Höhlenbegehung
Ein senkrechter Spalt im Fels, so sauber geschlitzt wie ein Hieb mit dem Schwert: etwas über einen Meter hoch und in der Mitte zwei Fußlängen breit. Der Mann setzt seinen Rucksack ab, holt eine Stablampe hervor und leuchtet in den Spalt hinein. Tief öffnet er sich in den Bauch des Berges. Der mattweiße Lichtstrahl erhellt Wände, Steinbrocken; einen schmalen Durchgang, der eine leichte Kurve nach links macht, aber der Mann kann erkennen, dass es dahinter noch weiter geht.
Mit einem zufriedenen Seufzer bückt sich der Mann nach seinem Rucksack, holt drei Strand-Stoffhüte hervor und setzt sie übereinander auf. Jeden einzelnen zieht er gründlich nach unten bis über die Ohren. Ein Helm wäre natürlich weit sicherer und sähe zünftiger aus. Aber er hat sich nicht getraut, einen Laden für Bergsteigerausrüstung zu besuchen und nach Schutzhelmen zu fragen. Niemand soll wissen, dass er eine Höhle entdeckt hat. Nicht einmal ahnen. Dieser Gang gehört ihm allein.
Vorgestern noch hat er sich über eine Geröllhalde bergauf gequält, vergebens nach Wegmarkierungen gesucht, in seinem Wanderführer geblättert und ihn schließlich entnervt in eine Schlucht geschmissen (was er später bereut hat). Der ausgewiesene Weg ist nicht mehr vorhanden. Eine Steinlawine, vermutlich durch Schmelzwasser im Frühjahr ausgelöst, hat ihn zugedeckt. Nichts Ungewöhnliches. Der Mann hat sich auf seinen Teleskopstock gestützt, den Schweiß von der Stirn gewischt und erwogen umzukehren, weil er Angst hatte, sich zu verlaufen. Gerade in diesem Augenblick fiel ihm der jungfräuliche Riss in der Bergwand ins Auge, keine fünfzig Meter von ihm entfernt. Der Spalt steht auf keiner Wanderkarte: Abends im Hotel hat der Mann alle Karten und Prospekte durchgeblättert, die zu bekommen waren. Zwei Höhlen sind bekannt, viel begangen, mit steinzeitlichen Malereien, die man sich gegen Gebühr ansehen kann. Beide viel weiter im Landesinneren. Hier ist vor ihm noch niemand gewesen.
Einen Tag lang hat er überlegt und besorgt, was er für eine Höhlenerforschung braucht. Schwierig, weil er niemanden um Rat fragen wollte. Die drei Hüte halten hoffentlich das Schlimmste vom Kopf ab. Eine wattierte Bomberjacke muss sein, die ihn vor spitzen Steinen schützt. (Er holt sie aus dem Rucksack und zieht sie über.) Stabile Wanderstiefel – hat er. Wasserflasche. Zwei Tafeln Schokolade. (Nervennahrung, falls er einen Höhlenkoller bekommen sollte. Könnte ja passieren. Viele Menschen gingen gesunden Sinnes in eine Höhle und kamen als Irre wieder heraus, hat er gelesen.) Farbige Wachskreide, eine ganze Tüte voll, um die Höhlenwände zu kennzeichnen. Damit er sich nicht verirrt und womöglich tagelang im Berg bleiben muss, mit nichts als Wasser, Schokolade und keiner anderen Gesellschaft als (vielleicht) Knochen.
Er schiebt seitwärts eine Schulter in den Spalt, atmet einmal tief, zieht den Bauch ein und windet sich in den Berg. Schon vorgestern hat er probeweise den Oberkörper hineingesteckt und »Hallo« gerufen. Heute scheint der Spalt enger geworden zu sein. Wenn der Berg noch in Bewegung ist, könnte er verschüttet werden. Das Risiko muss er eingehen. Ja. Der Strahl der Taschenlampe rückt alle Hindernisse und Gefahren beruhigend scharf ins Licht: Geröllbrocken am Boden, spitze Vorsprünge an den Wänden. Kein ausgehauener Gang, sondern uneben und mit Steinen angefüllt, die unter den Schritten rasseln und auseinanderkollern. Engstellen und Stufen. Er kriecht und wirft kopfgroße Brocken hinter sich, die Taschenlampe zwischen den Zähnen. Eine Stirnlampe sollte er haben, notiert er sich in Gedanken, und einen Pickel. Und Handschuhe. Wenn er ein zweites Mal herkommt. Aber dann wird es das zweite Mal sein. Das erste Mal ist einmalig. Er holt die Wachskreide hervor und malt ein fettes rosa Kreuz an die Wand.
Dann gräbt er sich weiter wie ein Maulwurf. Es ist unsäglich mühsam. Mit beiden Händen schiebt er Steine zur Seite, zerrt den Rucksack hinter sich her und klopft mit Fußtritten die Felsnasen ab. Schweiß rinnt ihm in die Augenbrauen. Die Luft ist heiß und dumpfig, der Lichtkreis der Lampe um ihn verstörend klein, wie eine weiße Blase in der Dunkelheit.
»Hallo.«
Der Ruf bleibt vor ihm stehen wie eine Atemwolke. Kein Echo. Er verliert die Richtung und kriecht rückwärts, bis er das rosa Kreuz an der Wand sieht, dann wieder vorwärts. Von irgendwoher trifft ein Luftzug sein Gesicht, so fein, als bliese ihn ein sanfter Atem an: Es riecht frisch.
Lauter: »Hal-lo!!« Diesmal kommt, etwas verzögert, ein »l-lo« zurück und fliegt durch das Gewölbe vor ihm wie ein Gummiball. »l-lo … -lo … -lo …«
Ermutigt kriecht er weiter und malt alle paar Minuten rosa Wachskreuze an die Wände. Steine klopfen, mit bloßen Händen Geröll schippen. Staub auf den Lippen und in der Kehle, dann ein Schwall kalter Luft gegen die Brust: hier weitet sich der Gang endlich. Noch ein Kreuz hingezeichnet, und siegessicher gleich noch zwei weitere dazu.
Als er das zweite malt, sieht er neben seiner staubbepuderten Hand, die das Kreidestück hält, einen roten Fleck an der Wand.
Vor Schreck lässt er die Kreide fallen, sucht einen Augenblick konfus zwischen seinen Stiefelspitzen herum und leuchtet schließlich die Wand mit der Taschenlampe an. Rotes und schwarzes Gewimmel springt auf ihn los: eine ganze Herde rennender Männchen und Tiere. In alle Richtungen dehnt sie sich an der Wand aus. Kleine Männer mit Säbelbeinen. Kugelrunde rote Büffel. Wölfe oder Hunde, ein Bär. Vier Männchen mit Bogen, vier weitere mit Speeren. Nein, nicht Speere. Die Arme hängen seitwärts am Körper herab und enden in übermäßig langen, gekrümmten Fingern. Er findet kein Ende des Bildes. Ein Hirsch mit breitem Geweih, ein Baum. Ochsen und gehörnte Tiere, die wie Ziegen aussehen; Kreise rundherum, als seien sie eingezäunt. Und immer wieder Menschen; manche mit gespannten Bögen, manche mit Speeren. Die meisten lassen die Arme untätig zu Boden baumeln, mit fünf langen Sicheln am Ende jedes Arms. Die Sicheln zucken im Lichtschein.
»Hal-lo!«, ruft er, und das »l-lo« dröhnt ihm entgegen, als stünde er vor einer Menschenmenge, die zurückschreit und sichelförmige Finger ausstreckt. Der Gang macht einen Knick und reißt plötzlich eine Halle auf, einen Felsendom von gewaltigem Ausmaß. Dicke Tropfsteine hängen von der Decke, andere recken sich vom Boden empor. Stalagtiten – Stalagmiten. Die Zweitausend-Euro-Frage. Der Mann lehnt sich gegen einen Tropfstein und versucht, den Raum auszuleuchten. Vergebens. Ohne Ende wachsen priapische Zapfen aus der Erde, manche unförmig wie übereinander gestapelte Pfannkuchen, andere feinziseliert wie abgebrannte Tropfkerzen; von der Saaldecke hängen Fahnen und Kristalle. Der Mann lässt sein bisschen Licht durch die Halle zucken und schnappt kalte Luft. Vor seinem Gesicht bleibt eine Atemwolke stehen, eine Blase aus winzigen Tröpfchen, die sich gleich darauf auflöst.
Der Tropfstein. Seine Oberfläche ist platt wie ein Tisch. Der Tisch ist angerichtet. Es liegen drei faustgroße Kugeln darauf, dunkelbraun und rau wie Baumrinde.
Der Mann tastet danach und richtet einen Lichtstrahl hin. Die Dinger sehen aus wie eingetrocknete Roggenbrötchen. Darüber ein weiteres Gemälde. Liegende Männchen. Die Finger krümmen sich zum Himmel.
Vorsichtig befühlt er die Kugeln. Es sind Artefakte, ohne Zweifel. Knochenhart. Aus Ton vermutlich. Auf der mittleren Tonkugel wächst bereits ein zarter Tropfstein, wie ein spitzer Hut auf einem Kugelkopf. Er nimmt die Kugel vorsichtig in die Hand, um sie von nahem anzuleuchten. Die Kugel besteht aus zwei übereinander gesetzten Schalen. Die Fuge in der Mitte ist sorgfältig mit Ton verschmiert.
Der Lichtkegel der Lampe beginnt zu verblassen und zuckt hin und her. Der Mann zittert. Er schiebt die Kugel sachte wieder auf die Steinfläche. Wie ein Stehaufmännchen schaukelt sie um ihren Schwerpunkt und stößt mit der Tropfsteinmütze gegen eine der anderen Kugeln, die sofort ins Rollen kommt. Der Mann greift hastig danach und stößt dabei die dritte Kugel herunter. Mit hellem Klirren schlagen beide Gefäße gleichzeitig am Boden auf und springen auseinander; die Kugeln öffnen sich wie Kastanienschalen. Ein unsäglicher Geruch fährt heraus, ein Furz aus tiefster Vergangenheit, so abgestanden und faulig wie aus dem Gedärm der Erde. Instinktiv tritt der Mann gegen den Tropfstein und wirft dabei auch die erste Kugel zu Boden. Die Tropfsteinmütze zerspringt. Ein neuer Schwall verpesteter Luft befreit sich und trifft ihn mitten ins Gesicht. Er würgt vor Übelkeit.
Er packt die Taschenlampe und stürzt sich in den Gang, tastet sich an den Felswänden entlang, verhakt sich in Speeren und sichelförmig gekrümmten Fingern. Steine rollen ihm vor die Füße, Felskanten schlagen ihm die Stirn blutig; er gerät auf dem glatten Geröll ins Rutschen und wird beinahe unter einer Flut von Kieseln und Strichmännchen begraben. Die fetten rosa Kreuze tanzen an den Wänden und lachen ihn aus. Das Licht seiner Lampe wird rasch schwächer und schwindet ganz. Weit vor ihm leuchtet eine blasse Mandel; die Felsspalte, durch die er hereingekommen ist – armselig schmal, kaum lässt sie ein Bündel Tageslicht durch. Atemlos erreicht er die Spalte und legt die Hände in die steinerne Öffnung. Seine Finger sind schwarz und krumm wie Sicheln. »Hallo?!« Ein zittriger Ruf. Keine Antwort mehr.
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Änderungen nach Tipps von Yorick und Nifl
Höhlenbegehung
Hallo Zefira,
ich habe deinen Text gerne gelesen und werde auch etwas dazu schreiben (sobald ich Zeit finde), aber vorher noch eine Frage:
In der Mitte des Textes bricht ein Satz ab:
Fehlt da noch etwas?
Gruß
Sam
ich habe deinen Text gerne gelesen und werde auch etwas dazu schreiben (sobald ich Zeit finde), aber vorher noch eine Frage:
In der Mitte des Textes bricht ein Satz ab:
Danach geht es weiter mit: Der Tropfstein.Der Mann lässt sein blasses weißes Licht durch die Halle zucken und schnappt kalte Luft. Vor seinem
Fehlt da noch etwas?
Gruß
Sam
Hallo Sam,
das war ein Copy&Paste-Fehler, entschuldige bitte. Hab den Satz vervollständigt. Vielen Dank für den Hinweis!
Liebe Grüße,
Zefira
ps. Ich sollte vielleicht nächstens besser "ALT" und "Entf" drücken, dann verschwinde ich selbst ... (Facebook-Kalauer)
das war ein Copy&Paste-Fehler, entschuldige bitte. Hab den Satz vervollständigt. Vielen Dank für den Hinweis!
Liebe Grüße,
Zefira
ps. Ich sollte vielleicht nächstens besser "ALT" und "Entf" drücken, dann verschwinde ich selbst ... (Facebook-Kalauer)
Vor der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
Nach der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
(Ikkyu Sojun)
Nach der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
(Ikkyu Sojun)
Hallo Zefira,
eine böse Geschichte hast du da geschrieben, die mir sehr gut gefällt.
Eigentlich fängt alles sehr harmlos an, ja witzig fast, wenn man liest, wie der Höhlenbegeher sich statt eines Helms, drei Strohhüte überzieht. Man spürt förmlich die Nervosität und Angst des Mannes, man könne ihm den Triumph der Entdeckung und Erstbegehung nicht gönnen, wenn er nur irgendjemanden davon erzählte. Also macht er sich schlecht ausgerüstet und völlig laienhaft auf den Weg. Er lässt sich auch nicht davon abschrecken, dass er sich wie ein Maulwurf durch die zunächst sehr enge Höhle graben muss, so gierig ist er darauf, hier irgendeine Entdeckung zu machen. Und tatsächlich macht er diese auch. Zunächst scheint es das zu sein, was er erhofft hatte - Höhlenmalereien (womöglich denkt er im ersten Moment daran, dass man die Höhle vielleicht nach ihm benennen werde).
Doch nun bekommt der Text nicht nur eine räumliche, sondern auch eine sinnbildliche Enge. Denn die aufgemalten Männchen sehen doch etwas eigenartig aus, mit ihren Sichelhänden.
Der Mann betritt nun einen riesigen Höhlendom und findet darin einen Tropfsteintisch auf den drei Kugeln liegen, die er als Artefakte erkennt. Er fühlt sich immer mehr als Entdecker. Ein etwas ungeschickter aber, denn er bringt die eigenartigen Kugeln ins Rollen, sodass diese vom Tisch rollen und aufplatzen. Es entströmt ein bestialischer Gestank (wunderbar als Furz aus der Vergangenheit beschrieben).
Bis hierhin wähnte ich mich als Leser immer noch in einer Geschichte, die auf ironische Art und Weise den Forscherdrang eines Touristen beschreibt, trotz der Sichelmännchen. Jetzt aber kippt das Ganze. So wie bei Indianer Jones die Höhle in Bewegung kommt, just in dem Moment wo er den Schatz gefunden hat, gerät auch hier alles in Bewegung. Und nicht nur das, beim Versuch, so schnell wie möglich den Höhlenausgang zu finden, verhakt er sich in den Sichelfingern und Speeren der aufgemalten Männchen, Geröll und Steine fallen herab und behindern seinen Rückweg. Zu allem Übel gibt auch die Taschenlampe ihren Geist auf. Er erreicht zwar noch den Höhlenausgang, der aber hat sich zu einem schmalen Schlitz verengt, durch den er gerade mal seine Finger, seine nun scharzen sichelförmigen Finger hindurch stecken kann. Den Rest kann man sich denken.
Der Text ist, wie immer bei dir, sehr gut geschrieben. Alles was passiert, steht einem sehr plastisch vor Augen.
Bleibt die Frage: Was ist das denn nun für eine Geschichte? Geht es nur um den Grusel, jenen wohligen Schauer, der den Leser überkommt, wenn das Normale und Alltägliche plötzlich dem Fantastischen, Unbekannten, Unerklärlichen weicht und die Protagonisten diesem hilflos ausgeliefert werden?
Allerdings ist auch etwas Zynisches in dem Beschriebenen, denn der Mann kann einem nicht wirklich leid tun. Im Gegenteil, man könnte auch denken: Geschieht ihm recht! Er ist vom ersten Moment an ein Eindringling in diese Höhlenwelt, ein Einbrecher, der, auch wenn es nicht explizit erwähnt wird, doch das Ziel hat, alles, was er dort findet, ans Tageslicht zu holen bzw. es öffentlich zu machen, um sich als Entdecker feiern zu lassen.
Dieser Einbruch wird bestraft. Vielleicht wird aber auch einfach seine Naivität besraft.
Die Motive und die Vorgehensweise in Beziehung zu dem zu setzen, was mit ihm dann geschieht, wäre zumindest eine Lesart, die über den reinen Grusel hinaus geht, und die mehrere Interpretationsmöglichkeiten eröffnet.
Eine andere Variante wäre noch, in dieser Geschichte die Bearbeitung typischer Alptraummotive zu sehen.
Ich bin mir noch nicht ganz schlüssig, wie ich den Text einordnen soll, aber vielleicht kommt durch weitere Kommentare diesbezüglich noch die ein oder andere Erhellung.
Kleine Anmerkung noch zum Handwerklichen. In den Passagen, die den Mann bei seinen Vorbereitungen zeigen (die ja in der Vergangenheit liegt) erzählst du mal in der Vergangenheit, dann aber wieder in der Gegenwart.
Das bezieht sich auf den dritten und den vierten Absatz. Finde ich ein bisschen verwirrend.
Skurile, gut erzählte Geschichte, die mich noch immer am Haken hat.
Gruß
Sam
eine böse Geschichte hast du da geschrieben, die mir sehr gut gefällt.
Eigentlich fängt alles sehr harmlos an, ja witzig fast, wenn man liest, wie der Höhlenbegeher sich statt eines Helms, drei Strohhüte überzieht. Man spürt förmlich die Nervosität und Angst des Mannes, man könne ihm den Triumph der Entdeckung und Erstbegehung nicht gönnen, wenn er nur irgendjemanden davon erzählte. Also macht er sich schlecht ausgerüstet und völlig laienhaft auf den Weg. Er lässt sich auch nicht davon abschrecken, dass er sich wie ein Maulwurf durch die zunächst sehr enge Höhle graben muss, so gierig ist er darauf, hier irgendeine Entdeckung zu machen. Und tatsächlich macht er diese auch. Zunächst scheint es das zu sein, was er erhofft hatte - Höhlenmalereien (womöglich denkt er im ersten Moment daran, dass man die Höhle vielleicht nach ihm benennen werde).
Doch nun bekommt der Text nicht nur eine räumliche, sondern auch eine sinnbildliche Enge. Denn die aufgemalten Männchen sehen doch etwas eigenartig aus, mit ihren Sichelhänden.
Der Mann betritt nun einen riesigen Höhlendom und findet darin einen Tropfsteintisch auf den drei Kugeln liegen, die er als Artefakte erkennt. Er fühlt sich immer mehr als Entdecker. Ein etwas ungeschickter aber, denn er bringt die eigenartigen Kugeln ins Rollen, sodass diese vom Tisch rollen und aufplatzen. Es entströmt ein bestialischer Gestank (wunderbar als Furz aus der Vergangenheit beschrieben).
Bis hierhin wähnte ich mich als Leser immer noch in einer Geschichte, die auf ironische Art und Weise den Forscherdrang eines Touristen beschreibt, trotz der Sichelmännchen. Jetzt aber kippt das Ganze. So wie bei Indianer Jones die Höhle in Bewegung kommt, just in dem Moment wo er den Schatz gefunden hat, gerät auch hier alles in Bewegung. Und nicht nur das, beim Versuch, so schnell wie möglich den Höhlenausgang zu finden, verhakt er sich in den Sichelfingern und Speeren der aufgemalten Männchen, Geröll und Steine fallen herab und behindern seinen Rückweg. Zu allem Übel gibt auch die Taschenlampe ihren Geist auf. Er erreicht zwar noch den Höhlenausgang, der aber hat sich zu einem schmalen Schlitz verengt, durch den er gerade mal seine Finger, seine nun scharzen sichelförmigen Finger hindurch stecken kann. Den Rest kann man sich denken.
Der Text ist, wie immer bei dir, sehr gut geschrieben. Alles was passiert, steht einem sehr plastisch vor Augen.
Bleibt die Frage: Was ist das denn nun für eine Geschichte? Geht es nur um den Grusel, jenen wohligen Schauer, der den Leser überkommt, wenn das Normale und Alltägliche plötzlich dem Fantastischen, Unbekannten, Unerklärlichen weicht und die Protagonisten diesem hilflos ausgeliefert werden?
Allerdings ist auch etwas Zynisches in dem Beschriebenen, denn der Mann kann einem nicht wirklich leid tun. Im Gegenteil, man könnte auch denken: Geschieht ihm recht! Er ist vom ersten Moment an ein Eindringling in diese Höhlenwelt, ein Einbrecher, der, auch wenn es nicht explizit erwähnt wird, doch das Ziel hat, alles, was er dort findet, ans Tageslicht zu holen bzw. es öffentlich zu machen, um sich als Entdecker feiern zu lassen.
Dieser Einbruch wird bestraft. Vielleicht wird aber auch einfach seine Naivität besraft.
Die Motive und die Vorgehensweise in Beziehung zu dem zu setzen, was mit ihm dann geschieht, wäre zumindest eine Lesart, die über den reinen Grusel hinaus geht, und die mehrere Interpretationsmöglichkeiten eröffnet.
Eine andere Variante wäre noch, in dieser Geschichte die Bearbeitung typischer Alptraummotive zu sehen.
Ich bin mir noch nicht ganz schlüssig, wie ich den Text einordnen soll, aber vielleicht kommt durch weitere Kommentare diesbezüglich noch die ein oder andere Erhellung.
Kleine Anmerkung noch zum Handwerklichen. In den Passagen, die den Mann bei seinen Vorbereitungen zeigen (die ja in der Vergangenheit liegt) erzählst du mal in der Vergangenheit, dann aber wieder in der Gegenwart.
Das bezieht sich auf den dritten und den vierten Absatz. Finde ich ein bisschen verwirrend.
Skurile, gut erzählte Geschichte, die mich noch immer am Haken hat.
Gruß
Sam
Hallo Sam,
vielen Dank für die Beschäftigung mit dem Text. Die Passage mit den Vorbereitungen ist tatsächlich vom Tempus her schwierig zu gestalten. Ich habe mal den Satz "Schwierig, weil er niemanden um Rat fragen will" geändert und "wollte" gesetzt. Im dritten Absatz habe ich sonst die Präsensform beibehalten, weil es sich um Überlegungen handelt, die beim Einstieg in die Höhle, also in der Gegenwart passieren.
Übrigens hat der Mann nicht Stroh-, sondern Stoffhüte. Ich habe sogar eben überlegt, ob ich sie nicht durch enganliegende Strickmützen (sog. Beanies) ersetze - die sehen noch mehr nach safer sex aus ... siehe hier zum Beispiel. *ggg*
Danke nochmals, Du bist scharfsinnig wie immer.
Liebe Grüße
Zefira
vielen Dank für die Beschäftigung mit dem Text. Die Passage mit den Vorbereitungen ist tatsächlich vom Tempus her schwierig zu gestalten. Ich habe mal den Satz "Schwierig, weil er niemanden um Rat fragen will" geändert und "wollte" gesetzt. Im dritten Absatz habe ich sonst die Präsensform beibehalten, weil es sich um Überlegungen handelt, die beim Einstieg in die Höhle, also in der Gegenwart passieren.
Übrigens hat der Mann nicht Stroh-, sondern Stoffhüte. Ich habe sogar eben überlegt, ob ich sie nicht durch enganliegende Strickmützen (sog. Beanies) ersetze - die sehen noch mehr nach safer sex aus ... siehe hier zum Beispiel. *ggg*
Danke nochmals, Du bist scharfsinnig wie immer.
Liebe Grüße
Zefira
Vor der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
Nach der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
(Ikkyu Sojun)
Nach der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
(Ikkyu Sojun)
Hallo Zefira,
ich fand den Text mühsam zu lesen, inhaltlich war für mich nichts dabei (außer den 3 Hüten), es hat sich kein Gefühl für die Situation oder den Prot eingestellt. Kurz habe ich überlegt, ob es eine Analogie zur "rückgängigen Geburt" sein soll,. aber dazu habe ich keine weiteren Hinweise gefunden. Ich könnte nicht sagen, was der "kreative Kern" dieses Textes ist.
Deshalb blieb ich dann auch häufig an sprachlichen Schnitzern hängen, fragte mich ob ein senkrechter Hieb schärfer schneidet als ein waagerechter, warum eine Felsspalte auf einer Karte verzeichnet sein sollte oder wie "blasses weißes Licht" aussieht. Generell haben mich die vielen Adjektive gestört.
Grüße,
Y.
ich fand den Text mühsam zu lesen, inhaltlich war für mich nichts dabei (außer den 3 Hüten), es hat sich kein Gefühl für die Situation oder den Prot eingestellt. Kurz habe ich überlegt, ob es eine Analogie zur "rückgängigen Geburt" sein soll,. aber dazu habe ich keine weiteren Hinweise gefunden. Ich könnte nicht sagen, was der "kreative Kern" dieses Textes ist.
Deshalb blieb ich dann auch häufig an sprachlichen Schnitzern hängen, fragte mich ob ein senkrechter Hieb schärfer schneidet als ein waagerechter, warum eine Felsspalte auf einer Karte verzeichnet sein sollte oder wie "blasses weißes Licht" aussieht. Generell haben mich die vielen Adjektive gestört.
Grüße,
Y.
Lieber Yorick,
senkrechter hieb / waagerechter Hieb: das zeigt m.E. die Form des Schlitzes, der ist eben von oben nach unten (oder umgedreht) und nicht von recht nach links. die Bezeichnung senkrecht ist sicher nicht auf die Schärfe bezogen.
Felsspalte in Karte: Gewisse Karten für (Abenteuer) Touristen zeigen recht oft die Eingänge in Höhlen... es gibt auch Wasserkarten, auf denen die Lage eines Warcks eingezeichnet ist...
Liebe Zefira,
ich kann Yorick absolut nicht zustimmen. Mich stören weder die Adjektiven (die ihren Dienst tun, nämlich beschreiben und ich empfinde die Menge als genau richtig), noch bekomme ich kein Gefühl für die Situation. Ich hatte eher ZU viel Gefühl der Situation. Aus ganz persönlichen Gründen, da Du etwas beschreibst, vor dem mir extrem graut und das in seinem Fortgang quasi als ein Albtraum von mir endet. (Uahhh, mir war schon zu Beginn der Geschichte danach, dem Protag zuzurufen "eh, mach das nicht alleine, da muss doch jemand informiert sein, wo Du bist, Kreide ist eine blöde Idee, ohne Ausrücstung erst recht" und dann, in der großen Höhle "neee, bloß nicht anfassen, Finger weg!!!")
Ich habe es mit gruseldem Genuß gelesen und Deine Fähigkeit zu erzählen wieder einmal bewundert!
LG, Nicole
senkrechter hieb / waagerechter Hieb: das zeigt m.E. die Form des Schlitzes, der ist eben von oben nach unten (oder umgedreht) und nicht von recht nach links. die Bezeichnung senkrecht ist sicher nicht auf die Schärfe bezogen.
Felsspalte in Karte: Gewisse Karten für (Abenteuer) Touristen zeigen recht oft die Eingänge in Höhlen... es gibt auch Wasserkarten, auf denen die Lage eines Warcks eingezeichnet ist...
Liebe Zefira,
ich kann Yorick absolut nicht zustimmen. Mich stören weder die Adjektiven (die ihren Dienst tun, nämlich beschreiben und ich empfinde die Menge als genau richtig), noch bekomme ich kein Gefühl für die Situation. Ich hatte eher ZU viel Gefühl der Situation. Aus ganz persönlichen Gründen, da Du etwas beschreibst, vor dem mir extrem graut und das in seinem Fortgang quasi als ein Albtraum von mir endet. (Uahhh, mir war schon zu Beginn der Geschichte danach, dem Protag zuzurufen "eh, mach das nicht alleine, da muss doch jemand informiert sein, wo Du bist, Kreide ist eine blöde Idee, ohne Ausrücstung erst recht" und dann, in der großen Höhle "neee, bloß nicht anfassen, Finger weg!!!")
Ich habe es mit gruseldem Genuß gelesen und Deine Fähigkeit zu erzählen wieder einmal bewundert!
LG, Nicole
Hallo Nicole, Hallo Zefira
ich habe bei mir gemerkt, dass ich mehr auf die Sprache schaue, je weniger mich die Geschichte/Inhalt in den Bann zieht/mir etwas gibt. So ist es vielleicht nicht ganz fair, auf Details zu schauen, denn dann neige ich zu einer gewissen Pingeligkeit...
Ich habe die drei Sätze mehrfach gelesen, bevor ich ein Bild vor Augen hatte. Dann hae ich geforscht, woran das liegen könnte.
Ein Spalt im Fels, so sauber geschlitzt wie ein senkrechter Hieb mit dem Schwert.
vs.
Ein senkrechter Spalt im Fels, so sauber geschlitzt wie ein Hieb mit dem Schwert.
Es ist nur ein Detail, aber es verlagert wichtige Informationen.
Mit einem Satz wie "Die Höhle war auf keiner Karte verzeichnet" kann ich gut leben. Oder "An dieser Stelle war auf keiner Karte eine Höhle verzeichnet" auch. Wenn nur von einem "Spalt" die Rede ist, frage ich mich, ob wirklich "jeder Spalt" auf so einer Karte verzeichnet ist. Die beiden ersten Varianten hätten diese Frage gar nicht in mir entstehen lassen.
Ich habe einige von Zefiras Texten mit Genuss gelesen. Diesen hier so gar nicht, und ich finde es spannend, so entgegengesetzte Kommentare zu lesen.
Grüße,
Y.
ich habe bei mir gemerkt, dass ich mehr auf die Sprache schaue, je weniger mich die Geschichte/Inhalt in den Bann zieht/mir etwas gibt. So ist es vielleicht nicht ganz fair, auf Details zu schauen, denn dann neige ich zu einer gewissen Pingeligkeit...
Ich habe die drei Sätze mehrfach gelesen, bevor ich ein Bild vor Augen hatte. Dann hae ich geforscht, woran das liegen könnte.
Ein Spalt im Fels, so sauber geschlitzt wie ein senkrechter Hieb mit dem Schwert.
vs.
Ein senkrechter Spalt im Fels, so sauber geschlitzt wie ein Hieb mit dem Schwert.
Es ist nur ein Detail, aber es verlagert wichtige Informationen.
Mit einem Satz wie "Die Höhle war auf keiner Karte verzeichnet" kann ich gut leben. Oder "An dieser Stelle war auf keiner Karte eine Höhle verzeichnet" auch. Wenn nur von einem "Spalt" die Rede ist, frage ich mich, ob wirklich "jeder Spalt" auf so einer Karte verzeichnet ist. Die beiden ersten Varianten hätten diese Frage gar nicht in mir entstehen lassen.
Ich habe einige von Zefiras Texten mit Genuss gelesen. Diesen hier so gar nicht, und ich finde es spannend, so entgegengesetzte Kommentare zu lesen.
Grüße,
Y.
Hallo zusammen,
vielen Dank für eure Kommentare. Ich habe den Eingangssatz jetzt geändert; für mich ist zwar wichtig, dass der Spalt senkrecht und nicht waagerecht liegt, aber das ist eine Info, die natürlich mit der Schärfe des gedachten Schwertes nichts zu tun hat.
Ein paar Adjektive habe ich auch entfernt - ich habe keine grundsätzliche Abneigung gegen Adjektive, aber was selbstverständlich ist, gehört selbstverständlich nicht extra erwähnt.
Was die Wanderkarte angeht - Nicole hat recht, auf manchen Wanderkarten ist tatsächlich alles vermerkt, was irgendwie auffällig und von Interesse sein könnte, es fehlen nur die Kuhfladen
Um so größer ist die Verwirrung, wenn sich durch die natürliche Erosion hier und da eine Kleinigkeit ändert. Ich denke mit Schrecken an meinen letztes Jahr gekauften korsischen Wanderführer ...
Danke für euer Interesse!
Wandergruß von Zefira
vielen Dank für eure Kommentare. Ich habe den Eingangssatz jetzt geändert; für mich ist zwar wichtig, dass der Spalt senkrecht und nicht waagerecht liegt, aber das ist eine Info, die natürlich mit der Schärfe des gedachten Schwertes nichts zu tun hat.
Ein paar Adjektive habe ich auch entfernt - ich habe keine grundsätzliche Abneigung gegen Adjektive, aber was selbstverständlich ist, gehört selbstverständlich nicht extra erwähnt.
Was die Wanderkarte angeht - Nicole hat recht, auf manchen Wanderkarten ist tatsächlich alles vermerkt, was irgendwie auffällig und von Interesse sein könnte, es fehlen nur die Kuhfladen
.gif)
Danke für euer Interesse!
Wandergruß von Zefira
Vor der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
Nach der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
(Ikkyu Sojun)
Nach der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
(Ikkyu Sojun)
Huhu Zefi,
habe den Text schon vor Jahren kommentiert (lese ich jetzt aber nicht nach *hihi). Gefällt mir sehr gut, wie du Spannung aufbaust und den Protag schlussendlich in den Wahnsinn treibst, bis er selbst ein Teil des Bildes ist.
Gerne wiederholt gelesen.
Paar Korinthen nur:
da fehlt irgendwas ... und müssten es nicht minimum zwei Hiebe sein?
was bringt das "mattweiß"?
das irritiert mich irgendwie ... Tief suggeriert doch einen großen Raum?
woran?
Die Jacke hat er doch auch?
komisch... bei mir ist sie feucht und kalt?
Kies ist rund geschliffener Stein (zB. Flussbett)
Du meinst Schutt?
Genial die Höhlenbildbeschreibung!
Hier kommt durch das erneute "Er" das Erzähltempo ins Stolpern.
Klasse Geschichte.
LG
Nifl
habe den Text schon vor Jahren kommentiert (lese ich jetzt aber nicht nach *hihi). Gefällt mir sehr gut, wie du Spannung aufbaust und den Protag schlussendlich in den Wahnsinn treibst, bis er selbst ein Teil des Bildes ist.
Gerne wiederholt gelesen.
Paar Korinthen nur:
so sauber geschlitzt wie Hieb mit dem Schwert:
da fehlt irgendwas ... und müssten es nicht minimum zwei Hiebe sein?
Der mattweiße Lichtstrahl erhellt Wände,
was bringt das "mattweiß"?
Tief öffnet er sich in den Bauch des Berges.
einen schmalen Durchgang,
das irritiert mich irgendwie ... Tief suggeriert doch einen großen Raum?
aber der Mann kann erkennen, dass es dahinter noch weiter geht.
woran?
braucht er
Stabile Wanderstiefel – hat er.
Die Jacke hat er doch auch?
Die Luft ist heiß und dumpfig
komisch... bei mir ist sie feucht und kalt?
bloßen Händen Kies schippen.
Kies ist rund geschliffener Stein (zB. Flussbett)
Du meinst Schutt?
Genial die Höhlenbildbeschreibung!
Er packt die Taschenlampe und stürzt sich in den Gang. Er tastet sich an den Felswänden entlang,
Hier kommt durch das erneute "Er" das Erzähltempo ins Stolpern.
Klasse Geschichte.
LG
Nifl
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)
Hallo Nifl,
ja richtig, der Text ist nicht neu. Ich arbeite immer noch Texte ab, die ich nach meinem Datencrash vor zwei Jahren
nur noch in Form zerfledderter und ungeordneter Ausdrucke herumliegen habe. Wenn ich dazu Lust habe, schreibe ich einige auch komplett um - wie diesen hier. Damit will ich sagen, es ist nicht mehr derselbe, den Du aus jenem anderen Forum (das übrigens nicht mehr existiert) kennst; damals hieß er auch anders.
Ich habe noch einige Änderungen vorgenommen. Das "mattweiße" Licht habe ich stehen gelassen; ich wollte festhalten, dass mein Höhlenforscher nur eine relativ schwache Lampe besitzt. Und wo es sehr eng ist, kann die Luft auch schnell unangenehm feuchtwarm werden.
Danke, Sam, Nicole, Yorick, Nifl für Input und/oder Lob.
Gruß von Zefira
ja richtig, der Text ist nicht neu. Ich arbeite immer noch Texte ab, die ich nach meinem Datencrash vor zwei Jahren
nur noch in Form zerfledderter und ungeordneter Ausdrucke herumliegen habe. Wenn ich dazu Lust habe, schreibe ich einige auch komplett um - wie diesen hier. Damit will ich sagen, es ist nicht mehr derselbe, den Du aus jenem anderen Forum (das übrigens nicht mehr existiert) kennst; damals hieß er auch anders.
Ich habe noch einige Änderungen vorgenommen. Das "mattweiße" Licht habe ich stehen gelassen; ich wollte festhalten, dass mein Höhlenforscher nur eine relativ schwache Lampe besitzt. Und wo es sehr eng ist, kann die Luft auch schnell unangenehm feuchtwarm werden.
Danke, Sam, Nicole, Yorick, Nifl für Input und/oder Lob.
Gruß von Zefira
Vor der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
Nach der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
(Ikkyu Sojun)
Nach der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
(Ikkyu Sojun)
Liebe Zefi,
ich habe die Geschichte sehr gespannt und auch angespannt verfolgt, wurde von ihrer Stimmung erfasst (sprachlich bin ich glatt durchgegangen, mir ist nichts aufgefallen).
Die Geschichte erzählt für mich zeitgleich, wer der Mann überhaupt ist, wie er funktioniert, seine Eigenheiten, Muster und dergleichen, und zugleich, warum er - so wie er ist - mit seinem Vorhaben scheitern muss. Und eigentlich geht das ja gar nicht zeitgleich zu erzählen, das eine baut auf dem anderen auf - und dann geht es doch, wie die Geschichte zeigt. Das finde ich faszinierend und effektvoll (dadurch gräbt sich die Stimmung in mich ein) zu lesen.
Und ich habe es noch nicht ganz raus, aber diese Konstruktion verläuft parallel zu dem, was die Geschichte erzählen will --- Da will einer eine Höhle ganz allein für sich entdecken auf eine Weise, die von allen zusammen bestimmt wird (er versucht, soweit es ihm unauffällig möglich ist, sich auf übliche Weise auszurüsten, studiert Karten, macht das wichtige einer Höhle an den Malereien aus, ordnet sein Geheimnis ein, bis hin zum noch nicht verzeichneten Spalt auf der Karte). Er will etwas für sich beanspruchen in einer Form, die er nicht ohne die anderen beanspruchen kann, er ahmt nach im Alleingang...ist also doch stets in Begleitung (daher passt es auch so schön, wie die Geschichte anhand von Details (etwa die Hüte) den Mann übervorsichtig bis leicht verfolgungswahngeplagt wirken lässt - denn sicher kümmert sich niemand um das, was er da so tut und doch stimmt sein Gefühl).
Er könnte die Höhle ja auch ganz anders entdecken können, es müsste ihn nicht interessieren, ob es sich um Stalagtiten oder Stalagmiten handelt, er müsste nichts als Artefakte betrachten, erschließen. Er könnte einfach von dem Ort, den er entdeckt, angezogen sein und ihn ohne Vorbereitung betreten...
Könnte er das? Nein, das könnte er eben nicht...woher soll er dieses "andere" Vorgehen kenen, fühlen, entwickeln können? Das ist das besondere am Menschen, das er das nicht kann. Er kann Konstrukte erschaffen, in denen er sich vorstellt, wie er etwa ein tatsächliches Erlebnis von Natur hat oder es mag Völker geben, die im allgemeinen oder in einigen Aspekten (scheinbar) "dichter" am "Eigenen" erleben, aber ich glaube, die Geschichte markiert sehr deutlich das Grundverhältnis des Menschen, aus dem er nicht hinauskann (und das an ganz schlichten Requisiten wie eben etwa den Hüten oder vielem mehr, das finde ich fein, weil so unprätentiös und zudem auch so wenig ästhetisierend - kein Leser findet diesen Protagonisten toll oder ist bewegt von seinem Scheitern..er erscheint klein, beklemmt, beengt und einfach", er rührt nicht direkt an und das finde ich gut so, weil das keine Art göttliche Erzählinstanz schafft, die doch letztlich durch Beobachtung eine Erlösung/Schönheit konstruiert - sondern den Mann eben dann doch durch die Abhängigkeit von den anderen allein lässt - und erst, wenn der Leser dieses Gefühl wiedererkennt/wiedererahnt, rührt einen der Mann oder besser man sich selbst an. Eben, weil es um einen selbst geht.
Und hier sehe ich die Höhlenbegehung natürlich dann auch exemplarisch und diesbezüglich finde es fein, dass dieses Exemplarische dann wieder auch dadurch belebt wird, dass das ganze anhand einer Höhle, den Malereien mit dem Historischen spielt, mit der Energie aus dem, was "Menschheit" bedeuten soll spielt und die Dynamik von Vergangenheit und Gegenwart für den Konflikt zwischen dem Mann und den anderen anhand der Höhle (sehr schön auch hier die Szene mit den Artefakten, die sich für den Mann als völlig unrezipierbar präsentieren (nur ein Furz aus der Vergangenheit), er kann sie gar nicht als Artefakte wahrnehmen...was soll das auch eigentlich sein? Solch ein erfundener Geist (denn eigentlich müsste ja ein magischer Jones-Zauber den Kugeln entsteigen, der alle vergangenen Seelen der Vergangenheit spürbar lässt, so die Erwartung) lässt sich nicht von jemandem allein in einer Höhle evozieren...sowas kann nur in fest definierten Stätten, in diesem Falle Museen, gelingen.)
Und in Bezug auf all das hat die Geschichte dann ganz viele Richtungen, in die man "interpretieren" kann, ich finde Yoricks Geburtsbezug gar nicht verkehrt, ebenso kam mir der Selbstfindungs-Höhlenabstieg Ofterdingens in den Sinn, den phylogenetischen Aspekt habe ich schon erwähnt und es gibt da viele mehr..ich finde es gerade gut, dass man das nicht auf den Punkt bringen kann, sondern im Zentrum der Geschichte eher so etwas wie eine Wolke schwebt, ein unscharfes Paradigma.
So bleibt am Ende zu fragen, ob der Mann sich nicht umsonst gefürchtet hat, ob er nicht immer notwendig, als der, der er ist, aus der Höhle hat hinausfinden müssen, er sich gar nicht hätte verirren können, er mit jedem Schritt weiter hinein in die Höhle ein viel unauslöchbares Kreuz an die Steinwände gezeichnet hat, als seine Kreide es vermochte.... Und ob es ihn gibt, wie er es möchte, oder nur die anderen sind, oder ob da keine anderen sind, sondern nur in ihm, oder ob es nicht die Verirrung ist, dass er wieder aus der Höhle hinausgefunden hat...(alles fein und witzig mit den Hinein- und Hinaus-Hallos umklammert) was natürlich alles zu paradox ausgedrückt ist..man kann sich da kaum annähern - außer eben in solchen Geschichten, wie dieser hier, die du geschrieben hast!
Dafür eben ist Kunst da!
liebe Grüße,
Lisa
ich habe die Geschichte sehr gespannt und auch angespannt verfolgt, wurde von ihrer Stimmung erfasst (sprachlich bin ich glatt durchgegangen, mir ist nichts aufgefallen).
Die Geschichte erzählt für mich zeitgleich, wer der Mann überhaupt ist, wie er funktioniert, seine Eigenheiten, Muster und dergleichen, und zugleich, warum er - so wie er ist - mit seinem Vorhaben scheitern muss. Und eigentlich geht das ja gar nicht zeitgleich zu erzählen, das eine baut auf dem anderen auf - und dann geht es doch, wie die Geschichte zeigt. Das finde ich faszinierend und effektvoll (dadurch gräbt sich die Stimmung in mich ein) zu lesen.
Und ich habe es noch nicht ganz raus, aber diese Konstruktion verläuft parallel zu dem, was die Geschichte erzählen will --- Da will einer eine Höhle ganz allein für sich entdecken auf eine Weise, die von allen zusammen bestimmt wird (er versucht, soweit es ihm unauffällig möglich ist, sich auf übliche Weise auszurüsten, studiert Karten, macht das wichtige einer Höhle an den Malereien aus, ordnet sein Geheimnis ein, bis hin zum noch nicht verzeichneten Spalt auf der Karte). Er will etwas für sich beanspruchen in einer Form, die er nicht ohne die anderen beanspruchen kann, er ahmt nach im Alleingang...ist also doch stets in Begleitung (daher passt es auch so schön, wie die Geschichte anhand von Details (etwa die Hüte) den Mann übervorsichtig bis leicht verfolgungswahngeplagt wirken lässt - denn sicher kümmert sich niemand um das, was er da so tut und doch stimmt sein Gefühl).
Er könnte die Höhle ja auch ganz anders entdecken können, es müsste ihn nicht interessieren, ob es sich um Stalagtiten oder Stalagmiten handelt, er müsste nichts als Artefakte betrachten, erschließen. Er könnte einfach von dem Ort, den er entdeckt, angezogen sein und ihn ohne Vorbereitung betreten...
Könnte er das? Nein, das könnte er eben nicht...woher soll er dieses "andere" Vorgehen kenen, fühlen, entwickeln können? Das ist das besondere am Menschen, das er das nicht kann. Er kann Konstrukte erschaffen, in denen er sich vorstellt, wie er etwa ein tatsächliches Erlebnis von Natur hat oder es mag Völker geben, die im allgemeinen oder in einigen Aspekten (scheinbar) "dichter" am "Eigenen" erleben, aber ich glaube, die Geschichte markiert sehr deutlich das Grundverhältnis des Menschen, aus dem er nicht hinauskann (und das an ganz schlichten Requisiten wie eben etwa den Hüten oder vielem mehr, das finde ich fein, weil so unprätentiös und zudem auch so wenig ästhetisierend - kein Leser findet diesen Protagonisten toll oder ist bewegt von seinem Scheitern..er erscheint klein, beklemmt, beengt und einfach", er rührt nicht direkt an und das finde ich gut so, weil das keine Art göttliche Erzählinstanz schafft, die doch letztlich durch Beobachtung eine Erlösung/Schönheit konstruiert - sondern den Mann eben dann doch durch die Abhängigkeit von den anderen allein lässt - und erst, wenn der Leser dieses Gefühl wiedererkennt/wiedererahnt, rührt einen der Mann oder besser man sich selbst an. Eben, weil es um einen selbst geht.
Und hier sehe ich die Höhlenbegehung natürlich dann auch exemplarisch und diesbezüglich finde es fein, dass dieses Exemplarische dann wieder auch dadurch belebt wird, dass das ganze anhand einer Höhle, den Malereien mit dem Historischen spielt, mit der Energie aus dem, was "Menschheit" bedeuten soll spielt und die Dynamik von Vergangenheit und Gegenwart für den Konflikt zwischen dem Mann und den anderen anhand der Höhle (sehr schön auch hier die Szene mit den Artefakten, die sich für den Mann als völlig unrezipierbar präsentieren (nur ein Furz aus der Vergangenheit), er kann sie gar nicht als Artefakte wahrnehmen...was soll das auch eigentlich sein? Solch ein erfundener Geist (denn eigentlich müsste ja ein magischer Jones-Zauber den Kugeln entsteigen, der alle vergangenen Seelen der Vergangenheit spürbar lässt, so die Erwartung) lässt sich nicht von jemandem allein in einer Höhle evozieren...sowas kann nur in fest definierten Stätten, in diesem Falle Museen, gelingen.)
Und in Bezug auf all das hat die Geschichte dann ganz viele Richtungen, in die man "interpretieren" kann, ich finde Yoricks Geburtsbezug gar nicht verkehrt, ebenso kam mir der Selbstfindungs-Höhlenabstieg Ofterdingens in den Sinn, den phylogenetischen Aspekt habe ich schon erwähnt und es gibt da viele mehr..ich finde es gerade gut, dass man das nicht auf den Punkt bringen kann, sondern im Zentrum der Geschichte eher so etwas wie eine Wolke schwebt, ein unscharfes Paradigma.
So bleibt am Ende zu fragen, ob der Mann sich nicht umsonst gefürchtet hat, ob er nicht immer notwendig, als der, der er ist, aus der Höhle hat hinausfinden müssen, er sich gar nicht hätte verirren können, er mit jedem Schritt weiter hinein in die Höhle ein viel unauslöchbares Kreuz an die Steinwände gezeichnet hat, als seine Kreide es vermochte.... Und ob es ihn gibt, wie er es möchte, oder nur die anderen sind, oder ob da keine anderen sind, sondern nur in ihm, oder ob es nicht die Verirrung ist, dass er wieder aus der Höhle hinausgefunden hat...(alles fein und witzig mit den Hinein- und Hinaus-Hallos umklammert) was natürlich alles zu paradox ausgedrückt ist..man kann sich da kaum annähern - außer eben in solchen Geschichten, wie dieser hier, die du geschrieben hast!
Dafür eben ist Kunst da!
liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.
Liebe Lisa,
Du bringst vieles auf den Punkt, was mich auch zu mir selbst führt, warum ich die Geschichte so und nicht anders geschrieben habe und wieviel von mir selbst darin steckt. Ja, es geht darum, einerseits etwas ganz Neues entdecken zu wollen, der allererste zu sein, der eindringt (ich hatte durchaus auch eine erotische Komponente im Hintersinn, daher die drei bis über die Ohren gezogenen Hüte), aber andererseits soll sich die Entdeckerlust im vorgegebenen Rahmen bewegen; man will und muss genauso entdecken, wie es schon alle anderen vorher gemacht haben, und erwartet letztlich nichts anderes, als was sich in Quizfragen verstauen lässt - wohl vor allem deshalb, weil die Entdeckung nicht wirklich "gilt", wenn sie sich nicht unter den gleichen Bedingungen vollzieht wie bei allen anderen vorher. Diese Sehnsucht nach dem Katalogisieren, Domestizieren des Fremden fällt mir immer wieder auf (nicht primär des Fremden im eigenen Land; das natürlich sowieso, aber ich denke jetzt speziell an die Eindrücke, die über uns herfallen, wenn wir selbst "in der Fremde" sind); ich denke auch gern darüber nach, wieweit es dabei um eine "Zähmung" der Wirklichkeit geht und wie weit der Wunsch dahintersteckt, sich innerhalb neu erkannter Bedingungen selbst neu zu definieren oder zu akzeptieren, dass man plötzlich ein anderer ist, als man dachte.
Vielen Dank für Deine sehr scharfsinnige Analyse!
Liebe Grüße von Zefira
Du bringst vieles auf den Punkt, was mich auch zu mir selbst führt, warum ich die Geschichte so und nicht anders geschrieben habe und wieviel von mir selbst darin steckt. Ja, es geht darum, einerseits etwas ganz Neues entdecken zu wollen, der allererste zu sein, der eindringt (ich hatte durchaus auch eine erotische Komponente im Hintersinn, daher die drei bis über die Ohren gezogenen Hüte), aber andererseits soll sich die Entdeckerlust im vorgegebenen Rahmen bewegen; man will und muss genauso entdecken, wie es schon alle anderen vorher gemacht haben, und erwartet letztlich nichts anderes, als was sich in Quizfragen verstauen lässt - wohl vor allem deshalb, weil die Entdeckung nicht wirklich "gilt", wenn sie sich nicht unter den gleichen Bedingungen vollzieht wie bei allen anderen vorher. Diese Sehnsucht nach dem Katalogisieren, Domestizieren des Fremden fällt mir immer wieder auf (nicht primär des Fremden im eigenen Land; das natürlich sowieso, aber ich denke jetzt speziell an die Eindrücke, die über uns herfallen, wenn wir selbst "in der Fremde" sind); ich denke auch gern darüber nach, wieweit es dabei um eine "Zähmung" der Wirklichkeit geht und wie weit der Wunsch dahintersteckt, sich innerhalb neu erkannter Bedingungen selbst neu zu definieren oder zu akzeptieren, dass man plötzlich ein anderer ist, als man dachte.
Vielen Dank für Deine sehr scharfsinnige Analyse!
Liebe Grüße von Zefira
Vor der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
Nach der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
(Ikkyu Sojun)
Nach der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
(Ikkyu Sojun)
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