In meiner Stadt

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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Elsa
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Beitragvon Elsa » 29.10.2008, 18:34

2. Fassung

In meiner Stadt

Die Fantasie reitet durch enge Gassen
wo alte Frauen ihre Dackel pinkeln lassen
und stets Geschichte neben einem schreitet

Hell lacht der Wolferl Amadeé
Der Augustin lallt: Alles tuat ma weh
der Pesthauch liegt in den Gemäuern

Der Basilisk fletscht immer noch das Maul
vor dem Fiaker hinkt ein müder Gaul
Touristen schwärmen übern Graben

Im Beisel Geigenschmalz erklingt
ein Gast das gold’ne Herz besingt
da wird mir schrecklich und auch gut

Prinz Eugen winkt steif hernieder
am Heldenplatz sammelt sich’s wieder
das Gestern wächst kräftig empor

Nicht weiter tragisch wird’s genommen
wir sind durch vieles schon geschwommen
sind Meister des Vergessens

Wien is a wunderschöne Leich’
mit einem finsteren Bereich
und dennoch lieb ich es


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(c)ELsa
Zuletzt geändert von Elsa am 31.10.2008, 09:55, insgesamt 1-mal geändert.
Schreiben ist atmen

Mucki
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Beitragvon Mucki » 29.10.2008, 21:23

Liebe Elsie,

kannst du das mal lesen, büdde?
Einmal, weil ich deine Stimme so gern hör ;-) und zum andern, weil hier das Versmaß mir nicht zu stimmen scheint.
Aber ich glaube, du hast eine ganz bestimmte Art, es zu lesen, wo es dann wieder stimmig wird.
Saludos
Mucki

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 29.10.2008, 21:39

Liebe Mucki,

aber gerne doch. Es mehr ein Erzählen und durch die Stadt schlendern.

Und dass du meine Stimme gern ... danke!

:-)
ELsa
Schreiben ist atmen

Mucki
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Beitragvon Mucki » 29.10.2008, 21:42

Liebe Elsie,
Es mehr ein Erzählen und durch die Stadt schlendern.

ja, so in etwa stelle ich mir das nämlich auch vor, deshalb mag ich es gerne hören. Fein, freu mich auf deine Lesung!
Saludos
Mucki

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 29.10.2008, 22:39

Liebe Elsa,

mit der ersten Strophe würde ich irgendwas machen (anders setzen etc.) - da sie ja eine Art Prolog ist, ein ganz anderes Schema hat etc., fast wie ein Theatervorhang, der sich öffnet. Ansonsten habe ich nur noch die dem Reim geschuldeten Inversionen zu bemeckern, die sind nicht so ganz mein Geschmack...

Den Rest find ich fein! Ich weiß nicht, inwieweit der Text etwas zu Allgemeinplätzen neigt (da ich eben keine Wienkennerin bin und daher der Text für mich genau richtig dosiert ist, aber ein Wiener wollte vielleicht tieferes?), aber ich find die Spanne schön, die vielen beschreibenden Strophen und die Endzeilen dann ganz besonders:

Wien is a wunderschöne Leich’
mit einem finsteren Bereich
und dennoch lieb ich es


hui!

Schön wieder von dir zu lesen, endlich!

Liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 29.10.2008, 23:27

Liebe Lisa,

Danke fürs hui!

Die Allgemeinplätze sind natürlich gewollt, es ist eben eine Wienerin, die ihre Augen auf das Sagen-hafte der Stadt richtet. Das Tiefere steckt eh drinnen, auch für Ortsansässige.

Auch der neuerlich Rechtsruck steckt drin.

Hm, meinst du, ich sollte das Reimen da besser bleiben lassen oder besser "biegen"?

Schön wieder von dir zu lesen, endlich!
Danke! Schön langsam erhole ich mich von einigem.

Lieben Gruß
ELsa
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Alma Marie Schneider
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Beitragvon Alma Marie Schneider » 01.11.2008, 10:04

Mir gefällt es sehr, da es mich von der ersten Zeile an an Wien erinnert hat. War irgendwie wie ein Spaziergang.
Liebe Grüße
Alma Marie
Die Schönheit erklärt man nicht, man empfindet sie (Peter Rosegger).

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ferdi
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Beitragvon ferdi » 01.11.2008, 12:11

Hallo Elsa!

Tja, in Wien war ich noch nicht... Da kann ich inhaltlich also wenig sagen ;-) Immerhin habe ich ein neues Wort gelernt: Beisel. Kam jetzt schließlich gleich in zwei Gedichten von dir vor! Ihr seid schon komische Leute da im Süden... oder benutzt zumindest komische Wörter ;-)

Vielleicht könnte man die ersten drei Zeilen ja noch etwas umstellen, um den von Lisa ins Spiel gebrachten Gedanken des "Prologs" zu unterstreichen?!

Ein Ritt der Fantasie durch enge Gassen,
wo alte Frauen Dackel pinkeln lassen
und stets Geschichte neben einem schreitet


So etwa ;-) Die zweite Zeile würde ich aber auf jeden Fall noch irgendwie ändern (und sei's nur durch Kürzung), weil sie sehr mechanisch wirkt durch die sechs "baugleichen" Wörter und die nicht vorhandene Unterteilung.

Ferdigruß!
Schäumend enthüpfte die Woge den schöngeglätteten Tannen. (Homer/Voß)

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 01.11.2008, 18:02

Hallo Alma Marie,

Schön, dass ich dich auf den Spaziergang mitnehmen konnte, Danke!

Hallo Ferdi,

Ja, wir sind komische Leute, traurige Leute, wütende Leute und liebende Leute :-) Und deine Reimverbesserungshilfe gefällt mir, die nehme ich. Aber ich warte noch, ob ich Z. 2 noch ändere.

Danke euch und liebe Grüße,
Elsa
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scarlett

Beitragvon scarlett » 02.11.2008, 13:28

Liebste Elsa,

ist wohl unnötig zu sagen, dass ich das ganz Klasse finde! Du weißt, warum ...

Die versteckten Seitenhiebe machen hier die Würze aus - aber es wäre ja nicht Wien, wenn sichs damit nicht leben ließe ...

Ich meine, die ersten drei Zeilen können so stehen bleiben, sie sind sowas wie der Tenor des Gedichts, der zwar hin und wieder durchbrochen wird, dennoch das Ganze tragen.
Sie haben sowas "Versöhnliches" und dadurch wirken die angesprochenen Hiebe nur noch besser.

Ganz toll!

Herzlichst,
Monika

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 02.11.2008, 22:17

Kueve Monika,

Oh, wie fein! Danke schön. Wie du siehst, leben wir ganz lustig damit in Wien.

Den "Prolog" überlege ich noch, aber wahrscheinlich lasse ich es so, wie es ist. Zuerst war ich begeistert von Ferdis Vorschlag, aber nun kommt es mir zu scharf vor. Naja, Wien ist eben weicher in der Modulation, der Ritt ist recht streng....

Ganz toll!
*freu*

Lieben Gruß
ELsa
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