gestern
sollt ich dir
liebesworte sagen
als du dich
nach blühen und welken
zurückzogst
ins dunkle
schale um schale
dich umhüllte
stillsanfter schutz
vor dem frost
mein säumiges wort
ich flüstere es
unter die eishaut
wartend
auf dein echo
im schnee
Erstfassung:
gestern
sollt ich dir
liebesworte sagen
als du dich
nach blühen und welken
zurückzogst
ins dunkle
schale um schale
dich umhüllte
stillsanfter schutz
vor dem frost
mein säumiges wort
ich flüstere es
unter die eishaut
atemlos wartend
auf ein echo
im schnee
im schnee
guten tag, leonie,
nun bin ich also nach einigem querlesen und stöbern an deinem herzenstext als erstem hängengeblieben und fühle mich gedrängt, einen kommentar dazu abzugeben.
das "sollt" verleiht bereits als zweites wort der eröffnung dem text seinen grundtenor: den, des leisen bedauerns eines versäumnisses.
da war (gemeinsames, wie ich vermute) "blühen und welken". eine wunderschöne metapher, die die möglichkeiten geteilter zweisamkeit offen lässt - bis hin zur - wenn vom leser gewollten - erotischen deutung der zeilen. etwas, das ich äußerst gelungen finde!
danach hat das LyrIch geschwiegen. etwas, das das LyrDu als kränkung empfand, und sich daher in sich zurückzog. dabei bleibt offen, ob das unterlassene aussprechen von liebesworten geschah, weil ein LyrIch es als offensichtlich empfand, was da an gefühlen hin- und hergesendet und -empfangen wurde und das schweigen somit als etwas "verbindendes" und "schönes" sah, oder ob das schweigen eine rückmeldung an das LyrDu war, das "rügend" gemeint war. es bleibt dem leser überlassen, auszuwählen und somit die dramatik des textes "mitzugestalten".
ich persönlich schließe von meinem persönlichen wahrnehmungs- und erfahrungshorizont auf ersteres und möchte es so lesen. LyrIch fand worte einfach unzulänglich, das auszudrücken, was es bewegte - also war schweigen eine "gute" option in seinen augen. es kam nur anders an, wie die nun durch die zeilen klingende "reue" vermuten lässt.
etwas, das passiert. immer wieder. und stets zu unnötiger kränkung führt. das phänomen der unterschiedlichen sprachen der liebe und wie sie aneinander vorbeireden lassen, obwohl beide von liebe sprechen, ist hier thema und wunderschön sanft-leise umrissen, ohne es auch nur einmal beim namen zu nennen.
wundervoll auch von rythmus und klangmelodie der worte her finde ich:
das bild, das darin transportiert wird, könnte mächtiger nicht sein: das geliebte gegenüber - erstarrt. und man selbst ist der grund für diese eiseskälte, die plötzlich, nach all der wärme ("dem blühen") zwischen den liebenden liegt.
sie mit einem geflüsterten wort zu schmelzen - man liest fast schmerzlich, wie sehr das LyrIch sich wünscht, der versuch möge gelingen und heil machen, was da so unabsichtlich verletzte. das warten auf das erlösende echo - perfekt gesetzt in der knappheit der formulierung - als abschluss des textes: gewaltig gut gelungen für mein empfinden.
ein beziehungskrimi, wie er dichter und schöner nicht geschrieben sein könnte. nicht zu dick aufgetragen und doch mit aller wucht, die in solchen momenten zum tragen kommt. doch diese entfaltet sich erst im leser. und das ist mit das beste, was lyrik mE vermag.
ich habe also diesen text sehr genossen. danke!
gruß,
keinsilbig
nun bin ich also nach einigem querlesen und stöbern an deinem herzenstext als erstem hängengeblieben und fühle mich gedrängt, einen kommentar dazu abzugeben.
leonie hat geschrieben:gestern
sollt ich dir
liebesworte sagen
als du dich
nach blühen und welken
zurückzogst
ins dunkle
das "sollt" verleiht bereits als zweites wort der eröffnung dem text seinen grundtenor: den, des leisen bedauerns eines versäumnisses.
da war (gemeinsames, wie ich vermute) "blühen und welken". eine wunderschöne metapher, die die möglichkeiten geteilter zweisamkeit offen lässt - bis hin zur - wenn vom leser gewollten - erotischen deutung der zeilen. etwas, das ich äußerst gelungen finde!
danach hat das LyrIch geschwiegen. etwas, das das LyrDu als kränkung empfand, und sich daher in sich zurückzog. dabei bleibt offen, ob das unterlassene aussprechen von liebesworten geschah, weil ein LyrIch es als offensichtlich empfand, was da an gefühlen hin- und hergesendet und -empfangen wurde und das schweigen somit als etwas "verbindendes" und "schönes" sah, oder ob das schweigen eine rückmeldung an das LyrDu war, das "rügend" gemeint war. es bleibt dem leser überlassen, auszuwählen und somit die dramatik des textes "mitzugestalten".
ich persönlich schließe von meinem persönlichen wahrnehmungs- und erfahrungshorizont auf ersteres und möchte es so lesen. LyrIch fand worte einfach unzulänglich, das auszudrücken, was es bewegte - also war schweigen eine "gute" option in seinen augen. es kam nur anders an, wie die nun durch die zeilen klingende "reue" vermuten lässt.
etwas, das passiert. immer wieder. und stets zu unnötiger kränkung führt. das phänomen der unterschiedlichen sprachen der liebe und wie sie aneinander vorbeireden lassen, obwohl beide von liebe sprechen, ist hier thema und wunderschön sanft-leise umrissen, ohne es auch nur einmal beim namen zu nennen.
wundervoll auch von rythmus und klangmelodie der worte her finde ich:
leonie hat geschrieben:mein säumiges wort
ich flüstere es
unter die eishaut
wartend
auf dein echo
im schnee
das bild, das darin transportiert wird, könnte mächtiger nicht sein: das geliebte gegenüber - erstarrt. und man selbst ist der grund für diese eiseskälte, die plötzlich, nach all der wärme ("dem blühen") zwischen den liebenden liegt.
sie mit einem geflüsterten wort zu schmelzen - man liest fast schmerzlich, wie sehr das LyrIch sich wünscht, der versuch möge gelingen und heil machen, was da so unabsichtlich verletzte. das warten auf das erlösende echo - perfekt gesetzt in der knappheit der formulierung - als abschluss des textes: gewaltig gut gelungen für mein empfinden.
ein beziehungskrimi, wie er dichter und schöner nicht geschrieben sein könnte. nicht zu dick aufgetragen und doch mit aller wucht, die in solchen momenten zum tragen kommt. doch diese entfaltet sich erst im leser. und das ist mit das beste, was lyrik mE vermag.
ich habe also diesen text sehr genossen. danke!
gruß,
keinsilbig
Oh, und wenn Ihr mich erst sehen könntet. Ich bin ja ganz rot geworden.
Also, keinsilbig, ich habe mich über Deinen Kommentar sicher mindestens so doll gefreut wie Du über Nikos Lob. Und darüber, dass der Text Dich sooo gepackt hat! Danke für Deine Lesart und die Interpretation und das dicke Lob. Das tut gut.
Liebe, freudige Grüße
leonie

Also, keinsilbig, ich habe mich über Deinen Kommentar sicher mindestens so doll gefreut wie Du über Nikos Lob. Und darüber, dass der Text Dich sooo gepackt hat! Danke für Deine Lesart und die Interpretation und das dicke Lob. Das tut gut.
Liebe, freudige Grüße
leonie
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