C.

Bereich für Erzähl- und Sachprosa, also etwa Kurzgeschichten, Erzählungen, Romankapitel, Essays, Kritiken, Artikel, Glossen, Kolumnen, Satiren, Phantastisches oder Fabeln
Klimperer

Beitragvon Klimperer » 10.09.2013, 07:47

Auf dem Weg zum Arzt traf ich heute Morgen Frau McCoy.
Sie war in Begleitung von C., ihrem Hund.
Schon von weitem, als sie mich sah, hatte ich das Gefühl, dass sie nicht recht wusste, was sie für mich empfindet.
Sie blieb stehen und sie merkte, dass ich meine Blicke auf den süßen kleinen Hund richtete.
"Er ist nervös" -sagte sie. "Er hat gesehen, dass wir unsere Koffer packen".
Wo reisen Sie hin?
Türkei.
Wie lange? Zwei Wochen?
Mein Mann bleibt nur eine Woche, ich zwei.
Da kam eine Frau vorbei und schmuste kurz mit C. Frau McCoy ignorierte das, hielt C. etwas kürzer an der Leine.
Ich sagte Frau McCoy, dass ich auf dem Weg zum Arzt wäre, dass ich ein seltsames Fieber habe ...
Sie schaute mir in die Augen, wozu sie sich tief beugen musste und sagte: Wissen Sie was? Wir würden C. bei dieser Frau lassen, sie ist verrückt nach ihm, Sie haben es eben gesehen, aber sie ist krank, sie hat psychische Probleme.
Ich verstehe, das wäre nicht gut für C...
Und sie hat Diabetes, manchmal fällt sie um!
In der Tat, die Frau, mit ihrem roten Gesicht, hatte bei mir keinen gesunden Eindruck hinterlassen.
Wir standen direkt vor der Post, gegenüber dem Frauenlobplatz. Das oder die Nähe eines anderen Hundes, oder die Erinnerung an die schon verpackten Koffer machte C. etwas nervöser, er versuchte, so gut er konnte, wegzukommen, das gelang ihm aber absolut nicht, er war fest im Griff der stattlichen Frau.
Ich wollte auch weg, schaute auf meine nicht vorhandene Uhr und verabschiedete mich.
Wollen sie nicht wissen, was wir mit dem Hund machen werden?
Doch... Was?
Er geht in eine Pension!
Das Thema war wirklich verlockend, aber meine erhöhte Temperatur ließ mir keine Ruhe.

Mittlerweile sind etwa drei Wochen vergangen. Ich hätte noch etwas zu dieser Begegnung zu sagen, aber ich unterbreche es hier, ich muss nämlich wählen gehen.
Ob ich Frau McCoy bei den Urnen vielleicht zufällig treffen werde?
Ausgeschlossen, sie interessiert sich nicht für Politik.
Und sie muss die Zeit weg von dem Hund nachholen.





Version I


Ich traf heute Morgen Frau McCoy.
Sie war in Begleitung von C., ihrem Hund.
"Er ist nervös" -sagte sie. "Er hat gesehen, dass wir unsere Koffer packen".
Wo reisen Sie hin?
Türkei.
Wie lange? Zwei Wochen?
Mein Mann bleibt nur eine Woche, ich länger ...
Da kam eine Frau vorbei und schmuste kurz mit C. Frau McCoy ignorierte das.
Ich sagte Frau McCoy, dass ich auf dem Weg zum Arzt wäre, dass ich ein seltsames Fieber habe ...
Sie schaute mir tief in die Augen und sagte: Wissen Sie was? Wir würden C. bei dieser Frau lassen, sie ist verrückt nach ihm, aber sie ist krank, sie hat psychische Probleme.
Ich verstehe, das wäre nicht gut für C.
Außerdem, sie hat Diabetes, sie fällt manchmal um!
Und was werden Sie mit C. machen?
Er geht in eine Pension!
Während wir uns unterhielten, schaute C. gespannt in eine andere Richtung, wo er wahrscheinlich einen anderen Hund gewittert hatte. Oder wo die Frau, die ihn liebt, verschwand ...
Zuletzt geändert von Klimperer am 28.09.2013, 13:52, insgesamt 6-mal geändert.

ecb

Beitragvon ecb » 10.09.2013, 17:53

Ist es das Fieber, Carlos, das deine Wahrnehmung schärfte?
Die Wahrnehmung, wie man immer nur das Beste will? Voneinander?

Sehr gern gelesen. :daumen:
Liebe Grüße
Eva

Klimperer

Beitragvon Klimperer » 11.09.2013, 09:18

Vielen Dank Eva, für deinen Kommentar zu meiner kleinen Geschichte.

Es freut mich, wenn es dir Spaß gemacht hat.

Ich hoffe, ich habe einen Tropfen des Regens gerettet.

Liebe Grüße
Carlos

Nifl
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Beitragvon Nifl » 13.09.2013, 17:30

Hi Klimperer,

ich weiß nicht, irgendwie lässt mich der Text unbehaglich zurück. Wahrscheinlich, weil ich mir gerne eine Meinung bilden würde, der Text aber dafür nicht genug hergibt. Ein Ehepaar möchte ihren Hund während des Urlaubs nicht einer zuckerkranken Frau mit psychischen Problemen anvertrauen, obwohl diese den Hund mag und der Hund sie. Der Schlusssatz lässt mich vermuten, dass der Erzähler das falsch findet. Da das lapidare "psychische Pobleme" aber alles oder nichts sein kann, hänge ich als Leser in der Luft.
Auch das Fieber des Erzählers kann ich nicht einordnen, weiß damit nichts anzufangen.

Gruß
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)

Klimperer

Beitragvon Klimperer » 13.09.2013, 19:06

Hi Nifl,

danke, dass du dich gemeldet hast.

Ich glaube, anhand von verschiedenen Äußerungen, dass das kleine Ding doch nicht viel hergibt, ich gebe dir Recht.

Es war, es ist bloß die Beschreibung einer wahren Begebenheit, eines zufälligen Treffens auf meinem Weg zum Arzt. Ich habe es so wiedergegeben, wie es sich abspielte.

Zum Glück ist es ein kleiner Text.

Ein schönes Wochenende wünsche ich dir,


Carlos

Xanthippe
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Beitragvon Xanthippe » 18.09.2013, 08:27

hm, ich weiß nicht, aber eigentlich ist es doch ein menge, wenn ein kleiner text es schafft, den leser unbehaglich zurückzulassen, ihn zu verunsichern...
andererseits verlangt die literatur ja nirgendwo, dass sich der schreibende sklavisch an die fakten hält, und so wäre es u.u. für jemanden wie nifl, der gerne eine eindeutige ordnung haben möchte, gut, die zuckerkrankheit unter den tisch fallen zu lassen, dann wäre da der aspekt der vorurteile, die weigerung sich mit menschen auseinander zu setzen, die anders sind, die tierliebe, die höher bewertet wird als die zum nächsten und somit kontraproduktiv wird, gerade für den hund. verstehst du ungefähr, was ich meine?
das seltsame fieber gefällt mir, weil es so etwas von kafka geschichten hat, da kann ich die dinge auch nie wirklich einordnen, und gerade das macht oft den reiz aus.
also ich denke, das "kleine ding" gibt schon viel her, so viel, dass du getrost an der einen oder anderen stelle feilen solltest.

Klimperer

Beitragvon Klimperer » 18.09.2013, 08:59

First thing i read this morning...

Danke, Xantipppe!

Carlos

PS: Würdest du mir bei dem Feilen helfen? Sag mir, bitte, genau wie du das siehst.

Nifl
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Beitragvon Nifl » 18.09.2013, 19:38

, und so wäre es u.u. für jemanden wie nifl, der gerne eine eindeutige ordnung haben möchte, gut,

öhm, da fühle ich mich aber dann doch sehr missverstanden. Von Ordnung und Eindeutigkeit war in meinem Kommentar nicht die Rede. Darum geht es nicht. Ich bräuchte einfach mehr "Butter bei die Fische", ich möchte die Figuren besser kennenlernen können, um die Situation einschätzen zu können. Sonst ist der Text für mich "oberflächlich". Besonders auch, weil das Wertende im letzten Satz schon deutlich anklingt.

Gruß
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)

Herby

Beitragvon Herby » 18.09.2013, 22:32

Hallo Carlos,

es geht mir ähnlich wie Nifl, ich weiß nicht, in welche Richtung du mit dem Text willst. Der Schlusssatz gefällt mir gut - nur mit dem, was zu ihm hinführt, tue ich mich schwer. Das Fieber bleibt seltsam "in der Luft hängen"; ich meine nicht, dass z.B. seine Ursachen erklärt werden müssten, aber es spielt ja sowohl vorher als im weiteren Verlauf des Textes keinerlei Rolle mehr, wird nicht mehr aufgegriffen, eingeordnet. In diesem Zusammenhang finde ich übrigens auch den Dialog an dieser Stelle etwas befremdlich:

Klimperer hat geschrieben:Ich sagte Frau McCoy, dass ich auf dem Weg zum Arzt wäre, dass ich ein seltsames Fieber habe ...
Sie schaute mir tief in die Augen und sagte: Wissen Sie was? Wir würden C. bei dieser Frau lassen, sie ist verrückt nach ihm, aber sie ist krank, sie hat psychische Probleme.


Die Frau geht mit keiner Silbe auf diese Information ein, das kommt mir seltsam vor. Auch die Tatsache, dass sie ihm dann tief in die Augen schaut, verleiht ihrer dann folgenden Erklärung nach meinem Leseverständnis eine Bedeutung, die ich jedoch nicht erkennen kann.

Sprachlich finde ich etwas störend, dass weite Teile des Textes sehr reihend gehalten sind. Ein paar "Verbindungsstücke" täten ihm, wie ich finde, ganz gut.

Herzlich,
Herby

Klimperer

Beitragvon Klimperer » 19.09.2013, 09:04

Hallo Herby,

danke, dass du dir Gedanken zu meiner kleinen Geschichte gemacht hast.

Jeder Kommentar, unabhängig vom Lob oder Kritik, zeigt mir, wie verschieden wir Menschen sind.

Dir kommt seltsam vor, dass die Frau mit keiner Silbe auf meine Information über mein Fieber, über meinen bevorstehenden Arztbesucht reagiert ... Es war aber wirklich so: Sie schaute mir tief in die Augen und sprach weiter über ihren Hund.

Übrigens, das ist eine Erfahrung, an die ich gewöhnt bin. Sei froh, wenn es dir nie so ergangen ist.

Nur, wenn ich im Rahmen der kurzen Geschichte meine Meinung dazu äußern würde, wie ich hiermit tue, wäre das nur Jammern und absolut keine Literatur.

Ich vage es, meine Geschichte mit der Technik der Impressionisten zu vergleichen ... Sie haben nichts "perfektes" hingemalt, das Auge des Betrachters musste sehen, was der Maler versucht hatte, mit einem paar Strichen festzuhalten.

Ich wünsche dir einen schönen Tag, lieber Herby,

Carlos

Nifl
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Beitragvon Nifl » 19.09.2013, 20:00

Hallo Klimpermann,
Es war aber wirklich so: Sie schaute mir tief in die Augen und sprach weiter über ihren Hund.

dass du nur aus dem Nähkästchen plauderst, hat glaube ich hier schon jeder mitbekommen, aber es macht den Text weder schlechter noch besser und ist in einer Textdiskussion ein denkbar schlechtes Argument. Es interessiert nur, ob der Text so gut gemacht ist, dass der Leser ihm glaubt und sich die Szenen, Figuren usw. so vorstellen kann, dass es eine "aus sich selbst bestehende Welt " wird.
Gruß
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)

Xanthippe
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Beitragvon Xanthippe » 21.09.2013, 19:13

Lieber Klimperer,
Ist ja einiges passiert, seit Deiner Bitte an mich, Dir genau zu schildern, was ich meine. Ich kann das nämlich gar nicht viel besser, als ich es in meinem Kommentar getan habe und glaube auch nicht, dass ich Dir beim Feilen helfen kann. Es ist Dein Text und die Reaktionen sind unterschiedlich. Die einen stossen sich am seltsamen Fieber, auf das die Nachbarin nicht eingeht, die anderen finden das ziemlich bezeichnend. Ich glaube, Du als Autor musst Dich fragen, was Du willst. Was Du mit dem Text willst. Ob Du eine Geschichte erzählen willst, die eine Unterströmung hat, die auf etwas hinaus will, ohne es zu deutlich auszusprechen, oder ob es Dir genügt, eine kleine "wahre" Geschichte zu erzählen. Wenn Du das entschieden hast, ergibt sich das Feilen von selbst.
Viele Grüße Xanthi

Klimperer

Beitragvon Klimperer » 22.09.2013, 09:02

Liebe Xanthippe,

wenn du auf die Uhrzeit achtest, wirst du feststellen, dass ich, vor dem Lesen deines Kommentars über diese meine Geschichte, mich mit deiner Geschichte beschäftigt habe ...

Ich überlege über das, was du mir empfiehlst, und komme zu dem Schluss, dass ich BEIDES will ...

Normalerweise, wenn ich etwas wirklich schlechtes schreibe, merke ich es selbst gleich. In diesem Fall lässt mich das Gefühl nicht los, dass ich irgendwie den Finger auf eine Wunde gelegt habe.

Eine Frage: Würdest du gerne wissen, wie der Hund (C.) wirklich heißt?

Ich werde langsam mit dem Feilen anfangen, ich werde als Erstes den ersten Satz etwas erweitern.

Ein Freund,

Carlos

Xanthippe
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Beitragvon Xanthippe » 22.09.2013, 09:59

Nein, Carlos, mich interessiert eigentlich nicht, wie der Hund heißt, aber mich interessiert sehr dieses merkwürdige Spiel von Zuneigung und Fürsorglichkeit und der absoluten Unfähigkeit, etwas wahrzunehmen. Verstehst Du, was ich meine? Mir persönlich würde gefallen, wenn die Geschichte auf diesen Aspekt hin zugespitzt würde. Bin gespannt, wie sie sich entwickelt.
Xanthi


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