr zuzusetzen, ein wunderschöner guter, ein wenig melancholischer und zum Schluss optimistischer Text. Sehr gern gelesen,

herzlichst, KÖ

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leonie
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Beitragvon leonie » 01.01.2007, 22:09

Liebe Kö,

vielen, vielen Dank, ich freue mich! :smile:

Liebe Grüße

leonie

Gast

Beitragvon Gast » 01.01.2007, 22:36

Liebe leonie,

nur kurz noch mal als Rückmeldung, ich habe die 2. version gelesen. Ich kann nachvollziehen, warum du die setzung nur bei den letzten 4/ jetzt 2 versen übernommen hast.

Liebe Neujahrsgrüße
Gerda

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leonie
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Beitragvon leonie » 01.01.2007, 23:15

Liebe Gerda,

das freut mich sehr. Ich glaube, durch das "lauschen" ist der Bezug jetzt klarer...

Dir auch alles Gute fürs neue Jahr! Und danke!

leonie

aram
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Beitragvon aram » 05.01.2007, 16:18

liebe leonie

(keine kommentare gelesen)

wieder ein text von dir, an dem in meinen augen alles stimmt - mit ausnahme der letzten strophe, die ich ersatzlos streichen würde - sie wirkt verhältnismäßig kitschig und abgegriffen, trägt kaum aussage.

toll, wie ruhig deine bilder in worte fließen, von denen keines zu viel ist (nicht ganz sicher bin ich nur bei "wieder")

anstelle von "sich" könnte auch "mich" stehen, oder? (hier habe ich ein ganz klein wenig den eindruck, als würde sich das lyr.ich von seinen gefühlen trennen)

schade, dass sich titel und s1 etwas in die quere kommen - in umgekehrter reihenfolge lese ich ruhiger:


die welt
ein schwarzweißes bild

winterdämmern

sich bergen
(...)


die transparenz, die gültigkeit des textes, das persönlich-überpersönliche, sprechen mich sehr an.

liebe grüße
aram
there is a crack in everything, that's how the light gets in
l. cohen

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 05.01.2007, 16:56

Liebe leonie,
ich schließe mich an, ein sehr gelungener und zugänglicher text, auch sinnlich ein sehr winterlicher Text, eben nicht nur durch den Titel, das gefällt mir (den Titel mag ich soweiso sehr). Ich bin wohl die einzige, der das Schwarz/weiß-Bild am Anfang nicht gefällt. Ich habe auch nicht mal eine Begründung dafür (vielleicht ist es, weil mir selbst vor Kurzem ein Gedicht über ein S/W-Photo vorübergehnend zerbrochen ist ;-), vielleicht ist es auch, weil S/W in so vielen Gedichten und Texten bemüht wird, aber du benutzt es ja gar nicht im typischen Klischee). Alles andere spricht mich aber sehr an, auch die letzte Strophe, die ich nicht als kitschig empfinde. Ich finde sie auch nicht, dass sie nichts Neues erzählt. Fast aber fällt sie etwas aus dem restkontext heraus, das ist das einzige, was sie mir auffällig macht.
Ein starker text und am besten sagt man es in diesem Forum wohl, indem man aram zitiert ;-):

die gültigkeit des textes, das persönlich-überpersönliche, sprechen mich sehr an


Und ob!

Liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.


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