In Deiner Stimme gewohnt (ehemals: Nachtmahl)

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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leonie
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Beitragvon leonie » 15.12.2006, 21:02

In Deiner Stimme gewohnt

aus Kastanienworten
ein Festmahl gewoben

Träume fragen nicht
sie tischen auf

und fressen an Dir
bis Du aufwachst

im Magen stechende Leere



Erstffassung:

Nachtmahl

In Deiner Stimme gewohnt
aus Kastanienworten
ein Festmahl gewoben

Träume fragen nicht
sie tischen auf
und fressen an Dir

Bis Du aufwachst
zu fahl (vorher: schwer) liegt
die Leere im Magen
Zuletzt geändert von leonie am 17.12.2006, 19:42, insgesamt 4-mal geändert.

Paul Ost

Beitragvon Paul Ost » 17.12.2006, 23:58

Ach Leonie,

zunächst sagte mir das Gedicht nicht viel. Aber jetzt... Naja, man träumt sich seine Realität so zusammen wie sie einem passt, bis man merkt, dass ist ja gar keine Wirklichkeit...

Einzig die Kastanienworte: Was ist das? Für mich sind Kastanien Bäume in Hinterhöfen, im Vorgarten oder auf dem Weg zum Kindergarten...

Wenn ich Stress habe, schlägt der mir auch immer auf den Magen.

Grüße

Paul Ost

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leonie
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Beitragvon leonie » 18.12.2006, 10:51

Ja, Paul Ost, das Vertrackte an Träumen ist ähnlich wie bei Gefühlen, dass sie sich gelegentlich weigern, sich dem Diktat des Verstandes zu unterwerfen. Man redet gut auf sie ein und sie machen doch, was sie wollen.

Kastanien sind nicht nur die Bäume, sondern auch die Früchte. Selbst als Stadtmensch hat man sie meistens schon einmal gesehen. Sie verbergen sich in einer stacheligen Schale. Sie haben einen dunklen, warmen Braunton und glänzen. Innendrin sind sie weiß und hart.
(Sie bringen Kinderaugen zum Leuchten und die Phantasie in Gang, so dass daraus oft kleine Tiere oder Ähnliches entsteht (aber das nur am Rande)).

Ich kann das alles in eine Beziehung zu Worten setzten, scheinbar einige der Kommentatoren auch...

Na, wie dem auch sei, ich wünsche Dir und Deinem Magen wenig Stress und grüße Dich

leonie

aram
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Beitragvon aram » 19.12.2006, 10:25

Max hat geschrieben:Aram, Du schreibst:
klar wird das festmahl in diesem fall "gewoben" - bitte lassen!

Leider schreibst Du aber nicht, wieso das klar ist ...


lieber max,

mir ist das deshalb 'klar', weil (...wie sag ich das jetzt...) es innerhalb der in überlagerung von einzelbildern erschaffenen bilderweld des gedichtes punktgenau zuordenbar ist, und die bilder damit untereinander verbindet, sodass der text eben nicht aus verschiedenen, disparat nebeneinanderstehenden einzelbildern besteht, sondern sein eigenes universum daraus bildet:

träume "verweben" unterschiedliche elemente zu einem ganzen, setzen sie in (sich aus ihnen konstituierenden, aber zugleich über sie hinausgehenden) zusammenhang - [genau das macht das gedicht in und mit seinen bildern] - der ausdruck "weben" passt also ganz traditionell auf träume; hier ist das "festmahl" nur aus illusion entstanden, also ist es ebenfalls "gewoben".

es gibt so gesehen mehr 'zubereitungsarten' für das mahl, als man in engerem assoziationskontext annehmen könnte - - eine gemalte pfeife, keine geschnitzte oder gedrechselte [ceci n'est pas une festmahl]

liebe grüße,
aram
there is a crack in everything, that's how the light gets in
l. cohen

Niko

Beitragvon Niko » 19.12.2006, 11:29

Träume fragen nicht
sie tischen auf


das find ich klasse, leonie! du bist im moment sehr gut drauf, was das kreative angeht. das ganze gedicht zeugt davon! kastanien zu einem festmahl......... einersets schwer vorstellbar, andererseits ist es gerade das, was das bild so stark macht. ein festmahl, wie man es sich nicht vorstellen kann... :daumen:

den schluss find ich eine spur zu trocken. zu übergangslos.....nuja. mein empfinden halt....

lieben gruß: Niko

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leonie
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Beitragvon leonie » 19.12.2006, 15:01

Lieber Niko,

vielen Dank! Deine Rückmeldung freut mich. Irgendwie denke ich, der Schluss muss irgendwie etwas "Desillusionierendes" haben, eigentlich möchte ich das gar nciht ändern...

Liebe Grüße

leonie

lilly-rose

Beitragvon lilly-rose » 03.01.2007, 20:22

Hmm.

Also mir gefällt die erste Fassung (Nachtmahl) besser, bzgl. der Wortwahl.
Die Anordnung der Zeilen dürfte viel individuelles Empfinden bergen. Ich sähe es so am liebsten:

In Deiner Stimme gewohnt
aus Kastanienworten
ein Festmahl gewoben

Träume fragen nicht
sie tischen auf
und fressen an dir
bis du aufwachst .

Zu fahl liegt
die Leere im Magen.

"gewoben" find ich ausdrücklich passend, es handel sich für mich nun mal auch nicht für ein Festmahl im wörtlichen Sinne. Und, unsterstellt man der Assoziation zur Kastanie positives, so könnten es einladende, spielersche, verspielte, "glatte" oder auch "glänzende" Worte sein. "dir" und "du" habe ich bewusst klein geschrieben!

LG
Thomas

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Beitragvon leonie » 03.01.2007, 22:35

Lieber Thomas,

da bin ich überrascht, dass das wieder auftaucht. Ja, mit den Kastanien, das war in dieser Richtung gemeint. Ich hatte auch im Kopf, dass die Schale zunächst sehr stachelig ist (deshalb auch das stechend in der zweiten Fassung), aber dann diese schönen Früchte in sich trägt.
Ich habe beide Fassungen in meinem "Archiv" Aber mich hatte damals arams Argumentation so überzeugt, dass ich zur Zeit doch die geänderte bevorzuge. Manchmal verändert sich das aber auch noch nach einer Weile Abstand zum Text.

Danke für Deine Rückmeldung!

Liebe Grüße

leonie


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