Sliema
wir sitzen an der Triq it Torri
der alten bastion als 8000jährig
die mondnacht aus dem meer steigt.
sie wirft uns beiden
den goldenen steg zu -
und du beschreitest ihn.
ich kehre jeden abend wieder
die zwei delfine füttern und hoffe
sie singen das lied zu ende
und hoffe sie bringen einmal
mich zum horizont wo er
endet
Sliema
Am Anfang ein „wir“. Zwei Menschen an der alten Bastion. 8000 Jahre alt ist die Mondnacht aus ihrer Sicht. Eine Zahl, die Vertrauen erweckt, an die man sich lehnen kann wie an eine Mauer mit Blick auf das Meer: von dort steigt jetzt die personifizierte Mondnacht empor. Ein Steg aus Licht entsteht, am einen Ende der Mond, am anderen das Paar. Am Anfang der Strophe ist es noch eines. Am Ende der Strophe nicht mehr. Denn nur das „Du“ verlässt die sichere Bastion und beschreitet den Steg, macht sich auf in das verheißungsvolle Licht.
So wird aus dem „wir“ ein gehendes „du“ und ein zurückbleibendes „ich“ . Letzteres kehrt jeden Abend wieder an den fast magischen Ort. Der Steg ist verschwunden. Doch zwei Delfine kommen jeden Abend. Ob sie auch vor der Mondnacht da waren, bleibt unklar. Unklar auch, ob ihr Lied vorher begonnen hat oder erst nach dem Weggehen des „Du“. In jedem Fall scheinen sie etwas vollenden zu können, was offen geblieben ist. Ein Lied. Das lässt vermuten, dass es etwas Schönes war, auch wenn die Tonart unbestimmt bleibt. Das „Ich“ möchte es bis zum Ende hören, es in ganzer Länge kennen lernen. Ob sich diese Sehnsucht erfällt, liegt nicht in seiner Hand. Es ist eine Hoffnung, die aber immerhin gefüttert werden kann. Die erste von zweien.
Die zweite ist noch weitergehend. Die Delfine werden darin zu „Übersetzern“ bis ans Ende des Horizontes. „Einmal“ kann sowohl zeitlich gelesen werden im Sinne von „irgendwann einmal“ als auch als Anzahl im Sinne von „einmal nur“.
Das lyr Ich erhofft sich die Erfüllung einer Sehnsucht an der Schnittstelle zwischen Himmel und Erde. Ein Überschreiten vielleicht?
Auch hier bleibt unklar, ob Inhalt und Ziel der zentralen Bilder (goldener Steg/Mond(nacht) und Delfine/Horizont) dasselbe ist. Es könnte, muss aber nicht sein. Was die Wege dorthin betrifft, wirkt die Wasseroberfläche auf mich wie eine Trennlinie. Der eine Weg im Licht, darüber oder darauf, schwebend, ätherisch, selbständig. Der andere Weg eintauchend, tief, dunkler, elementarer, auf Begleitung angewiesen.
Interessant an dem Gedicht ist, wie sehr es von den Pronomen lebt, die wechseln. Interessant die Spannung zwischen weiblich und männlich: „die mondnacht – der horizont“, der Wechsel zwischen Linearem und Zyklischem, die Parallelität zwischen „hoffen“ und „enden“(im Sinne des griechischen „telos“ (Ende, Ziel) von vollenden )), beides sind die einzigen Worte, die doppelt vorkommen, der Wechsel zwischen Aktivität und Geschehenlassen: Das „Du“ beschreitet“, das „Ich“ füttert Sehnsucht und Hoffnung, um sich tragen lassen zu können.
Die Delfine könnten ausgedeutet werden (siehe dazu interessante Aspekte unter z.B. wikipedia), mich erinnern sie an Sarah Kirsch und Johannes Bobrowski. Ein Link, wo das schon einmal vorkam hier im Forum, wäre jedoch "verräterisch".
Ein wunderschöner Text, selbst wie eine Mondnacht. Magisch, melancholisch, Sehnsucht und Hoffnung weckend. Traurig und doch tröstlich zugleich.
Liebe Grüße an Dichter und Leser
leonie
So wird aus dem „wir“ ein gehendes „du“ und ein zurückbleibendes „ich“ . Letzteres kehrt jeden Abend wieder an den fast magischen Ort. Der Steg ist verschwunden. Doch zwei Delfine kommen jeden Abend. Ob sie auch vor der Mondnacht da waren, bleibt unklar. Unklar auch, ob ihr Lied vorher begonnen hat oder erst nach dem Weggehen des „Du“. In jedem Fall scheinen sie etwas vollenden zu können, was offen geblieben ist. Ein Lied. Das lässt vermuten, dass es etwas Schönes war, auch wenn die Tonart unbestimmt bleibt. Das „Ich“ möchte es bis zum Ende hören, es in ganzer Länge kennen lernen. Ob sich diese Sehnsucht erfällt, liegt nicht in seiner Hand. Es ist eine Hoffnung, die aber immerhin gefüttert werden kann. Die erste von zweien.
Die zweite ist noch weitergehend. Die Delfine werden darin zu „Übersetzern“ bis ans Ende des Horizontes. „Einmal“ kann sowohl zeitlich gelesen werden im Sinne von „irgendwann einmal“ als auch als Anzahl im Sinne von „einmal nur“.
Das lyr Ich erhofft sich die Erfüllung einer Sehnsucht an der Schnittstelle zwischen Himmel und Erde. Ein Überschreiten vielleicht?
Auch hier bleibt unklar, ob Inhalt und Ziel der zentralen Bilder (goldener Steg/Mond(nacht) und Delfine/Horizont) dasselbe ist. Es könnte, muss aber nicht sein. Was die Wege dorthin betrifft, wirkt die Wasseroberfläche auf mich wie eine Trennlinie. Der eine Weg im Licht, darüber oder darauf, schwebend, ätherisch, selbständig. Der andere Weg eintauchend, tief, dunkler, elementarer, auf Begleitung angewiesen.
Interessant an dem Gedicht ist, wie sehr es von den Pronomen lebt, die wechseln. Interessant die Spannung zwischen weiblich und männlich: „die mondnacht – der horizont“, der Wechsel zwischen Linearem und Zyklischem, die Parallelität zwischen „hoffen“ und „enden“(im Sinne des griechischen „telos“ (Ende, Ziel) von vollenden )), beides sind die einzigen Worte, die doppelt vorkommen, der Wechsel zwischen Aktivität und Geschehenlassen: Das „Du“ beschreitet“, das „Ich“ füttert Sehnsucht und Hoffnung, um sich tragen lassen zu können.
Die Delfine könnten ausgedeutet werden (siehe dazu interessante Aspekte unter z.B. wikipedia), mich erinnern sie an Sarah Kirsch und Johannes Bobrowski. Ein Link, wo das schon einmal vorkam hier im Forum, wäre jedoch "verräterisch".
Ein wunderschöner Text, selbst wie eine Mondnacht. Magisch, melancholisch, Sehnsucht und Hoffnung weckend. Traurig und doch tröstlich zugleich.
Liebe Grüße an Dichter und Leser
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