AIKA

Bereich für Erzähl- und Sachprosa, also etwa Kurzgeschichten, Erzählungen, Romankapitel, Essays, Kritiken, Artikel, Glossen, Kolumnen, Satiren, Phantastisches oder Fabeln
Max

Beitragvon Max » 27.03.2009, 21:54

Das folgende ist Teil eines gemeinsamen Projekts mit Lisa. Zusammen basteln wir gerade an einer Art Kinderbuch mit Extrapointen für Erwachsene ;-). Davon würden wir gerne hier etwas vorstellen.

Damit man dieses Kapitel (eines von 13) verstehen kann, hier ein schneller Überblick über die Handlung und ein paar Figuren:

Die beiden Hauptfiguren sind Wolkov Wolf, ein kleiner fünfjähriger Wolf, der fünf Mal im Jahr Geburtstag hat und jedes Mal fünf wird und sein bester Freund, der Handelefant Nino (ein Handelefant ist ein Elefant, den man aus einer Hand bildet, der Mittelfinger ist der Rüssel, die anderen Finger bilden Ohren und Beinen). Wolkov hat fünf Berufe: Kommissar, Professor für Wolfologie, Opernsänger (aus diesem Grund trägt er auch einen blauen Schal wie ein Opernsänger um seinen Hals geschlungen), Chocolatier und bester Freund von Nino. Sein Lieblingsgetränk ist Himbeersaft, den er für Cherry hält. Nino hat nur zwei Berufe (er ist ja auch erst drei, bester Freund von Wolkov und Handelefant). Seit einer nicht näher bestimmten Zeit leben sie bei den Kindern Anton und Louisa, die langsam erwachsen werden.


Bei Anton und Louisa erleben sie mit Freunden, die im Laufe der Geschichten zu ihren stoßen - darunter Pisocki, der aus einem alten Strumpf entsteht, in Wolkovs Felltasche lebt und ständig Lügen verbreitet
(wobei seine Nase wächst, was sich nur wieder reparieren lässt, wenn er ein paar Wahrheiten sagt) und Pustewürstchen, eine sprechende, leicht neurotische Wurst, die die Freundevom nachbarlichen Grill retten - Abenteuer. Eines ist das folgende.




AIKA


Als Wolkov an einem sonnigen Nachmittag mit einem Glas gekühlten Himbeersaft-Sherry in den Garten ging, um wenigstens kurz ein wenig frische Luft zu genießen und Nino dabei von seinem neuesten Plan zu erzählen, stand dieser im Gras und schwang seinen Rüssel im hohen Bogen durch die Luft.
„Nino, was machst du denn da?“, fragte Wolkov erstaunt
„Ich versuche einen Knoten in meinen Rüssel zu machen!“, erklärte Nino.
„Das scheint mir ein schwieriges Unterfangen!“, antwortete Wolkov, der sich dabei vorstellte, er müsste es schaffen, einen Knoten in seine Nase zu bekommen. „Und wieso versuchst du einen Knoten in deinen Rüssel zu machen?“
„Ich möchte vorsorgen!“, gab Nino Auskunft.
„Was möchtest du?“, Wolkov war irritiert.
„Ich möchte vorsorgen. Dass ich etwas nicht vergesse.“
„Und was möchtest du nicht vergessen?“, hakte Wolkov nach.
„Dass ich mir das nächste Mal ein Taschentuch einstecke. Denn weil ich kein Taschentuch dabei habe, muss ich mir einen Knoten in den Rüssel machen.“
„Ja, aber was wolltest du denn nicht vergessen?“
Wolkov hatte noch immer nicht verstanden.
„Na, das weiß ich doch nicht mehr, weil ich doch kein Taschentuch habe!“ gab Nino schließlich zu.
„Mhm“, murmelte Wolkov, schaute etwas verlegen im Garten umher und rührte in seinem Himbeersaftsherryglas. Doch dann konnte er mit seinem Vorhaben nicht länger an sich halten. „Nino, es ist an der Zeit berühmt zu werden!“
„Oh, ja!“ Nino war sofort Feuer und Flamme. Dann überlegte er. „Wolkov, was ist ‚berühmt’?“
„Berühmt ist man, wenn man Ruhm hat!“, erklärte Wolkov mit seiner typischen Professorenmiene.
„Und was ist ‚Ruhm’?“ Nino wollte es genau wissen.
„Ruhm hat man, wenn man berühmt ist“, versuchte Wolkov eine Erklärung, fand aber dann selbst, dass er sich ein bisschen im Kreis drehte. Daher unternahm er einen neuen Versuch. „Wenn einen jeder kennt, dann ist man bekannt. Wenn dich aber auch in vielen Jahren noch jeder kennt und wenn die Leute deinen Namen ein wenig andächtig aussprechen, dann bist du berühmt.“
Nino sinnte nach. „Wolkov“, murmelte er vor sich hin und „Nino“. Und er versuchte dabei seine Stimme ganz andächtig klingen zu lassen. Er malte sich große Plakatwände aus, auf denen „Wolkov und Nino“ geschrieben stand, Menschen, die ihn fragten: „Nino, bist du das?“. Und er stellte sich vor, wie ein Flugzeug in großen Buchstaben und Wolkenfarbe „Nino“ in den Himmel schrieb.
„Und was macht man so, wenn man berühmt ist?“, fragte Nino dann, denn er versuchte sich es ganz genau vorzustellen, wollte er doch später, wenn er und Wolkov berühmt waren, nichts verkehrt machen.
„Allerlei“, sagte Wolkov leichthin. „Zum Beispiel entdeckt man Amerika!“
„Amerika?“ Nino staunte. „Wieso entdeckt man Amerika, wenn man berühmt ist?“
„Columbus hat Amerika entdeckt, weil er berühmt war!“, erklärte Wolkov. „Vielleicht hätte er es auch sonst entdeckt, man weiß es nicht, aber dann würde es heute niemand mehr kennen.“ Das leuchtete Nino ein.
„Weißt du was, Wolkov“, sagte er nach einer Weile tiefen Nachdenkens. „Lass uns auch Amerika entdecken!“
„Das ist eine gute Idee!“, stimmte Wolkov zu, der sich auch schon mit diesem Gedanken getragen hatte. „Ich hole noch Pisocki-Wolf und du fragst Pustewürstchen. Wenn man Amerika entdecken möchte, braucht man eine große Mannschaft!“ Und so machten sich die beiden auf den Weg.
Während es Wolkov dabei leicht hatte – Pisocki saß wie meist in Wolkovs Felltasche und vergnügte sich damit, seine Nase wachsen und wieder schrumpfen zu lassen, indem er die unglaublichsten Lügen erzählte und danach ein paar offensichtliche Wahrheiten von sich gab – war Pustewürstchen wieder einmal nicht aufzufinden. Eigentlich wusste niemand, wo genau sie wohnte, sie schien aufzutauchen und wieder zu verschwinden, wie es ihr gefiel. Das machte es sehr schwierig, sie zu suchen und noch schwieriger war es, sie zu finden.

Da sie sich aber häufig im Geräteschuppen aufhielt, suchte Nino an diesem Ort zuerst. Und tatsächlich entdeckte er sie dort auch, als sie gerade ihren Mund an das Ventil eines alten Fahrradschlauches hielt.
„Was machst du da?“, fragte Nino ein wenig erstaunt.
„Ich versuche mich nützlich zu machen!“, erläuterte Pustewürstchen keuchend, wobei sie ihren Mund immer nur für wenige Wörter von dem Schlauch losriss.
„Ich kam hier zufällig am Schuppen vorbei und da sah ich, dass dieser Schlauch halb tot war, fast erstickt – und nun versuche ich ihn mit Mund-zu-Mund-Beatmung wiederzubeleben.“
„Aha“, erwiderte Nino und versuchte dabei einen verständigen Gesichtsausdruck aufzusetzen. In Wahrheit aber war ihm die Sache nicht ganz geheuer. Dass man Fahrradschläuche beatmen musste, hatte er noch nie gehört. Da er aber auch vieles andere noch nie gehört hatte, hielt er es zumindest für möglich.
„Wolkov und ich, wir könnten auch deine Hilfe gebrauchen!“, fügte er dann hinzu. „Bei uns könntest du dich auch nützlich machen.“
„Und wie könnte ich das tun?“ fragte Pustewürstchen, die dabei immer noch den Schlauch beatmete.
„Wir wollen Amerika entdecken und berühmt werden wie Columbus“, beschrieb Nino das Vorhaben der beiden Freunde. „Und wir brauchen noch eine schlagkräftige Mannschaft.“
„Und was könnte ich dabei machen?“ wollte Pustewürstchen wissen.
„Du könntest zum Beispiel die Köchin sein“, fiel es Nino nach etwas Überlegen ein. „Wolkov ist doch Vegetarier und bei dir ist sicher, dass bestimmt kein Würstchen auf den Tisch kommt.“
Das leuchtete Pustewürstchen ein und sie ließ von dem Fahrradschlauch ab, der daraufhin mit einem ähnlich zischenden Geräusch, wie Pustewürstchen es auch beim Sprechen machte, die ganze Luft wieder von sich gab. Pustewürstchen, die sah, dass ihre ganze Mühe umsonst gewesen war, ahmte den Fahrradschlauch empört nach und zuckte mit den Schultern.
„Lass uns gehen!“, zischelte sie dann.

Als die beiden mit Wolkov und Pisocki-Wolf zusammentrafen, setzen sie sich alle zusammen auf einen Stein, um sich zu beraten.
„Wie entdeckt man Amerika?“, wollte Nino als erstes wissen.
„Die Wahrheit ist: Amerika gibt es gar nicht!“, meldete sich Pisocki zu Wort, aber da alle sahen, dass seine Nase dabei wuchs, nahm niemand ernst, was er sagte, und alle lachten.
„Amerika liegt auf der anderen Seite eines großen Meeres“, begann Wolkov dann seinen Plan zu erläutern. „Also benötigen wir ein Schiff, um nach Amerika zu fahren. Und jedes Schiff braucht einen Kapitän. Ich schlage also vor, dass wir als erstes einen Kapitän bestimmen.“
Die anderen stimmten zu.
„Ich schlage Wolkov vor!“, sagte Nino, der sich niemand anderen als Kapitän hätte vorstellen können, selbst wenn alle Kapitäne der Welt zur Auswahl gestanden hätten. Auch die anderen fanden dies eine gute Idee und daher wurde Wolkov einstimmig zum Kapitän ernannt. Wolkov, der auch fand, dass die Wahl einen würdigen Kapitän hervorgebracht hatte, obschon er Kapitän nicht zu seinen Berufen zählte, begann sogleich aus einem Stück Papier einen Hut zu falten.
„Das ist meine Kapitänsmütze“, erklärte er dabei. „Sie wird jedermann deutlich machen, dass ich der Kapitän bin. Das ist besonders wichtig, wenn wir auf die Ureinwohner Amerikas treffen“, erläuterte er weiter. Danach begann er, die Mannschaft einzuteilen.
„Nino, du bist der Steuermann!“, beschloss er und bastelte auch Nino eine Papiermütze, damit jeder erkennen konnte, dass Nino der Steuermann war.
„Pustewürstchen ist der Smutje“, teilte er den anderen seinen nächsten Entschluss mit. Nino, der fand, dass sich ‚Smutje’ ein wenig schmutzig anhörte, sich aber weiter nichts darunter vorstellen konnte, hakte nach: „Was macht ein Smutje?“
„Ein Smutje ist der Schiffskoch“, wusste Wolkov und Nino strahlte, weil er richtig vorhergesagt hatte, was Pustewürstchen denn machen könnte. Auch Pustewürstchen bekam von Wolkov eine Papiermütze, mit der man sie als Smutje erkennen konnte.
Schließlich entschied Wolkov, dass Pisocki-Wolf als der Leichteste von allen in den Ausguck gehen sollte.
„Das ist eine ganz besonders wichtige Aufgabe“, erklärte er ihm, „wenn du nicht gut acht gibst, werden wir an Amerika vorbeisegeln und Delmenhorst entdecken!“
Ebenso wie die anderen wusste auch Wolkov nicht genau, wo Delmenhorst lag, er fand nur, dass es vergleichsweise weniger beeindruckend klang – und eines wusste er ganz sicher: „Noch niemand, der berühmt war, hat Delmenhorst entdeckt!“ Dabei fabrizierte Wolkov eine letzte Papiermütze, die den Ureinwohnern von Amerika sagen würde, dass Pisocki-Wolf im Ausguck saß und daher besonders wichtig war.
Als sie nun alle mit ihren Papiermützen nebeneinander saßen, fand Nino, dass sich Wolkovs Kapitänsmütze wenig von dem Papierhut des Ausguckpostens unterschied und seine Steuermannmütze beinahe ebenso aussah wie die Kopfbedeckung, die Wolkov für Smutje Pustewürstchen gebastelt hatte. Aber er sagte nichts, denn bestimmt gab es dafür gute Gründe, die er nur nicht gleich erkannte.

„Nun brauchen wir noch ein Schiff!“, sagte Wolkov und Nino bewunderte ihn dafür, wie gut er den Überblick behielt. „Weiß jemand zufällig, wo wir ein Schiff herbekommen könnten?“ Wolkov hielt dies für eine rhetorische Frage, denn er hatte selbst schon vergeblich darüber nachgegrübelt. Umso erstaunter war er, als sich Pustewürstchen meldete.
„Ich weiß, wo wir ein Schiff finden“, meldete sie aufgeregt. „In dem Schuppen, bei dem platten Fahrradschlauch, ist ein Schiff!“
„Da soll ein Schiff sein?“ Wolkov staunte. „Der ganze Schuppen ist kleiner als ein Schiff!“
„Ja“, gab Pustewürstchen zu. „Wir müssten es erst aufblasen!“
„Dann lasst uns nachschauen gehen!“ Auf dieses Kommando Wolkovs begaben sich die Freunde zum Schuppen.

„Es ist kein sehr großes Schiff!“, gab Pisocki-Wolf zu bedenken, als sie das Boot inspiziert hatten. „Und außerdem ist es ziemlich platt.“
„Umso besser kann man es transportieren!“, entschied Wolkov.
„Und um das Aufblasen werde ich mich kümmern!“, fiel Pustewürstchen ein.
„Dann nehmen wir es!“, sagte Nino schnell, denn er hatte Angst, dass er sonst ein Boot bauen müsste und war sich sicher, dass sie mit einem von ihm selbstgebauten Boot untergehen, so nicht Amerika entdecken und somit nicht berühmt werden würden.
„Und wo lassen wir es zu Wasser?“, wollte Pisocki wissen.
„In der Nähe ist ein kleiner Bach, dort werden wir ablegen“, beschloss Wolkov.
„Aber führt denn der Bach auch nach Amerika?“, fragte Pustewürstchen skeptisch.
„Alle Bäche führen in Flüsse und alle Flüsse in Ströme und alle Ströme ins Meer. Und alle Meere sind untereinander verbunden“, verkündete Wolkov und hoffte dabei sehr, dass er Antons Atlas genau genug studiert und sich alle Dinge richtig gemerkt hatte. Also trug die Mannschaft ihr Schiff zu dem kleinen Bach und als Pustewürstchen es fertig aufgeblasen hatte, wollten sie es schon zu Wasser lassen.
„Halt!“, protestierte Wolkov. „Die wichtigsten Dinge fehlen ja noch!“
„Was fehlt denn?“, erkundigte sich Nino und fand, dass das quietschgelbe Schlauchboot doch eigentlich seetüchtiger aussah, als er befürchtet hatte.
„Zum Beispiel fehlt ein Name“, stellte Wolkov fest. „Jedes Schiff hat einen Namen.“
Nino wollte schon vorschlagen, es „Nino“ zu nennen, weil er das einen sehr schönen Namen fand, dachte dann aber, dass dies vielleicht zu Verwechslungen führen könnte. Da die anderen aber durch ähnliche Bedenken daran gehindert wurden, ihre Vorschläge zu nennen, schwiegen alle.
„Wie hieß denn Columbus’ Schiff?“, wollte Pustewürstchen schließlich wissen.
„Ich glaube, es hieß ‚Manta Sangria’“, gab Wolkov Auskunft.
„Was heißt Manta Sangria?“, fragte Nino nach.
„Ein Manta ist ein Fisch, der wie die Vögel mit ihren Flügeln durch die Luft mit seinen Flossen durchs Wasser fliegt“, erklärte Wolkov. „Und Sangria ist etwas zu Trinken, das kann man auf See immer gebrauchen, denn Meerwasser darf man nicht trinken!“
„Dann ist ‚Manta Sangria’ ein vortrefflicher Name für unser Schiff!“, urteilte Pisocki und da das die anderen auch fanden, beschlossen sie, ihr Boot auf diesen Namen zu taufen.
„Eigentlich lässt man ja bei der Schiffstaufe eine Flasche an der Schiffswand zerschellen“, wusste Wolkov, „aber wir haben nur eine einzige Flasche dabei und die ist unser Proviant und außerdem würde sie wohl an der Wand eines Schlauchbootes eher nicht kaputt gehen!“ Dabei verschwieg er, dass es sich bei dieser einzigen Flasche um seine Notration Himbeersaft handelte, die er in seinem kleinen Rucksack mit sich trug und die er sehr ungern an einer Schiffswand hätte zerschellen sehen. Er schraubte sie aber auf und träufelte einen kleinen Tropfen Himbeersaft über die Bootswand.
„Ich taufe dich auf den Namen ‚Manta Sangria’!“, sprach er dabei und allen war ganz feierlich zumute.
„Und fehlt noch etwas?“, frage Pisocki-Wolf vorlaut in die Stille.
„Ja, zum Beispiel ein Mast, auf dem du im Ausguck sitzen kannst“, gab Wolkov zur Antwort und Pisocki sah ein, dass es wenig Sinn haben würde, wenn er als der Kleinste der Freunde ohne Mast Ausschau hielt. Ein passender Ast war schnell gefunden – Nino trug ihn aus dem nahe gelegen Wäldchen heran – aber wie konnten sie ihn in einem Gummiboot befestigen?
„Wir sollten ein Loch in den Schiffsboden bohren und ihn darin versenken!“, schlug Pisocki vor und kam dabei mit seiner spitzen Nase der Gummihaut des Bootes schon gefährlich nahe.
„Nein!“, gellte Pustewürstchens Schrei. „Du wirst es zerstören und wir werden alle untergehen!“
Wolkov hatte sich eine andere Lösung überlegt.

„Nino, du als Steuermann musst den Mast festhalten. Er unsere wichtigste Orientierungshilfe!“, entschied er.
„Und haben wir denn nicht mehr Proviant als das eine Fläschchen Himbeersaftsherry?“, fragte Pustewürstchen, als die Mannschaft das Schiff schließlich bestieg. Sie wollte zeigen, dass sie ihre Aufgabe als Smutje ernst nahm. Wolkov öffnete erneut seinen Rucksack und entnahm ihm je eine kleine Portion Chipsschokolade und Schokoladenchips und übergab sie Pustewürstchen.
„Wir sollten aber nicht gleich zu sehr prassen!“, sagte er dabei. „Man weiß nie, wie lange so eine Überfahrt dauert. Amerika zu entdecken ist ein Abenteuer voller Gefahren und Entbehrungen.“
Dann zog er noch einen kleinen Kohlkopf aus dem Rucksack, der dem auf der Flagge von Humpelchen und Häkelchen sehr ähnelte.
„Sollen wir etwa zwischendurch Ball spielen?“, frage Nino.
„Das ist ein Kohlkopf!“, erläuterte Wolkov. „Er verhindert, dass wir unterwegs Skorhut bekommen.“
„Skorhut?“, fragte Nino skeptisch.
„Ja“, überspielte Wolkov seine Unsicherheit. „Wenn wir Skorhut bekommen, wächst jedem von uns ein hässlicher Hut, der nicht mehr abgeht!“ Den anderen lief ein Schauder über den Rücken.

So, mit einem Ast als Mast, den Nino festhielt und an dessen Spitze Pisocki-Wolf im Ausguck saß, vorne Kapitän Wolkov und hinten Smutje Pustewürstchen stach das quietschgelbe Schlauchboot Manta Sangria in See, genauer gesagt in einen kleinen Bach, damit seine Mannschaft Amerika entdecken konnte.
Die erste Strecke legten sie gut zurück und bemerkten so gar nicht, wie sich Wolke für Wolke langsam der Himmel zuzog. Sie schwammen mit der Strömung des Baches und nach einiger Zeit mündete der Bach in einen etwas größeren Fluss. Wenn das Boot nicht von allein in die richtige Richtung fuhr, steuerte Nino, indem er seinen Rüssel ins Wasser hielt. Er machte seiner Steuermannsmütze alle Ehre. Nach einiger Zeit, Anton hätte gesagt nach einer ganzen Weile, floss der Fluss in ein noch größeres Gewässer. Da inzwischen dichter Nebel herrschte, wussten die Freunde nicht, ob es ein See oder vielleicht schon das Meer war. Wolkov hielt prüfend einen Finger in die Luft:„Ich glaube, wir sind am Meer!“, beschloss er, „die Luft riecht salzig.“ Das stimmte, die Luft roch für ihn tatsächlich salzig. Nur haben Wölfe so feine Nasen, dass Wolkov die Luft roch, die eine Brise viele Kilometer vom Meer entfernt herbeigetragen hatte.
„Wenn dies das Meer ist“, so argumentierte er, „dann liegt Amerika auf der anderen Seite. Wir müssen es überqueren!“ Und mit den Händen paddelte er das Boot langsam immer weiter vom Ufer fort. Bald schon waren die Freunde in dicke Nebelschwaden eingehüllt. Nino hätte gerne noch ein wenig gesteuert, aber er hielt nur gelegentlich den Rüssel ins Wasser, um seine Pflicht zu tun, denn auch er hatte keine Ahnung, welcher der richtige Weg war. So trieben sie auf dem großen Wasser und auch wenn es niemand zugeben mochte, so fürchteten sich alle doch ein bisschen.
„Kommt Amerika bald?“, wollte Nino wissen. Und Pisocki-Wolf erkundigte sich: „Gibt es hier Wale?“ Währenddessen dachte Pustewürstchen schon weiter:
„Sind Wale Vegetarier?“
Wolkov fühlte sich als Kapitän verantwortlich und versuchte, seine Mannschaft zu beruhigen.
„Amerika kann nicht weit sein“, begann er etwas zögerlich. „Wenn es zu weit weg wäre, um es zu entdecken, hätte es ja auch Columbus nicht entdeckt!“, sagte er und war froh, dass ihm dieses Argument eingefallen war, denn es überzeugte ihn selbst ein bisschen, dass sie nicht in Gefahr waren. „Zudem gibt es hier bestimmt keine Wale!“, fuhr er fort. „Und wenn, dann fressen sie keine Würstchen, sondern nur Krill!“. Das hatte Wolkov von Louisa und Anton erfragt, als er zur Vorbereitung Erkundigungen über die Gefahren einer längeren Seereise eingezogen hatte. Pustewürstchen, die fand, dass Krill beinahe so klang wie Grill, fand das wenig beruhigend.
Wolkov befahl ihr eine Ration Chipsschokolade und je ein Blatt von dem Kohlkopf an alle auszugeben. Das würde seine Mannschaft bestimmt einen Moment ablenken. Dann paddelte er weiter, um Entschlossenheit zu demonstrieren – aber auch er wusste nicht, ob sie in der Richtung, die sie eingeschlagen hatten, jemals Amerika entdecken würden. Nino, der auf seine Intuition vertraute, rührte mal hier, mal dort mit seinem Rüssel im Wasser, so dass das Boot einen Zickzackkurs zu fahren schien. Dazwischen erhob er sein Riechorgan in die Höhe und trompetete aus vollen Backen in den Nebel.
„Vertreibt das die Wale?“, wollte Pustewürstchen wissen.
„Vielleicht“, antwortete Nino stolz, auch einmal etwas erklären zu können. „Aber eigentlich ist es ein Nebelhorn. Es warnt die kleineren Schiffe, damit sie nicht mit uns zusammenstoßen!“ ergänzte Nino und stieß wie zur Bestätigung noch einmal ein durchdringendes Tröten aus.
Während Pustewürstchen überlegte, welches Schiff auf dem Meer noch kleiner sein könnte als das ihrer Mannschaft, dümpelten sie weiter durch den Nebel.
Mit der Zeit ließ sogar Wolkov seine Hoffnung sinken. Amerika schien wie vom Erdboden verschluckt. Columbus, so dachte er, hatte ganz schön großes Glück gehabt. Gerade überlegte er, wie er seine Mannschaft auf eine harte Passage voller Entsagungen vorbereiten könnte, als Pisocki-Wolfs Stimme aus dem Ausguck erklang: „Land in Sicht!“
Seine rechte Hand zeigte Richtung Steuerbord, doch schauten alle zunächst auf seine Nase. Die aber war keinen Millimeter länger geworden, es musste die Wahrheit sein! Alle liefen zum Steuerbord, so dass ihr kleines Schiff sich gefährlich in diese Richtung neigte.
Nach wenigen Sekunden, die allen wie Stunden vorkamen, konnte auch die restliche Mannschaft der Manta Sangria die Umrisse einer Küste sehen und sie steuerten direkt auf die Mündung eines kleinen Flusses zu.
„Ein amerikanischer Fluss!“ rief Nino begeistert.
„Wooden!“, stimmte Wolkov zu, der nun wieder die Sicherheit eines Kapitäns ausstrahlte. Breitbeinig stand er im Schlauchboot und kommandierte:
„Wir wollen versuchen, die Mündung des Flusses zu erreichen und diesen ein wenig stromaufwärts fahren, dort sind wir sicherer!“
Nino, der nun endlich wieder wusste, wohin er fahren sollte, steuerte die Mündung des Flusses genau mittig an und die anderen Freunde halfen paddeln. Als sie den Fluss erreicht hatten, lichtete sich auch der Nebel, die Wolken verschwanden und die Sonne kam wieder hervor. Die Manta Sangria fuhr noch ein wenig landeinwärts, um eine gute und sichere Anlegestelle zu finden. Sie bogen in einen Bach, wo sie mit dem Schlauchboot an einem kleinen Sandstrand anlegten.
So entdeckte an einem denkwürdigen Spätsommernachmittag die Mannschaft der Manta Sangria Amerika.
Mit wackeligen Füßen sprangen die Freunde an Land und bestätigten sich gegenseitig, dass man sich nach so langer Zeit auf See erst einmal wieder an das Festland gewöhnen müsse. Nachdem Pisocki-Wolf aus dem Ausguck geklettert war, ließ sich Wolkov von Nino den Mast geben, den dieser die ganze Fahrt über so tapfer gehalten hatte. Dann nahm er seine papierne Kapitänsmütze vom Kopf und zog einen Stift aus seinem Rucksack.
„Was machst du?“, wollte Nino wissen.
„Wir tragen uns als Entdecker ein!“, erklärte Wolkov. „Wer auch immer hier nach uns landet, soll wissen, dass wir die Entdecker Amerikas sind. Das machen alle berühmten Leute so.“
Er faltete seinen Hut auseinander und begann den Namen des neuen Kontinents und der Mannschaft darauf zu notieren. Leider hatte „Amerika“ nur das „K“ aus „Wolkov“ und das „I“ aus „Nino“ an bekannten Buchstaben. Außerdem kannte Wolkov das „A“, weil es der erste Buchstabe des Alphabets war. Also schrieb er „AIKA“ auf den Zettel und darunter „WOLKOV & NINO“. Dass Pustewürstchen und Pisocki-Wolf damit auch zur Mannschaft gehörten, fand er selbstverständlich, sie konnten ja sowieso nicht lesen. Anschließend heftete er den Zettel an den Mast und steckte diesen tief in den Sand. Andächtig standen alle um ihre Entdeckerfahne herum.
„Was hast du geschrieben?“, erkundigte sich Pisocki.
„Ich habe geschrieben: Heute hat die Mannschaft der Manta Sangria unter Kapitän Wolkov und Steuermann Nino Amerika entdeckt!“
„Oh“, sagte Pustewürstchen und alle fanden, dass das ein sehr bedeutungsschwerer Satz war für die wenigen Zeichen. Dann beschlossen sie ihr Schlauchboot zusammenzufalten und Amerika zu erkunden.

Als sie um die erste Ecke bogen, begannen die Freunde zu staunen. Noch aber wagte niemand etwas zu sagen. Pustewürstchen machte wenig später den Anfang und fragte vorsichtig:„Wolkov, leben in Amerika eigentlich auch Menschen?“
„Ja“, antwortete Wolkov. „In Amerika leben Indianer.“
Als sie um die nächste Ecke bogen, konnte sich auch Pisocki-Wolf nicht länger zurückhalten und sagte:
„Die Indianerdörfer sehen ja genau so aus wie unsere Dörfer!“
„Das stimmt!“, pflichtete ihm Wolkov bei, der sich ebenso wunderte wie die anderen.
Als sie schließlich um eine weitere Kurve bogen, beschlich auch Nino ein heimisches Gefühl.
„Wolkov“, rief er dann voller Begeisterung, „sieh nur, die Indianer haben auch unser Haus gebaut und unseren Schuppen, vielleicht gibt es auch eine Indianer-Louisa und einen Indianer-Anton!“
Und wirklich sahen sie am Ende einer Straße ein Haus ganz wie das ihre daheim und so liefen sie schnell sie konnten darauf zu und es wunderte sie auch nur wenig, als in diesem Haus keine Indianer wohnten, sondern Anton und Louisa im Garten saßen und ein Eis löffelten. Die Freunde begrüßten sie stürmisch.
„Wo wart ihr denn?“, wollten Louisa und Anton wissen, da sie die zerzausten Haare und die vor Aufregung glühenden Gesichter der Freunde sahen und ahnten, dass diese gerade ein Abenteuer erlebt hatten.
„Oh“, sagte Nino bescheiden, „an keinem besonderen Ort, wir haben nur Amerika entdeckt!“ und alle mussten lachen.
Wer aber heute an den Bach in der Nähe des Hauses kommt, der kann dort noch eine Entdeckerfahne sehen. Auf der steht „AIKA“ und darunter „WOLKOV & NINO“ und das heißt so viel wie: Heute hat die Mannschaft der Manta Sangria unter Kapitän Wolkov und Steuermann Nino Amerika entdeckt! Und so sind Wolkov und Nino auch heute noch ein ganz klein wenig berühmt.

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Beitragvon leonie » 27.03.2009, 23:14

Also, Ihr,
wenn ich ehrlich bin, bin ich da sehr skeptisch. Es erschließt sich mir überhaupt nicht, wen ihr damit ansprechen wollt.
Ich sehe auch ehrlich gesagt überhaupt keinen Sinn darin, in einem Kinderbuch Pointen für Erwachsene unterzubringen. Da verkauft man meiner Meinung nach die Kinder für dumm und nimmt sie nicht ernst.

Vom Text her meine ich, dass viel zuviel wörtliche Rede drin ist, das ermüdet. Außerdem merkt man an vielen Stellen, dass sich Erwachsene die Dialoge der Kinder ausgedacht haben. Kinder würde so nicht reden.
Dadurch ist vieles für Kinder einfach auch nicht verständlich. Es sei denn, es sind schon ziemlich große Kinder, aber für solche scheint mir wiederum die Geschichte nicht wirklich interessant zu sein.
Bleibt für mich die Frage: Was wollt Ihr eigentlich machen? Ein Kinderbuch? Eins für Erwachsene? Welche Altersstufe?

Nichts für ungut, aber so finde ich das nicht überzeugend.

Liebe Grüße

leonie

Mucki
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Beitragvon Mucki » 28.03.2009, 01:52

Ich fände es sinnvoller, dies hier in die Schreibwerkstatt zu stellen, damit wir uns mit euch, Max und Lisa hierüber austauschen können. Im Publicus macht es m.E. weniger Sinn, da wir von euch ja nichts hören. Dies vorab.

Zum Text:
Als erstes ist es wichtig, welche Zielgruppe bei Kindern ihr ansprechen wollt. Sind es Kleinkinder oder Kinder, die bereits in die Grundschule gehen?
Pointen für Erwachsene in einem Kinderbuch? Nee, passt für mich gar nicht zusammen.
Ingesamt habe ich beim Lesen immer wieder an Pippi Langstrumpf gedacht, wie sie Wörter falsch ausgesprochen (Pluti... statt Multiplifikation) oder erfunden hat wie den "Spunk" z.B.

Ein Kinderbuch sollte kindgerecht geschrieben werden und auch stets den Lernfaktor beachten. Sätze wie diese (ein paar Beispiele) sind nicht kindgerecht:
Das scheint mir ein schwieriges Unterfangen!“, antwortete Wolkov

Nino sinnte nach

der sich auch schon mit diesem Gedanken getragen hatte.

Wolkov hielt dies für eine rhetorische Frage, denn er hatte selbst schon vergeblich darüber nachgegrübelt.

Nino, der auf seine Intuition vertraute

Gerade überlegte er, wie er seine Mannschaft auf eine harte Passage voller Entsagungen vorbereiten könnte,


Sätze wie diese enthalten erstens keinen Lernfaktor, sondern im Gegenteil, sie vermitteln falsches Wissen. Und das finde ich nicht gut.
„Columbus hat Amerika entdeckt, weil er berühmt war!“, erklärte Wolkov

Ich glaube, es hieß ‚Manta Sangria’“, gab Wolkov Auskunft.

Er verhindert, dass wir unterwegs Skorhut bekommen.

Wenn wir Skorhut bekommen, wächst jedem von uns ein hässlicher Hut, der nicht mehr abgeht!“

„Sind Wale Vegetarier?“

Und wenn, dann fressen sie keine Würstchen, sondern nur Krill!

Dies stimmt zwar, doch müsste hier erklärt werden, was denn Krill sind.
In Amerika leben Indianer.

Und das hier ist in meinen Augen ganz und gar verkehrt:
Dass Pustewürstchen und Pisocki-Wolf damit auch zur Mannschaft gehörten, fand er selbstverständlich, sie konnten ja sowieso nicht lesen.

da hier Kindern, die das lesen quasi vorgegauckelt wird, dass man anderen gegenüber unfähr sein darf.

Dies sind jetzt nur ein paar Beispiele.
Insgesamt hat mich dieser Auszug alles andere als begeistert. Er brachte mich auch nicht zum Schmunzeln, weil ihr immer das gleiche Stilmittel angewandt habt. (Wörter verhunzen, im Stil von Pippi Langstrumpf). Es ist nicht witzig geschrieben. Ich finde, dass Geschichten für Kinder auch lustig sein sollten.
Was ich hier vermisse, ist das Bildhafte. Kinder wollen/müssen sich alles ganz genau vorstellen können. Doch auch das fehlt mir hier.

Soweit mein Eindruck.
Saludos
Mucki

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leonie
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Beitragvon leonie » 28.03.2009, 08:59

Nachtrag:

Es gibt in dem Buch "Das entschwundene Land" von Astrid Lindgren ein Kapitel mit der Überschrift: "Kleines Zwiegespräch mit einem künftigen Kinderbuchautor". Das gehört meiner Meinung nach zur Pflichtlektüre, bevor man anfängt, ein Kinderbuch zu schreiben.

Sie war ja nicht nur Autorin, sondern jahrzehntelang auch Lektorin für Kinderbücher und weiß, wovon sie spricht.
Ich denke, wäre dies gelesen worden, so hätte der Text anders ausgesehen.

(Ich fände es auch gut, das in die Textwerkstatt zu verschieben...)

Louisa

Beitragvon Louisa » 28.03.2009, 09:20

Hallo ihr zwei!

Also... ich fände es auch sehr wichtig zu wissen für welche Altersstufe das gedacht sein soll.

Im Übrigen mag ich aber die Figuren sehr gerne. Meine zwei Vorrednerinnen müssen zugeben, dass es solche Art von Personen nur selten in Kinderbüchern zu finden gibt. Bei ihren Beschreibungen habe ich auch eure übersprudelnde Fantasie bemerkt, die sich keine Gedanken über die syntaktische Struktur der Sätze macht.

Beim Text habe ich nämlich (leider?) auch relativ oft Worte gelesen, die ich selbst vielleicht erst seit 2 Jahren benutzte... Ich glaube es würde helfen sich 1. Kindersendungen anzuhören und auf die Sprache zu achten, 2. Kinderbücher zu lesen und selbiges zu tun, 3. Es mal einem Kind vorzulesen (Kennt jemand ein Kind :smile: ?) und dieses fragen, was es davon hält.

Ich fühle mich nämlich sehr unkompetent als Kritikerin, weil ich selbst schon viel zu groß bin, um das angemessen beurteilen zu können -

Obwohl ich mir während dem Lesen immer vorgestellt habe ich sei wieder ein Kind.

Und als ich mir das vorgestellt habe sind mir eben die lieblichen Figuren aufgefallen, die Idee eines Abenteuers in Amerika hat mir auch gefallen - Und auch die wörtliche Rede war mir nicht zu viel... Aber was mir viel zu wenig war, was ich fast in keinem Satz gelesen habe war eine Beschreibung der Umwelt!

Wenn ich mich an meine Kinderbücher erinnere, dann weiß ich noch, dass mich oft eben gerade besonders fasziniert hat, dass da stand "und sie lebte in einem kunterbunten Haus, dass blablabla..." oder "und sie ging in den Palast der alten Schildkröte, der so und so aussah...."

- Ich möchte viel mehr über diese Anfangs-Szenerie in den Vorgärten (???) und über das blaue Meer, über das Amerika (ist es das Amerika von heute? Wie sieht die Küste aus? Ist es ein fiktives Amerika?) - darüber möchte ich viel mehr erfahren - dann gewinnt die GEschichte meines Erachtens auch an Farbe - und die wörtliche Rede wird greifbarer.

Sonst würde ich aber auf jeden Fall damit weitermachen. Die Sprache vereinfachen und mehr Umwelt zu beschreiben dürfte ja jetzt nicht so schwierig sein -

Die Ideen finde ich sehr schön.

Ach ja, das mit den Pointen für Erwachsene finde ich auch nicht schlimm. Das gibt es meines Erachtens in ganz vielen Kinder-Produktionen... Da könnte man ja auch sagen: "Die Simpsons sind für Erwachsene, weil sie politische Satire einbauen!" oder "Die Simpsons sind für Kinder, weil es ein Zeichentrick ist!" - Aber es stimmt eben beides - Sowohl ich als 10-Jährige konnte über die Simpsons lachen, als auch meine Mutter als 50-jährige.

Ich finde nicht, dass es so eindeutige Kategorien geben muss,

Michel aus Lönneberga spielte in vielen Geschichten ja auch auf die sozialen Missstände seiner Zeit an - Das war auch nicht immer nur "kindgerecht" ...

Macht mal weiter so!

l.

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Beitragvon leonie » 28.03.2009, 10:41

Ich habe unserem Sohn Michel aus Lönneberga ungefähr fünfmal vorlesen müssen, weil er es geliebt hat. Ich denke, ich kann glaubhaft versichern, dass es in dem Buch keine einzige Pointe gibt, über die nur ein Erwachsener lachen kann. Auch keine Dialoge, Handlungsstränge, etc., die nur Erwachsene verstehen. Wenn Erwachsene es auch lustig finden und sogar verstehen, finde ich das in Ordnung. Aber nicht, wenn nur sie es verstehen können.
Das ist das Problem, denke ich. Wenn man wein Kinderbuch schreiben will, soll meiner Meinung nach das Kind es verstehen können, sonst nimmt man es nicht ernst. Natürlich kann es auch über soziale Missstände gehen. Aber bitte so, dass das Kind, das es liest., es verstehen kann.

Ich zitiere hier einmal Astrid Lindgren, weil ich ihre Meinung sowas von teile:

"Du schreibst nicht, damit die Rezensenten dich für witzig und geistreich halten. Vergiß das nie! Viele, die für Kinder schreiben, zwinkern über die Köpfe ihrere kindlichen Leser hinweg verschmitzt einem gedachten Leser zu, sie blinzeln Einverständnis mit den Erwachsenen und übergehen das Kind. Bitte tu das nicht - niemals, wirklich niemals! Denn es ist eine Unverschämtheit dem Kind gegenüber, das dein Buch kaufen und lesen soll."

Ich denke, dass es viel schwieriger ist, ein Kinderbuch zu schreiben als eines für Erwachsene. Weil man sich in die Welt der Kinder einfühlen können muss. Weil man die Dialoge so schreiben muss, dass Kinder sie hätten sagen können (ich habe schon so viele grottenschlechte Sachen da gelesen, wo man genau merkt, dass Erwachsene Kindern ihre Sätze in den Mund legen, Kinder sind einfach hundertmal origineller und oft genug auch klüger als Erwachsene oft meinen).

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 28.03.2009, 10:57

Für mich ist das überhaupt kein Kinderbuch sondern eine kindliche gehaltene Geschichte für Erwachsene.

Ich glaube nicht, dass ein Kind (auch kein älteres) da durchblickt, sondern sich eher auf den Arm genommen fühlt.
Beispiel: Wenn Wolf
fünf Mal im Jahr Geburtstag hat und jedes Mal fünf wird
würde sich mein Enkel total veräppelt fühlen.
Ich glaube, da wird etwas verwechselt, denn Kinder haben eine andere Form von Humor und Verständnis als Erwachsene. Sie sehen die Welt auch anders und wollen nicht gern auf den Arm genommen werden von den Großen. Ein Kind würde vermutlich entgegnen (Beispiel oben):
"Wolf ist ja doch nicht 5x im Jahr auf die Welt gekommen, sondern nur 1x, wie wir alle, also ist das Blödsinn oder er ist ein Depp, der das nicht verstanden hat."
Wenn Wolf nun eine Hauptfigur ist (wie es aussieht) ist er schon untern durch beim jungen Leser.

Es gibt ein wunderbares Beispiel für derart angelegte Geschichten, das aber im Gegensatz zu dieser hier, wirklich kindergerecht geschrieben ist: die Reihe: Der kleine Bär und der kleine Tiger von Janosch.

Man muss auch überlegen, ob man nicht eine andere Nische finden möchte, denn wie gesagt, ähnliches, aber kindergerechteres gibt es schon.

Lieben Gruß
ELsa
Schreiben ist atmen

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 28.03.2009, 11:51

Hallo ihr,

da man sich ja hier nicht rückmelden darf, nur etwas kurz zu Muckies Verschiebefrage: Für uns ist der Text fertig im Sinne des Publicus und daher möchten wir ihn nicht diskutieren und somit nicht verschieben. Eure Fragen kann der Text, so denken wir, selbst beantworten und sich daran dann für euch bewähren oder eben nicht.

liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Louisa

Beitragvon Louisa » 28.03.2009, 16:27

Hallo noch einmal,

ich habe ja auch nicht aussagen wollen, dass Lindgrens Michel-Geschichten voller Pointen für Erwachsene sind - Aber zum Beispiel behandelt sie darin auch Themen, die so in die Welt der Erwachsenen hineinreichen, dass sie zum Beispiel auch von der evangelischen Kirche benutzt werden. Dieses Weihnachtsmal für die Armen und diese ganzen Liebes-Familien-Kinder-Schlachtungs-Geschichten... - Trotzdem hast du natürlich Recht, dass die Sprache eine viel "kindgerechtere" ist als in diesem Beispiel von Lisa und Max.

Auch bei Michel hat mich damals übrigens immer sehr die Umwelt, in der sich alles abspielte fasziniert, Lisa und Max - um euch noch mal daran zu erinnern :smile:

Ich finde aber zum Beispiel diese Geschichte mit den fünf Geburtstagen sehr schön - Natürlich (!) braucht ihr aber für solche Sachen eine rationale Erklärung. Das könnte ich auch mein ganzes Leben hindurch wiederholen, dass man für alles Unmögliche eine noch unmöglichere Erklärung angeben muss, damit jeder im Raum dieser Geschichte sagen kann: "Ist doch alles ganz logisch!" - Auch wenn da ein sprechendes Nilpferd Samba mit ´nem Besen tanzt - Irgendeinen Grund wird es dafür sicher geben :smile:

Wenn Bruno erst einmal sprechen kann wird er die Geschichte sicherlich zum Bestseller machen ;-) !

Ich finde die Ideen immer noch schön. Einem 9-jährigen kann man wahrscheinlich auch schon Ironie-Verständniss zumuten.

Ihr könnt ja mal in einer Geschichte erklären, was Ironie ist - Das fände ich toll - Weil es nämlich nicht einmal viele Erwachsene gibt, die das verstehen ;-) !

Schönen Tag!
l

Louisa

Beitragvon Louisa » 28.03.2009, 16:27

PS: Gibt es zu der Geschichte auch Illustrationen?

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Sethe
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Beitragvon Sethe » 28.03.2009, 16:41

Vorweg, als kinderlose Frau und nur Gelegenheitspatentante bin ich natürlich auch nicht die Expertin für Kinderbücher. Zumal die Zeit, in der ich Kinderbücher gelesen habe, doch schon ziemlich lange zurückliegt.

Im Gegensatz zu meinen Vorschreiberinnen fühlte ich mich beim Lesen der Geschichte nicht an Pippi Langstrumpf erinnert, sondern mehr an Winnie Puh. Bei Winni Puh ist es Christopher Robin und hier Anton und Luisa.

Es sind die Spielfiguren von Anton und Luisa, die hier Abenteuer erleben.
In dem Maße wie Anton und Luisa erwachsen werden, werden sich wohl auch die Geschichten der Hauptfiguren ändern. Und wohl auch die Sprache.
Bei der Episode AIKA dürften die beiden Kinder in der Phase sein, wo sie zwar einiges mitbekommen, aber eben noch nicht alles wissen, und auch noch nicht alles richtig aussprechen können.
Deshalb das falsch geschriebene Skurhut. Ich finde das sehr typisch, oder sprechen Kinder direkt ein neues schwieriges Wort richtig aus?
Sie haben von irgendwo her mitbekommen, daß da jemand Amerika entdeckt hat. Wahrscheinlich wurde auch der Namen des Schiffes richtig genannt, nur bei den Kindern ist daraus halt Manta Sangria geworden. Die Worte Manta und Sangria dürften sie auch aufgeschnappt haben.
Wie so einiges noch nicht richtig verarbeitet wurde, wie auch die für die Kinder logisches Schlußfolgerung, Columbus hat Amerika entdeckt, weil er berühmt war.
Aus diesen Dingen, die sie erfahren haben, aber noch nicht richtig einordenen können, basteln sie sich eben ihre eigene Geschichte. Dabei merken sie, daß sie eben nicht noch nicht alles wissen und noch nicht alles erklären können. Sie sind mehrmals etwas unsicher.
Es entspricht dem Wissenstand von Anton und Luisa.
In anderen Kapiteln werden die Geschichten sich an den Wissenstand der beiden anpassen, je älter sie werden.

Ich bin mir nicht sicher, ob ein Kinderbuch immer das Ziel haben sollte, Lernstoff zu vermitteln.
Und wenn, dann aber bitte so, daß es das Kind nicht merkt. Ich für meinen Teil habe kein Kinderbuch gut gefunden, welches mit der pädagoischen Zielsetzung eines Lerneffektes daherkam.

Die einzige Pointe für Erwachsene, die ich entdeckt habe, ist das mit Delmenhorts. Wobei ein 12 jähriges Kind, welches die Bravo liest, auch wissen dürfte, daß aus Sarah Connor aus Delmenhorst kommt.

Soweit mein erster Eindruck.
Was ich tu, das tu ich, was ich tat, das wollte ich tun.
(aus: "Ich schließe mich selbst ein" von Joyce Carol Oates)

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Beitragvon leonie » 28.03.2009, 17:43

Ich kann einfach keine Altersgruppe sehen, für die diese Geschichte gedacht sein könnte. Wie alt sollen denn Anton und Louisa sein? Die Hauptfiguren sind drei und fünf. Hm...
Ich glaube, für kleine Kinder ist die Geschichte in der Sprache zu erwachsen, für größere Kinder die Thematik zu kindlich/kindisch.

Ich denke, eine Geschichte müsste außerdem getragen sein von den Abenteuern, nicht von den Gesprächen. Meiner Meinung nach ist das hier aber nicht der Fall.
Die lesenden Kinder sitzen nicht mit in dem Boot, sie fühlen nicht ihr Herz klopfen vor Abenteuerlust. Man sieht und spürt nicht, wie der Nebel über den Fluss unter die Haut kriecht, man spürt die Angst der Kinder nicht. Da fehlt es einfach am Erzählerischen. Wenn sie geduldig sind, hören die Kinder den etwas altklugen Dialogen zu.
Die Hauptfiguren, mit denen Kinder sich im Normalfall identifizieren, sind hier teilweise als etwas dumm dargestellt, Elsa sprach das schon an.
Ich glaube, für Kinder ist es nicht komisch, wenn ein Spielzeugtier Himbeersaft für Sherry hält (Unser Sohn ist 11 und ich bin sicher, dass er nicht weiß, was Sherry ist und was daran komisch sein soll, den mit Himbeersaft zu verwechseln, erst recht nicht).
Ebenso wenig, wenn es "Skorhut" für eine Krankheit hält, die einem komische Hüte wachsen lässt.
Ebensowenig "Manta Sangria". (Die den richtigen Namen wissen, tippen sich an die Stirn, die ihn nicht wissen, verstehen die Komik nicht)
Das finden Erwachsene an Kindern niedlich. Kinder selbst ist es peinlich, wenn sie merken, dass sie etwas falsch gemacht haben, sie fühlen sich dann dumm.
Kinder lachen meiner Erfahrung nach über völlig andere Dinge.

Dazu kommt, dass vieles einfach schon mal da war. Der mehrfache Geburtstag im Jahr: Findus und Petterson (übrigens geniale Kinderbücher). Die Nase, die groß/klein wird: Pinocchio (oder wer war das noch). Das wieder zu Hause ankommen: Oh wie schön ist Panama...

Ich kann das wirklich kaum glauben, dass die Geschichte "fertig" ist. Und, deshalb rege ich mich wohl so auf, ich finde wirklich, dass sie Kinder überhaupt nicht ernst nimmt.

Im übrigen meine ich auch, dass es grundsätzlich völlig ausreichend ist, wenn ein Kinderbuch Kinder gut und phantasievoll unterhält. Gerade Bücher, denen man anmerkt, dass sie darauf ausgerichtet sind, Kindern etwas beizubringen, sind manchmal fast unerträglich, finde ich.

leonie

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Sethe
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Beitragvon Sethe » 28.03.2009, 18:05

Ich glaube, für Kinder ist es nicht komisch, wenn ein Spielzeugtier Himbeersaft für Sherry hält (Unser Sohn ist 11 und ich bin sicher, dass er nicht weiß, was Sherry ist und was daran komisch sein soll, den mit Himbeersaft zu verwechseln, erst recht nicht).



Ich lese das mit dem Himbeersaft etwas anders.
Ist es nicht so, daß man als Kind vieles was die Erwachsenen so machen, so essen und so trinken bisweilen etwas seltsam findet, aber andereseits dies auch tun möchte, bzw. es auch essen und trinken will? So richtig wissen, was das ist Wein, Bier, Schnaps, oder auch Sherry weiß man aber noch nicht so richtig. Aber wollen will man es auch. Denn dann ist man ja auch groß und erwachsen und kommt sich ganz groß vor.
Also wird der Himbeersaft zum Sherry, dann ist man wie ein Erwachsener. Man hat zwar nicht unbedingt eine Ahnung was Sherry ist, aber die Erwachsenen trinken ist, also ist es was wichtiges.
Er verwechselt also den Himbeersaft nicht im Sinne vom direkten verwechseln mit dem Sherry, sondern er stellt sich vor, sein Himbeersaft ist so ein Zeugs wie ihn die Erwachsenen trinken.

Jahre später wird dann der ahha Effekt kommen, nämlich dann wenn das Kind bzw. als Erwachsener dann Sherry trinkt, dann kommt als Reaktion in Anbetracht des Erinnerung an den Himbeersaft entweder ein "bäh" oder ein "oh wie lecker". ;- )
Was ich tu, das tu ich, was ich tat, das wollte ich tun.

(aus: "Ich schließe mich selbst ein" von Joyce Carol Oates)

Max

Beitragvon Max » 28.03.2009, 18:11

Liebe Louisa,

ja, es gibt auch Illustrationen.

Nach Sätzen wie diesen hier

Ich fände es sinnvoller, dies hier in die Schreibwerkstatt zu stelle


oder diesem

Ich kann das wirklich kaum glauben, dass die Geschichte "fertig" ist.


die selbst dann eine Unverschämtheit wären, wenn ich mich dazu äußern können (Leonie, auch, wenn Du es nicht glaubst, bleibt dioe Geschichte fertig), werde ich hier bestimmmt nichts mehr zeigen.

Gruß,
max


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