Burgunder Notizen

Bereich für Erzähl- und Sachprosa, also etwa Kurzgeschichten, Erzählungen, Romankapitel, Essays, Kritiken, Artikel, Glossen, Kolumnen, Satiren, Phantastisches oder Fabeln
scarlett

Beitragvon scarlett » 08.02.2011, 17:17

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Zuletzt geändert von scarlett am 02.03.2011, 22:14, insgesamt 3-mal geändert.

RäuberKneißl

Beitragvon RäuberKneißl » 08.02.2011, 21:15

Hallo Scarlett,

eine schöne Liebesgeschichte mit eigenem Ton, der aber erst gegen Ende der ersten beiden Absätzen zu sich selbst findet. (Den Anfang empfinde ich als überladen - 'wabernde Wunde' etc.). Die weibliche Figur bleibt in ihrer Liebe etwas klischeehaft - er ist Jurist, hat Ziele, Idealismus, ist aktiv; sie ist unglücklich, zerrissen, inkonsequent; sitzt zwar auch in Burgund, man erfährt aber nicht warum und wofür. Am Schluß scheint es mir auch für das Zielpublikum der Geschichte (zu dem ich mich nicht rechne) sehr dick ("Rief seinen Namen. ... Der Raum war kalt und leer.")
Schöne Grüße
Franz

scarlett

Beitragvon scarlett » 08.02.2011, 23:10

hallo franz,

hab dank für deine ansichten diesen text betreffend.
ist schon interessant und aufschlussreich für mich, wie er bei dir angekommen ist.

grüße,
scarlett

Quoth
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Beitragvon Quoth » 10.02.2011, 09:26

Hallo Scarlett,
schön, Dich mal wieder zu lesen - und dann noch mit einem Prosatext. Ich mag ihn, habe selbst, als ich jung war, so zu schreiben versucht. Bist Du selbst zufrieden mit dem Text? Oft stellt man ja ein, um herauszufinden, warum man unzufrieden ist ... Ich hätte da eine Theorie: Der Text will zweierlei gleichzeitig - eine Geschichte erzählen, aber das in lyrischer Prosa. Geglückt scheint mir die Synthese nicht. Woran liegt das? In Geschichten spielen Abfolge, Dramaturgie, Kausalität, Moral eine große Rolle, in der lyrischen Prosa verschwindet das alles hinter dem Wortschmuck.

Die Geschichte ist recht einfach zusammengefasst: Ein deutsches Mädchen, das in Burgund (Lyon?) studiert, wird überraschend von Pierre, einem ehemaligen Liebhaber, aufgesucht, der aber nur gekommen ist, um Abschied von ihr zu nehmen. Als das Mädchen nach der Liebesnacht erwacht, ist er schon wieder fort. Was wir auch erfahren, ist, dass er aus einem der ärmsten Länder der Welt stammt, wahrscheinlich einer der ehemaligen französischen Kolonien Afrikas (Burkina Faso?) und dass er das Leben dort dem Mädchen nicht zumuten will, zumal er dort sicherlich auch "ein anderer" wäre als in Europa.

Das ist alles sehr interessant, und die Geschichte könnte versuchen, diesen kulturellen Zusammenstoß bis in die Tiefe auszuleuchten, aber sie flüchtet sich (das ist jetzt meine Bewertung) in die schönen Bilder, eben die lyrische Prosa, die dann schnell aufgesetzt wirkt (z.B. Pierre riecht nach "Vanille auf Mahagoni" und hat "Brombeerhaar", sein Atem ist ein "rauschender Hochlandwind"). Da steht für mein Gefühl die lyrische Prosa der Geschichte und die Geschichte der lyrischen Prosa im Weg.

Gruß
Quoth
Barbarus hic ego sum, quia non intellegor ulli.

Gerda

Beitragvon Gerda » 10.02.2011, 10:22

Liebe Monika,

offen gesagt, ich habe deine Geschichte gelesen und mich einfach nicht getraut, dir zu schreiben, was ich davon halte.
Quoth hat jetzt für die Kritik, die ich in vollem Umfnag teile, wirklich gute und treffende Worte gefunden, die dennoch dem Umstand Rechnung tragen, dass du aus deiner guten kreativen Kraft heraus wohl zu viel entwickeln wolltest, er fand Worte, die angemessen und freundlich sind.
Es ist bequem, sich einer Meinung anzuschließen, aber in diesem Fall möchte ich es doch tun, denn so wie Quoth, hätte ich meine Rückmeldung nicht formulieren können.
Was du m. M. tun solltest, bevor du ans Übearbeiten (falls beabsichtigt) gehst, dir klar werden, was dir wichtig ist, um dann einen der Wege, entweder Erzählung oder Kurzprosa, einzuschlagen.

Herzliche Grüße
Gerda

scarlett

Beitragvon scarlett » 10.02.2011, 21:25

oh ihr habt ja so recht!
was für eine grässliche geschichte.
peinlich peinlich, dass ich sie überhaupt eingestellt habe.

für die moderaten worte danke ich sehr, und unterschreibe, was du quoth, dargelegt hast (bis auf lyon, das ist nicht im burgund).
alles ganz klar nachvollziehbar.

das wird nicht überarbeitet, ganz sicher nicht.
das wandert in ablage P.

zerknirschte grüße und ... wird nie mehr vorkommen, dass ich etwas derart unausgegorenes einstelle. versprochen.

vielen lieben dank euch beiden, und gerda, hättest dich nicht zurückhalten müssen, nach fünf jahren salon weiß ich eh bescheid, nech?

liebe grüße,
scarlett

Quoth
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Beitragvon Quoth » 11.02.2011, 08:07

Hallo Scarlett,
Du schreibst "Was für eine grässliche Geschichte".
Das ist nun völlig übertrieben, Frau Kollegin! Es ist ein Fall interessanten Scheiterns, kein Grund zerknirscht zu sein. Dafür schreiben wir doch in Foren: Um interessant zu scheitern!
Gruß
Quoth
Barbarus hic ego sum, quia non intellegor ulli.

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 11.02.2011, 11:28

Liebe scarlett,

ich würde nicht zerknirscht sein, anhand vieler Gedichte und Erzählungen ist doch schon längst klar, dass du beides beherrscht :-). Ich glaube sogar, dass es spannend ist zu schauen, warum der Text hier nicht ganz funktioniert und dass man erkennen kann, dass gerade das, was oft die anziehende Bewegung deiner Gedichte ausmacht, in einem Prosatext trotz Stärke der Bilder (denn die unzähligen einzelnen Bilder und Ideen, die du hast, sind ja voller Kreativität, nur so dicht und zusammen geht es eben als Erzählen nicht auf!) nicht funktioniert. In deinen Gedichten aber sind es dieselbe Art Bilder, aber dort ist (aufgrund der Qualität der Bilder) ein Umgang mit dem Thema (Überschwang/Niederreißen, ins Farbliche verlegen, ins Hinterland sprechen...) nicht nur erlaubt, sondern gerade das Geheimnis, weshalb einen die Gedichte so anziehen.
Ich habe da so noch nie drüber nachgedacht und hab das Gefühl, da einem der wenigen Unterschiede zwischen lyrischen und Prosatexten auf die Spur gekommen zu sein.

liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Gerda

Beitragvon Gerda » 11.02.2011, 11:50

Liebe Monika,

ich würde den Text auch nicht wegwerfen.
Eher ruhen lassen um herauszufinden, was dir wichtig ist.
Entweder schreibst du lyrische Prosa, du hast bewiesen, dass du das kannst, mit den dir eigenen Bildern, oder du schreibst eine Erzählung, die dann, was die lyrischen Bilder angeht, abespeckt werden und einen guten Spannungsbogen erhalten sollte. Auch so etwas habe ich schon von dir gelesen.
Bei der Erzählung dieses Stoffes läuft man leicht Gefahr in allzu Bekanntes abzudriften, deswegen würde ich dir fast raten zu verdichten.

Liebe Grüße
Gerda

keinsilbig

Beitragvon keinsilbig » 11.02.2011, 12:48

eine sehr interessante und für mich eigentlich erstaunliche diskussion hier!


ich würde die lektüre roger willemsens "kleine lichter" empfehlen. das werk beweist nämlich m.E., dass auch lyrische langprosa sehr wohl "gut lesbar", ansprechend und möglich ist. die frage ist wohl eher "wer möchte so etwas lesen und wer eben nicht?"

ich schon. ebenso gerne, wie ich diesen schönen text hier gelesen habe und wunschlos glücklich aus dem leseerlebnis hervorgegangen bin.


gruß,

keinsilbig

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 11.02.2011, 15:20

Liebe keinsilbig,

gutes Beispiel! Ich mag Roger Willemsen, ich mag seine Art zu erzählen. Aber "kleine Lichter" hab ich versucht anzufangen, bin aber einfach nicht reingekommen, nach kurzer Zeit musste ich es weglegen, fand es kitschig, obwohl ich was ganz anderes erwartet hatte. ich glaube, da sieht man wirklich, wie verschieden eben die Leser sind.

liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Sam

Beitragvon Sam » 11.02.2011, 15:23

Ich habe "Kleine Lichter" vor einigen Jahren gelesen und war hingerissen von dieser bildhaften und sinnlichen Prosa, die Willemsen da schreibt (um so enttäuschter dann vom mir etwas zu geschwätzigen "Knacks"). Dennoch schließe ich mich der hier geäußerten Kritik weitestgehend an. Es herrscht eine auffallende Diskrepanz zwischen Sprache und der Geschichte, die erzählt wird. Oder anders gesagt: Die Sprache, in der sich die Geschichte erzählt, ist eine andere, als diejenige, die wie ein Rahmen drumherum gestellt ist und Stimmungen transportieren soll.

Deine Aussage mit der Ablage P kann ich nachvollziehen Monika. Wäre es mein Text, ich würde ihn nicht überarbeiten wollen. Ich würde mir vornehmen, die Geschichte nochmals neu zu erzählen.

Gruß

Sam

Trixie

Beitragvon Trixie » 11.02.2011, 15:46

Hallo Monika,

ich finde die Geschichte herrlich kitschig und für den Stil, wie sie geschrieben ist, ist die Überladenheit mit diesen vielen vielen tollen (*neidisch*) bildern genau richtig. Ich finde, es ist wie ein kunterbuntes, schillerndes Bild, ich kann alles so haarscharf vor mir sehen, als wäre dieses Bild nicht direkt vor meiner Nase, sondern direkt in meinen Kopf hineingepflanzt. Ich mag das!

War das oben eigentlich mit der "grässlichen Geschichte" ironisch gemeint? Magst du selbst nicht? Wieso hast du sie dann geschrieben? Ich mag sie sehr gerne. Ist vielleicht nicht auf "literarisch höchsten Anspruchsniveau", wo man selber ganz viel denken und überlegen muss, nichtsdestoweniger wunderschön unterhaltsam und eindringlich deutlich. Das mag ich persönlich sehr sehr sehr gerne!!!

Liebe Grüße!
Trix

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 12.02.2011, 09:08

Liebe Mo,

ich mag diese lyrische Prosa. Ich selbst würde mich nie drübertrauen, könnte den Spagat nicht schaffen, eine Liebesszene so poetisch zu erzählen. Wäre der Text nicht so lyrisch, würde das Sujet glatt als "klassische" Kurzgeschichte durchgehen (nach amerik. Muster), die genauso sein soll. Einstieg ohne große Vorreden u. Erklärungen, Szene, Ausstieg ohne weitere Erklärungen.

Das finde ich sehr gut. Dass die Szene einer verlorenen Liebe lyrisch gearbeitet ist, stört mich ganz und garnicht, im Gegenteil, dadurch entsteht eine interessante Mischung, an der ich nichts auszusetzen habe.

Du machst hier auch etwas, was viele Texte vermissen lassen, du bedienst alle Sinne. Gut!

Liebe Grüße
ELsa
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