herrgottsbscheißerle

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 11.11.2009, 09:10

herrgottsbscheißerle

manchmal
zwischen all dem
sorgfältig ausgewellten
schmunzeln wir
über uns

Mucki
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Beitragvon Mucki » 12.11.2009, 17:41

Zefi hat geschrieben:für mich ist Schmunzeln ein In-sich-hinein-Lächeln, nur für sich selbst

genau so verstehe ich es auch, wollte ich vorhin schon schreiben, musste aber weg.
Ein Schmunzeln muss in meinen Augen noch nicht einmal eine Mimik in den Mundwinkeln beinhalten, oft ist es nur ein innerer Prozess, während ein Lächeln für andere sichtbar sind, da die Mundwinkel nach oben gezogen sind. Eine Selbstgefälligkeit kann ich im Schmunzeln auch nicht erkennen.

Saludos
Mucki

Peter

Beitragvon Peter » 13.11.2009, 04:28

Hallo Flora,

das gefällt mir auch sehr, da es dieses besondere Kolorit einfängt, das ich dann auch selbst erlebe, wenn ich mal wieder nach Hause komme. Mich wundert ja, warum die Maultasche nicht das Wappentier der Schwaben ist, da sie doch dieses wundersame Wesen abbildet, jedenfalls meiner Wahrnehmung nach, das sich da in dem Schwaben verbirgt. In meiner Gegend war es sogar so, dass dieses "Herrgottsbscheißerle" auch auf Kinder verwendet wurde, nämlich dann, wenn ein Kind etwas angestellt hatte, aber ganz auf seine natürliche Unschuld setzend darüber schwieg. Was mir aber am meisten das Kolorit entwirft, ist dieses Wort "schmunzeln". Im Schwäbischen scheint mir das ein ganz eigener Begriff zu sein, fast so etwas wie eine verborgene Philosophie. Der Schwabe, der am Abend seinen Most trinkt, oder sein Viertele schlotzt, der schmunzelt. Und da gibt es keine Welt, die da hindurchdringt, es ist irgendwie, wie bei dem Kind, sein Setzen auf etwas, das nicht ausdrücklich sein kann und doch deswegen am ehesten Ausdruck verleiht. In einem anderen Begriff wäre es wahrscheinlich eine Bodenständigkeit. Jedenfalls, es muss doch etwas ganz Altes sein, und dieses Alte hat sich bei den Schwaben irgendwie recht gut erhalten, es ist dieses Setzen auf etwas hinter den Dingen, was dann die Dinge zum Klamauk macht und über sie schmunzeln lässt. Nicht dass sie durchschaut wären - ich glaube so weit geht kein Schwabe, dass er das ganz versucht. Aber dass sie eben in der Hand von etwas liegen, das größer ist. Ich finde, das fängt dein Gedicht sehr schön ein. "Schmunzeln" passt irgendwie auch onomatopoetisch in das Gedicht; mich erinnert es jedenfalls an das Glänzen der Maultaschen, wenn sie am Ende noch in Butter geschwenkt wurden. Und dann wäre auch noch von der Welle zu reden. Mir fällt da der Spruch ein: Der Mensch denkt und Gott lenkt. Die gerade Linie, also die eigentliche Richtung, ist dem vorbehalten, was wir gar nicht ganz durchschauen. Aber wir haben die Welle, die mit ihr spielt, nicht aber leichtfertig, sondern "sorgfältig", wie es im Gedicht heißt. Und deshalb wahrscheinlich liegt mir selbst der Gedanke der Maultasche als Epizentrum der Poesie eigentlich gar nicht so fern;-)

Mit lieben Grüßen,
Peter

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 13.11.2009, 08:28

Hallo Peter,

oh, das freut mich... dank dir für den schönen Kommentar und fürs Erzählen!
Vielleicht braucht es ja ein wenig diesen vertrauten Hintergrund, damit es einem nicht suspekt erscheint.

liebe Grüße
Flora

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ferdi
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Beitragvon ferdi » 13.11.2009, 09:01

Hallo Flora!

Zumindest ist man ohne einen solchen Hintergrund darauf angewiesen, das ganze ausschließlich "über den Kopf" aufzunehmen... Ich musste nicht nur die Überschrift nachschlagen, ich wüsste auch nicht zu sagen, wie eine Maultausche aussieht, riecht, schmeckt - und das Wort "auswellen" sagte mir zuerst auch nicht das geringste. Sowas ißt man hierzulande nicht, und so was sagt man auch nicht ;-)

Ferdigruß.
Schäumend enthüpfte die Woge den schöngeglätteten Tannen. (Homer/Voß)

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leonie
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Beitragvon leonie » 13.11.2009, 10:18

Lieber Peter,

ich muss einfach schnell loswerden, wie sehr das Lesen Deines Kommentars mir den Start in den Tag verschönt hat. Wunderbar. Die Maultasche als Wappentier...Und auch die anderen Einblicke in das Leben und Denken des Schwaben an sich...Ich habe das sehr genossen!

Liebe Grüße

leonie

Peter

Beitragvon Peter » 13.11.2009, 11:32

Liebe Leonie,

das freut mich dann auch. Und ja, der Schwabe an sich gibt viel zu denken . . . :lesen0005:

:-)


Liebe Grüße

Peter

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 13.11.2009, 12:43

Hallo ferdi,

was, ein Leben ohne Maultaschenphilosophie? Also dann wird es ja höchste Zeit. ;-)
Sowas ißt man hierzulande nicht, und so was sagt man auch nicht

*lach* Dann ist mein Gedicht also ein kleiner Beitrag zur Völkerverständigung und man lernt ja schließlich nie aus, gell.

Peter hat geschrieben: Und ja, der Schwabe an sich gibt viel zu denken . . . :lesen0005:
Die Schwäbin auch. :pfeifen:

liebe Grüße
Flora

DonKju

Beitragvon DonKju » 17.11.2009, 10:19

... das nicht mehr können, dann sind wir wirklich verloren !

Noch ein :daumen: von Hannes

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 17.11.2009, 21:16

... und irgendwann lerne ich das auch noch, dass man bei dir den Titel immer mitlesen muss. ;-)

liebe Grüße
Flora

Herby

Beitragvon Herby » 17.11.2009, 23:29

Liebe Flora,

noch mehr als das, was ich lese, gefällt mir, was ich nicht lese, das Ausgesparte, Ungesagte, nur zwischen den Zeilen Angedeutete. Der Text hat für mich etwas augenzwinkernd Philosophisches, ohne dass das eine dem anderen an Gewicht nähme, es in seiner Aussage schmälerte. Im Gegenteil, dir ist hier eine wunderbare Symbiose gelungen.

Und wie gut, dass du das "schmunzeln" nicht geändert hast. Lisas Bedenken kann ich nun so gar überhaupt nicht nachvollziehen...

Diese Wortmeldung hätte ich übrigens auch dann geschrieben, wenn ich Maultaschen (nur bitte ohne Spinat!!) auch als Rheinländer nicht über alles schätzen würde :engel:

Herzlichst
Herby

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 18.11.2009, 09:28

Wie schön, dich hier unter meinem Text zu lesen, Herby! Dank dir. :blumen:

liebe Grüße
Flora


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