Mittwintermorgen

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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annette
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Beitragvon annette » 19.12.2006, 21:10

Die längste Nacht durchwacht,
wo der Pfad sich verzweigt,
warte ich auf den Morgen,
dass die Sonne auch mich wendet.

Im neuen Licht lese ich
die Maserung meines Lebens.
Wische mir den Kuss von der Wange
und streife die Blicke ab.

Nehme nicht mehr den Weg
an geknickten Blumen entlang.
Schenke dem Wind Flügel
und singe das Meer in den Schlaf.


Alte Fassung:

Mein Schicksal geschultert durchwache ich
die längste Nacht.
Warte auf den Morgen,
dass die Sonne auch mich wendet.

Im neuen Licht lese ich
die Maserung meines Lebens.
Wisch mir den Kuss von der Wange,
Und streife die Blicke ab.

Nehme nicht mehr den Weg
an geknickten Blumen entlang.
Schenke dem Wind Flügel
und singe das Meer in den Schlaf.
Zuletzt geändert von annette am 25.12.2006, 19:45, insgesamt 4-mal geändert.

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annette
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Beitragvon annette » 25.12.2006, 15:31

Ich habe den Text nun überarbeitet.

In Strophe 2 und 3 habe ich nur Satzzeichen und Kürzungen korrigiert. Die beiden letzten Zeilen habe ich behalten, auch wenn der letzte Vers manchem sicher zu ruhig scheint für einen Aufbruch.

Auch die Blumen habe ich behalten, obwohl es nicht ins das jahreszeitliche Bild passt.
In Strophe 1 habe ich das Schicksal rausgenommen.

Viele Grüße, Annette

Max

Beitragvon Max » 25.12.2006, 15:37

Liebe Annette,

auch wenn ich zu Strophe 1 gar keine Anmerkungen hatte, gefällt mir die neue Fassung besser als die erste. Besonders schön ist, der sich verzweigende Pfad ...

Fie Blumen würde ich nach wie vor ersetzen, aber das ist, wie die obige Diskussion zeigt, ja Geschmackssache.

Liebe Grüße
max

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Beitragvon leonie » 25.12.2006, 15:43

Liebe Annette,

ich stimme Max zu. Außerdem würde ich überlegen, das zweite "neu" in der zweiten Strophe rauszulassen. So wie es in der Ursprungsfassung ja auch war.

Liebe Grüße

leonie

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annette
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Beitragvon annette » 25.12.2006, 19:45

Leonie, ja klar, das "neu" hat sich da reingeschmuggelt. Nehme ich gleich wieder raus.
Dank Dir!

Gruß, Annette

carl
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Beitragvon carl » 27.12.2006, 10:37

Hallo Annette,

gefällt mir sehr!
Eine Nachfrage:
"wo der Pfad sich verzweigt" liest sich wie eine anstehende Entscheidung. Die berühmte Weggabelung.
Das ist was anderes als ein Neuanfang.
So hatte ich Dein Thema verstanden.
"wo Pfade verzweigen" würde z.B. diesen Akzent abschwächen.
(Das reflexive "sich" hätte ich dem Lyrich reserviert ;-))
Schön finde ich auch das von Dir vermutlich nicht beabsichtigte Versmaß:
Immer drei Hebungen, bis auf je eine Zeile pro Strophe, die mit der Sonnenwende, dem abgewischten Kuss und den Pfad der geknickten Blumen. Die haben vier.

Liebe Grüße, Carl

königindernacht

Beitragvon königindernacht » 27.12.2006, 10:59

Mir gefällt dein Gedicht und ich schwäche carls Hinweis ein wenig ab: Eine Entscheidung bringt auch automatisch eine Veränderung mit sich, warum soll diese nicht mit Neuanfang gleichgesetzt werden? Die "geknickten Blumen" sind das Einzige, was mir ein wenig zu melodramatisch ist und nicht so recht ins Bild passt- obwohl ich weiß, wie du es meinst. Vielleicht gibt es doch noch ein Mittwinterbild, das sich mehr eignet.

Dennoch: Ein sehr gelungenes Gedicht,

herzlichst, KÖ

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annette
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Beitragvon annette » 04.01.2007, 19:54

Hallo carl, hallo KÖ, entschuldigt, dass ich noch nicht geantwortet habe.

@Carl, Deine Frage nach dem sich verzweigenden Pfad könnte ich nicht besser beantworten als KÖ es getan hat. (Ich hatte auch an Wegkreuzung gedacht, wollte aber das Kreuzsymbol vermeiden.) Ja, es ist eine Entscheidung, die vor dem Neuanfang liegt: Die Entscheidung, nicht wieder den Weg an den (vielleicht etwas melodramatischen *g*) geknickten Blumen entlang zu nehmen.
Und: Nein, das Versmaß war tatsächlich nicht beabsichtigt. Schön, dass Du mich darauf hinweist.

@KÖ, ja, ich hab die Blumen stehen lassen. Meine Alternative wären geknickte Zweige gewesen, aber die waren mir nicht bildkräftig genug.

Danke Euch fürs Lesen und Kommentieren!

Peter

Beitragvon Peter » 07.01.2007, 17:09

Hallo Annette,

meine Antwort kommt ein bisschen spät, aber...

du fragst:

Was mich verwirrt, ist Deine Beobachtung, dass "die Dichterin hier für sie bekannte Worte/ Orte wiederholt“.


Woher weißt Du, dass die Worte/Orte mir bekannt sind?


Ich meine, dass die bekannten Worte in den "genickten Blumen" stehn, und dass überhaupt das Bekannte (das dem lyr. Ich Bekannte) zum Grund(-ton, -inhalt) deines Gedichts gehört.

Was ich nicht meinte ist, dass das Gedicht "abgedroschen" klingt. Es klingt für mich eher "erschöpft", und spricht von der Erschöpfung, aber natürlich auch von der Hoffnung auf eine Wende.

Beim ersten Lesen erfuhr ich ja etwas Seltsames. Erst hörte ich wenig, ich sah keine Gegenwart (nach der ich immer suche) in deinem Gedicht, sondern eher eine Wiederholung und Anleihe an ein Vergangenes... Mir fehlte das Originäre... Aber als ich dann meinte, damit dem Gedicht begegnet zu sein, und schon weggehen wollte, kam es mir nochmal nach, und ich dachte "Achso" und "Nanu". Da war etwas anderes... Da war ein Gegenwart... Es kam eine Stimme hervor... Aber das konnte ich nicht weiter in Worte fassen.

In deinem Gedicht kommt Form und Inhalt zusammen, Sprache und... Sprache.

Das lyr. Ich wird zur Sprache selbst. "Ich" heißt dann "Ich, die Sprache".

Das ist viel.

(Und bitte nicht auf die genickten Blumen verzichten! Ich halte eben diese für die "Schlüssel-Metapher" deines G.s.)

Liebe Grüße
Peter

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Beitragvon annette » 07.01.2007, 18:39

Peter,
ich freue mich, dass Du noch geantwortet hast!

Peter hat geschrieben:Beim ersten Lesen erfuhr ich ja etwas Seltsames. Erst hörte ich wenig, ich sah keine Gegenwart (nach der ich immer suche) in deinem Gedicht, sondern eher eine Wiederholung und Anleihe an ein Vergangenes... Mir fehlte das Originäre... Aber als ich dann meinte, damit dem Gedicht begegnet zu sein, und schon weggehen wollte, kam es mir nochmal nach, und ich dachte "Achso" und "Nanu". Da war etwas anderes... Da war ein Gegenwart... Es kam eine Stimme hervor... Aber das konnte ich nicht weiter in Worte fassen.


Hast Du den ersten Kommentar verfasst, ehe mein Text sich Dir doch noch etwas genähert hat? Ich meine, was Du heute schreibst, liest sich längst nicht mehr so kritisch wie Dein erster Kommentar.

Peter hat geschrieben:Es klingt für mich eher "erschöpft", und spricht von der Erschöpfung, aber natürlich auch von der Hoffnung auf eine Wende.

Ja, "erschöpft" trifft es ganz gut. Dementgegen steht die neue Kraft, die mit der Wende kommt und die sich dann in den letzten beiden Versen ausdrückt.

Danke für Deine Rückmeldung!

Lieber Gruß, annette

Peter

Beitragvon Peter » 07.01.2007, 19:23

Hast Du den ersten Kommentar verfasst, ehe mein Text sich Dir doch noch etwas genähert hat?


Dein Text (sagst du nicht "Gedicht"?) wurde mir im Kommentarschreiben selbst näher. Im Schreiben, im Lesen im Schreiben, geschah, was ich oben als das Seltsame beschrieb.

Die Wende...

(Ich glaub, ich hab dich ein bisschen bekümmert. Ich wollte dir so etwas wie ein "Lese-Modell" geben, aber natürlich auch selbst erfahren, was ich denke. Ich erkenne dies oftmals erst, indem ich (mich) (ver-)schreibe.)

Liebe Grüße
Peter

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Beitragvon annette » 08.01.2007, 00:10

Peter hat geschrieben:(Ich glaub, ich hab dich ein bisschen bekümmert.

Sagen wir: etwas beunruhigt. Weil ich das Gefühl hatte, dass Du vielleicht etwas in meinen Zeilen gelesen hättest, was mir selbst nicht ganz klar war.
Keine Ahnung, ob das so war.

Lieber Gruß, annette

Mucki
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Beitragvon Mucki » 08.01.2007, 01:31

Hola Annette,

no te preocupes muchacha, tu poema es salvaje,-)
Buenas noches
Magic

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Beitragvon annette » 08.01.2007, 09:47

Magic: lo uno no excluye lo otro *gg* - pero en serio (y en alemán): Bin ja schon wieder ganz entspannt.

Saludos, annette


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