Ich ging ohne Termin zum Friseur, meistens habe ich Glück und komme gleich dran, diesmal musste ich ein bisschen warten, ich nahm auf der roten Couch Platz, wobei ich nicht sofort wusste, ob ich mich rechts, links oder in die Mitte setzen sollte. Ein Psychologe könnte einiges damit anfangen. Ich beobachtete, wie Adam, so heißt mein Friseur, einem Zuhälter die Haare schnitt. Er war offensichtlich ein Zuhälter, hatte einen dicken goldenen Ohrring, eine dicke goldene Kette am Hals, offenes Hemd, obwohl es Winter war, eine Tätowierung am rechten Unterarm und einen Kampfhund mit einem Maulkorb zu seinen Füßen. Der Hund beobachtete mich mit misstrauischen, feindseligen Augen. Man kann sich täuschen, vielleicht war er ein angehender Priester, vielleicht spielte er mit dieser Möglichkeit in seinem Kopf, wer weiß, man soll niemanden nach seinem Äußeren beurteilen. Es gab in den 50er-Jahren einen mexikanischen Sänger, der als Trappisten-Mönch starb.
Während Adam dem Zuhälter die Haare schnitt, beobachtete ich eine andere Kundin, sehr alt, mit spärlichem Haar und in sich gekehrtem Blick. Die Friseuse machte ihr schweigsam die Haare zurecht, ohne nach Urlaubsplänen zu fragen.
Als ich dran war, fragte ich Adam, ob er verschnupft sei, denn ich hatte beobachtet, wie er immer wieder die Arbeit unterbrechen musste, um ein Tempo zu seiner Nase zu führen. »Hundeallergie«, sagte er.
Adam stammt aus dem Irak, ich gehe seit drei Jahren zu ihm, damals war er noch in der Lehre. Er ist der beste Friseur, den ich kenne. Auch sein Vater war im Irak Friseur gewesen, arbeitet aber nicht mehr. Wahrscheinlich ist sein Vater in meinem Alter oder sogar jünger, ich frage lieber nicht. Ich schaue auch nicht hin, wenn er den Spiegel hinter meinen Kopf hält. Ich will mich so in Erinnerung behalten, wie ich früher war. Die weißen Haare, die auf meinen Schoß fallen, ignoriere ich einfach. Ich habe mit Adam noch nie das Thema Irak besprochen, ich werde es nie tun, es sei denn, er fängt damit an. Manchmal denke ich daran, wenn er mir mit dem Rasiermesser die Härchen im Nacken rasiert ...
Adam
Gefällt mir gut, diese Geschichte, die nichts zu deutlich sagt. Einzig ein paar kleine stilistische Holprigkeiten könnte ich bemängeln. Soll ich?
Bisschen unglücklich finde ich "mit kaum Haaren auf dem Kopf", das lässt sich doch bestimmt besser lösen... Und irgendwie ist mir das auch zu viel an Beschreibung, "wertender" Beschreibung an dieser Alten, sie ist uralt, und "wirklich in der Nähe Gottes", da emfpinde ich den in sich gekehrten Blick, jenseits von Gut und Böse als redundant.
Im übrigen: eine feine Geschichte.
Bisschen unglücklich finde ich "mit kaum Haaren auf dem Kopf", das lässt sich doch bestimmt besser lösen... Und irgendwie ist mir das auch zu viel an Beschreibung, "wertender" Beschreibung an dieser Alten, sie ist uralt, und "wirklich in der Nähe Gottes", da emfpinde ich den in sich gekehrten Blick, jenseits von Gut und Böse als redundant.
Im übrigen: eine feine Geschichte.
Vielen Dank, Xanthippe, für deinen prompten und positiven Kommentar.
Mir leuchtet schon ein, was du sagst, man selbst ist irgendwie blind für so Sachen, so wie Eltern eben sind, wenn es sich um die eigene Kinder handelt ... Ich warte ein bisschen ab, mal sehen, was eventuell Andere dazu sagen. Ich versuche immer, offen und flexibel zu bleiben, so lerne ich am Besten.
Deine Geschichte gefällt mir auch gut. Ist dir aufgefallen, dass wir beide praktisch gleichzeitig unsere Beiträge eingestellt haben? Neun Uhr neunzehn ...
Carlos
Mir leuchtet schon ein, was du sagst, man selbst ist irgendwie blind für so Sachen, so wie Eltern eben sind, wenn es sich um die eigene Kinder handelt ... Ich warte ein bisschen ab, mal sehen, was eventuell Andere dazu sagen. Ich versuche immer, offen und flexibel zu bleiben, so lerne ich am Besten.
Deine Geschichte gefällt mir auch gut. Ist dir aufgefallen, dass wir beide praktisch gleichzeitig unsere Beiträge eingestellt haben? Neun Uhr neunzehn ...
Carlos
Hola Carlos,
finalmente un commentario de mi, aj aj. ,-)))
Ich mag deine Geschichte, diesen kleinen, authentischen Einblick in das Leben. Konnte mich gut hineinversetzen und hatte alles prima vor Augen. Gerade das Umgangssprachliche gefällt mir hier, da es die Authentizität verstärkt. An dieser Stelle
hab ich geschmunzelt, weil ich mich selbst auch oft dabei erwische, wie ich denke "Da hätte ein Psychologe seine wahre Freude daran". ,-))).
Saluditos
Gabriella
finalmente un commentario de mi, aj aj. ,-)))
Ich mag deine Geschichte, diesen kleinen, authentischen Einblick in das Leben. Konnte mich gut hineinversetzen und hatte alles prima vor Augen. Gerade das Umgangssprachliche gefällt mir hier, da es die Authentizität verstärkt. An dieser Stelle
Klimperer hat geschrieben:ich nahm auf der roten Couch Platz, wobei ich nicht sofort wusste, ob ich mich rechts, links oder in die Mitte setzen sollte. Ein Psychologe könnte einiges damit anfangen.
hab ich geschmunzelt, weil ich mich selbst auch oft dabei erwische, wie ich denke "Da hätte ein Psychologe seine wahre Freude daran". ,-))).
Saluditos
Gabriella
Klar ist mir das aufgefallen, mit dem zeitgleichen Einstellen. Im Moment sind wir übrigens auch wieder zeitgleich hier .gif)
Spärliches Haar finde ich schon besser. Und "wertend" war vielleicht nicht ganz das richtige Wort, ich meinte nur, dass Du irgendwie die rein beschreibende Ebene, die mir gerade so gefällt an Deiner kleinen Geschichte dort verlässt.
"Während Adam dem Zuhälter die Haare schnitt, beobachtete ich eine andere Kundin, die schon wirklich in der Nähe Gottes war, uralt, mit kaum Haaren auf dem Kopf, mit in sich gekehrtem Blick, jenseits von Gut und Böse. Die Friseuse wusste das und machte ihr schweigsam die Haare zurecht, ohne nach Urlaubsplänen zu fragen."
Ich versuch mal einen Vorschlag: Während Adam... deren Entfernung zu Gott keinen Schritt mehr ausmachte. Ein uraltes Gesicht, spärliche Haare, der Blick in sich gekehrt. Die Friseuse verstand, und machte ihr schweigend die Haare, ohne nach Urlaubsplänen zu fragen."
Nur so als Vorschlag, als Angebot...
.gif)
Spärliches Haar finde ich schon besser. Und "wertend" war vielleicht nicht ganz das richtige Wort, ich meinte nur, dass Du irgendwie die rein beschreibende Ebene, die mir gerade so gefällt an Deiner kleinen Geschichte dort verlässt.
"Während Adam dem Zuhälter die Haare schnitt, beobachtete ich eine andere Kundin, die schon wirklich in der Nähe Gottes war, uralt, mit kaum Haaren auf dem Kopf, mit in sich gekehrtem Blick, jenseits von Gut und Böse. Die Friseuse wusste das und machte ihr schweigsam die Haare zurecht, ohne nach Urlaubsplänen zu fragen."
Ich versuch mal einen Vorschlag: Während Adam... deren Entfernung zu Gott keinen Schritt mehr ausmachte. Ein uraltes Gesicht, spärliche Haare, der Blick in sich gekehrt. Die Friseuse verstand, und machte ihr schweigend die Haare, ohne nach Urlaubsplänen zu fragen."
Nur so als Vorschlag, als Angebot...
Eben ist mir aufgefallen, dass meine Antwort von gestern nicht erscheint ...
Ich habe mich sehr bei Xanthippe und Gabriella bedankt, mit deren Hilfe ich ein schönes Stück vorangekommen bin.
Ich habe dazu noch einen Satz gestrichen. Ich bin euch wirklich sehr dankbar.
Als Team kommt man weiter.
Carlos
Ich habe mich sehr bei Xanthippe und Gabriella bedankt, mit deren Hilfe ich ein schönes Stück vorangekommen bin.
Ich habe dazu noch einen Satz gestrichen. Ich bin euch wirklich sehr dankbar.
Als Team kommt man weiter.
Carlos
Mir gefiel der "Zuhälter"-Abschnitt ganz gut - allerdings stolpere ich immer über folgende Sätze:
Ich sehe da immer den Hund, nicht den Zuhälter Priester werden
Grüße von Zefira
Der Hund beobachtete mich mit misstrauischen, feindseligen Augen. Man kann sich täuschen, vielleicht war er ein angehender Priester,
Ich sehe da immer den Hund, nicht den Zuhälter Priester werden

Grüße von Zefira
Vor der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
Nach der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
(Ikkyu Sojun)
Nach der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
(Ikkyu Sojun)
@Gabriella: Wie ich das meinte, ist es egal, ob die Hundeallergie "so" oder "so" gedacht ist.
@Zefira: Mir gefällt sie auch (ja, mir gings auch so mit Hund und Priester), sie ist mir nur "anteilsmäßig" zu lang, so habe ich erwartet, dass über den Typen am Ende noch mehr zu lesen ist, dass mit ihm noch irgendwas passiert - wobei die Überschrift dann natürlich nicht mehr ganz passen würde. Oder anders: Über die alte Frau hätte ich gern genauso viel gelesen wie über den Typen.
@Zefira: Mir gefällt sie auch (ja, mir gings auch so mit Hund und Priester), sie ist mir nur "anteilsmäßig" zu lang, so habe ich erwartet, dass über den Typen am Ende noch mehr zu lesen ist, dass mit ihm noch irgendwas passiert - wobei die Überschrift dann natürlich nicht mehr ganz passen würde. Oder anders: Über die alte Frau hätte ich gern genauso viel gelesen wie über den Typen.
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