liebesbriefe

Der Anonymus bietet Mitgliedern die Möglichkeit, ein Werk sowohl anonym einzustellen, als auch anonym (auf die Rückmeldungen) zu antworten. Bitte lest euch die FAQs gut durch, bevor ihr etwas in diese Rubrik einstellt.)
Anonymus
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Registriert: 28.09.2007

Beitragvon Anonymus » 08.02.2008, 08:35

liebes
fine
briefe & leid
zeitgebräunt sonnendünn
papier & haut
transparent ungezähmt
bittrer vogel
sehnsucht
reisetauglich & festgeklebt
die zähne ausgebissen
d. c. al fine

Klara
Beiträge: 4508
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Beitragvon Klara » 08.02.2008, 09:14

find ich gelungen. ich mag die idee mit der feinen musikalischen referenz: in noten steht FINE (ende), aber danach kommt noch etwas, ein b-teil (englisch "bridge") oder was auch immer, zumindest auf dem notenpapier, damit man auf möglichst wenig platz verständlich machen kann, wie das stück arrangiert ist. und erst nach dem b-teil kommt ein "da capo al fine" (wiederhole alles vom "kopf" - capo - bis zum ende - fine), manchmal steht dort auch "da capo al segno", und vom zeichen geht es dann in die coda, den schwanz des stückes, an deren ende FINE ist, schluss.

wie liebeskummer immer wieder ins da capo geht, wenn man schon meinte, er sei endlich vorbei, sind auch manche lieder in sich selbst wiederholt, oder man spielt sie noch öfter ab, im kopf spielt man alles öfter ab, da capo, da capo, viele lieder (schlager, pop, folk, rock) leben von der wiederholung: strophe auf strophe, refrain auf refrain, im notenblatt ohne text, in der STRUKTUR wäre das sozusagen ein immer wiederkehrendes da capo.

was sich mir sperrt, sind die worte "festgeklebt" und die letzte zeile "die zähne ausgebissen" - scheint mir auszubrechen aus der briefmetapher, aus einem anderen / für ein anderes gedicht bestimmt zu sein.

"festgeklebt" käme vielleicht stimmiger, wenn es zu einem "zugeklebt" würde. und "die zähne ausgebissen" könnte vielleicht abgesetzt werden?

wie gesagt: ich mag es.

klara

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 08.02.2008, 10:37

Für mich ist die sprachliche und bildliche Umsetzung hier wenig schlüssig. Das von Klara erwähnte ständige Wiederholen ist ja im Text nicht angelegt. Es ist ein Durchgang, der zu einem schnellen Ende führt.
briefe & leid
zeitgebräunt sonnendünn

Die "zeitgebräunten briefe" gefallen mir, allerdings kann ich das sonnendünn weder auf die Briefe noch auf das Leid beziehen, zeilenübergreifend in Bezug auf das Papier, entsteht bei mir auch kein Bild.
papier & haut
transparent ungezähmt

Auch hier finde ich eine Zuordnung schwierig, wenn die Briefe zeitgebräunt sind, ist das verwendete Papier nicht transparent. Höchstens das, was darauf geschrieben steht.
Der "bittre Vogel Sehnsucht" finde ich als Metapher, die sich selbst erklärt wenig gelungen. ein bittrer Vogel?
"reisetauglich & festgeklebt" wer, der Vogel Sehnsucht? Weshalb sollte die Sehnsucht reisen? Ist es nicht eher das Ich, das sich auf die Reise machen will, aber nicht kann?
Und schließlich noch die ausgebissenen Zähne. Auch hier entsteht für mich nach dem Aufbau des Gedichtes der Bezug zum Vogel, was eine gewisse Komik aufkommen lässt, die vermutlich nicht intendiert war.

Da das Gedicht einen Bezug zur Musik aufwirft, erwarte ich auch eine dem inhaltlichen Thema des Gedichtes entsprechende "Sprachmelodie"
diese kann ich jedoch nicht hören.

smile

Maija

Beitragvon Maija » 08.02.2008, 18:02

Die Überschrift lautet ja : Liebesbriefe (also Mehrzahl)

Die Briefe flattern also hin und her (reisetauglich) und mal festgeklebt. Worte voller Liebe, die sich eines Tages ausgebissen haben (Zähne) Erinnert mich an ein Sprichwort. (=festgebissen)
Mit der Musik komme ich nicht klar, da es nicht sorgfältig durchdacht wurden ist. Der Klang=Melodie fehlt hier, deshalb auch kein Bezug zur Musik.

LG, Maija

Mucki
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Beitragvon Mucki » 09.02.2008, 00:57

Mich spricht dieses Gedicht an. Besonders interessant finde ich die Setzung.
Beginnend mit dem "liebes", getrennt vom "briefe". Man könnte das "liebes" als Anrede lesen. (Das "fine" könnte man hier auch wörtlich nehmen, sprich als Ende, also Ende der Liebe oder ein Nichtweiterkommen.) Dann jeweils zwei Worte mit dem "&" dazwischen. Wenn ich hier jeweils das erste Wort und das zweite in Bezug zum 1. und 2. der nächsten Zeile u.s.w. setze, ergibt sich eine Geschichte, die von vergilbten Briefen, Schmerz und ungezähmter Lust erzählt:

briefe - zeitgebräunt
leid - sonnendünn
papier - transparent
haut - ungezähmt

Nun folgt eine Zäsur:

bittrer vogel
sehnsucht
reisetauglich & festgeklebt
die zähne ausgebissen

Hieraus erlese ich, dass diese Briefe niemals abgesandt wurden. Sie waren fertig kuvertiert und zugeklebt (reisetauglich & festgeklebt), aber LI konnte sie nicht wegschicken (klebte sozusagen selbst fest) und biss sich daran die Zähne aus, und das immer wieder (d.c. al fine), also immer wieder von vorne, obwohl LI unter großer Sehnsucht leidet, brachte es aber nicht fertig, sie jemals abzusenden.
Man kann es auch als traurige Erinnerung einer Liebesbeziehung lesen, die in den Briefen geschrieben ist und das LI sitzt vor den alten Briefen. LI könnte eine Reise nicht angetreten haben. Ein spannendes Gedicht.

Saludos
Mucki

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 09.02.2008, 09:34

Hallo,

Bis auf den "bittren vogel sehnsucht" (Klischeefalle) finde ich das Gedicht gelungen. Wenn schon, dann "bittrer sehnsuchtsvogel", das würde mich weniger stören.

Sonst fühlt es sich vertraut an beim Lesen und ich werde Jahre zurückversetzt, in denen ich versuchte mit Briefen fine aufzuhalten, was natürlich Blödsinn ist. Entliebt ist entliebt. Fertig.
Denn daran beisst man sich die Zähne aus, jawohl.

Lieben Gruß
ELsa
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